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5 Gründe, warum man Sterbende nicht beim Namen rufen darf


warum darf man sterbende nicht beim namen rufen

Sterbende nicht beim Namen zu nennen, ist in vielen Kulturen der Erde verbreitet. Meist hängt damit der Glaube zusammen, dass man durch das Rufen des Namens den Sterbenden am Übertritt ins Jenseits hindert. Daneben gibt es auch rationale Gründe, etwa den Sterbenden zu ängstigen oder zu überfordern, für diesen Brauch.

Wo gibt es den Brauch, Sterbende nicht beim Namen zu rufen?

Dass man Sterbende nicht beim Namen rufen soll, ist weit auf der Erde verbreitet. Unabhängig hat sich in verschiedenen Kulturen der Brauch entwickelt, den Namen des Sterbenden nicht zu nennen. Teilweise sagt man ihn auch darüber hinaus, wenn die Person längst verstorben ist, nicht mehr.

Europa

In Europa gibt es den Brauch seit dem frühen Mittelalter. Das Sterben sah man im Christentum bereits als Beginn der Reise der Seele in den Himmel. Ruft man den Sterbenden in diesem Prozess beim Namen, unterbricht er, dem Glauben nach, seine Reise. Als Folge könnte er vielleicht nicht in den Himmel gelangen.

Deswegen stand das Rufen eines Sterbenden teilweise sogar unter Strafe. Die Strafe bestand unter anderem aus Geldbußen. In jedem Fall konnte der Täter mit sozialer Ächtung rechnen. Die meisten Menschen im frühen Mittelalter waren tiefreligiös und stark abergläubisch.

Verhinderte jemand, dass ein Sterbender in den Himmel gelangen kann, nahm man das nicht einfach hin. Als Folge wurde der Täter sozial ausgeschlossen. In manchen Fällen führte so eine Handlung sicher auch zu körperlichen Auseinandersetzungen zwischen Angehörigen und dem Täter.

Indianische Kulturen in Nordamerika

Die Navajo sind ein indianisches Volk Nordamerikas. Ihre Reservate liegen hauptsächlich im heutigen Bundesstaat Arizona.
Die Navajo behandelten den Tod als Teil des Lebenskreislaufs. Sie fürchteten ihn, ebenso die Toten, aber hielten keine aufwendigen Begräbnisse oder Gedenkfeiern ab. Im Glauben der Navajo war die Reise der Seele des Sterbenden nicht mit dem Tod beendet. Sie brauchte anschließend noch eine Weile, um im Jenseits anzukommen.

Deswegen vermied man über den Tod hinaus, den Verstorbenen beim Namen zu nennen. Das hätte, so der Glaube der Navajo, die Reise ins Jenseits verzögern können. Darüber hinaus war lautes, offenes Trauern untersagt. Auch das würde die Seele auf ihrer Reise stören. Entsprechend schlicht liefen Bestattungen ab. Häufig waren nur wenige Navajo anwesend.

Bei den Apachen besteht die Furcht vor dem Namen auch über das Sterben hinaus. Die Apachen sind eng mit den Navajo verbunden. In ihrem Glauben beschwört das Aussprechen des Namens eines Verstorbenen dessen Seele hinauf. Diese Beschwörung führe zu negativen Ereignissen.

Asien

In der Vergangenheit bekamen Verstorbene im Buddhismus einen neuen Namen (im Japanischen „imina“). Den Namen, den sie im Leben trugen, verwendeten Angehörige nicht mehr. Auch heute gibt es diesen Brauch noch, allerdings ist die Benennung, zumindest in Japan, sehr teuer geworden. Für Personen von hohem Rang und den Adel ist es aber immer noch üblich.

Der Name, den jemand bei der Geburt erhält, hat in Japan und China einen hohen Stellenwert. Er gibt Aufschluss über Rang und Beruf (als es noch üblich war, dass Kinder den Beruf ihrer Eltern annahmen). Außerdem kann er besondere Merkmale des Trägers aufgreifen und auf die Erbfolge hinweisen.

Der Name ist mit der Person also eng verbunden. Auch über den Tod hinaus soll diese Verbindung bestehen. Ruft man einen Sterbenden oder Toten beim Namen, könnte das die gerufene Person verwirren. Ist die Seele bereits im Jenseits angekommen, könnte der Ruf sie sogar zurückholen. Angehörige nutzen daher Umschreibungen, Titel oder Spitznamen.

Aborigines in Australien

Bei den Aborigines gibt es bei mehreren Stämmen den Brauch, den Vornamen eines Verstorbenen nicht mehr zu nennen. Dieses Verbot kann zeitlich begrenzt oder unbegrenzt sein. Die Angehörigen der Stämme handhaben den Brauch unterschiedlich.

Ein Stamm, der ein begrenztes Verbot der Namensnennung Verstorbener verhängt, sind die Yolngu. Nach dem Tod eines Angehörigen, entscheiden die Familie und die Stammesautoritäten, ob sie dem Brauch folgen möchten oder nicht. Entscheiden sie sich dafür, gilt das Verbot für Monate bis Jahre, aber nicht für immer.

Auch dieser Brauch hängt mit dem Loslösen der irdischen Welt zusammen. Die Seele soll durch das Aussprechen ihres Namens nicht zurückgeholt werden. Deswegen darf man diesen nicht mehr aussprechen.

Bei einigen Aborigines hat sich der Brauch nach der Kolonialisierung auch auf Fotos ausgeweitet. So auch bei den Yolngu. Zusätzlich soll die Stimme Verstorbener nicht mehr abgespielt werden.

Deswegen warnen manche australische Internetseiten ihre Besucher vor Bildern und Stimmen Verstorbener, die man dort finden würde. Auch im Fernsehen werden Haftungsausschlüsse vor entsprechenden Sendungen verwendet, damit Aborigines, die den Brauch weiterführen, rechtzeitig reagieren können.

Rationale Gründe, aus denen man Sterbende nicht beim Namen rufen sollte

Neben den kulturellen und religiösen Gründen gibt es auch ganz rationale Gründe für diesen Brauch. So sollte man Sterbenden auch keine schwierigen Fragen stellen, da diese sie überfordern könnten. Ähnlich verhält es sich bei ihrem eigenen Namen.

Darüber hinaus könnten manche Menschen es als unangebracht, den Namen im Beisein des Sterbenden zu nutzen und so über ihn zu sprechen.

Unnötiges Ängstigen des Sterbenden

Sterbende bewegen sich im Sterbeprozess immer wieder zwischen Ohnmacht, Schlaf- und Wachphasen. Diese sind für Angehörige nicht immer klar zu erkennen.

Ein Sterbender kann wach wirken, ist aber eigentlich gerade gedanklich ganz woanders und reagiert nicht auf Ansprache. Manche Angehörige rufen den Sterbenden dann beim Namen, um ihn auf sich aufmerksam zu machen oder ihn „zurückzuholen“. Das kann diesen ängstigen, da er seinen Namen zwar hört, aber nicht mehr richtig darauf reagieren kann.

Zudem ist er im Sterbeprozess mit anderen Eindrücken beschäftigt. Viele Sterbenden berichten von Visionen. Ein lautes Rufen des eigenen Namens kann da verstörend wirken. Sie können nicht erkennen, ob das gerade wirklich passiert oder zu der Vision gehört.

Wecken

Schläft der Sterbende gerade, würde ihn das laute Rufen seines eigenen Namens wecken. Das ist unnötig und respektlos. Auch deshalb wird auf die Nutzung (zumindest die laute Nutzung) des Namens verzichtet.

Anonymität wahren

Manche Sterbende wollen einen gewissen Grad an Anonymität bewahren. Befinden sie sich in einem Hospiz, würden laute Namensrufe auch zu Personen gelangen, die nicht zu ihren Angehörigen gehören.

Äußert ein Sterbender den Wunsch, seinen Namen nicht mehr zu verwenden, sollte man unbedingt darauf achten. Ein Verstoß gegen diesen Wunsch könnte zu den Sterbenden aufregen, traurig oder wütend machen. Diese negativen Gefühle möchte man im Sterbeprozess vermeiden.

„Über den Verstorbenen sprechen“ vermeiden

Der Sterbeprozess kann sich über mehrere Tage hinziehen. Häufig wechseln sich Angehörige in dieser Zeit ab, damit der Sterbende nie alleine ist. Dennoch ist diese Zeit für alle kräftezehrend. Schläft der Sterbende gerade, unterhalten sich die Angehörigen möglicherweise, um sich abzulenken. Ist der Sterbende selbst Thema dieser Gespräche, nutzt man natürlich seinen Namen.

Das führt dazu, dass man über eine Person spricht, die mit im Raum ist. Bekommt der Sterbende das mit, könnte er es unangebracht finden oder mit der ständigen Nennung seines Namens überfordert sein.

Was man stattdessen tun sollte, um den Sterbenden behutsam zu begleiten

Wir wissen nicht, wie viel ein Sterbender in seinen letzten Momenten von der Welt wahrnimmt. Deswegen sollten alle Handlungen der Personen, die ihn begleiten, behutsam sein.

Dazu gehören, neben leiser Sprache und das Vermeiden des Namens, auch sanfte Berührungen und langsame Bewegungen. An einem Sterbenden sollte niemals gerüttelt werden. Auch schnelles Aufstehen oder in sein Blickfeld treten, kann ihn verunsichern oder ängstigen.

Für Angehörige gilt daher, dass sie dem Sterbenden leise Mut zusprechen sollten. Sie sollten nicht versuchen, einen Dialog aufrechtzuerhalten. Stattdessen können sie etwas von ihrem Tag erzählen. Ein Halten der Hand oder Streicheln dieser gibt Sicherheit. Verlässt man seine Seite und nimmt diese eine andere Person ein, sollte das immer kommuniziert werden. Das gilt auch, wenn der Sterbende den Wechsel augenscheinlich nicht mehr bemerkt. Laute Geräusche (Maschinen, knallende Türen, Handyklingeln, etc.) sind unbedingt zu vermeiden.

Zusätzlich sollten Angehörige auf die Wünsche des Sterbenden Rücksicht nehmen. Möchte dieser beispielsweise, dass das Licht an seinem Bett an bleibt, sollten sie dieses nicht ausmachen. Schon solche Veränderungen können den Sterbenden stark verunsichern und sogar in Panik versetzen.

Zusammenfassung

  • Der Brauch, Sterbende nicht beim Namen zu rufen, existiert in vielen Kulturen auf der Welt.
  • In Europa entstand der Brauch im frühen Mittelalter durch das Christentum, um den Sterbenden nicht am Eintritt in den Himmel zu hindern.
  • Bei den Navajo und Apachen wird der Name über den Tod hinaus nicht genutzt, da sich die Seele noch auf der Reise ins Jenseits befindet.
  • In China und Japan glaubt man an eine enge Verbindung zwischen Seele und Namen, sodass auch hier der Name über den Tod hinaus nicht genutzt wird.
  • Bei einigen Aborigines geht der Brauch noch weiter; die Yolngu untersagen neben dem Namen des Verstorbenen auch die Nutzung von Fotos und Stimmaufnahmen.
  • Daneben gibt es vier rationale Gründe, aus denen man einen Sterbenden nicht mit seinem Namen ansprechen sollte.
  • Das Hören des eigenen Namens, vor allem mit lauter Stimme, kann den Sterbenden verstören oder verängstigen.
  • Durch das Hören des Namens wachen Sterbende auf.
  • Manche Sterbende wollen ihre Anonymität wahren, was nur geht, wenn ihre Angehörigen ihren Namen nicht oder nur leise nennen.
  • Unterhalten sich Angehörige über den Sterbenden und nutzen seinen Namen, weiß dieser nicht, ob er angesprochen wird, was ihn verwirren und ängstigen kann.
  • Statt des Namens sollten Angehörige den Sterbenden mit leiser Stimme, sanften Berührungen (etwa an der Hand) und behutsamen Bewegungen begleiten.
  • Für Sterbende ist es wichtig, dass man ihre Wünsche (Nichtnennung des Namens, Licht anlassen, etc.) berücksichtigt.

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