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Dann sollen sie doch Kuchen essen: Wer sagte es, Wann & Warum


Dann sollen sie doch Kuchen essen

Dann sollen sie doch Kuchen essen, ist ein Ausspruch – welchen auf die französische Königin Marie Antoinette zurückgeführt wird. Diese reagierte damit auf die steigenden Brotpreise und die Brotknappheit in Frankreich am Ende des 18. Jahrhunderts. Als man ihr sagte, dass das Volk kein Brot mehr hat, machte sie den Vorschlag, dass sie Kuchen essen sollen. Dies löste allgemeines Entsetzen aus, was letztlich der Grund für die Französische Revolution von 1789 war. Aber letztlich handelt es sich beim Kuchenzitat um einen Geschichtsmythos, eine Verschwörungserzählung – welche heute noch gern verbreitet wird.

Was bedeutet: Dann sollen sie doch Kuchen essen

Immer, wenn jemand von der Machtelite etwas Blödes macht, taucht irgendjemand auf und erinnert an das Schicksal der französischen Königsfamilie, welche vom Volk hingerichtet wurde. Dann heißt es: Schon Marie Antoinette war zu abgehoben, um die Armut der einfachen Bevölkerung zu verstehen. Und als man ihr sagte, dass die armen Menschen kein Brot mehr haben, antwortete sie:

„Wenn sie kein Brot haben, dann sollen sie doch Kuchen essen“.

Dass Kuchen um einiges teurer war als Brot und sich die Bevölkerung dieses Nahrungsmittel erst recht niemand leisten konnte, hat die französische Prunkkönigin nicht verstanden oder wollte es nicht verstehen. Und auch heute gibt es Milliardäre, Millionäre, Politiker oder andere Machtmenschen, welche scheinbar die Lebenswirklichkeit des „kleinen Mannes“ nicht kennen oder nicht verstehen. Dann wird das Zitat von Marie Antoinette gerne wiederholt, um an das Schicksal der verschwenderischen Königin zu erinnern.

Demnach wird das Zitat heutzutage genutzt, um die Diskrepanz zwischen der Lebenswirklichkeit der einfachen Bevölkerung und der Elite zu beschreiben. Die versteckte Botschaft, dass das Volk der eigentliche Souverän eines Staates ist, sich irgendwann wehren wird, schwebt ebenfalls mit. Demnach ist im Kuchen-Zitat auch eine versteckte Androhung von Konsequenzen versteckt.

Sagte Marie Antoinette wirklich: Dann sollen sie doch Kuchen essen

Also tatsächlich war es nicht Marie Antoinette, obwohl sie dafür hinhalten muss. Bei diesem Zitat handelt es sich, um ein sogenanntes Kuckuckszitat – welches man der französischen Königin später zuschob.

Es ist wahr, dass Marie Antoinette verschwenderisch lebte, während die französische Bevölkerung hungerte. Aber es existieren Briefe zwischen ihr und ihrer Mutter Maria Theresia von Österreich, welche beweisen, dass ihr die Bevölkerung keineswegs egal war. Ihre Mutter war eine Habsburger, Königin (Erzherzogin) von Österreich-Ungarn, Maries Mentorin in Wien gewesen und zur Beraterin in Frankreich geworden.

In einem Brief, welchen Marie am 22. Juni 1775 an ihre Mutter verfasste, schreibt die Antoinette:

„Es ist erstaunlich und zugleich wunderbar, zwei Monate nach den Unruhen und trotz der hohen Brotpreise, die leider nicht zurückgehen, so aufgenommen zu werden.“

Das Kuchenzitat stammt somit nicht von ihr, wurde ihr aber später zugeschrieben. (weiter unten mehr dazu)

Wer sagte „Dann sollen sie doch Kuchen essen“

Das Zitat geht auf den französischen Philosophen Jean-Jacques Rousseau (1712 – 1778) zurück. Dieser verfasste zwischen 1764 und 1770 seine Autobiographie, welche unter dem Titel: „Die Bekenntnisse“ erschien.

Es handelt sich bei diesem Werk um einen Zwölfteiler. Der sechste Teil des Werkes beschreibt seine Lebenszeit als er 24 bis 29 Jahre alt war. Es handelt sich demnach um eine Zeitspanne zwischen 1736 und 1741.

In diesem sechsten Teil zitiert Rousseau eine große Prinzessin, deren Namen er nicht nennt. Diese hat auf die Aussage, dass die Bauern kein Brot mehr haben, reagiert, indem sie den Verzehr von Brioche vorschlug. Wörtlich lautet die Textstelle so:

„Je me rappelai le pis-aller d’une grande princesse à qui l’on disait que les paysans n’avaient pas de pain, et qui répondit: Qu’ils mangent de la brioche!“

Und auf Deutsch bedeutet dies:

„Endlich erinnerte ich mich des Notbehelfs einer großen Prinzessin, der man sagte, die Bauern hätten kein Brot, und die antwortete: ‚Dann sollen sie Brioche essen!‘“

Broiche (deutsch: Apostelkuchen) ist ein lockeres Gebäck, welches ursprünglich aus Frankreich stammte. Das Zitat bezieht sich demnach auf Broiche und nicht auf Kuchen.

Der Zeitraum, als Rousseau das Zitat aufschnappte, beschränkt sich auf eine Zeitspanne zwischen 1736 und 1741. Marie Antoinette wurde 1755 geboren und war zur Zeit der Zitatentstehung noch nicht einmal auf der Welt.

Auch den Namen der Prinzessin nennt Rousseau nicht. Demnach kann es jede gewesen sein. Heute wird angenommen, dass sich Rousseau lediglich auf eine Fabel bezog, welche ihm zwischen 1736 und 1741 erzählt wurde.

Aus einer Erzählung, welche ein französischer Philosoph etwa 15 Jahre vor Marie Antoinettes Geburt irgendwo aufschnappte, wurde eine Kampfparole – um die französische Königin zu stürzen und schließlich hinzurichten.

Warum wurde das Kuchenzitat nun Marie Antoinette zugeschrieben

Ganz einfach, weil die Franzosen ihr alles Mögliche unterstellt haben. Als sie als 14-jähriges Mädchen nach Frankreich kam, um den französischen Thronfolger Ludwig August (Ludwig XVI.) zu heiraten, war sie zunächst beliebt. Sie wurde als naives Mädchen aus Österreich wahrgenommen, welches mit den eigentümlichen Sitten und Gepflogenheiten am französischen Hof nicht gut zurechtkam.

Aber eine Königin hatte nur einen Wert, wenn sie Kinder bekommt. Sie musste Thronhalter hervorbringen und möglichst männliche. Nun blieb die Ehe zwischen Marie Antoinette und Ludwig XVI. aber lange kinderlos, was Raum für Spekulationen schuf. So hieß es, dass Marie diverse Affären hatte. Auch homosexuelle Neigungen mit ihrer Hofdame Madame Lamballe wurden ihr nachgesagt.

Sie soll sittenwidrige Dinge im Schlafzimmer mit einer Fülle von Männern und Frauen gemacht haben, so heißt es.

Als dann das erste Kind 1778 zur Welt kam, war es eine Tochter. Also war auch dies eine kleinere Enttäuschung. Erst 1781 bekamen die Franzosen mit Louis-Joseph-Xavier-François einen männlichen Thronerben präsentiert. Zu diesem Zeitpunkt waren Marie und Ludwig XVI. bereits 11 Jahre verheiratet. Das war eine lange Zeit, um die Gerüchteküche schön brodeln zu lassen.

Einigen Hofdamen, wie die unverheirateten Tanten Ludwigs, nutzen das naive Mauerblümchen aus Österreich für eigene Ränkespiele und Intrigen am Hof. Um dem zu entgehen, zog sich Marie spätestens seit 1774 in ihr Lustschlösschen Petit Trianon zurück, welches nordwestlich von Versailles lag. Dort veranstaltete sie Bälle, verspielte Unsummen von Gelder beim Glücksspiel und scharte einige Schmarotzer um sich.

Wohlmöglich spielte auch ihre Herkunft eine Rolle. Denn Österreich-Ungarn war eine Großmacht in Europa, genauso wie Frankreich. Als man den Franzosen erstmalig die vierzehnjährige Marie als zukünftige Königin präsentierte, hatte man ihr die Herkunft verziehen. Doch nun gebar sie keine Kinder, lebte abgeschottet vom Hofstaat in einem separaten Schlösschen und neigte zur Verschwendung.

Hinzu kam, dass Marie Antoinette nach der Thronbesteigung Ludwigs XVI. einige politische Figuren ersetzen ließ. So wurde der Außenminister Herzog von Aiguillon auf Wirken der Königin entlassen. Sein Nachfolger war der frühere Amtsinhaber Herzog von Choiseul, welche sich österreichfreundlicher gab. So brachte sie die Anti-Österreich-Allianz gegen sich auf. Am Hof nannte man sie fortan l’Autrichienne (Die Österreicherin), was verächtlich gemeint war.

Als 1789 Maries ältester Sohn, welcher zugleich erster Anwärter auf den Thron war, starb – unterstellte man ihr Kindesmord. Laut den Gerüchten soll Marie ihren ältesten Sohn vergiftet haben, weil sie verrückt geworden sei.

Tatsächlich erkrankte Louis bereits 1786 an einer Rachitis. Ursache ist oftmals eine Mangelernährung, was man damals aber nicht wusste. Der junge Thronfolger litt an Wachstumsstörungen und Verkrümmungen der Wirbelsäule. Bereits Monate vorher wusste das Königspaar, dass ihr Sohn sterben wird.

Wann tauchte das Kuchenzitat erstmalig auf

Die Französische Revolution begann 1789. Die Königsfamilie wurde zuerst aus dem Schloss Versailles vertrieben und in den Tuilerien-Palast (Paris) einquartiert.

Nachdem bekannt wurde, dass die Königsfamilie diverse Bittbriefe ans Ausland verschickt hatte, in denen sie um militärischen Beistand zur Niederschlagung der Revolutionäre gebeten hatten, wurde der Tuilerienpalast gestürmt und die Königsfamilie in einen Templerpalast gebracht. Ihnen wurde der Prozess gemacht, sie wurden als Volksverräter angeklagt und hingerichtet. Marie Antoinettes Hinrichtung fand am 16. Oktober 1793 statt.

Zu Maries Lebzeiten tauchte das Kuchenzitat noch nicht auf. Erst danach wurden Zitate herangeführt, um die Verschwörungserzählung um die Königsfamilie zu untermauern. Zwar wurde Marie Antoinette bereits mit den Anklagen der Unzucht, des Vergiftungsattentats konfrontiert. Auch dass sie verrückt geworden war, vorhatte alle Franzosen zu töten – war eine Spukerzählung, welche zu ihren Lebzeiten aufkam. Das Kuchenzitat aus Rousseau -Autobiographie wurde erst nachträglich untergeschoben.

Weitere Verschwörungstheorien um Marie Antoinette

Während ihrer Zeit im Tuilerienpalast kam das Schauermärchen auf, dass Marie Antoinette sich als Mann verkleiden würde, nachts den Palast verlassen würde, um sich mit Konterrevolutionen zu treffen. Diese planten die Niederschlagung der Girondisten mit Hilfe von Österreich. Dieses Argument wurde ab 1792 dafür genutzt, um einen Krieg gegen Österreich zu führen und diesen mit entsprechender Propaganda aufzuladen.

Genauso wie das Kuchenzitat ist das Österreich-Komitee auch nur eine Verschwörungserzählung, welche man erfand, um Marie Antoinette entsprechend anklagen und die Symbolfigur für eigene Zwecke nutzen zu können.


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