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Was bedeutet der Havanna-Effekt beim Autokauf: Definition & Bedeutung


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Selbst wer noch nie auf Kuba gewesen ist, dem ist sicherlich das Stadtbild von Havanna geläufig. An jeder Ecke steht ein Oldtimer und es fühlt sich an, als wäre man in die 1950er Jahre zurück gereist. Doch warum ist dies so und könnte der sogenannte Havanna-Effekt bald auch bei uns Einzug halten?

Warum gibt es so wenige neue Autos auf Kuba?

Es existieren zahlreiche Erklärungen, warum das Straßenbild auf Kuba von alten Fahrzeugen dominiert wird. Viele dieser Erklärungen sind allerdings auf urbane Legenden oder Halbwissen zurück zu führen. Oftmals muss einfach die Armut des Landes als Erklärung herhalten. Kubaner könnten sich in der Masse schlicht keine neuen Autos leisten.

Bei einem Blick auf die Gebrauchtpreise erweist sich diese Erklärung aber als fadenscheinig. Denn selbst für völlig heruntergekommene Rostlauben werden auf Kuba noch schwindelerregende Preise aufgerufen. Unter 10.000 Dollar ist kaum ein Fahrzeug zu bekommen, und sei es auch noch so alt und fahruntauglich. Geld scheint also hier nicht die Ursache zu sein.

Weitläufig und hartnäckig hält sich auch der Mythos, die Amerikaner seien Schuld an der Misere. Sie hätten nach der Machtübernahme Castros den Export von Autos nach Kuba verboten. Tatsächlich stimmt es, dass die USA Anfang der 1960er Jahre den Inselstaat mit einem umfassenden Embargo belegt haben. Lediglich Lebensmittel und Medikamente wollten die USA noch nach Kuba exportieren.

Für Konsum- und Industriegüter wurde dagegen die Ausfuhr nach Kuba verboten. Nicht nur das, die Amerikaner erzwangen auch von Drittstaaten, den Handel mit Kuba entsprechend einzuschränken, da sie ausländischen Unternehmen bei einem Verstoß drohten, ihnen die Zulassung zum US-amerikanischen Markt zu entziehen. Diese Erklärung mag ziemlich schlüssig klingen und tatsächlich ist das US-Embargo sicher auch zum Teil dafür verantwortlich, dass es kaum neue Autos auf Kuba gibt.

Aber diese Erklärung hat auch einige Schwächen. Denn auch unter Ausschluss vom westlichen Markt hätte Kuba immer noch die Option offengestanden, Autos aus der Sowjetunion und ihren sozialistischen „Bruderländern“ zu importieren. Zudem hätte das Embargo niemanden daran hindern können, auf privatem Wege ein Fahrzeug im Ausland zu kaufen und per Schiff nach Kuba transportieren zu lassen. Zumindest für die wohlhabenden Teile der kubanischen Bevölkerung wäre dies auch unter den US-Handelsbeschränkungen möglich gewesen, da dass Embargo lediglich Unternehmen untersagte, mit Kuba Handel zu treiben.

Die Lösung muss also auch in der kubanischen Politik selbst gesucht werden. In der Tat liegt hier die Antwort. Fidel Castro hat bald nach seiner Machtübernahme 1959 den privaten Erwerb und Handel mit Fahrzeugen verboten. Lediglich wer zu dieser Zeit bereits ein Auto besaß, wurde von dieser Maßnahme verschont, denn Bestandsfahrzeuge durften erhalten bleiben.

Ausnahmen gab es nur für staatliche Beamte und hochrangige Vertreter der kubanischen Gesellschaft wie Ärzte und Professoren. Diese durften sogar Neuwagen kaufen oder bekamen gleich ein Fahrzeug vom Staat geschenkt. Als es nach dem Rückzug Castros aus der aktiven Politik auf Kuba ab 2013 wieder allgemein erlaubt wurde, Autos aus dem Ausland einzuführen, sorgten die gleichzeitig auferlegten Importzölle dafür, dass dieser Beschluss für die breite Masse der Bevölkerung praktisch keine Auswirkung hat. Denn durch die horrenden Zölle kostet selbst ein Kompaktwagen auf Kuba so viel wie hierzulande ein Oberklasse-Fahrzeug.

Damit sind Neuwagen aus dem Ausland für die meisten Kubaner weiterhin unerschwinglich. Eine eigene Autoindustrie hat es zudem auf Kuba nie gegeben, daher fällt auch die Alternative weg, die Fahrzeuge in sozialistischer Planwirtschaftsmanier selbst herzustellen.

Die Auswirkungen des Havanna-Effekts in Kuba

Als Folge dieser Politik ist der Fahrzeugbestand auf Kuba praktisch auf dem Stand der 1950er Jahre stehengeblieben. Nach Schätzungen sind knapp 175.000 Oldtimer auf Kubas Straßen unterwegs, und diese stellen auch nahezu den gesamten Fahrzeugbestand des Landes dar. Da selbst diese alten Autos einen ungeheuren Gebrauchtwert besitzen, werden sie natürlich gehegt und gepflegt.

In endlosen Prozeduren werden Roststellen ausgebessert, Karossen neu lackiert, Motoren revidiert und sämtliche Verschleißteile immer wieder erneuert. Da auch der Import von Ersatzteilen aus dem Ausland lange Zeit verboten war, mussten sich kubanische Mechaniker darauf einstellen, diese selbst zu fertigen oder zu improvisieren. Überhaupt sollte man als Autobesitzer auf Kuba ein Händchen dafür haben, kleinere Reparaturen am Auto selbst ausführen zu können.

Kommt auch hierzulande ein Havanna-Effekt?

Marktanalysten und Automobil-Experten erwarten auch eine ähnliche Entwicklung hierzulande, wenn es ab 2035 zu dem geplanten Verbot kommt, Neuwagen mit Verbrennungsmotor zuzulassen. In der gesamten EU sollen bis dahin die Verkäufe von Benzinern, Dieselautos und Hybridfahrzeugen auf Null reduziert werden. Es sollen dann nur noch Autos mit Elektroantrieb oder anderen alternativen Antriebsmethoden wie Wasserstoff als Neuwagen erhältlich sein. Der Bestand an Gebrauchtfahrzeugen soll von diesem Verbot allerdings nicht betroffen sein, das heißt es wird weiterhin möglich sein, ein gebrauchtes Auto mit Verbrennungsmotor zu besitzen, zu kaufen und zu verkaufen.

Es ist zu erwarten, dass viele Leute aus praktischen oder finanziellen Gründen kein Interesse haben werden, ein neues Elektrofahrzeug zu kaufen. Stattdessen werden sie dann ihren alten Wagen mit Verbrennungsmotor möglichst lange weiterfahren oder einen Gebrauchten Verbrenner kaufen. Verschiedene Gründe sprechen dafür. Vor allem Menschen, die in abgelegenen Regionen außerhalb der großen Städte wohnen, werden auf einen Verbrenner wohl nicht verzichten wollen, einerseits, da auf dem Land die Lade-Infrastruktur nicht so gut ausgebaut ist und da die Reichweiten von Elektroautos zu gering sind.

Außerdem werden auch finanzielle Aspekte bei der Anschaffung eine Rolle spielen. An Verbrennern gibt es eine riesige Auswahl an gebrauchten Fahrzeugen in jeder Preiskategorie. Bereits um 500 Euro bekommt man ein fahrbereites Auto mit gültiger Hauptuntersuchung. Wer beim Auto aufs Geld schauen muss, für den wird ein Elektroauto daher keine Option sein. Neufahrzeuge kosten momentan selbst in der Kompaktklasse noch deutlich über 20.000 Euro. Wer ein elektrisches SUV möchte, der muss zur Zeit etwa 50.000 Euro berappen. SUVs mit klassischen Motoren kosten gebraucht in gutem Zustand nur ein Zehntel.

Autos werden schon jetzt immer älter

Doch auch abseits von der Debatte um das Verbrenner-Verbot ab 2035 ist bereits seit vielen Jahren die Tendenz absehbar, dass wir uns in Deutschland auf „kubanische Verhältnisse“ zubewegen. Denn die Gebrauchtwagen werden auch hierzulande immer älter und werden immer länger genutzt. Schon seit zwei Jahrzehnten geht der Trend in diese Richtung. Verantwortlich dafür ist aber auch die immer bessere Qualität in der Autoherstellung.

Noch in den 1970er Jahren war es völlig normal, dass ein Auto nach wenigen Jahren des Gebrauchs komplett durchgerostet war. Ein typischer Ford, Opel oder VW hielt damals als Alltagsauto kaum 10 Jahre durch. Auch bei den Motoren gingen die Dichtungen schon nach wenigen Jahren kaputt, die Motoren begannen überall zu ölen. Durch moderne Fertigungstechnologien und bessere Qualitätskontrollen halten Autos seit Ende der 1980er Jahre aber zunehmend länger. Dass ein Auto vor Rost auseinanderfällt, kommt inzwischen kaum noch vor. Auch die Motoren halten heute bei vielen Modellen überraschend lange. Laufleistungen von weit über 200.000 Kilometer sind heute normal, gute Fahrzeuge schaffen sogar über 500.000 Kilometer.

Es ist daher abzusehen, dass Verbrenner auch nach dem geplanten Verbot von Neuzulassungen ab 2035 noch auf viele Jahrzehnte die Straßen bevölkern werden. Das Verbot vorhandener Fahrzeuge dürfte auf absehbare Zeit kaum zur Debatte stehen, denn dies käme einer Enteignung gleich.

Die Produktion kann die Nachfrage schon jetzt nicht befriedigen

Weiterhin kommen noch aktuelle Tendenzen auf dem Automarkt hinzu. Die Corona-Pandemie hat einerseits dazu geführt, dass die Herstellung von Chips in China, welche heute für alle modernen Autos unerlässlich sind, seit Jahren ins Stocken gekommen ist. Jüngst hat auch noch der Ukraine-Krieg dazu geführt, dass Rohstoffe für die Autoherstellung teurer wurden und zeitweilig nicht verfügbar waren.

Die Autohersteller haben daher momentan Probleme, die Nachfrage nach Neuwagen zu befriedigen. In der Folge ist es zu einem Anstieg der Nachfrage bei den Gebrauchtwagen gekommen. Etwa um ein Fünftel sind die Durchschnittspreise für gebrauchte Autos in den letzten Monaten gestiegen.

Eine ähnliche Tendenz auf dem Automarkt ist auch zu erwarten, wenn es 2035 zum Ende des Verkaufs neuer Verbrenner kommt. Dann könnte es ebenfalls zu einem Anziehen der Gebrauchtpreise kommen. Da hierdurch ein Domino-Effekt eintritt, wird sich diese Entwicklung am Ende sogar auf die Fahrzeuge in der untersten Preiskategorie auswirken.

Es gibt lediglich eine Möglichkeit, wie dieser Effekt ausbleiben könnten, nämlich indem Elektrofahrzeuge bis dahin so günstig und so problemlos benutzbar sind wie Verbrenner. Dann würde der Markt ganz von selbst dahin gehen, dass Verbrennerfahrzeuge aussterben.

Diese Auswirkungen würde der Havanna-Effekt auf die Umwelt haben

Es ist schwer abzuschätzen, welche Auswirkungen es auf die Umwelt haben würde, wenn ein hoher Prozentsatz der Autofahrer an ihren Verbrennern festhält. Zum einen ist eine negative Wirkung auf die CO2-Bilanz nicht von der Hand zu weisen. Es dürfte auf diese Weise kaum gelingen, den CO2-Ausstoß im Verkehr deutlich zu reduzieren. Denn die Bestandsfahrzeuge und nicht die Neuzulassungen machen ja den größten Anteil am CO2-Ausstoß aus. Allerdings ist nicht geklärt, wie die Mobilität im Jahre 2035 aussehen wird. Bereits jetzt haben die Möglichkeit zum Home-Office und die Einführung eines pauschalen Nahverkehrstickets dazu geführt, dass die Deutschen ihre Autos im Alltag weniger nutzen.

Die Jahreskilometerleistungen haben seit der Corona-Pandemie allgemein abgenommen. Bei einem weiteren Ausbau der digitalen Arbeitswelt und der Nahverkehrs-Infrastruktur könnte es sogar dazu kommen, dass in 15 Jahren nur noch gelegentlich einmal das Auto benutzt wird. In diesem Fall wären die Auswirkungen auf die Umwelt dann gar nicht mehr so groß. Dem steht zudem entgegen, dass auch die Herstellung eines Autos, zumal eines Elektroautos mit seiner großen Batterie, sehr viel Energie und Rohstoffe verbraucht. In diesem Sinne ist die Weiternutzung eines alten Autos daher sogar nachhaltig. Am Ende könnte der Havanna-Effekt also auch eine positive Wirkung auf die Umwelt haben.

Die Auswirkung des Havanna-Effekts auf die Auto-Industrie

Problematisch dürften die Auswirkungen einer solchen Entwicklung jedoch für die Autohersteller werden. Sollte es tatsächlich zu einem Havanna-Effekt kommen, dann würde die Nachfrage nach Neufahrzeugen dramatisch abnehmen. Dies würde aber nur dazu führen, dass die Produktionskosten pro Fahrzeug und damit die Neupreise noch weiter ansteigen, was wiederum nur eine Verstärkung des Havanna-Effekts zur Folge hätte. Auf diese Weise könnte in der europäischen Autoindustrie ein allgemeiner Niedergang einsetzen. Neufahrzeuge würden dann zu einem Luxusartikel für Hochverdiener, es würden also tatsächlich Verhältnisse wie auf Kuba eintreten.

Dem gegenüber würde aber die Ersatzteil-Industrie einen verstärkten Absatz erleben. Autos mit Verbrennungsmotoren haben schon aufgrund ihrer komplexen Motorentechnik im Alter einen hohen Bedarf an Ersatzteilen. Aufgrund der verlängerten Haltedauer würden natürlich auch alle übrigen Komponenten am Fahrzeug einem höheren Wartungsbedarf unterliegen. Als Nebeneffekt würde sich auch die Auftragslage für die Werkstätten erhöhen. Während also die eigentliche Auto-Industrie bei einem Eintreten des Havanna-Effekts das Nachsehen hätte, würden andere Wirtschaftszweige davon profitieren.

Der Havanna-Effekt und das automobile Kulturgut

Freuen dürfte sich über den Havanna-Effekt vor allem die Oldtimer- und Youngtimer-Szene. Wie auch auf Kuba würde diese Entwicklung dazu führen, dass Autos über Jahrzehnte bewahrt und vor dem Verschrotten gerettet würden. Bereits heute hat das Oldtimerwesen in Deutschland großen Zulauf. In den letzten 10 Jahren hat sich der Bestand an Oldtimern, also Fahrzeugen, die mindestens 30 Jahre alt sind, mehr als verdreifacht. Zudem würde der Effekt auch dazu führen, dass alte Autos generell besser gepflegt und gewartet werden.

Vielleicht würde dies auch zu einem völligen Umdenken in der Einstellung zum Auto resultieren. Autos sind in den letzten Jahren immer mehr zum reinen Gebrauchsgegenstand und Wegwerfartikel verkommen. Niedrige Gebrauchtwagenpreise und günstige Leasingangebote haben ihren Teil dazu beigetragen. In den Anfangsjahren des privaten Kraftverkehrs war das Auto für viele Besitzer dagegen noch ein wohl gehüteter Schatz, an dem jeder Kratzer peinlich vermieden wurde. Im Auto zu essen oder zu trinken galt als undenkbar, stattdessen gab es jeden Sonntag eine Wäsche. Diese Einstellung im Umgang mit dem Auto hat sich auf Kuba aufgrund der dortigen Verhältnisse bis heute erhalten. Vielleicht setzt sie sich auch bei uns wieder durch?

Fazit zum Havanna-Effekt

Der Havanna-Effekt trat auf Kuba auf, nachdem die Regierung den Kauf und die Zulassung von Neufahrzeugen gesetzlich reglementiert hatte. Seitdem müssen sich die Kubaner mit dem vorhandenen Bestand an Gebrauchtfahrzeugen zufrieden geben. Ein ähnlicher Effekt könnte auch bei uns eintreten, wenn ab 2035 die Neuzulassung von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor verboten wird.

Abgemildert werden könnte diese Entwicklung nur durch weitere Preissenkungen bei Elektrofahrzeugen und durch eine Verbesserung der Lade-Infrastruktur. Dadurch würde sichergestellt, dass bis 2035 auch ein entsprechendes Angebot an erschwinglichen gebrauchten Elektroautos vorhanden ist. Auf der anderen Seite würde der Havanna-Effekt natürlich dazu beitragen, dass unzählige automobile Klassiker vor der Schrottpresse gerettet werden.


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