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Heuristiken in der Psychologie: Bedeutung, Beispiele und Modelle


Unter Heuristiken versteht man, innerhalb der Psychologie, mentale Abkürzungen. Wenn wir vor einem Problem stehen, tut sich eine Barriere auf. Diese wollen wir umgehen. Wir wollen das Problem lösen. Um das zu tun, greifen wir zu unterschiedlichen Mitteln. Ein sicherer Weg zu einer Lösung ist ein Algorithmus. Dieses Vorgehen ist den meisten vermutlich aus der Mathematik bekannt.

Um einen Algorithmus anwenden zu können, müssen Start- und Zielpunkt des Problems beziehungsweise der Lösung bekannt sein. Auch die einzelnen Schritte auf dem Weg zur Lösung, müssen einem vorliegen und bewusst sein. Das bedeutet allerdings auch, dass uns sämtliche Informationen zur Problemlösung vorliegen müssen. Ansonsten führen die vorgefertigten Lösungsschritte nicht zum Ziel. Da im Alltag jedoch so gut wie nie sämtliche Informationen verfügbar sind, greifen wir häufig auf Heuristiken zurück. Was eine Heuristik ist und welche Formen es gibt, erfährst du in diesem Artikel.

Heuristiken sind Daumenregeln

Unter einer Heuristik kannst du dir auch eine mentale Abkürzung vorstellen. Sie sind ein Teil unseres Entscheidungsverhaltens und tragen zum Problemlöseverhalten bei.

Wie bereits erwähnt, liegen uns in alltäglichen Situationen, zum Beispiel in sozialen Situationen, ganz einfach nicht alle Informationen vor, um eine logische und rational korrekte Lösung zu finden. Wir haben nicht genügend Hinweise, um eine einwandfreie Rechnung aufzustellen. Diese Rechnungen sollten im Idealfall auch die Konsequenzen einer Handlung im Problemlöseprozess vorhersagen können.

Allerdings ist es für uns unmöglich, uns alle potenziellen Folgen einer Entscheidung vorzustellen. Auch in Bezug auf die Konsequenzen fehlen uns also die nötigen Informationen. Besonders in sozialen Interaktionen wird das deutlich. Du kannst schlichtweg nicht in den Kopf deines Gegenübers schauen und sein Verhalten zu hundert Prozent vorhersagen. Die Persönlichkeit des anderen, dessen Stimmung, die Umstände der Situation und weitere Aspekte machen es dir unmöglich, alle Einflussfaktoren zu berücksichtigen. Du bist quasi gezwungen, auf Heuristiken zurückzugreifen.

Man arbeitet mit dem, was man hat

Daher nutzen wir das, was wir haben und wenden Heuristiken an. Wir legen den Fokus auf das, was uns wichtig erscheint und beziehen (vermeintlich) unwichtige Aspekte nicht in unsere Überlegungen ein. Hier herrscht eine Verknüpfung mit unserer Intuition vor, welche auf Erfahrungen basiert. Da jeder Mensch in seinem Leben unterschiedliche Erfahrungen macht, unterscheidet sich auch die individuelle Intuition.

Es werden also nicht alle relevanten Aspekte in die Entscheidungsfindung einbezogen. Dadurch ergibt sich sozusagen ein Kompromiss zwischen unseren kognitiven Anstrengungen beziehungsweise Fähigkeiten und einer möglichst einfachen Durchführung in Bezug auf den Lösungsprozess. Des Weiteren findet ein Kompromiss zwischen Zeit und den möglichen Konsequenzen statt. Wenn wir uns über alle potenziell möglichen Folgen unserer Entscheidungen Gedanken machen würden, würden wir nie zu einer Entscheidung kommen.

Überraschend zielführend trotz Informationslücken

Dennoch sind Entscheidungen, die auf Heuristiken beruhen, in der Regel sehr effektiv. Was irgendwie verwunderlich ist, wenn man bedenkt, wie viele Informationen ausgelassen werden oder unbekannt sind.

Es stellt sich daher die Frage, wie rational der Mensch überhaupt handelt. Schließlich sehen sich die meisten Menschen als rational handelnde Wesen und führen ihre Entscheidungen auf bestimmte Argumente zurück.

Doch in Anbetracht der Tatsache, dass wir allein schon häufig aus Zeitgründen eine Entscheidung fällen, ohne uns lange über die möglichen Folgen den Kopf zerbrochen zu haben, weist auf das Folgende hin: Der Mensch verhält sich weniger rational als es ihm theoretisch möglich wäre (oder als er sich selbst eingestehen möchte).

Da unsere Entscheidungsfindung allerdings in den meisten Fällen von einem Kontext abhängig ist, entscheiden wir uns eher praktisch rational. Das Verhalten richtet sich demnach mehr an den vorherrschenden Bedingungen aus als an den theoretischen Möglichkeiten.

Welche Formen von Heuristiken gibt es?

Heuristiken sind adaptiv. Wir greifen also je nach Situation und Kontext auf verschiedene Heuristiken zurück. Diese sind daher auch meistens zielführend, wenn auch nicht immer. Es gibt einige Heuristiken, die vor allem bei der Problemlösung häufig zum Einsatz kommen.

Trial and Error bzw. Random Search Heuristik

Eine der einfachsten Heuristiken ist die „random search“-Heuristik. Es geht hierbei um eine nahezu wahllose Suche. Versuch und Irrtum (trial and error) spielen hierbei eine besondere Rolle. Diese Heuristik ist deshalb eine der einfachsten, weil sie nur wenig kognitive Anstrengung fordert. Man probiert einfach etwas aus – wenn es klappt, dann klappt es. Wenn nicht, dann eben nicht.

Es findet eine eher zufällige Auswahl von unterschiedlichen Handlungen statt, die anschließend in Bezug auf die Zielerreichung überprüft werden. Meist wird diese Heuristik dann angewendet, wenn schon vieles probiert wurde und sonst nichts mehr geht.

Hill climbing Methode

Etwas anspruchsvoller und auch verlässlicher als die „random search“ Methode ist das sogenannte „hill climbing“. Hierbei geht es weniger um Versuch und Irrtum, sondern um eine wissensabhängige Heuristik. Wir greifen einerseits auf unser Vorwissen zurück und versuchen andererseits auf Grundlage dessen einen Schritt voraus zu denken.

Wir erinnern uns dabei demnach an frühere Problemlöseprozesse, die in ähnlichen Situationen schon einmal funktioniert haben. Dadurch haben wir eine Auswahl an verschiedenen Schritten. Aus diesem Fundus können wir mögliche Folgeschritten wähle. Du hangelst dich also sozusagen von einem „Wissensstein“ zum nächsten, bis zu zur Bergspitze (der Lösung) gelangst.

Means-Ends Analyse von verfügbaren Mitteln und dem Ziel

Während die „„random search“-Heuristik“ noch recht einfach und zufällig ablief, geht es bei der Means-Ends Analyse schon bedeutend anspruchsvoller zu.

Sie verlangt uns einerseits eine hohe kognitive Leistung ab, ist andererseits jedoch auch sehr erfolgreich. Bei dieser Methode zerlegen wir das Gesamtproblem in kleinere Teile. Wir bilden „Subprobleme“. Dazu beschreiben wir zunächst die Differenz zwischen dem Ist- und dem Zielzustand. Im folgenden Schritt werden Zwischenziele formuliert, um diese Differenz zu verkleinern und überschaubarer zu machen. Zusätzlich müssen noch Möglichkeiten gewählt werden, mit denen die Zwischenziele erreicht werden können.

Verfügbarkeitsheuristik

Im Alltag greifen wir auch häufig auf die Verfügbarkeitsheuristik zurück. Dabei handelt es sich um die Einschätzung der Wahrscheinlichkeit von verschiedenen Ergebnissen. Für wie wahrscheinlich wir etwas halten, machen wir jedoch von der Verfügbarkeit unserer Erinnerung abhängig. Das bedeutet, dass wir Dinge für wahrscheinlicher halten, wenn wir sie schnell und leicht aus dem Gedächtnis abrufen können. Allerdings ist es so, dass wir uns besonders gut an spektakuläre Ereignisse erinnern. So kommen wir häufig zu dem Schluss, dass das Fliegen weit gefährlicher ist als das Fahren mit dem Auto. Bilder von Flugzeugabstürzen sind dramatischer und einprägsamer.

Was uns als erstes in den Sinn kommt, halten wir für die wahrscheinlichste Option

Bilder von Autounfällen sind zwar auch schrecklich, doch sind sie medial weniger präsent. Ein Flugzeugabsturz mit vielen Toten und Verletzten wird eher in den Nachrichten gezeigt als ein „alltäglicher“ Unfall auf der Landstraße, bei dem vielleicht nur eine Person verletzt wurde.

Rein statistisch gesehen, kommen allerdings mehr Menschen durch Autounfälle ums Leben als durch Flugzeugabstürze. Da sich Flugzeugunglücke allerdings stärker in unser Gedächtnis einbrennen, schätzen wir die Wahrscheinlichkeit für einen Absturz höher ein als die Möglichkeit eines Autounfalls.

Erforschung von Lösungsverhalten

Beobachten, befragen oder „ins Gehirn schauen“. Falls du dich nun fragst, wie die Wissenschaft diese unterschiedlichen Vorgehensweisen ermittelt hat: In der psychologischen Forschung gibt es verschiedene Methoden, um das menschliche Denken und Verhalten zu beobachten. Letzteres kann beispielsweise im Rahmen von Verhaltensbeobachtungen erforscht werden. Dazu werden Versuchsteilnehmer mit Problemlöseaufgaben konfrontiert und ihr Verhalten während des Löseprozesses wird beobachtet und dokumentiert.

Ein anderer Ansatz stammt noch aus den 1970er Jahren – die Protokollanalyse. Dabei handelt es sich um einen verbalen Prozess, bei dem die Versuchsperson seine Überlegungen zur Lösung kommuniziert. Hier ist auch vom lauten Denken die Rede. Computersimulationen oder bildgebende Verfahren tragen jedoch auch einen entscheidenden Teil dazu bei, die geistigen Vorgänge beim Prozess der Problemlösung und Entscheidung zu entschlüsseln.

Auch Verletzungen bestimmter Hirnareale können einen Aufschluss darüber geben, wie unsere Entscheidungsvorgänge funktionieren. Bei Schädigungen des Frontalhirns wird das Arbeitsgedächtnis beeinträchtigt. Dieses ist allerdings für die Problemlösung wichtig. So zum Beispiel auch bei der Heuristik des „hill climbing“.

Um diese Heuristik auszuführen, müssen wir uns an bereits gemacht Schritte erinnern, um die folgenden korrekt auszuwählen. Patienten mit einer Läsion im Frontalhirn haben Probleme dabei, sich an ihr bisheriges Vorgehen zu erinnern und brauchen länger für die Lösung. Zum Beispiel wiederholen sie frühere Schritte häufig und kommen so in ihrem Lösungsprozess nicht voran.

Zusammenfassung

  • Heuristiken sind mentale Abkürzungen oder Daumenregeln.
  • Wir greifen auf sie zurück, wenn uns nicht alle nötigen Informationen für eine Lösung vorliegen.
  • Ein Mangel an Informationen ist im Alltag eher die Regel als eine Ausnahme.
  • Daher ist es erstaunlich, dass Heuristiken dennoch zu effektiven Problemlösungen führen.
  • Obwohl sie meistens zielführend sind, sind sie es doch nicht immer.
  • Trotzdem nutzen wir Heuristiken meist allein schon aus Zeitgründen.
  • Daher handelt der Mensch meist weniger rational als er denkt.
  • Eine einfache Form der Heuristik ist das „Trial and Error“-Vorgehen. Dabei handelt es sich um eine zufällige Handlungsabfolge, die eventuell zielführend ist. Diese Variante bedarf keiner großer kognitiven Anstrengung.
  • Das „hill climbing“ greift auf vorhandenes Wissen zurück und setzt dieses schrittweise für die Lösungsfindung ein.
  • Am anspruchsvollsten ist die Means-Ends-Analyse, bei der das Problem definiert und in Unterziele unterteilt wird. Für jedes Unterziel werden die geeigneten Mittel zu deren Lösung gesucht.
  • Bei der Verfügbarkeitsheuristik versuchen wir, die Wahrscheinlichkeit von Ereignissen einzuschätzen. Dafür nutzen wir die Erinnerungen, die wir am leichtesten abrufen können. Allerdings sind die Ereignisse, die uns als erstes einfallen, nicht zwingend die wahrscheinlichsten. Daher liegen wir mit unserer Wahrscheinlichkeitsschätzung häufig daneben.
  • In der Forschung gibt es verschiedene Methoden zur Erforschung von Problemlöse- und Entscheidungsprozessen. Lautes Denken oder Verhaltensbeobachtungen geben Aufschluss über das Vorgehen. Doch auch Verletzungen des Gehirns liefern Hinweise darauf, welche Bereiche für die Entscheidungsfindung und Lösung von Problemen zuständig sind.

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