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Was bedeutet Behaviorismus: Merkmale, Abgrenzung und Unterschiede zu anderen Strömungen


Was steckt hinter dem Erlernen verschiedener Verhaltensweisen?
Der Behaviorismus liefert darauf eine kurze Antwort: Auf einen Reiz folgt eine Reaktion in Form eines Verhaltens. Sind die Konsequenzen dieses Verhaltens positiv, wird das Verhalten beibehalten.

Aber ist das wirklich so einfach?
Immerhin müsste dann auch jeder Mensch auf einen Reiz mit demselben Verhalten reagieren. Du wirst aber sicher schon einmal bemerkt haben, dass das nicht der Fall ist. Der Behaviorismus gerät in einigen Bereichen in Erklärungsnot.

Neben dem Behaviorismus gibt es noch andere psychologische Strömungen. Welche Unterschiede dazu bestehen, verrät dir dieser Text.

Was ist Behaviorismus

Der Behaviorismus ist eine psychologische Perspektive, bei der das Verhalten durch Umweltreize verursacht wird.

Diese Reize werden auch Stimuli genannt.
Werden die Stimuli von einem Organismus (einem Menschen oder einem Tier) wahrgenommen, durchlaufen sie in der behavioristischen Vorstellung die sogenannte Black Box. Diese steht stellvertretend für verschiedene Prozesse, welche im Menschen stattfinden und letztendlich zu einer Reaktion führen.

Welche Prozesse das sind, ist im Behaviorismus erst einmal nicht von Bedeutung. Der Behaviorismus interessiert sich nicht für die inneren Prozesse. Daher wird die Black Box auch nicht weiter untersucht. Eine radikalere Form des Behaviorismus geht noch einen Schritt weiter. Hier wird davon ausgegangen, dass im Inneren des Menschen überhaupt nichts passiert. Eine Black Box ist überflüssig, da die Vertreter dieser Strömung allein die Umweltreize als Auslöser für bestimmte Verhaltensweisen annehmen.

Somit werden Gedanken, mögliche Entscheidungen und innere Konflikte überhaupt nicht berücksichtigt.
Es wird lediglich der Reiz und die menschliche Reaktion auf diesen Reiz protokolliert.

Was ich nicht sehe, ist nicht von Bedeutung

Der Behaviorismus ist also nicht sonderlich daran interessiert, was im Inneren eines Kopfes vorgeht.

Im Vordergrund steht das rein objektiv beobachtbare Verhalten.
Gründer und einer der Hauptvertreter des Behaviorismus war John Watson. Er stand der Introspektion sehr kritisch gegenüber. Diese damals noch gängige Form zur Untersuchung von Verhaltensweisen empfand er als nicht akzeptabel. Bei der Introspektion spricht eine Person ausschließlich über ihre Gedanken, woraus Schlussfolgerungen auf das Verhalten gezogen werden. Dieses Verfahren ist natürlich sehr subjektiv und genau das bemängelte Watson. Da das Hauptziel der Psychologie die Vorhersage und die Kontrolle des Verhaltens sein sollte, störte sich Watson sehr an der Introspektion. Seiner Ansicht nach konnten Bewusstseinszustände und Gedanken nicht objektiv gemessen werden. Deshalb seien sie als Datengrundlage auch völlig ungeeignet.

Watson führte Versuche mit Tieren durch und übertrug die Ergebnisse auf das menschliche Verhalten. Allerdings war das nicht nur bei den Ergebnissen von Watson der Fall, sondern wird allgemein im Behaviorismus so gehandhabt.

B. F. Skinner schloss die Konsequenzen von Verhalten in den Behaviorismus mit ein. Er ging davon aus, dass Verhalten auch dessen potenziellen Folgen beeinflusst wird und nicht durch Denkprozesse. Zur Untersuchung der Zusammenhänge von Umweltreizen und Verhaltensweise nutzte Skinner Tauben als Forschungsobjekte. Diesen wurde eine Weile das Futter vorenthalten und gleichzeitig beigebracht auf eine Scheibe zu picken, um an Nahrung zu gelangen. Dieses Verhalten erklärte Skinner sich allein durch einfachste Lernprinzipien: Bei Hunger dient die Nahrung als Verstärker. Pickt die Taube nun auf die Scheibe, öffnet sich ein Fach mit Futter. Der Vogel bildet daraufhin eine Assoziation zwischen seinem Verhalten und dessen Konsequenzen.

Lernerfahrungen spielen im Behaviorismus daher eine wichtige Rolle.
Sie sind verantwortlich für die Entwicklung von Verhaltensweisen. Mit dem Behaviorismus verknüpft ist auch das Beobachtungslernen. Dabei wird angenommen, dass Kinder Verhaltensweisen von anderen übernehmen. So ist es wahrscheinlicher, dass Kinder später auch ihren eigenen Nachwuchs schlagen, wenn sie selbst von ihren Eltern mit körperlicher Züchtigung bestraft wurden. Kinder lernen demnach durch Imitation von Modellen. Wie genau das Modelllernen funktioniert, wird später noch erklärt.

Der Spracherwerb funktioniert nach behavioristischer Ansicht auf den eben beschriebenen Mechanismen: Verstärkung und Imitation. Wenn ein Kind „richtige“ Laute oder Worte zur Benennung seiner Umwelt nutzt, wird es zum Beispiel durch die Eltern mit einer freudigen Reaktion belohnt. Das Kind prägt sich dieses Wort daraufhin ein. Auf „falsche“ Laute folgen keine oder gar eine negative Reaktion der Eltern und das Kind verwirft diese Laute. Die Sprache stellt in dieser Theorie also eine Reaktion auf Umweltreize dar.

Wesentliche Kennzeichen der Tiefenpsychologie und Unterschiede zum Behaviorismus

Die Tiefenpsychologie geht von einer ganz anderen Seite an die Entwicklung von Verhaltensweisen heran.

Diese psychologische Perspektive entwickelte sich aus der psychoanalytischen Praxis. Die Psychoanalyse wurde von Sigmund Freud begründet und wurde von Carl Gustav Jung (analytische Psychologie) und Alfred Adler (Individualpsychologie) übernommen und weiterentwickelt.

Die psychischen Prozesse haben hier eine wesentlich größere Bedeutung als im Behaviorismus. So werden psychische Erkrankungen nicht etwa als direkte Reaktion auf einen Umweltreiz verstanden. Vielmehr wird deren Ursache in unbewussten Konflikten vermutet. Diese Konflikte wurden durch unangenehme oder traumatische Erfahrungen in der Kindheit verursacht und sollen durch die Bewusstmachung mit Hilfe des Therapeuten gelöst werden.

Wirkungsvoll ist die tiefenpsychologische Therapie vor allem bei akuten Depressionen, Panikstörungen und Posttraumatischen Belastungsstörungen. Die Tiefenpsychologie und die Psychoanalyse werden allerdings dahingehend kritisiert, dass ihre Theorien nicht hinreichend empirisch geprüft werden können.

Welcher Unterschied besteht zwischen Behaviorismus und Kognitivismus

Im Gegensatz zum Behaviorismus ist die Black Box beim Kognitivismus interessanter.

Der Kognitivismus vermutet in der Black Box kognitive Prozesse, die für die Reaktionen auf Umweltreize verantwortlich sind. Kognitionen sind alle psychologischen Inhalte, die sich auf Intelligenz, Denken, Sprache, Wahrnehmung, Gedächtnis, Aufmerksamkeit und Problemlösen beziehen.

Während der Behaviorismus all diese Prozesse außer Acht lässt und in der Black Box verstaut, befasst sich der Kognitivismus vordergründig mit eben diesen. Aus dieser psychologischen Perspektive haben die kognitiven Prozesse einen wichtigen Einfluss auf unsere Verhaltensweisen. Das Erlernen von Verhalten ist also weit mehr als die bloße Verbindung von Reiz und Reaktion.

Kinder müssen Sprache als ein Symbolsystem verstehen

Auch die Vorstellung des Spracherwerbs ist im Kognitivismus eine andere.
Hier steht die Frage im Mittelpunkt „Welche kognitiven Prozesse muss das Kind vollziehen, um das Sprechen zu lernen?“. Im Kognitivismus wird die Sprache nicht als bloße Reaktion interpretiert, die nur aus Imitation und Verstärkung entsteht. Es müssen etliche Prozesse durchlaufen werden, damit das komplexe Konstrukt der Sprache erlernt werden kann.

Ein wichtiger Punkt ist die Objektpermanenz.
Dem Kind muss klar sein, dass Dinge außerhalb seines Sichtfelds weiterhin existieren. Daran knüpft die Symbolfunktion an. Diese ermöglicht es dem Kind, ein Wort als Symbol für ein Objekt zu verstehen. Außerdem ist die Fähigkeit zum Perspektivwechsel notwendig. Durch diesen verstehen Kinder, dass sie ihrem Gesprächspartner bestimmte Dinge erklären müssen. Etwa wenn sie über ein spezielles Objekt sprechen wollen, das die andere Person nicht kennt. Sie müssen sich in die andere Person hineinversetzen können, um ihre Sprache dementsprechend anzupassen.

Was ist der Unterschied zwischen Behaviorismus und Konstruktivismus

Der Behaviorismus geht von immer gleichen Reaktionen auf bestimmte Reize aus – beim Konstruktivismus ist das anders.

Der Behaviorismus geht davon aus, dass auf einen bestimmten Reiz auch ein bestimmtes Verhalten folgt. Dieses Verhalten müsste demnach auf alle Individuen übertragbar sein. Verhaltensweisen wären also sehr leicht vorherzusagen. Dass dies allerdings nicht der Fall ist, ist kein Geheimnis. Auf ein und dieselbe Situation regieren verschiedene Menschen meistens vollkommen unterschiedlich. Einen Erklärungsansatz dafür bildet der Konstruktivismus. Dieser geht davon aus, dass wir nicht identisch auf Umweltreize reagieren. Stattdessen erzeugt jeder Mensch mittels seiner Sinneseindrücke und seiner Erfahrungen eine subjektive Realität.

Die individuelle Reaktion auf denselben Reiz, hängt von der subjektiven Interpretation der Situation ab. Das hat natürlich auch einen Einfluss auf Lernprozesse. Was und wie im Endeffekt gelernt wird, hängt von der Lernsituation und dem Vorwissen des Einzelnen ab. Daraus folgt, dass das Wissen einer Person auch nicht auf eine andere in gleichbleibender Form übertragen werden kann. Der Lernende nimmt also nicht eins zu eins die angebotenen Informationen auf, sondern interpretiert sie um und fügt sie in seine subjektive Realität ein.

Während der Behaviorismus den Erwerb von Wissen nur als neu entstehende Frage-Antwort-Verbindungen versteht, rückt beim Konstruktivismus das selbstständig Entdecken und Konstruieren im Vordergrund. Lernen ist hier ein aktiver Prozess.

Worin unterscheidet sich der Neobehaviorismus vom Behaviorismus

Da der klassische Behaviorismus auf manche Forschungsprobleme einfach keine Antworten liefern konnte, bildete sich in den 1920er Jahren der Neobehaviorismus heraus.

Dieser leugnete nicht die Existenz der Verarbeitungsprozesse im Gehirn.
Es geht also wieder einmal um die Black Box. Diese trägt ihren Namen übrigens deshalb, weil die psychischen Prozesse nicht von außen beobachtbar sind und „im Dunkeln“ stattfinden. Die Gründer des Neobehaviorismus waren Clark L. Hull und Edward C. Tolman. Während Hull allerdings immer noch von einer relativ passiven Abfolge von Reiz und Reaktion ausging, band Tolman die Einsicht mit in das Konzept ein.

Bei der Einsicht geht es um das konkrete Verstehen eines Sachverhaltes. Damit ist nicht nur das Erkennen von Zusammenhängen gemeint, sondern auch ein Verständnis für die Ursachen und die Folgen eines Verhaltens. Die Einsicht ist mit einem Aha-Erlebnis vergleichbar. Sie basiert nicht auf vorherigen Erfahrungen, sondern scheint plötzlich und ohne langes Ausprobieren auf der geistigen Bildfläche zu erscheinen.

Ein weiteres Konzept des Neobehaviorismus ist die Reiz-Reiz-Verbindung. Es gibt beispielsweise die instrumentelle Reiz-Reiz-Verbindung, bei der man sich in einer bestimmten Situation aufgrund bestimmter Verhaltensweisen Erfolg verspricht. Oder auch räumliche Reiz-Reiz-Verbindungen, welche auch als kognitive Landkarten bezeichnet werden. Diese Landkarten sind die mentale Repräsentation von mehrdimensionalen und geografischen Räumen.

Behaviorismus und kognitive Lerntheorie

Die Wurzeln der kognitiven Lerntheorie liegen im Behaviorismus.

Jedoch werden Lernprozesse hier nicht als Reaktion auf Verhaltenskonsequenzen gesehen. Das Lernen durch Beobachtung steht hier im Vordergrund. Das bedeutet, dass Wissen und Verhalten allein durch die Beobachtung anderer aufgenommen werden kann und nicht nur von einer Reiz-Reaktion-Verbindung abhängt.

Dieses Lernen am Modell wurde von Albert Bandura entwickelt.
Es beinhaltet mehrere Phasen, in denen neue Inhalte erlernt werden.

  • Die erste Phase beinhaltet Aufmerksamkeitsprozesse.
    Hierbei konzentriert sich der Beobachter genau auf das Modell und nimmt die ihn interessierenden Verhaltensweisen wahr.
  • Darauf folgt die zweite Phase.
    Hier finden Verhaltensprozesse statt. Das Beobachtete wird im Gedächtnis gespeichert, so dass es in der dritten Phase wieder aufgerufen werden kann.
  • Die dritte Phase ist Erschaffen.
    Dabei handelt es sich dann um die Prozesse der Reproduktion. Das im Gedächtnis gespeicherte Verhalten wird nachgeahmt, die Bewegungsabläufe wiederholt.
  • Die vierte und letzte Phase besteht aus Verstärkungs- und Motivationsprozessen. Der Beobachter sieht die Erfolge seines Verhaltens. Das wiederum verstärkt diese Verhaltensweise. Selbst kleinste Fortschritte motivieren zum erneuten und wiederholten Ausführen des erlernten Verhaltens.

Bedingungen für ein erfolgreiches Lernen am Modell

Es gibt bestimmte Faktoren, die ein erfolgreiches Lernen am Modell ermöglichen.
Die Motivation zum Lernen ist größer, wenn eine emotionale Beziehung zum Modell besteht. Die Chancen auf einen Lernerfolg sind also bei einem Lehrer größer, der dir sympathisch ist.

Auch der soziale Status kann ausschlaggebend sein.
Modelle in Form von Autoritätspersonen sollten also auch einen guten Lernerfolg beim Beobachter erzielen. Dazu zählen zum Beispiel Vorgesetzte, Eltern oder Lehrer.

Wichtig ist allerdings auch die Erreichbarkeit und Nachvollziehbarkeit des Modellverhaltens.
Kann der Beobachter aufgrund mangelnder Fähigkeiten das Verhalten des Modells einfach nicht umsetzen, wird auch kein Lernprozess stattfinden. Gleiches gilt, wenn der Beobachter das Modellverhalten ganz einfach nicht versteht. Schließlich sind auch noch Motivation und Verstärkung wichtig, um dem Beobachter ein Erfolgsgefühl zu vermitteln. Ohne Erfolg hat der Beobachter wenig Anlass zum Übernehmen des Modellverhaltens.


Literatur und Quellen

  • Bärbel Fürstenau: Lehr-Lern-Theorien: Behaviorismus, Kognitivismus, Konstruktivismus: Lernen und Expertise verstehen und fördern, ISBN 3834019887*
  • Wolfgang Mack (Hrsg.), Helmut E. Lück (Hrsg.), Karl-Heinz Renner (Hrsg.): Behaviorismus und Erkenntnistheorie im psychologisch-historischen Kontext (Beiträge zur Geschichte der Psychologie, Band 27), ISBN 3631655959*
  • Max Hillebrand: Grundzüge des Behaviorismus von Watson und Skinner. Das Little-Albert Experiment, ISBN 3668354413*
  • Eckart Leiser: Von Ratten und Menschen: Kritische Annäherung an den Behaviorismus, ISBN 3643135475*

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