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Bedeutung der Biologischen Psychologie


Es wäre zu kurz gegriffen, sich in der Psychologie ausschließlich mit dem Geist zu befassen. Schließlich ist unser Denken und Handeln alles andere als unabhängig von unserem Körper. Zum Denken brauchen wir ein Gehirn. Und in diesem spielt sich eine Menge ab. Sowohl auf physiologischer und chemischer als auch auf neurologischer Basis.

Außerdem wird unsere Psyche nicht nur von der Struktur unseres Gehirns beeinflusst. Auch ein komplexes Zusammenspiel verschiedenster Botenstoffe und anderer körpereigener sowie äußerer Einflüsse wirken auf unser Denken ein. Hinzu kommt, dass unser Gehirn ein Produkt der Evolution ist. Ein Blick auf unsere Entwicklungsgeschichte ist also durchaus sinnvoll, wenn man etwas über das menschliche Verhalten lernen möchte. Daher kann die Biologie schlichtweg nicht außer Acht gelassen werden, wenn es um die Psyche geht.

Aus diesem Grund hat sich ein psychologischer Teilbereich herausgebildet, welcher sich mit biologischen Themen rund um Evolution, Neurowissenschaften und Verhaltensgenetik beschäftigt: die biologische Psychologie.

Von Schädelformen und anderen Irrungen

Die Grundidee zum Zusammenhang von Körper und Geist ist kein neues Phänomen. Wenn es um die Lokalisation der Seele geht, lag der Philosoph Platon zu Zeiten der griechischen Antike bereits gar nicht so falsch: Er vermutete diese nämlich im Kopf, während Aristoteles das Herz als Sitz der Seele vermutete.

Einige Zeit später – besser gesagt im 19. Jahrhundert – wurde der Kopf beziehungsweise dessen Form mit der Psyche in Zusammenhang gebracht. Der deutsche Physiker Franz Gall ging davon aus, dass sich anhand von bestimmten Unebenheiten des Schädels Intelligenz und Persönlichkeitsmerkmale an der Kopfform ablesen ließen. Die Phrenologie nahm ihren Anfang. In kurzer Zeit fand diese Idee großen Anklang – besonders in Großbritannien. Hier gründeten sich knapp 30 phrenologische Gesellschaften, welche auch in Nordamerika Vorträge zu ihren Theorien abhielten.

Knochen geben keine Auskunft über das Denken

Mittlerweile ist klar, dass Gall und die Anhänger seiner Theorie ziemlich daneben lagen. Es ist nicht möglich, von der Form des Schädels beziehungsweise bestimmten Dellen, Hügeln oder Unebenheiten auf den Charakter oder die Denkleistung eines Menschen zu schließen. Die knöcherne Hülle, die unser Gehirn umgibt, sagt rein gar nichts über die Hirnfunktionen oder die Persönlichkeit aus.

Allerdings war Galls Idee einer „Landkarte“ gar nicht so falsch. Allerdings ist diese nicht auf dem Schädel, sondern im Gehirn selbst zu verorten. Es gibt zwar keinen Teil des Schädels, der zum Beispiel über das moralische Empfinden eines Menschen Aufschluss gibt. Doch es gibt Areale im Gehirn (oder genauer gesagt auf dem Kortex – der einer Walnuss ähnelnden Struktur), die etwa für die Sprache, die Verarbeitung von Geräuschen oder das Sehen verantwortlich sind.

Heute wissen wir viel über die Zusammenhänge von Körper und Psyche

Es hat sich einiges getan seit Platon und Gall. Seit den Anfängen des 20. Jahrhunderts haben wir eine Menge über die biologischen Zusammenhänge gelernt, die hinter dem menschlichen Handeln, Denken und Fühlen stecken. Wir wissen, dass nicht nur unser restlicher Körper, sondern auch unser Gehirn aus Zellen besteht. Hier sind vor allem Nervenzellen von Interesse.

Nervenzellen (auch Neuronen genannt) kommunizieren miteinander. Auf diese Weise tauschen sie Informationen über eingehende Reize aus. Das geschieht über chemische Botenstoffe (Neurotransmitter), die über den synaptischen Spalt ausgetauscht werden. Dieser Spalt stellt die Verbindungsstelle zwischen den einzelnen Neuronen dar. Nervenzellen beziehungsweise Neurone befinden sich allerdings nicht ausschließlich im Gehirn, sondern im gesamten Nervensystem.

Wir wissen mittlerweile auch, dass es eine Vielzahl unterschiedlicher Strukturen und Bereiche im Gehirn gibt. Diese haben jeweils verschiedene Funktionen und Zuständigkeitsbereiche inne. Auch wissen wir mittlerweile viel über die Art und Weise, wie wir die Welt um uns herum wahrnehmen. Dabei spielen unsere Sinnesorgane eine entscheidende Rolle. Ohne funktionierende Ohren könnte dein Gehirn keine akustischen Reize wahrnehmen und verarbeiten. Und ohne Augen, würde dein Gehirn keinen visuellen Input bekommen.

Allerdings (um nochmals auf die unterschiedlichen Areale zurückzukommen) könntest du auch mit perfekten Augen nichts sehen, wenn die Sehrinde deines Gehirns beschädigt wäre. Denn hier werden die visuellen Reize überhaut erst zusammengesetzt, so dass du ein Bild „siehst“.

Der wandelbare Denkapparat

Zudem ist uns heutzutage bekannt, dass das Gehirn kein starres Konstrukt ist. Denn mit jeder neuen Lernerfahrung bilden sich weitere Synapsen aus. Dabei handelt es sich um die Verbindungen zwischen einzelnen Nervenzellen. Außerdem können nach der Beschädigung eines bestimmten Areals manchmal auch andere Bereiche dessen Funktion kompensieren oder gänzlich übernehmen. Es gibt daher sogar Fälle, in denen Menschen mit nur einer Gehirnhälfte ein verhältnismäßig normales Leben führen.

Das trifft beispielsweise auf Epilepsie-Patienten zu, denen früher noch eine Hälfte des Gehirns entnommen wurde. Diese recht radikale Operationsmethode wird heute nicht mehr verwendet, ist jedoch häufig effektiv. Epileptische Anfälle treten im Anschluss nur noch selten oder überhaupt nicht mehr auf. Gleichzeitig können allerdings auch bereits kleinste Blutungen im Gehirn zu langfristigen Schäden und Lähmungen führen. Oder auch zu Koma und Tod. Das Gehirn ist also beides gleichzeitig: äußerst anpassungsfähig und unheimlich fragil.

Die Interaktion von Physis und Psyche am Beispiel Stress

Natürlich spielen das Gehirn und das Nervensystem in der biologischen Psychologie eine ganz besondere Rolle. Doch auch andere biologische Systeme werden nicht außer Acht gelassen. Dazu gehören beispielsweise das Herz-Kreislauf-System, das endokrine System, der Magen-Darm-Trakt oder das Immunsystem. Sämtliche Systeme können sowohl auf die Psyche wirken als auch von unserem Geist beeinflusst werden. Ein gutes Beispiel dafür ist Stress. Dabei kommt es zu wechselseitigen Beeinflussungen von Körper und Geist.

Nimmt unser Gehirn einen Reiz wahr und bewertet ihn als Stressor, wird eine ganze Reihe biologischer Mechanismen in Gang gesetzt. Der Körper produziert Stresshormone, welche zu den typischen Reaktionen führen: das Herz rast, die Hände schwitzen, ein unangenehmes Gefühl macht sich in der Magengegend breit. Daraufhin bemerkt unser Geist wiederum „Aha, der Körper reagiert auf die vermeintliche Gefahr – also muss da etwas dran sein“ und schnell bildet sich noch mehr mentaler Stress.

Es ist also schlichtweg nicht möglich, das Gehirn oder unseren Geist unabhängig vom Rest des Körpers zu betrachten. Zumindest dann nicht, wenn wir unsere Psyche möglichst ganzheitlich begreifen möchten. Menschen sind biopsychosoziale Systeme. Denken und Handeln werden demnach nicht nur von unserer sozialen Umwelt oder unserer Persönlichkeit beeinflusst. Viel mehr handelt es sich bei unserem Geist um ein Konstrukt, dass von biologischen, soziokulturellen und psychischen Faktoren beeinflusst wird.

Gleichzeitig interagieren diese Faktoren noch miteinander. Da diese Einflüsse eine erhebliche Rolle bei der Psychologie spielen, finden sich die Erkenntnisse der biologischen Psychologie auch in einer Reihe von anderen psychologischen Teildisziplinen wieder.

Zusammenfassung

  • Körper und Psyche sind nicht zu trennen. Daher ist der Einbezug der biologischen Vorgänge im menschlichen Körper unverzichtbar in der Psychologie.
  • Unser Denken und Handeln wird von etlichen Faktoren beeinflusst. Dazu gehören zum Beispiel soziale Aspekte, Lernerfahrungen und Persönlichkeitsmerkmale.
  • Doch auch körpereigene Prozesse haben Auswirkungen auf unsere Psyche. So können etwa Hormone unsere Stimmung aufhellen oder trüben. Sie sind allerdings auch dazu in der Lage, körperliche Reaktionen auszulösen. So zum Beispiel beim Empfinden von Stress. Gleichzeitig werden diese Reaktionen wiederum vom Körper als Bestätigung für den „Ernst der Lage“ interpretiert.
  • Die Annahmen der Phrenologie nach Gall haben sich nicht bewahrheitet. An spezifischen Ausformungen des Schädelknochens eines Menschen können weder dessen Charakter noch Hirnfunktionen nachgewiesen werden.
  • Allerdings findet sich Galls Idee einer Landkarte wieder. Jedoch nicht auf dem Schädel, sondern im Gehirn. Denn unterschiedliche Areale haben verschiedene Funktionen. So steuern bestimmte Bereich des Gehirns die Sprache, andere das Sehen, die Motorik oder das Denken.
  • Um die Psyche besser zu verstehen, muss man auch das Gehirn kennen. In diesem befinden sich etliche Milliarden Nervenzellen, die miteinander kommunizieren. Auf diese Weise leiten sie Reize durch das Gehirn.
  • Mittlerweile wissen wir, wie anpassungsfähig unsere Denkzentrale ist. Bestimmte Areale können die Funktion anderer übernehmen, sofern es zu Verletzungen kommt. Allerdings können gleichzeitig auch selbst kleinste Verletzungen schwere Folgen nach sich ziehen. Das Gehirn ist daher ebenso verletzlich wie faszinierend.

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