Was bedeutet Adoleszenzroman: Definition und Bedeutung
Der Begriff Adoleszenzroman ist ein Fachbegriff aus der Literatur und bezeichnet eine bestimmte Typen von Romanen, die sich mit der Phase der Adoleszenz von Menschen, also dem Erwachsenwerden, beschäftigen.
Inhalt
Die Adoleszenz als Thema einer Erzählung
Das Wort Adoleszenz hat seine Wurzeln im lateinischen adolescare, was man mit „aufwachsen“ übersetzen kann. So wie der Begriff heute zumeist gebraucht wird, bezeichnet Adoleszenz, gemeinhin das Jugendalter oder die Pubertät.
Adoleszenz ist also der Lebensabschnitt, in dem ein Kind zu einem Erwachsenen heranwächst. Im Gegensatz zum Begriff Pubertät, der sich eher auf die körperlichen und hormonellen bezieht, beschreibt die Adoleszenz die Veränderungen, die eher in der Psyche und im Denken der jungen Menschen stattfinden.
Andere Definitionen beschreiben diesen Abschnitt konkret als den zwischen dem Einsetzen der Pubertät und der Ablöse aus dem Elternhaus. In Lebensaltern ausgedrückt, bedeutet dies den Abschnitt zwischen dem 12. und 24. Lebensjahr. Diese Angabe kann aber nur ein Anhaltspunkt sein. So gibt es ganz unterschiedliche Angaben. Die WHO, die Weltgesundheitsorganisation, setzt den Zeitraum zwischen dem 10. und 20. Lebensjahr als Adoleszenzphase an, das Strafgesetz sieht Menschen ab dem 18. Lebensjahr bereits als volljährig und erwachsen an.
Heute gilt es als unstrittig, dass Beginn, Ende und Dauer dieser besonderen Lebensphase sehr individuell ist. Die Adoleszenz kann also bei jedem einzelnen Menschen ganz unterschiedlich ausfallen. Wichtig und das allgemein verbindende Element für alle Menschen ist jedoch, dass dieser Übergang, egal wie lange er dauert, vollzogen werden muss, um ein Leben als Erwachsener selbständig und selbstbestimmt leben zu können.
Am Ende der Adoleszenz-Phase steht also ein erwachsener Mensch, dem es gelungen ist, sich von seinem Elternhaus zu lösen, um ein eigenes Leben, vielleicht auch schon eine eigene Familie aufzubauen. Wenn man sich im Bekannten- oder Freundeskreis umschaut, so wird man auch feststellen können, dass dieser Prozess beispielsweise durch Studium, freiwillige soziale Jahre und natürlich auch durch offenere Formen der Beziehungsführung im westlichen Europa bis weit in das dritte Lebensjahrzehnt reichen kann.
Der Mensch im Mittelpunkt der Adoleszenzerzählung
Allein schon aus dieser rein äußerlichen Beschreibung kann sich die Faszination dieser Lebenszeit für Romanautoren erschließen. Für die handelnden Personen ergeben sich viele Ansatzpunkte, die sich ganz wunderbar in Literatur umwandeln lassen. Es sind vor allem Konflikte mit dem eigenen Elternhaus, die Veränderungen des Körpers, der Hormone, die Menschen zwingen, ihre eigene Rolle zu ihren Eltern, Geschwistern, den Lehrern, Freunden zu finden – und dann auch auszufüllen.
Fragen, die sich Menschen in dieser Zeit stellen lauten beispielsweise: Wer bin ich? Wer will ich sein? Was ist der Sinn des Lebens? Welche Rolle will ich auf dieser Welt spielen? Wie sollte meine Partnerin sein? Welche Art von Beziehung möchte ich? Will ich Kinder haben? Womit soll ich mein Geld verdienen?
Die meisten dieser Fragen werden von den wenigsten Menschen eindeutig oder schnell beantwortet werden können. Diese Orientierungsphase ist vielmehr von Versuchen geprägt, in denen es auch des Öfteren zu Streitigkeiten, Enttäuschungen und Fehlentscheidungen kommen kann. Essstörungen, Selbstmordgedanken und Suchtverhalten können leider ebenfalls Bestandteil typischer Adoleszenzphasen sein.
Spätestens hier wird deutlich, worin die Spannung und Faszination vieler Autoren und Leser für Adoleszenzromane besteht: In genau diesem Spannungsfeld, in dem sich jeder Mensch befindet oder befunden hat, tauchen zwar immer die gleichen Fragen und Probleme auf – die Antworten sind dabei jedoch höchst individuell und kreativ.
Ob sie die endgültigen Antworten sind und ob es dem „Helden“ gelingt, sich und seine Rolle in der Welt zu finden, bleibt oftmals offen und sorgt für eine fast schon krimi-hafte Spannung. Und dadurch, dass wirklich jeder Leser sich mit diesen Fragen auseinandergesetzt hat, stellen Adoleszenzromane ein besonders hohes Identifikationspotenzial dar. Das bedeutet, dass sich viele Menschen in den beschriebenen und handelnden Personen wieder erkennen und sich in diese Figuren hineinversetzen können, was den Spaß am Lesen natürlich deutlich erhöht!
Geschichte des Adoleszenzromans
Der Ursprung des Adoleszenzromans in der deutschsprachigen Literatur und somit die Gattung des klassischen Entwicklungsromans liegt im 18. Jahrhundert. Als einer der ersten Romane dieser Gattung gilt Anton Reiser von Karl Philipp Moritz, der 1785 erstmals erschienen ist und damals für eine riesige Leserbegeisterung sorgte. Vor allem aber zeigt dieser Roman ein optimistischere Entwicklung des Helden.
Viel berühmter – aber auch sehr viel umstrittener ist der kurze aber umso wichtigere Roman „Die Leiden des jungen Werther“ von Johann Wolfgang von Goethe, der bereits 1774 erschienen ist. Dieser Roman beschreibt die innere Zerrissenheit des jugendlichen Helden Werther, der am Ende des Romans aufgrund einer unglücklichen und nicht erwiderten Liebe Selbstmord begeht, derart anschaulich, dass viele Leser nach der Lektüre dieses Romans ebenfalls Selbstmordversuche begangenen haben. So zumindest lauten zahlreiche Gerüchte aus dieser Zeit. Unabhängig davon gilt Goethes erster Roman bis heute als stilbildendes Beispiel für die Gattung des Adoleszenzromans.
Weitere Beispiele für diese Gattung sind „Die Verwirrungen des Zöglings Törleß“ von Robert Musil oder „Buddenbrooks“ von Thomas Mann. Ein Autor, der an der Schwelle des klassischen zum modernen Adoleszenzromans steht, ist Hermann Hesse. Seine Werke wie beispielsweise „Der Steppenwolf“, „Unterm Rad“ oder „Das Glasperlenspiel“ und „Siddharta“ gelten auch international als wichtige Romane, die die wichtigsten Fragen des Erwachsenwerdens und der Identitätssuche behandeln.
Ein internationaler englischsprachiger Klassiker, der bis heute zahlreiche Leser findet, ist „Der Fänger im Roggen“ von Jerome D. Salinger, dessen Held Holden Caulfield Vorbild für viele Jugendliche geworden ist.
Der moderne Adoleszenzroman
Neben den grundlegenden Fragestellungen der Identitätsfindung sind es heute vor allem phantastische Elemente, die viele Adoleszenzromane der Gegenwart auszeichnen. Zu ihnen gehören zum Beispiel: „Harry Potter“ von J.K. Rowling, „Krabat“ von Otfried Preußler oder „Tschick“ von Wolfgang Herrndorf.
Was diese Romane bei allen Unterschieden gemeinsam haben, ist ein jugendlicher Held, der sich zu Beginn in einer fest gefügten, kalten und phantasiearmen Welt befindet. Diese muss durchbrochen werden, dieser muss der Held mit einer eigenen Idee oder Mission entgegentreten. Was diese Idee oder Mission sein kann – das erfährt der held im Laufe zahlreicher Abenteuer, die er bestehen muss und so Schritt für Schritt zu sich findet.
Dann erst gelingt es ihm, der als kalt und phantasielos empfundenen Welt eine andere, eine Welt voller Freiräume und Phantasie entgegenzusetzen. Aus dem jugendlichen Held ist nun ein selbständiger Erwachsener geworden, der eigenständig und eigenverantwortlich handelt und sich seine eigenen (Frei-)-Räume erkämpft hat.
Dostojewskis Adoleszenzroman „der Jüngling“
Fjodor Michailowitsch Dostojewski (1821- 1881) gilt als einer der berühmtesten russischen Schriftsteller. Sein Werk „der Jüngling“ wurde 1875 veröffentlicht und thematisiert, wie in vielen anderen Dostojewski-Werken, die Vater-Sohn-Beziehung.
Der Protagonist der Erzählung ist der 19-jähriger Arkadij, welcher als unehelicher Sohn des Adligen Andrei Wersilow und seines Dienstmädchens Sofia in Sankt Petersburg heranwächst. Sofia ist eigentlich mit dem ehemaligen Leibeigenen Makar Dolgorukij verheiratet, welcher allerdings auf Pilgerschaft geht bzw. abhaut.
Als unehelicher Sohn des Gutsherrn wird Arkadij in Pensionen in Moskau untergebracht und besucht dort ein Gymnasium. Dort wird ihm seine uneheliche Stammeslinie immer wieder zum Verhängnis. So wird er von Mitschülern und Lehrern gedemütigt, wodurch er eine gesellschaftliche Außenseiterrolle erlangt.
In ihm keimt der Gedanke auf, sehr reich zu werden – um mit dem Geld prahlen zu können, um dann über seinen Peinigern zu stehen. Seinen Vater, den mittelosen Adligen, welcher seine Mutter geschwängert hat – idealisiert Arkadij. Er strebt die Erlösung durch den Vater an.
Als Arkadij dann nach Sankt Petersburg zurückkehrt, will der Adlige Wersilow seinen unehelichen Sohn kennenlernen. Nun kommt es zu den inneren Konflikten des Protagonisten, da sich Idealbild des Vaters und Realität unterscheiden. Dies ermöglicht die Lossagung des idealisierten Vaters und Reifung des Protagonisten.
Burnetts Adoleszenzroman „der geheime Garten
Die britische Schriftstellerin Frances Hodgson Burnett veröffentlichte 1911 den Adoleszenzroman „der geheime Garten“.
Protagonistin des Romans ist das Waisenmädchen Mary Lennox, welche anfangs in Indien lebt, aber nach dem Tod der Eltern zu einem Onkel nach England zieht. Im Haus des Onkels gibt es weder Spielzeug noch andere Möglichkeiten, sich zu beschäftigen. Deshalb zieht es Mary immer wieder in den Garten des Anwesens.
Im Garten entdeckt sie ein Tor, welches von Pflanzen überwuchert ist. Dahinter befindet sich ein geheimer Garten. Dieser geheime Abschnitt hatte der Onkel mit seiner verstorbenen Frau angelegt und seit deren Tod verschlossen.
Mary freundet sich mit ihrem todkranken Cousin Colin an, zeigt ihm den geheimen Garten. Und beide Kinder spielen und tollen im Garten herum, wodurch sich Colins Gesundheitszustand merklich bessert. Nur im Anwesen spielt der Junge den Todkranken, da er so mehr Aufmerksamkeit erhält.
Otfried Preußlers Adoleszenzroman „Krabat“
Otfried Preußler (1923 – 2013) war ein deutscher Schriftsteller, welcher zahlreiche Kinderbücher – wie die kleine Hexe, das kleine Gespenst oder der Räuber Hotzenplotz veröffentlicht hat. Sein Adoleszenzroman „Krabat“ erschien 1971 und basiert auf eine westslawische Sage.
Preußlers Krabat ist ein 14-jähriger Waisenjunge, welcher eine Lehre beim örtlichen Müller antritt. Schon bald stellt sich heraus, dass der Müller ein Hexenmeister ist, welcher seine 12 Lehrlinge in Schwarzer Magie unterrichtet. Krabat gefallen seine neu gewonnenen Kräfte und er freundet sich auch mit seinen Gesellen an. Doch am Ende eines jeden Jahres stirbt ein Lehrling auf unerklärliche Weise und wird schnell durch einen neuen Auszubildenen ersetzt.
Krabat erfährt, dass der Müllermeister seine Gesellen opfert, um selbst nicht sterben zu müssen. Um dem Opfertod zu entgehen, übt Krabat sich in der Schwarzen Kunst, da er hofft, so den Müllermeister besiegen zu können. Die Liebe zu einem Mädchen aus dem Dorf gibt ihm Kraft. Er erfährt außerdem, dass nur die Liebe die Schwarze Kunst des Müllers besiegen kann. Und zwar in dem die Liebende den Müller zur Silvesternacht um Herausgabe ihres Liebsten bittet und eine Prüfung besteht.
Ulrich Plenzdorfs Adoleszenzroman „Die neuen Leiden des jungen W.“
Ulrich Plenzdorf (1934 – 2007) war ein deutscher Schriftsteller, welcher „Die neuen Leiden des jungen W.“ im Jahr 1976 veröffentlichte.
Edgar Wibeau ist ein 5-jähriger Junge, welcher von seinem Vater verlassen wurde. Im alter von 17 Jahren stirbt Edgar Wibeau. Um seinen Sohn im Nachhinein besser kennenzulernen, unternimmt der Vater Nachforschungen und Befragungen. Diese führen ihn zu Freunden und Bekannten des Verstorbenen.
Edgar wuchs in der fiktiven Kleinstadt Mittenberg auf, besuchte die örtliche Schule und wurde zum Musterschüler. Nach dem Schulabschluss geht er in die Lehre, verkracht sich aber mit seinem Lehrmeister und verschwindet , zusammen mit seinem Freund Willi , nach Berlin.
Bereits nach kurzer Zeit zieht es Willi wieder zurück nach Mittenberg und somit bleibt Edgar allein in Berlin. Aus Briefen, welche er an Willi schreibt, geht hervor – dass sich Edgar in die Kindergärtnerin Charlie verliebt hat, welche allerdings verheiratet ist. Hier entsteht das Leiden des jungen W. als Anlehnung an Goethes Leiden des jungen Werthers.
Angetrieben durch seine Gefühlslage wird Edgar immer mehr von seinem Umfeld geprägt und zu einem Rebellen. An der Kunsthochschule, wo er studieren wollte, wird er nicht angenommen. Stattdessen nimmt er eine Anstellung bei einem Anstreicher an. Um sich zu beweisen, beschließt Edgar ein nebelloses Farbspritzgerät zu entwickeln, was sein Durchbruch werden sollte. Beim Versuch die Maschine zu bedienen, bekommt Edgar W. einen Stromschlag und stirbt.
Alina Bronskys Adoleszenzroman „Scherbenpark“
Alina Bronsky ist eine russisch-deutsche Schriftstellerin, welcher im Jahr 2008 ihren Debütroman „Scherbenpark“ veröffentlichte. Erzählt wird die Geschichte von der 17-jährigen Russlanddeutschen Sascha, welche im sozialen Brennpunkt aufwächst.
In der elterlichen Wohnung muss Sascha mitansehen, wie ihre Mutter von ihrem Stiefvater erschossen wird. Fortan muss sich Sascha um ihre Geschwister kümmern. Von Hass und Rache angetrieben, entfremdet sich Sascha immer mehr von ihrem Umfeld. So besucht sie bspw. nicht mehr die Parkanlage, welche als Scherbenpark bezeichnet wird, in der sich ihre Freunde treffen.
Erst als sie erfährt, dass ihr Stiefvater im Gefängnis Selbstmord beging, beruhigt sich Saschas Stimmungslage zunehmend. Der Hass verfliegt und sie kann sich neuen Zielen öffnen.