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Wie haben Urmenschen gesprochen: Sprache und Kommunikationsformen


Beherrschten Urmenschen eine Sprache und konnten sie sprechen?
Archäologen und Anthropologen sind bezüglich dieser Frage uneins. Um zu verstehen, warum sie uneins sind, müssen wir die Methodik der Archäologie (und auch Anthropologie) hinnehmen. Denn die Archäologie ist eine rein empirisch arbeitende Disziplin: Sie akzeptiert ausschließlich das, was nachgewiesen ist, beziehungsweise, was nachgewiesen werden kann. Das bedeutet nicht, dass es nicht auch Aussagen über unbelegte Sachverhalte gibt, aber die sind eben oft reine Spekulation.

Wir wissen zum Beispiel nicht, ob der frühe Urmensch, wie der Australopithecus, bereits das Feuer kannte und nutzte. Die ältesten Belege für die Nutzung des Feuers sind lediglich 400.000 Jahre alt. Alle anderen Aussagen zur Nutzung von Feuer, zum Beispiel durch den Homo erectus oder Australopithecus, sind nicht beweisbar. Vielleicht wird einmal eine ältere Feuerstelle gefunden und diese Aussage korrigiert. Ähnliches gilt für die Sprache.

Wie können wir wissen, wie die Urmenschen gesprochen haben

Sprache kommt von Sprechen. Und so benötigen wir einen Sprecher und einen Zuhörer, um Sprache zu hören, zu erkennen und zu verstehen. So kann man am Flughafen viele unterschiedliche Sprachen hören. Man erkennt vielleicht die eine oder andere, aber viele mögen unbekannt sein. Auch wenn jemand die Sprache nicht versteht, so erkennt man doch, dass es um Kommunikation geht.

Dies ist beim Urmenschen aber nicht mehr möglich, denn sie sind schon lange tot. Lediglich ihre Hinterlassenschaften, also Skelette, aber auch das, was sie hergestellt und genutzt haben, können uns etwas erzählen. Moment mal, wirst du vielleicht sagen. Wer Latein lernt, redet ja auch nicht mehr mit den alten Römern. Die sind doch auch schon mehr als tausend Jahre tot. Das stimmt. Aber es gibt noch eine Möglichkeit, sich direkt einer Sprache zu nähern: durch deren Schrift.

Die Römer, Ägypter, Griechen, alten Inder und Chinesen haben uns viele alte Texte hinterlassen, sodass moderne Linguisten sich der gesprochenen Sprache nähern können. Aber dies hilft ebenfalls nicht weiter. Der Urmensch kannte noch keine Schrift! Deswegen nennen Archäologen diese Zeit Urgeschichte oder Vorgeschichte. Geschichte, als tatsächliche Rekonstruktion der Vergangenheit, ist an Schrift gebunden, an die Überlieferung von Fakten in Texten. Die gab es weder in der Eisenzeit, Bronzezeit, noch in der davor liegenden Steinzeit. Archäologen können also weder über das gesprochene Wort, noch das geschriebene, Erkenntnisse aus der Urgeschichte gewinnen.

Linguistik und Naturwissenschaft helfen den Archäologen

Es gibt aber noch andere Ansätze. Linguisten und Anatomen können ebenfalls dazu beitragen, herauszufinden, ob der frühe Mensch bereits gesprochen hat. Warum sprechen wir? Weil wir’s können. Unser Kehlkopf und unser Mundraum sind anatomisch so ausgebildet, dass wir Laute (Linguisten nennen sie Phon) ausbilden können. Diese können Bedeutungen tragen. Dann nennt man sie Phoneme.

Der Laut „a“ zum Beispiel kann bereits Erstaunen, Überraschung oder Schmerz ausdrücken. In anderen Regionen kann er andere Bedeutungen haben. Der moderne Mensch ist aber in der Lage, ein „a“ zu artikulieren. Archäologen gehen deshalb davon aus, dass auch der prähistorische Mensch dies konnte, zumindest der Homo sapiens sapiens, der vor knapp 300.000 Jahren in Afrika entstand und danach die gesamte Erde besiedelt hat. Was wir nicht wissen ist, welche Sprache er gesprochen hat.

Hier kann die Linguistik ein wenig helfen. Oder zumindest versuchen zu helfen. Linguisten können rekonstruieren, wie sogenannte Ursprachen ausgesehen haben könnten. Sie rekonstruieren dabei die Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Sprachen, die miteinander verwandt sind. Deutsch und Englisch zum Beispiel.

Wird der berühmteste Römer, Julius Caesar, denn nun mit K (Griechisch), Ts (Deutsch), scharfem S (Englisch) oder weichem S (Französisch) oder gar Tsch (Italienisch) gesprochen? Vergleiche mit Texten aus der Antike und den enthaltenden Schriftsprachen führen zu der Annahme, dass das Klassische Latein tatsächlich ein k-Laut war, der später in unterschiedlichen Regionen anders ausgesprochen wurde.

So ähnlich können auch Ur-Wörter rekonstruiert werden. Diese sind aber immer nur Annahmen. Ob diese Urwörter so wirklich existierten, wissen wir nicht. Leider ist es nicht möglich, diese Ursprache bis in die fernste Vergangenheit zu rekonstruieren. Ursprachen lassen sich nur wenige tausend Jahre in die Vergangenheit verfolgen, so wie das Ur-Indoeuropäische, welches für die Zeit um 2000-3000 v. Chr. angesetzt wird. Was davor gesprochen wurde, wissen wir nicht und werden es auch nicht wissen können. Was wir aber sagen können, ist, dass der Jetztmensch (homo sapiens) mindestens seit 300.000 Jahren die anatomische Fähigkeit hatte zu sprechen.

Keine Belege für Sprechwerkzeuge bei den Urmenschen

Bei den Vorgängerformen, dem Urmenschen und dem Frühmenschen, sind sich die Anthropologen nicht sicher. Untersuchungen der Skelettfunde der frühesten Menschenformen, also Australopithecus, Homo habilis und Homo erectus, sind nicht ergiebig. Es gibt zu wenige Knochen und auch zu wenige Beispiele für den Kehlkopfbereich. Aussagen, ob diese Ur- und Frühmenschen bereits in der Lage gewesen wären zu sprechen, sind nicht eindeutig.

Dementsprechend sind Archäologen, wie auch Anthropologen, darüber zerstritten. Bislang gibt es keine Beweise, dass diese Urmenschen eine Sprache hatten oder gar sprechen konnten. Einige Forscher verweisen jedoch darauf, dass bereits Tiere eine primitive Art von Kommunikation besitzen. Möglicherweise gab es bei den ältesten Ur- und Frühmenschen bereits sehr primitiv ausgebildete Laute, wie Klicken, Grunzen usw. Aber dies ist empirisch nicht beweisbar und die meisten Forscher lehnen solche Aussagen als Spekulation ab.

Sprache ist auch ein Hinweis auf Denken

Ein weiterer Ansatz stammt aus der kognitiven Archäologie. Diese untersucht, welche Gedankenprozesse unsere Vorfahren gehabt haben könnten. Sie wird vor allem auf die Bildsprache von prähistorischen Höhlen- und Felszeichnungen angewendet. Zeugen diese nicht von einer Art „Kunstschaffen“? Und was ist mit prähistorischen Musikinstrumenten, wie der Flöte aus dem Hohle Fels? Wenn der Homo sapiens zu jenem Zeitpunkt bereits Kunst und vielleicht auch Spiritualität ausdrücken konnte, dann konnte er sicherlich auch schon kommunizieren – mittels einer Sprache.

Ähnliche Ansätze werden für den Neandertaler diskutiert. Auch hier konnten bereits Ansätze einer Kunst und auch einer Spiritualität, zum Beispiel im Rahmen von Bestattungen, nachgewiesen werden. Direkte Beweise für eine Sprache sind dies jedoch nicht. Sie belegen aber, dass sowohl Homo sapiens als auch Neandertaler nicht nur über die notwendigen Sprechorgane verfügt haben, sondern auch über ein Denken, das konkrete und abstrakte Denkprozesse verarbeiten konnte. Sprache war zumindest möglich.

Wir werden aber niemals wissen, wie sich diese in Form einer konkreten Sprache ausdrücken ließ. Bei den Urmenschenformen lassen sich diese kognitiven Prozesse zwar ebenfalls in primitiver Form nachweisen, aber ob sie Ausdruck eines abstrakten Denkens waren, ist nicht klar. Nur wenige Artefakte, also Objekte aus jener Zeit, lassen sich als „Kunst“ oder „Kult“ interpretieren.

Die meisten Steinwerkzeuge waren Alltagswerkzeuge, die nicht besonders entwickelt waren. Australopithecus nutzte über Jahrmillionen nur Geröllgeräte und die Faustkeile, die mit dem Homo erectus in Verbindung gebracht werden, laufen ebenfalls fast eine Million Jahre ohne Veränderungen durch. Aber auch hier lässt sich nur zusammenfassend sagen: Ob sie sprechen konnten oder nicht, ist reine persönliche Meinung – wissen werden wir es höchstwahrscheinlich nie.


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