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Fanatismus, Fanatiker: 4 Fragen und Antworten


Fanatismus (lateinisch: fanaticus = göttliche Inspiration) ist die Erhebung einer Idee, Vorstellung oder Meinung zum absoluten Wert, wodurch diese Sache blindwütig, aggressiv, rücksichtslos und ohne Betrachtung der Gesamtwirklichkeit verfolgt wird. Personen, welche ihre eigene Weltvorstellung so durchsetzen wollen, werden als Fanatiker bzw. Fanatikerin (weiblich) bezeichnet.

Was sind Fanatiker: Definition und Bedeutung

Fanatiker wollen ihre Ideen verbreiten. Innerhalb ihrer Wirklichkeit ist diese Idee oder Meinung absolut wahr, richtig und muss von anderen Personen ebenfalls als wahr erkannt werden. Um andere Menschen von dieser Wahrheit zu überzeugen, werden Methoden genutzt, welche rücksichtslos eingesetzt werden, wodurch das Handeln für den Fanatiker und dessen Umfeld schwerwiegende Folgen haben kann.

Für rationale und vernünftige Argumente sind Fanatiker nicht zugänglich und so wird auch das Infragestellen der eigenen Idee nicht geduldet. Für den Fanatiker ist die Reflexion mit seiner Vorstellung und Meinung nicht möglich, da diese einen absoluten Wert hat. Dadurch ist die Meinung in allen Belangen unanfechtbar, unangreifbar und es wird für Außenstehende nicht möglich, diese durch Argumente aufzuweichen.

Welche Arten und Formen von Fanatismus gibt es

Fanatismus tritt in verschiedenen Formen auf. Dabei unterscheidet sich lediglich die Idee in ihrem Inhalt. Die Unanfechtbarkeit der Sache bleibt in jeder Erscheinungsform erhalten. Die allgemeinen fanatischen Konzepte sind:

  • Ideologie
  • Fundamentalismus
  • religiöser Fanatismus
  • Rassismus
  • Extremismus

Ideologie als fanatisches Konzept

Die Ideologie ist eine Verfälschung von Sichtweisen, die durch Interessen geleitet wird und welche dazu führt, dass sich die Weltanschauung des Individuums, einer Gruppe oder Gesellschaft ändert. Ideologie ist demnach eine Manipulation, welche zu einem falschen Bewusstsein führt. Ideologisch beeinflusste Menschen wissen dann nicht mehr, was richtig, was falsch, oder was wahr und unwahr ist.

Durch die gezielte Verbreitung von Ideologien wird eine Idee im Gedankengut des Menschen festgesetzt, welche sich gegenüber gegenläufigen Ideen klar abgrenzen lässt und diese als falsch erachtet – da diese der eingepflanzten Idee und somit dem bereits fest verankerten Weltbild widersprechen. Da diese Idee unumstößlich und nicht durch Argumente aufgeweicht werden kann, ist diese ideologische Weltanschauung eine Erscheinungsform des Fanatismus.

Extremismus als Erscheinungsform des Fanatismus

Als Extremismus werden Ideen und Konzepte verstanden, welche am äußersten Rand, in den sogenannten Extremen, angesiedelt sind. Aufgrund dieser Unterbringung fehlt der Bezug zu den gegenläufigen Ideen komplett. Die Entfernung zum anderen Rand, wo gegenteilige Gedanken angesiedelt werden würden, ist einfach zu groß, um eine Verbindung (Bezug) innerlich herzustellen.

Dadurch können Gegenargumente, welche angebracht werden, überhaupt nicht Einzug halten – da einfach der Bezug – aufgrund des Ideenabstands- fehlt. Somit können Fanatiker lediglich gemäßigte Argumente zulassen, welche sich in der Nähe der eigenen Idee befinden. Diese werden allerdings oftmals dazu genutzt, um die eigene Meinung weiter zu untermauern – wodurch sich das Extrem weiter verschiebt. Irgendwann fehlt auch der Bezug zur gemäßigten Idee und kann vom Fanatiker nicht akzeptiert werden.

Rassismus als weitere Form des Fanatismus

Rassismus ist die Idee, dass Menschen sich aufgrund eines Merkmals, wie der Hautfarbe oder der Religionszugehörigkeit, soweit von anderen Menschen unterscheiden lassen – dass diese zugleich auch andere Wesensmerkmale, Persönlichkeiten oder Interessen haben müssen.

Dabei basiert Rassismus auf Vorurteilen, welche durch eine Situation oder ein Ereignis geschaffen werden. Dieses Ereignis wird als absolut betrachtet. Durch die Absolutheit werden dann Merkmale aus der Situation abgleitet und auf bestimmte Menschentypen (z.B. Hautfarbe), welche in dieser Situation vorkommen, übertragen. Dann tritt eine Verallgemeinerung auf und dieses Merkmal wird auf alle Menschentypen (gleicher Hautfarbe) übertragen.

Hier ein Beispiel…
Es kann bereits in einem fiktiven Film eine Szene auftauchen, wo ein Dunkelhäutiger Mensch mit Drogen dealt. Dieses Merkmal wird dann auf alle dunkelhäutigen Menschen übertragen, wodurch beim Betrachter des Films, der Eindruck entsteht, dass alle dunkelhäutigen Menschen automatisch Drogen verkaufen. Sieht man dies entsprechend oft in Filmen, wird das Vorurteil immer weiter erhärtet. Die Einteilung nach Menschentypen, Menschenkategorien oder Menschenrassen fördert den Rassismus.

Da Rassisten oftmals persönlich keine Bekanntschaft mit Menschen machen, denen sie ein Vorurteil anhängen – bleibt dieses Vorurteil erhalten. Durch weitere Filme, fehlende Aufklärung und Trugbilder des Alltags erhärtet sich das Vorurteil immer weiter, wodurch es an den extremen Rand gedrängt wird. Dann wird Rassismus zum Extremismus, wodurch der Bezug zu anderem Gedankengut fehlt.

Fundamentalismus als Fanatismus

Der Fundamentalismus basiert auf einer Grundwahrheit (Fundament), auf der dann weitere Wahrheiten aufgebaut und Wirklichkeiten geknüpft werden. Oftmals wird Fundamentalismus als religiöser Glaubenskampf abgetan, jedoch ist das Festsetzen jeder unumstößlichen Grundwahrheit, bereits als Fundamentalismus zu sehen.

Da alle abgeleiteten Wahrheiten aus dieser kleinsten Grundwahrheit entstanden sind, entsteht ein Wahrheitsgerüst – welches sich gegenseitig stützt. Jede abgeleitete Wahrheit schützt die Grundwahrheit, da diese die Basis stellt. Dadurch wird die Grundwahrheit unangreifbar, ist nicht zugänglich für Argumente und stattdessen können lediglich darüberliegende Wahrheitsschichten abgetragen werden. Aber jede Wahrheitsschicht, welche einen direkten und starken Bezug zur Grundwahrheit hat, gilt als unumstößlich – da ansonsten die Säulen des ganze Wahrheitsgerüst zusammenfallen würden.

Religiöser Fanatismus

Religiöser Fanatismus ist eine Mischung aus Ideologie, Fundamentalismus, Rassismus und Extremismus bzw. dieser entsteht durch die anderen Erscheinungsformen. Dabei wird die eigene Religion als überlegen betrachtet. Menschen mit anderem Glauben liegen falsch und müssen bekehrt werden.

Die Grundidee der Überlegenheit ist das Fundament dieser Weltanschauung. Durch Ideologie werden Argumente geschaffen, welche den Glauben an die Überlegenheit stützen und schützen. Durch Vorurteile und Ereignisse, ähnlich wie im Rassismus, werden Merkmale geschaffen – welche man Andersgläubigen überstülpen kann, wodurch sich Fanatiker in ihrer Anschauung bestätigt fühlen. Da diese Weltanschauung sich immer weiter verhärtet, rutscht diese an den extremen Rand der eigenen Gedankenwelt ab – wodurch gegenteilige Argumente nicht akzeptabel sind. (Extremismus)

Wie entsteht Fanatismus: Entstehung und Geschichte

Fanatismus wird begünstigt durch Isolation und Perspektivlosigkeit. Um beide Umstände zu überwinden, kann ein fanatisches Bewusstsein und ein Wir-Gefühl geschaffen werden, wodurch eine Gemeinschaft entsteht und gleichzeitig eine Abgrenzung gegenüber anderen Bevölkerungsteilen begünstigt wird, welche als Grund für die Isolation und Perspektivlosigkeit ausgemacht wurden.

Abgrenzungen sind immer in Krisenzeiten möglich, da der Mensch nach Schuldigen für seine eigene Krise sucht. Deshalb konnte der Nationalsozialismus in Deutschland einkehren, indem man den Juden und Kommunisten die Schuld an der Weltwirtschaftskrise zuschob. Mit einem Nationalismus schafft man die kleinste Gemeinsamkeit innerhalb einer Nation, zu der sich möglichst viele Menschen zugehörig und somit angesprochen fühlen. Indem man dann die Schuldfrage klärt und verschiebt, kann man auf Grundlage des Nationalgefühls eine breitangelegte neue Grundwahrheit etablieren, worauf sich ein Fundamentalismus aufbauen lässt.

Auf Grundlage des Fundamentalismus lassen sich dann neue Wahrheiten etablieren, welche mit einer Überwindungsphantasie der eigenen Perspektivlosigkeit verknüpft wird. Die Weltwirtschaftskrise ließ sich, laut den Nazis, überwinden – indem man die Juden verfolgt, enteignet und in Arbeitslager steckt, wo sie der Volksgemeinschaft dienen.

Die Rote Armee Fraktion (RAF) und andere linke Fanatiker wollten die soziale Ungleichheit dadurch überwinden, indem man Kapitalisten und Teilen des Bürgertums vorwarf, die Menschheit auszubeuten. Dadurch wurde die Schuldfrage für die eigene Perspektivlosigkeit gelöst. Durch Beschuldigung entsteht Abgrenzung, wodurch man Gleichgesinnte gewinnt, welche sich dem Unrechtssystem des Kapitalismus nicht ergeben und stattdessen eine neue Ordnung schaffen wollen.

Diese neue Ordnung basiert dann auf der Schuldfrage und der Verachtung gegenüber dem Unrechtssystems, wodurch sich eine neue Grundwahrheit aufbauen lässt – an welcher dann neue Wahrheiten angeknüpft werden können.

Massenfanatismus

In jeder Geschichtsepoche gab es Menschen, welche von ihrer Überzeugung besessen waren und glaubten, dass man durch missionarischen Eifer eine neue Idee in die Welt tragen müsste. Diese Ideen entstehen immer in Krisenzeiten, da in Harmoniezeiten niemand auf die Idee kommt, etwas ändern zu wollen. Somit sind wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische Umbruchsfantasien immer ein Produkt der Krise, wodurch ein Nährboden für eine fanatische Massenbewegung gelegt wird.

Beispiele sind: Stalinismus, diverse Revolutionen, Faschismus, Nationalsozialismus, Bolschewismus, Kreuzritterzeit, Inquisition, Bar-Kochba-Aufstand

Persönlicher Fanatismus

Persönlicher Fanatismus entsteht oft in der individuellen Krise, da in Zeiten von Glückseligkeit und Harmonie, kein Anlass zu fanatischen Perspektiven besteht. Allerdings können persönliche Krisen bereits Zweifel, Wut, Trauer, Sucht oder Angst sein.

Diese Gefühle und Emotionen drängen das Individuum dazu, sich zu isolieren und die Schuldfrage zu stellen. Und falls man die Schuld für seine eigene Krise nicht bei sich, sondern bei anderen Menschen oder Institutionen sucht, wird man machtlos. Denn wenn man in seiner Gedankenwelt keine Verantwortung für die eigene Krise erkennt, hat man selbst auch nicht die Macht, diese zu überwinden. Stattdessen konstruiert die Psyche einen Schuldigen, welchen man mit Macht ausstattet. Schließlich glaubt das Individuum daran, dass diese andere Person, Regierung, Kirche oder Staat eine Macht ausübt, an der die Ursachen der eigenen Krise geknüpft sind. Letztlich kommt man dadurch auf die Idee, diese Person oder Institution entmachten zu wollen bzw. ein Unrechtssystem zu überwinden.

Die eigene Machtlosigkeit wird somit zum Fundament bzw. zur Grundwahrheit, auf der sich neue Wahrheiten aufsetzen und verknüpfen lassen. Je mehr Wahrheiten an dieser Grundwahrheit anknüpfen, desto entschiedener drängt das Individuum zum Extremismus und desto schwieriger werden Argumentationen verlaufen, um die eigene Ideenwelt zu erschüttern.

Worin besteht der Unterschied zwischen Fanatiker und Märtyrer

(siehe Hauptartikel: Unterschied zwischen Fanatiker und Märtyrer und Fragen und Antworten zum Märtyrertum bzw. Martyrium)
Ein Märtyrer ist jemand, welcher ein Martyrium durchlitten hat und gestorben ist. Diese Person ist dann tot. Demnach sind Märtyrer immer durch ihren Glauben gestorben, haben Qualen aufgenommen und werden deshalb verehrt. Bei Fanatikern ist dies anders. Sie leben noch und stehen oftmals außerhalb der Gesellschaft, werden nicht zwingend verehrt oder Ähnliches.

Literatur und Quellen

  • Ernst-Dieter Lantermann (Autor), Die radikalisierte Gesellschaft: Von der Logik des Fanatismus, ISBN: 389667577X*
  • Günter Hole (Autor), Fanatismus. Der Drang zum Extrem und seine psychischen Wurzeln (Psyche und Gesellschaft), ISBN: 3898062937*
  • Frank Meier (Autor), Religiöser Fanatismus: Menschen zwischen Glaube und Besessenheit, ISBN: 3799508139*

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