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Sozialer Ausschluss & Ausgrenzung: Psychologische Ursachen, Folgen & Maßnahmen


Sozialer Ausschluss, Ausgrenzung oder auch Exklusion genannt, beschreibt den Zustand – dass jemand aus einer Gruppe ausgeschlossen, verbannt oder vertrieben wird. Der Ausschluss erfolgt meistens gegen die Zustimmung des Ausgeschlossenen und wird vom Rest der Gruppe vorangetrieben.

Psychologisch betrachtet kommt es oft zur Exklusion, da die Verbliebenen eine gewisse Macht über den Ausgeschlossenen ausüben wollen. Denn sozialer Ausschluss ist gleichbedeutend mit sozialen Abstieg innerhalb der Gruppe und den angrenzenden Gruppen. Sehr oft geht die Abwertung bis zur Diskriminierung oder Mobbing, weshalb Ausgeschlossene seelisch und auch körperlich leiden.

Wieso?
Der Mensch ist ein soziales Wesen. Wir haben eine natürliche Neigung dazu, Beziehungen zu anderen Personen aufzubauen. Ob wir uns mit vielen und eher oberflächlichen Kontakten wohler fühlen oder lieber wenige, doch dafür sehr enge Freundschaften pflegen, ist von unserer individuellen Persönlichkeit abhängig.

Wie psychologische Anziehung zustande kommt, haben wir in einem anderen Artikel bereits erläutert. Wichtig sind hierbei die sich wechselseitig beeinflussenden Punkte Vertrautheit, Ähnlichkeit und räumliche Nähe. Letztere kann schon ausreichend sein, um eine andere Person zu mögen und eine Freundschaft aufzubauen.

An unseren Wunsch nach Zugehörigkeit ist auch die soziale Unterstützung gekoppelt. Diese ist deshalb von Vorteil, da sie uns beim Stressabbau hilft und sich damit auch positiv auf unsere psychische und körperliche Gesundheit auswirkt.

Wie sich unser Bedürfnis nach Zugehörigkeit entwickelt hat und was passiert, wenn unser Bedürfnis nach Zugehörigkeit nicht erfüllt wird, liest du in den folgenden Zeilen. Außerdem erfährst du, wie sich sozialer Ausschluss auf dein Gehirn und deinen Selbstwert auswirkt.

Der Wunsch nach Zugehörigkeit ist evolutionär bedingt und in Genen verankert

Um diese Frage zu beantworten, müssen wir ein paar Jahre in der menschlichen Entwicklungsgeschichte zurückgehen.
Zugegeben – es sind mehr als nur „ein paar“ Jahre. Unsere Vorfahren waren noch weit mehr Gefahren im Alltag ausgesetzt als wir es heute sind. Diese ging nicht nur von Raubtieren aus. Nahrungsknappheit konnte ebenso gefährlich sein.

Und hier kommt die Neigung zum Beziehungsaufbau ins Spiel. Denn in einer Gruppe ist es leichter, etwas Essbares zu finden und die Ressourcen auch miteinander zu teilen. Gleichzeitig bietet eine Gruppe mehr Schutz als wenn man im Alleingang durch die Savanne streift.

Allerdings kommt auch noch ein weiterer Vorteil hinzu. Durch die Fähigkeit Beziehungen aufzubauen steigt auch die Chance auf Fortpflanzung sowie die Überlebensrate des Nachwuchses. Je mehr Individuen einer Gruppe sich gegenseitig bei der Versorgung der Kinder unterstützt, desto mehr Ressourcen stehen entsprechend zur Verfügung.

Das Bedürfnis nach Zugehörigkeit hat demnach gleich mehrere evolutionäre Vorteile und bildete sich im Laufe der Zeit immer stärker beim Menschen aus. Individuen mit dieser Eigenschaft hatten selbst höhere Überlebenschancen und ihr Nachwuchs ebenfalls. Ihr Erbgut, welches mit der Tendenz zum Beziehungsaufbau versehen war, trugen irgendwann immer mehr Menschen in sich und heute ist es fest in unseren Genen verankert.

Wie sehr wir auf andere Menschen fixiert sind, zeigt sich bereits kurz nach der Geburt. Untersuchungen zeigten, dass Babys menschliche Gesichter gegenüber anderen Objekten bevorzugen. Dazu wurden erst dreißig Minuten alten Säuglingen entweder Gesichter oder andere Stimuli gezeigt. Ihr Blickrichtung und die Dauer der Fixierung tendierte stark zu den Gesichtern, während sie anderen Objekten weniger Beachtung schenkten.

Und diesen Umstand bzw. die Angst vor sozialen Ausschluss machen sich einige Eltern schon bei der Erziehung ihrer Kinder zu Nutze. So existieren Redewendungen, wie:

  • Was sollen denn die Nachbarn denken.
  • Schau mal die anderen Kinder gucken schon.
  • Willst du, dass man dich auslacht oder hänselt.

All diese Sticheleien gegenüber Kindern zielen darauf ab, die Kleinsten unter uns in die richtige Richtung zu erziehen und die Angst vor dem sozialen Ausschluss zu manifestieren.

Diese Eltern bringen ihren Kindern zwei Dinge bei:

  1. Du kannst deine Mitmenschen durch soziale Abgrenzung verletzen und deshalb auch lenken.
  2. Sorge dafür, dass du niemals ausgeschlossen wird. Denn dieser Umstand ist bedrohlich und unerträglich.

Dass man Kindern etwas über Selbstwertschätzung beibringt, haben diese Eltern scheinbar vergessen. Stattdessen werden die Programme angeworfen, welche auch bei ihnen funktionieren und welche sie wahrscheinlich ebenfalls von ihren Eltern übernommen haben. Denn auch die Eltern haben Angst vor sozialer Abgrenzung. Ansonsten würden sie diese Redewendungen nicht gebrauchen. Und falls das Kind sich auf die Erde wirft, herumschreit oder ähnliches macht – fürchten sich diese Eltern, dass die Anderen gucken und sie sozial ächten.

Und dieses Spiel geht für diese Menschen immer weiter, indem sie nur bestimmte Kleidung tragen, niemals ungeschminkt das Haus verlassen, nicht in der Nase bohren oder auch bei blöden Witzen mitlachen. Nicht-Nein-Sagen-Können ist ebenfalls ein Motiv, um allen zu gefallen und nicht ausgeschlossen zu werden.

Gruppenzugehörigkeit und Zwang: Warum wollen wir anderen gefallen

Wir sind genetisch auf Zugehörigkeit programmiert – wenn dieses Bedürfnis nicht erfüllt wird, hat das Folgen.
Wie viele Sorgen du dir darum machst, was andere von dir halten, ist von deinem Charakter abhängig. Manche legen weniger Wert auf die Meinung anderer über sich selbst, während andere verzweifelt versuchen, es allen recht zu machen.

Vollkommen egal ist es jedoch wohl kaum jemandem. Das kann zum Teil sehr belastend werden, sofern man sich zu der zweiten Gruppe zählen kann. Denn wenn wir uns nur nach den anderen richten, bleiben unsere eigenen Wünsche und Bedürfnisse zwangsläufig auf der Strecke und wir werden unglücklich. Doch warum streben wir dann trotzdem danach, nirgends anzuecken und die anderen möglichst zufrieden zu stimmen?

Auch die Antwort auf diese Frage können wir in unseren Genen suchen. Im obigen Absatz hast du erfahren, dass Zusammengehörigkeit einen evolutionären Vorteil bietet und sich beim Menschen im Laufe der Zeit stark ausgeprägt hat. Wenn wir Angst haben, von anderen nicht gemocht zu werden, steckt dahinter die Sorge vor dem sozialen Ausschluss. Dieser konnte zu Urzeiten für unsere Vorfahren schwerwiegende Folgen haben, da ohne den Schutz der Gruppe die eigene Überlebenschance sank.

Diese Angst ist auch heute noch in uns verwurzelt. Bei manchen ist sie weniger präsent, bei anderen stärker.

Sozialer Ausschluss tut weh

Doch was passiert, wenn wir uns ausgeschlossen fühlen?
Zu dieser Frage führten Williams und Kollegen 2001 eine Untersuchung durch. Sie luden Versuchspersonen zu einem Experiment ein, welche daraufhin zunächst in einem Wartezimmer Platz nahmen. Was die Probanden nicht wussten: Das eigentliche Experiment fand bereits hier statt.

Neben dem Versuchsteilnehmer befanden sich noch zwei anderen vermeintliche Versuchspersonen im Wartezimmer. Diese beiden Personen waren allerdings keine „echten“ Probanden, sondern Konfidenten des Versuchsleiters. Sie waren demnach in das Experiment eingeweiht und hatten bestimmte Anweisungen erhalten. Um sich die Zeit zu vertreiben, begannen sie nach einer Weile damit, sich gegenseitig einen Ball zuzuwerfen. Dabei bezogen sie auch den echten Probanden ein.

Allerdings warfen sie ihm nach ein paar Minuten den Ball nicht mehr zu, sondern spielten nur noch zu zweit damit. Sie schlossen den Versuchsteilnehmer also aus. Bei diesem stellte sich sehr schnell eine negative Reaktion ein. Er (und auch andere „echte“ Versuchsteilnehmer) berichteten von einem geringeren Kontrollgefühl und eine höhere physiologischere Erregung, welche sich auch unter Stress zeigt. Gleichzeitig sank ihr Selbstwertgefühl stark ab. Kurz gesagt: Sie fühlten sich verletzt.

Verletzungen durch soziale Ausgrenzung sind im Gehirn sichtbar

Dieses Gefühl der Verletzung scheint nicht nur eine bloße Redewendung zu sein. Das Ballspiel gibt es mittlerweile auch in einer digitalen Ausführung. Anstatt mit ballspielenden Konfidenten im Wartezimmer zu sitzen, kann der Versuchsteilnehmer dieses Experiment auch am Computerbildschirm durchführen.

Das Prinzip ist dasselbe. Zwei animierte Figuren werfen sich gegenseitig und der Figur des Probanden abwechselnd einen Ball zu. Irgendwann wird der Proband nicht mehr an dem Spiel beteiligt. Der Proband ist während des Experiments in dem Glauben, dass es sich bei den anderen beiden Figuren ebenfalls um andere „echte“ Versuchsteilnehmer handelt.

Obwohl es sich hier um ein computeranimiertes Spiel handelt, zeigen sich die gleichen Reaktionen auf den sozialen Ausschluss. Der Vorteil bei dieser Variante ist der, dass die Versuchsperson während des Experiments in einem Magnetresonanztomographen (MRT) liegen kann. Dieses bildgebende Verfahren ermöglicht Einblicke ins Gehirn und zeigt an, welche Hirnareale an welchen Emotionen oder Denkprozessen aktiv sind.

Bei der Ausgrenzung während des Spiels „Cyberball“ zeigte sich eine Aktivierung im rechten ventralen präfrontalen Kortex und im dorsalen anterioren cingulären Kortex. Diese beiden Bereiche sind auch bei körperlichen Schmerzen aktiv. Sozialer Ausschluss tut demnach tatsächlich weh.

Warum ist soziale Unterstützung so wichtig?

Wir empfinden Schmerzen, wenn unser Bedürfnis nach Zugehörigkeit verletzt wird. Angst fungiert rein evolutionär gesehen als Warnsignal. Denn die fehlende Zugehörigkeit zu einer Gruppe konnte für unsere Ahnen gefährlich werden.

Von dieser Perspektive aus, ist die Angst nachvollziehbar. Denn mit dem sozialen Ausschluss geht ein wesentlicher Aspekt verloren: Die soziale Unterstützung durch andere. Diese beinhaltet eine Sensibilität für die Bedürfnisse des anderen, auf welche dann dementsprechend eingegangen wird.

Unterschieden werden können verschiedene Formen von sozialer Unterstützung. Da wäre einmal die emotionale Unterstützung, welche sich beispielsweise in Trost äußern kann. Bemerken wir die Angst eines anderen, so können wir ihn beruhigen und so zur Reduktion seines Stressempfindens beitragen. Daneben gibt es noch die instrumentelle Unterstützung. Wenn jemand ein Problem hat, können wir nicht nur emotionale, sondern auch praktische Hilfe anbieten.

Nehmen wir als Beispiel, dass deine beste Freundin gerade eine Trennung durchmacht und aus der gemeinsamen Wohnung mit ihrem ehemaligen Partner ausziehen möchte. Du kannst sie emotional unterstützen, indem du ihr zuhörst, sie tröstest oder Ablenkung anbietest. Gleichzeitig könntest ihr jedoch auch praktische Unterstützung anbieten und ihr bei der Suche nach einer neuen Wohnung und dem anschließenden Umzug unter die Arme greifst.

Beide Formen der Unterstützung bieten Trost, senken ihr Stresslevel und beruhigen das Schmerzzentrum. Denn auch ein gebrochenes Herz tut weh.

Unser Stresslevel sinkt, wenn andere uns zur Seite stehen

Soziale Unterstützung hebt nicht nur kurzfristig de Stimmung, sondern hilft auch dem Selbstwertgefühl wieder auf die Beine.

Zudem hat sie auch einen positiven Einfluss auf deine seelische und körperliche Gesundheit. Einerseits liegt es daran, dass wir uns besser um uns selbst kümmern. Wenn wir uns von anderen gemocht fühlen, möchten wir ihnen normalerweise nicht zur Last fallen. Wenn es uns selbst schlecht geht oder wir krank werden, belastet das auch diejenigen, die uns nahestehen.

Damit diese sich keine Sorgen um uns machen müssen, achten wir mehr auf den Erhalt unserer Gesundheit. Was weiter oben bereits angeklungen ist, stellt einen weiteren gesundheitlichen Vorteil dar: Soziale Unterstützung wirkt als Stress-Puffer. Während die soziale Ausgrenzung unser Stresslevel ansteigen lässt, kann soziale Unterstützung ihn wieder senken.

Ein Beispiel ist eine Studie von Gerin und Kollegen aus den frühen 1990er Jahren. Sie ließen ihre Probanden jeweils an einer Gruppendiskussion teilnehmen. Bei den anderen drei Gruppenmitgliedern handelte es sich um Konfidenten.

Äußerten zwei der Konfidenten sich abfällig über die Argumente des Probanden, so stiegen bei diesem sowohl die Herzfrequenz als auch der Blutdruck. Beide Reaktionen sind Indikatoren für ein erhöhtes Stressempfinden. Stimmte der dritte Konfidenten sich daraufhin allerdings positiv dem Probanden gegenüber und unterstützte ihn in seinen Aussagen, so sank das Stressniveau wieder ab und der Proband fand wieder in seinen emotionalen Ausgangzustand zurück.

Die trostspendende Wirkung des Händchenhaltens

Soziale Unterstützung muss allerdings nicht zwingend verbal stattfinden.
Coan und seine Forscherkollegen befragten in ihrer Studie von 2006 verheiratete Paare nach ihrer Ehezufriedenheit. Während des Experiments befand sich die Frau im MRT. Ihr wurde gesagt, dass sie im Laufe des Durchgangs Stromschläge erhalten würde. Die Paare wurden drei Bedingungen zugeteilt.

  1. In der ersten hielt der Ehemann die Hand der Frau, während diese im Scanner lag.
  2. Die zweite Bedingung beinhaltete, dass nicht der eigene Mann, sondern der Versuchsleiter ihre Hand hielt.
  3. In der dritten Bedingung hielt niemand die Hand.

Die Aufnahmen vom Gehirn zeigten, dass verschiedene Areale aktiv waren, welche an der Emotionsregulation und der Verhaltensreaktion auf Bedrohungen beteiligt sind. Bei diesen handelt es sich um den ventralen anterioren cingulären Kortex, die Colliculi superiores, den rechten dorsalen präfrontalen Kortex und die Caudatus-Region.

Sowohl beim Halten der Hand des eigenen Mannes als auch der des Versuchsleiters waren diese Hirnregionen weniger aktiv als wenn der Frau niemand die Hand hielt. Den größten Effekt hatte das Halten der Hand allerdings dann, wenn es sich um die des eigenen Mannes handelte und die Ehezufriedenheit von den Paaren zuvor als hoch angegeben war.

Zusammenfassung

  • Unser Bedürfnis nach Zugehörigkeit und unsere Tendenz zum Ausbau von Beziehungen liegt in unseren Genen. Beide hatten evolutionäre Vorteile in der Menschheitsgeschichte und setzten sich im Laufe der Zeit immer stärker durch.
  • Da ein Ausschluss aus der Gruppe für unsere Vorfahren lebensbedrohlich sein konnte, fürchten wir uns auch heute noch davor, von anderen nicht gemocht zu werden.
  • Der soziale Ausschluss verursacht ein Gefühl der Verletzung. Und tatsächlich werden hierbei Areale im Gehirn aktiv, welche auch am Empfinden körperlicher Schmerzen beteiligt sind.
  • Doch wenn wir versuchen, es anderen immer recht zu machen und unsere eigenen Wünsche komplett ignorieren, tun wir unserer Gesundheit auch keinen Gefallen. Denn dabei schließen wir immer uns selbst aus.
  • Während soziale Ausgrenzung für uns puren Stress bedeutet, hat soziale Unterstützung einen gegenteiligen Effekt. Nicht nur die Stimmung wird dabei kurzfristig gehoben. Auch langfristig ziehen wir in Bezug auf unseren Selbstwert einen Vorteil daraus.
  • Der Effekt kann durch instrumentelle oder emotionale Unterstützung erfolgen. Schon jemandem die Hand zu halten, reduziert die Aktivität der Bereiche des Gehirns, die angesichts einer Bedrohung aktiv sind.

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