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Soziale Isolation: Ursachen und Folgen


Soziale Isolation ist ein Begriff, welcher vornehmlich in der Sozialpsychologie oder Soziologie verwendet wird. Er beschreibt den Umstand von langandauerndem Alleinsein und bezieht sich auf Personengruppen, welche keinen oder kaum Kontakt zu anderen Menschen haben.

Dauerhaftes Alleinsein führt zu Einsamkeit. Des Weiteren hat dies ungeahnte Folgen auf sämtliche anderen Lebensbereiche. Laut derzeitigem Forschungsstand besteht ein Zusammenhang zwischen sozialen Beziehungen und Glück, Lebenserwartung und der Wahrscheinlichkeit zu erkranken. Umgekehrt besteht auch ein Zusammenhang zwischen Einsamkeit und Depressionen, Demenz, Herzerkrankungen und körperlichen Leiden.

Beziehungen und deren Einfluss auf Gefühlswelt, Weltanschauung

Mit manchen Menschen verbringen wir einfach gern unsere Zeit. Wir genießen ihre Gegenwart, fühlen uns mit ihnen verbunden und haben in ihrer Nähe einfach ein positives Gefühl. Sind wir hingegen mit Menschen zusammen, die wir nicht wirklich gut leiden können, dann fühlen wir uns gänzlich anders.

Diese bestimmte Person macht uns vielleicht irgendwie wütend, weil sie uns ständig kritisiert oder wir einfach mit ihrer Weltanschauung nicht konform gehen. Wir fühlen uns dann einfach sofort unwohl, sobald wir uns mit diesem Menschen in einem Raum befinden oder mit ihr oder ihm sprechen (müssen).

In welcher Beziehung wir zu einer anderen Person stehen, hat daher ohne Frage einen Einfluss auf unsere Wahrnehmung und somit auch auf unsere Stimmung. Doch kann sich eine Beziehung – egal welcher Art – auch auf unser allgemeines Wohlbefinden und unsere Gesundheit auswirken?

Die sozialpsychologische Forschung kann diese Frage ziemlich eindeutig mit „Ja“ beantworten. Beziehungen wirken sich nicht nur auf unser psychisches, sondern auch auf unser körperliches Wohlbefinden aus.

Der Zusammenhang von sozialen Bindungen und Glücksgefühlen

Es hängt von unserer Persönlichkeit ab, wie oft und mit wie vielen Menschen wir uns umgeben.
Manche Menschen neigen dazu, sich nur einen sehr kleinen Freundeskreis aufzubauen. Sie sind dann nur mit einer Handvoll Menschen befreundet, doch gehen diese Freundschaften dann meist auch sehr in die Tiefe.

Andere Leute hingegen fühlen sich in einem sehr großen Freundes- und Bekanntenkreis wohler. Zwar haben diese dann mehr Kontakte, doch häufig auch flüchtigere. Diese beiden Fälle sind die Pole eines Spektrums, auf welchem man sich selbst irgendwo dazwischen einordnen kann.

Auch von unserer Persönlichkeit abhängig ist die Zeit, die wir lieber allein verbringen. Während manche unruhig werden, wenn sie nicht unter Leute gehen können, genießen andere eine ausgedehnte Zeitspanne, die sie ganz für sich allein haben. Doch auch diese Menschen haben natürlich irgendwann das Bedürfnis, sich mit anderen auszutauschen.

Soziale Isolation macht krank

Vielleicht gehörst du auch zu den Personen, die in ihren negativen Gedanken versinken, wenn sie zu lange allein sind.

Generell lässt sich sagen, dass unsere Stimmung sich meist bessert, wenn wir mit anderen zusammen sind. Wir bekommen neue Denkanstöße im Austausch mit anderen und hören auf, unsere negativen Gedanken kreisen zu lassen. Unsere Stimmung hebt sich vor allem dann, wenn wir uns mit Menschen treffen, mit denen uns das Gefühl der Vertrautheit und eine emotionale Nähe verbindet. Dabei handelt es sich in der Regel um Freunde und die Familie.

Unsere Glücksgefühle werden sogar mit der Größe unseres sozialen Netzwerkes in Zusammenhang gebracht. Denn je zentraler wir in einem Netzwerk eingebettet sind, desto mehr soziale Unterstützung steht uns auch zur Verfügung. Wir sind im wahrsten Sinne des Wortes besser „vernetzt“. Das ist gerade auch dann von Vorteil, wenn du Menschen in deinem Umfeld hast, die einen negativen Einfluss auf dich haben.

Hinter Depressionen stecken vielfältige Gründe, doch sicherlich nicht die Absicht, dass man andere mit seinem Seelenschmerz anstecken möchte. Doch das ist leider recht häufig der Fall. Nehmen wir einmal an, jemand hat ein sehr kleines soziales Netzwerk und steht nur mit zwei Personen in regelmäßigem Kontakt. Erkrankt eine davon an einer Depression, so ist die Wahrscheinlichkeit hoch, selbst eine depressive Stimmung zu entwickeln.

Da diese Person nun jedoch kaum andere Kontakte hat, fehlt es an sozialer Unterstützung. Die eine weitere und gesunde Person kann das Leid der anderen beiden nicht auffangen. Je größer ein soziales Netzwerk ist, desto mehr Menschen können spezifische Hilfen anbieten und die Effekte einer „Ansteckung“ mit negativen Emotionen abfedern.

Wenn wir wissen, dass wir immer auf irgendeine Person (oder mehrere Personen) aus unserem Netzwerk zurückgreifen können, fühlen wir uns sicher. Das wiederum geht mit einem geringeren Stresslevel einher.

Soziale Isolation hingegen führt eher zu negativen Gefühlen. Uns fehlt es nicht nur an sozialer Unterstützung, sondern wir fühlen uns auch nicht gebraucht. Wenn wir niemanden in unserer Nähe haben, kommen häufig schnell Gedanken auf wie „Niemand interessiert sich für mich“ oder „Ich bin zu nichts nütze“. Das kratzt am Selbstwert und wirkt sich dementsprechend negativ auf die mentale Gesundheit aus.

Je geringer unser Kontakt zu den uns eigentlich nahestehenden Personen ist, desto wahrscheinlicher verfallen wir nicht nur in Einsamkeit, sondern auch in einen permanenten Stresszustand und können Depressionen entwickeln. Auch die Entwicklung von Angststörungen kann an eine Depression gekoppelt sein. Menschen mit vielen Ängsten haben Studien nach zu folge im Alter ein höheres Risiko, an Demenz zu erkranken.

Sind Menschen in einer festen Beziehung glücklicher als Singles?

Studien weisen auf einen Zusammenhang zwischen Partnerschaft und Glück hin.
Diese Studien beziehen sich bisher allerdings hauptsächlich auf heterosexuelle Paare. Jedoch ist anzunehmen, dass die Effekte auch bei anderen Paarkonstellationen greifen.

So deuten viele Befunde darauf hin, dass Menschen in einer festen und befriedigenden Beziehung glücklicher sind als Singles. Zwar gibt es diese Hinweise auf einen Zusammenhang von Glück und Beziehung, doch unklar bleibt die genaue Wirkrichtung.

Die Frage stellt sich…
Sind die Studienteilnehmer glücklicher, weil sie eine zufriedene Partnerschaft führen oder sind sie in einer Beziehung, weil sie generell glückliche Menschen sind?

Immerhin haben glückliche Menschen bessere Chancen auf eine langfristige Beziehung. Schließlich sind sie unkompliziertere und angenehmere Partner als negativ eingestellte Menschen.

Es könnte allerdings auch eine bidirektionale kausale Wirkrichtung vorliegen. Das bedeutet, dass die glückliche Beziehung einen positiven Einfluss auf das psychische Wohlbefinden ausübt. Dadurch verbessert sich die Stimmung, was sich wiederum positiv auf die Beziehung auswirkt. Der Ursprung des Zusammenhangs von Glück und Beziehung ist daher nicht ganz so einfach auszumachen und ähnelt ein wenig der berühmten Frage nach dem Huhn und dem Ei.

Soziale Isolation kann dem Herz schaden

Dauerstress steigert das Risiko kardiovaskulärer Erkrankungen.
Da Körper und Psyche zusammenhängen, liegt der Einfluss unserer Beziehungen auf unser körperliches Wohlbefinden eigentlich auf der Hand. Immerhin wissen wir, dass sich Gefühle und Gedanken auf unsere Hormone auswirken, welche wiederum unsere Gesundheit beeinflussen. Und zwar sowohl die geistige als auch die physische.

Im obigen Absatz fiel bereits der Begriff „Stress“. Negative Emotionen gehen mit einer Aktivierung unseres sympathischen Nervensystems einher. Dieses regt über den Hypothalamus das Nebennierenmark zur Produktion von Cortisol an. Das Stresshormon wird über die Blutbahn im gesamten Körper verteilt und führt zu den bekannten Reaktionen: Herzrasen, schnellere Atmung, schwitzende Hände.

Dieses evolutionäre Fight-or-Flight-Programm hat eigentlich den Zweck, uns körperlich auf akute Gefahrensituationen vorzubereiten. So werden unsere Muskeln stärker mit Blut versorgt und andere (in diesem Moment nicht relevante) Körperfunktionen zurückgefahren, so dass Kampf oder Flucht möglich sind. Nach einer akuten Stressreaktion wird das parasympathische Nervensystem wieder aktiv, welches den Organismus wieder herunterfährt. Wir können also anschließend entspannen.

Und da soziale Isolation zu einem gewissen Stressmaß führt, kann sich dies negativ auf Herz und Kreislauf auswirken. Als Folge können neben Depressionen und Altersdemenz, auch Herz-Kreislauferkrankungen auftreten.

Ist soziale Isolation lebensgefährlich?

Soziale Isolation kann zu einem Zustand von Dauerstress führen.
Dieser wird dann von keiner Erholungsphase mehr abgelöst und führt zu gesundheitlichen Problemen, die bis zum Tod führen können. Der Mangel an sozialen Beziehungen wird mittlerweile sogar mit dem Risikofaktor des Rauchens gleichgesetzt.

Die Forscher Berkman und Syme stellten bereits Ende der 1970er Jahre fest, dass sozial gut integrierte Menschen eine höhere Lebenserwartung hatten als isoliertere Personen. Sie sammelten anhand einer Zufallsstichprobe Daten über einen längeren Zeitraum hinweg. Dabei zeigte sich, dass nach neun Jahren die Personen mit einem großen sozialen Netzwerk mit einer zwei- bis dreimal größeren Wahrscheinlichkeit noch am Leben waren. Sie wiesen also eine geringere Mortalitätsrate auf als Personen mit einem Mangel an Beziehungen.

Des Weiteren fanden sie heraus, dass dieser Zusammenhang von Mortalität (Todesrate) und Beziehungen unabhängig vom Bildungsniveau und Einkommen war und sich damit durch alle sozio-ökonomischen Schichten zog.

Soziale Bindung erhöht die Lebenschancen

Die Liebe wohnt wissenschaftlich gesehen zwar nicht im Herzen, doch sie wirkt sich doch auf dieses Organ aus.
Liebe und soziale Unterstützung allgemein haben einen Einfluss auf unser Nervensystem. Denn der gute Zuspruch oder die liebevolle Berührung einer uns nahestehenden Person senkt die Aktivität unseres sympathischen Nervensystems und damit auch unser Stresslevel. Und weniger Stress ist bekanntermaßen erstrebenswert in Bezug auf die Gesundheit. Das gilt natürlich auch für die Gesundheit unseres Herzens.

Eine Studie von Williams und Kollegen befasste sich 1992 mit den Auswirkungen einer Liebesbeziehung auf die Genesungsverläufe von Patienten, die sich einer Herzoperation unterziehen mussten. Die Daten dieser Langzeitstudie zeigten, dass fünf Jahre nach der Operation die Überlebenschancen um 30 Prozent höher waren, wenn die Patienten sich in einer festen Liebesbeziehung befanden als wenn es sich um alleinstehende Personen handelte.

Befanden sich die Patienten in einer von beiden Partnern als glücklich eingestufte Ehe, so war deren Überlebenschancen noch einmal um etwa dreißig Prozent höher als bei denen, die mit ihrer Ehe unzufrieden waren.

Innerhalb einer Partnerschaft – oder auch in Beziehungen allgemein – erfahren wir verschiedene Formen der Unterstützung. Diese kann sowohl instrumentell als auch emotionaler Natur sein. So können die Partner der Patienten diese emotional unterstützen, indem sie ihnen Mut zusprechen, Trost spenden oder sie aufmuntern. Doch auch die instrumentelle Form der Unterstützung in Form von Hilfestellungen bei der Bewältigung des Alltags nach der Operation tragen zu psychischen und damit auch zum körperlichen Wohlbefinden der Genesenden bei.

Zusammenfassung

  • Der Mensch definiert sich nicht nur ein Stück weit über seine Beziehungen, sondern diese nehmen auch einen erheblichen Einfluss auf seine Gesundheit.
  • Sowohl das körperliche als auch das psychische Wohlbefinden hängen mit der Art einer Beziehung und mit Beziehungen überhaupt zusammen.
  • Das Zusammensein kann unsere Stimmung verbessern und unser Gefühl von Geborgenheit steigern. Denn sofern wir fest in ein soziales Netzwerk eingeflochten sind, können wir uns immer auf die Unterstützung anderer verlassen.
  • Eine mit emotionaler Nähe und Vertrautheit versehenen Beziehung dient als Stress-Puffer.
  • Stresshormone setzen unserem Körper auf Dauer zu, so dass wir verschiedene Krankheiten aufgrund dessen entwickeln können. Das können psychische Erkrankungen, wie Depressionen und Ängste sein. Doch auch unsere Organe können in Mitleidenschaft gezogen werden, was sich am Beispiel von kardiovaskulären Erkrankungen zeigt.
  • Es besteht sogar ein Zusammenhang zwischen Mortalität und Beziehungen, wie sich in Langzeitstudien zeigte.
  • Glückliche Beziehungen hingegen führen dazu, dass wir schneller gesund werden und mehr positive Emotionen erleben. Die Frage, ob Menschen in einer Liebesbeziehung aufgrund der Beziehung glücklicher sind als Singles oder ob glücklichere Menschen einfach leichter einen Partner finden, ist noch nicht abschließend geklärt. Doch wird hier ein wechselseitiger Einfluss angenommen.
  • Es ist daher anzunehmen, dass soziale Isolation das Glück, allgemeines Wohlbefinden, die Psyche, körperliche Beschaffenheit und die Lebenserwartung negativ beeinflusst.

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