6 Gründe, warum Begriffe wichtig sind
Die Kognitionspsychologie und die Sprachwissenschaft beschäftigen sich mit verschiedenen geistigen Prozessen. Dazu zählen Aktivitäten wie das Wissen und Erinnern oder auch das Denken und Kommunizieren. Häufig greifen diese Prozesse ineinander oder stoßen sich gegenseitig an. So nutzt du beim Sprechen beziehungsweise Kommunizieren die abgespeicherten Informationen in deinem Gedächtnis.
Einerseits brauchst du die konkrete Erinnerung an das Ereignis, über welches du sprechen möchtest. Andererseits musst du dich allerdings auch an die richtigen Wörter erinnern, um das Erlebte zu beschreiben und dich deinem Gegenüber verständlich auszudrücken. Sprachliche Begriffe sind also praktische Alltagshelfer. Doch welche Funktionen übernehmen sie allgemein? Oder anders gefragt: Was sind Begriffe und wofür brauchen wir sie?
Inhalt
1. Viel Information bei wenig kognitivem Aufwand
Ein einzelner Begriff gibt dir bereits einem Menge Info an die Hand. Wenn dir jemand erzählt, dass er traurig war, kannst du mit dem Begriff „traurig“ viel anfangen. Du musst nicht das tränenreiche Gesicht deines Gesprächspartners gesehen zu haben oder selbst traurig sein, um diese Emotion nachvollziehen zu können. Allein der Begriff ermöglicht dir also bereits, dich in eine andere Person hineinzuversetzen oder auch mitzufühlen.
2. Mit Begriffen bilden wir mentale Gruppen
Wir weisen Ereignisse, Ideen, Personen und Gegenstände bestimmten Kategorien zu. Diese Kategorien erhalten dann einen Begriff. Die Kategorien werden mit Hilfe von Prototypen gebildet. Bei einem Prototyp handelt es sich um ein bestimmtes Bild in unserer Vorstellung. Diese Vorstellung beinhaltet ein für uns typisches Beispiel für eine Kategorie.
So denkst du bei dem Begriff „Vogel“ vielleicht eher an einen Spatzen als an einen Emu, weil ersterer eher deiner prototypischen Vorstellung eines Vogels nahekommt. Das erleichtert uns zwar einerseits die Zuordnung, doch können Prototypen uns auch in die Irre leiten. Zum Beispiel haben Menschen einen bestimmten Prototyp zum Begriff „Fisch“. Dieser umfasst etwa Merkmale wie „lebt unter Wasser“, „hat Flossen“, „guter Schwimmer“ oder ähnliches. Allerdings treffen die genannten Eigenschaften auch auf Delfine zu, bei denen es sich bekanntermaßen eben nicht um Fische handelt.
3. Begriffe machen unser Denken einfacher
Sie erlauben es uns, für eine Vielzahl an unterschiedlichen Personen, Ideen und Gegenständen eine überschaubare Anzahl von Bezeichnungen zu verwenden.
Und trotzdem verstehen andere meistens problemlos, was wir ihnen zu sagen versuchen. Wenn du einen Begriff hörst, schwebt dir meist direkt der mentale Prototyp vor. Stell dir vor, jemand bittet dich auf einem Stuhl Platz zu nehmen. Du weißt, dass der Schaukelstuhl gemeint ist, da sich sonst kein anderer Stuhl im Zimmer befindet. Diese Sitzgelegenheit ist bei dir in der mentalen Kategorie „Stuhl“ abgespeichert und so muss dein Gegenüber dir nicht erst erklären, dass explizit dieser Schaukelstuhl gemeint ist. Denn obwohl der Schaukelstuhl in seinem Aussehen vielleicht von deinem Prototyp dieser Kategorie abweicht (schließlich fehlen ihm die für einen Stuhl typischen Beine), weißt du Bescheid und setzt dich nicht etwa auf den Tisch.
Begriffe machen einiges weniger umständlich, bergen allerdings auch manchmal Gefahren. Denn mit unserem Denken in Kategorien, geht auch das Denken in Schubladen einher. Und das ist besonders im sozialen Kontext nicht unbedingt immer positiv. Stereotype und Vorurteile gegenüber bestimmten Gruppen können sich so schnell einstellen und sind leider häufig auch nicht wieder so einfach aus den Köpfen zu bekommen.
4. Begriffe sparen Zeit
Aus dem eben genannten Punkt ergibt sich diese Funktion: Wir sparen durch Begriffe Zeit. Da wir nicht für alles und jeden ein neues Wort erfinden und dieses unserem Gegenüber erst einmal umständlich erklären müssen, kommen wir schneller voran. Das trifft sowohl auf das Sprechen als auch auf das Denken an sich zu. Zwar denken wir nicht ausschließlich in Wörtern beziehungsweise Begriffen (häufig denken wir auch in Bildern). Doch wenn wir es tun, gelingt es uns eben anhand von Begriffen in einem kürzeren Zeitraum.
5. Funktion der Kommunikation
Eine wichtige Funktion wurde jetzt schon mehrfach angerissen, aber noch nicht explizit genannt. Begriffe dienen der Kommunikation. Damit diese Funktion erfüllt werden kann, müssen allerdings einige Voraussetzungen abgedeckt sein. Zum einen muss eine präzise Definition vorherrschen. Mit dem Begriff sollte also ein konkretes mentales Vorstellungsbild einhergehen. Dazu gesellt sich zum anderen die intersubjektive Übereinstimmung.
Das bedeutet, dass jeder unter diesem Begriff auch dasselbe versteht. Außerdem ist noch die zeitliche Kontinuität von Bedeutung. Begriffe sollten nicht innerhalb von kürzester Zeit ihre Bedeutung wechseln. Andernfalls wird die Kommunikation wieder erschwert. Dass Wörter ihre Bedeutung im Laufe der Geschichte verändern, kommt dennoch vor.
Die intersubjektive Übereinstimmung ist besonders in der Wissenschaft von Bedeutung. Ansonsten hätten Forscher Probleme damit, sich untereinander verständliche zu machen. Das wäre schwerwiegend, wenn sie sich gegenseitig die Erkenntnisse aus ihren Untersuchungen mitteilen. Besonders in der Psychologie gibt es in Bezug auf Begriffe allerdings ein Problem: In der Alltagssprache haben sich mittlerweile verschiedene psychologische Begriffe etabliert.
Doch umgekehrt werden auch in der psychologischen Forschung Begriffe genutzt, die aus dem Alltagsgebrauch stammen. Die Grenzen zwischen Alltags- und Wissenschaftssprache sind daher nicht immer trennscharf und das kann zu Schwierigkeiten führen. Besonders dann, wenn die Begriffe nicht eindeutig definiert worden und somit Missverständnisse vorprogrammiert sind.
6. Begriffe haben eine Ordnungsfunktion
Wir Menschen wollen die Welt um uns herum verstehen. Damit das unendliche Chaos namens Wirklichkeit ein bisschen übersichtlicher wird, benutzen wir Begriffe zur Schaffung von Strukturen. Ein schönes Beispiel dafür, ist das Vorgehen in der Biologie. Hier werden Pflanzen und Tiere in verschiedene Klassen, Gattungen und Arten eingeteilt. Die genaue hierarchische Kategorisierung ist die folgende (von groß nach klein): Domäne, Reich, Stamm, Klasse, Ordnung, Familie, Gattung, Art, Unterart und Varietät.
Am obigen Beispiel des Menschen wäre das Reich das der Tiere, der Stamm die Chordata (ein Tierstamm, zu dem unter anderem auch die Wirbeltiere gehören), die Klasse der Mammalia (Säugetiere) und die Ordnung der Primaten. Weiter unterteilt gehören wir der Familie Hominidae und der Gattung Homo an. Unsere Art nennt sich sapiens, weshalb der Mensch auch als Homo sapiens bezeichnet wird.