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Warum heißt Weißrussland jetzt Belarus: Bedeutung, Wortherkunft


Während bei den Olympischen Spielen alle von Weißrussland sprachen, ist dieses Land heute nur noch unter Belarus bekannt. Der offizielle Name des modernen weißrussischen Staates lautet Republik Belarus.

Belarussen legen großen Wert darauf, nicht als Weißrussen bezeichnet zu werden, da sie sich nicht mit den Russen identifizieren. Der Name ist demnach ein Symbol für die Abgrenzung zu Russland und eine Zuwendung zum westlichen Europa.

Entwicklung des Begriffs Belarus

Weißrussland selbst nennt sich Belarus. Diese Bezeichnung ist jedoch nicht die wörtliche Übersetzung von Weißrussland. „Bela“ steht für weiß, während „Rus“ ein mittelalterliches Gebiet im Osten von Europa bezeichnet.

Das einst lateinische Wort Ruth war speziell im 19. und 20. Jahrhundert im deutschsprachigen Raum verbreitet. Erstmals dokumentiert wurde das lateinische Wort Ruthenia im 10. Jahrhundert. Erst seit dem 15. Jahrhundert wird „Rus“ mit dem Territorium des heutigen Belarus in Verbindung gebracht.

Die nationale Eigenbezeichnung Belarus haben Ideologen vorgeschlagen. Die Namensgeber des Territoriums gehörten der belarussischen Nationalbewegung an.

Das Staatsgebiet erstreckt sich einerseits auf alle Länder der geschichtsträchtigen Weißen Rus. Hierzu zählen das weißrussische Podneprowje und Podwinje. Zudem gehören zum Staatsgebiet die Schwarze Rus ebenso wie Polessje, also Gomel und Umgebung.

Zahlreiche Theorien über Begriffsherkunft

Bis heute konnten sich Forscher auf keine einheitliche Theorie einigen.
In zahlreichen Nachschlagewerken und Lehrbüchern ist angegeben, dass die Begriffsherkunft bis dato ungeklärt ist. Dennoch herrschen fünf Meinungen vor, die am häufigsten angeführt sind.

Einst wurden Staaten der Kiewer Rus Beinamen gegeben. Die Gebiete wurden beispielsweise als Weiße Rus, Schwarze Rus, Große Rus oder Kleine Rus bezeichnet.

Theorie 1: Vorläufer von drei Staaten

Im 13. Jahrhundert wurde das Gebiet von mongolischen Khanen nicht unterjocht. Sie nannten dieses Territorium „Weiß“. Dschingis Khan und dessen Nachfahren eroberten Mitte des 13. Jahrhunderts das Gebiet zwischen China und der Wolga und sie kontrollierten dieses Territorium bis 1480.

Sowohl die Polotsker Fürsten als auch deren Nachbarn leisteten erfolgreich Widerstand und erkämpften sich die Selbständigkeit. Die mongolischen Khane bezeichneten dieses Gebiet als „Weiß“, da „Weiß“ für frei und unabhängig steht.

Mit der Zeit hat sich herausgestellt, dass sich die Weiße Rus als lebenskräftigste Bezeichnung erwies. Im Laufe mehrerer Jahrhunderte entwickelte sich die Weiße Rus zu einem souveränen Staat.
Somit ist „Rus“ ein Vorläufer der Staaten Russland, Ukraine und Belarus.

Theorie 2: Weiß wie die Ureinwohner

Diese Theorie bezieht sich auf die in den jeweiligen Territorien ansässigen Stämme.

Laut der zweiten stammt die Bezeichnung „Weiß“ von der weißen Bekleidungs- und Haarfarbe der Ureinwohner.

Theorie 3: Ist Religion namensgebend?

Der dritte Erklärungsversuch sieht die Religion im Mittelpunkt.
Die Weiße Rus war christlich, während die Schwarze Rus viele Jahre lang heidnisch war.

Theorie 4: Interpretation der Himmelsrichtung

In einer weiteren Theorie äußern Forscher die Vermutung, dass Himmelsrichtungen Farben zugeordnet wurden.

Weiß steht für Westen, während die Farbe Blau dem Osten zugeschrieben wird. Der Norden wurde als Schwarz bezeichnet, während der Süden mit Rot verbunden wurde.

Das Gebiet des modernen Belarus lag zwischen dem 9. und 13. Jahrhundert im westlichen Gebiet der Rus. Dementsprechend wurde das Territorium Weiße Rus genannt.

Theorie 5: Heidentum

Der weißrussische Historiker Lastowskij Wazlaw sieht eine Verbindung mit dem Heidentum.
Laut Lastowskij betetet sowohl die slawischen als auch die baltischen Volksstämme Belobog an.

Belobog bedeutet weißer Gott, der bis ins 12. Jahrhundert von den Haiden angebetet wurde.
Diese Interpretation konnte bislang dokumentarisch nicht einwandfrei bestätigt werden.

Gibt es Gemeinsamkeiten aller Theorien?

Ja, eine Gemeinsamkeit besteht.
Es wird von keinem Wissenschaftler angezweifelt, dass es sich beim Begriff Belarus um ein sehr altes Wort handelt. Der Begriff Belarus wurde schon im 13. Jahrhundert geprägt.

Ist die Bezeichnung Belarus umgangssprachlich und politisch fragwürdig?

Umgangssprachlich ist es laut Belarus-Experten Sven Gerst okay, dieses osteuropäische Land weiter als Weißrussland zu bezeichnen. Dennoch rät der Experte, sich an der Empfehlung der belarussisch-deutschen Geschichtskommission zu orientieren. Diese zieht den offiziellen Namen Belarus vor.

Somit ist es nicht verwunderlich, dass die offizielle Bezeichnung immer öfter in Medien auftaucht. Auch offizielle Stellen und Politiker bezeichnen das osteuropäische Land immer häufiger als Belarus. Dadurch wird allein schon durch die Sprache suggeriert, dass Belarus sich von Russland trennen und sich dem Westen zuwenden wird.

Wieso?
Weißrussland wird oftmals mit einem Teil von Russland assoziiert. Diese Assoziation ist für zahlreiche Belarusen ein Problem. Grund hierfür ist, dass diese nie die Möglichkeit der Identitätsfindung hatten.
Dieses Territorium war stets Teil von großen Regionalmächten.

Während die Opposition auf Unabhängigkeit plädiert, setzt Präsident Lukaschenko auf Nähe zu Russland.
Für die Belarusen ist es nur schwer zu ertragen, dass ihr Land als Weißrussland bezeichnet wird. Sie sehen sich nicht als Russen. Belarusen sind stolz auf ihre eigene Identität.


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