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Neuropsychologie: Forschungsmethoden und Werkzeuge


Unser Denken und Verhalten ist von einem komplexen System aus Nervenzellen und deren Kommunikation untereinander abhängig. Diese Informationsübertragung spielt sich zwar auch in den Nervenbahnen ab, die unseren gesamten Körper durchziehen. Doch ein bestimmtes Organ zieht in der wissenschaftlichen Psychologie ganz besonders die Aufmerksamkeit auf sich: das Gehirn.

Denn hier gehen sämtliche Reize ein und werden zu dem verarbeitet, was uns als Individuen ausmacht. Die im Gehirn befindlichen Nervenverbindungen erlauben es uns zu denken, zu lernen, auf Erinnerungen zurückzugreifen und Emotionen zu empfinden. Das alles und noch mehr ist an sich schon sehr spannend. Doch stellt sich die Frage, wie und wo spielen sich diese Dinge im Kopf ab? Zwar kann man von außen nicht direkt ins Gehirn schauen. Doch mittlerweile gibt es verschiedene Methoden, die Licht in das Ganze bringen.

Was Verletzungen des Gehirns über dessen Funktionen verrät

Bevor wir auf die einzelnen Werkzeuge der Neurowissenschaften eingehen, werfen wir einen Blick auf die Geschichte. Denn bevor der technologische Fortschritt heutige Verfahren ermöglichte, standen den Forschern lediglich Beobachtungen zur Verfügung. Es konnte beispielsweise festgestellt werden, dass Gefühle von Taubheit oder Lähmungen auf der einen Seite des Körpers auftraten, wenn das Gehirn auf der anderen Seite verletzt war.

So fand man heraus, dass die linke Gehirnhälfte mit der rechten Körperhälfte verschaltet ist und der rechte Teil des Gehirns mit der linken. Anhand spezifischer Verletzungen (auch Läsionen genannt) wurde im Laufe der Zeit immer mehr über das Gehirn bekannt.

War ein bestimmter Bereich des Gehirns verletzt und fiel daraufhin die visuelle Wahrnehmung aus, wusste man um die Zuständigkeit dieses Bereichs. So wurde lange Zeit auf diesem Wege entdeckt, welche Teile des Gehirns etwa für die Sprache oder das Hören verantwortlich sind. Der Nachteil bei dieser Erforschung von Zusammenhängen zwischen Hirnbereichen und Verhaltensweisen liegt allerdings in ihrer Ungenauigkeit.

Eine Läsion ist häufig nicht auf ein bestimmtes Areal beschränkt, sondern betrifft meist auch andere Bereiche. So können mehrere Defizite bei Betroffenen auftreten und es bleibt unklar, welches Symptom mit welchem Teil des Gehirns zusammenhängt.

Modernere Wege zur Erforschung des Gehirns

Um die Funktion eines Gehirnareals zu untersuchen, muss diese nicht zwingend verletzt werden. Mit Hilfe von chemischen, magnetischen oder elektrischen Signalen kann eine Stimulation erreicht werden. Die Funktion des Bereichs kann damit sichtbar gemacht werden, ohne das Gewebe des Gehirns nachhaltig zu zerstören.

Doch auch unser Gehirn selbst sendet bei seiner täglichen Arbeit verschiedenste elektrische und magnetische Impulse aus, welche man sich bei verschiedenen Untersuchungsmethoden zunutze machen kann.

Elektroenzephalogramm

Neuronen tauschen sich mittels elektrischer Impulse untereinander aus. Diese strömen sozusagen in Form von Wellen über die Oberfläche des Gehirns. Diese können mit einem Elektroenzephalogramm (kurz EEG) verstärkt werden. Eine grafische Darstellung der Wellen ermöglicht das Ablesen und Interpretieren der Hirnfunktion. Ein EEG kann zum Beispiel die Unterschiede in der Hirnaktivität in den verschiedenen Schlafphasen abbilden oder gibt Auskunft über die Reaktion auf einen bestimmten Reiz.

“Badekappe“ und Elektrodengel

Gemessen werden die elektrischen Ströme des Gehirns mittels einer Kappe, welche mit einer Vielzahl von Elektroden ausgestattet ist. Damit diese einen bessern Kontakt zur Kopfoberfläche haben, wird noch ein leitfähiges Gel auf die Kopfhaut unter den Elektroden aufgetragen. Die Elektroden nehmen die elektrischen Signale des Gehirns wahr und leiten sie an einen Computer weiter. Dieser wertet die Gehirnaktivitäten entsprechend aus und sortiert die eingehenden Signale danach, ob es sich um „Störgeräusche“ handelt oder um die Gehirnwellen, welche durch den gesetzten Reiz ausgelöst wurden.

Magnetresonanztomografie

Magnetresonanztomografie wird alternativ auch als Kernspintomografie bezeichnet. Die Abkürzung lautet MRT oder MRI, sofern man sich auf die englische Bezeichnung „magnetic resonance imaging“ bezieht. Es werden nicht die elektrischen Impulse des Gehirns untersucht wie beim EEG, sondern hier spielt Magnetismus eine Rolle.

Das Gerät baut um den Kopf der untersuchten Person ein starkes Magnetfeld auf. Dieses bewirkt, dass sich die Atomkerne im Gehirn zum Magnetfeld hin ausgerichtet werden. Eine kurze elektromagnetische Welle stört diese Ausrichtung kurz und die Atomkerne drehen sich anschließend wieder in ihre Ausgangsposition.

Dabei senden sie Signale aus, mit dem ein Bild vom weichen Gewebe des Gehirns erstellt werden kann. So zeigt sich beispielsweise, ob sich im Gehirn mit Flüssigkeit gefüllte Bereiche befinden. Allerdings sind auch die individuellen Ausprägungen von Gehirnbereichen sichtbar. Zum Beispiel weisen Musiker eine stärkere Ausbildung des neuronalen Gewebes für den Bereich des Hörens auf.

Die funktionelle MRT

Des Weiteren gibt es auch noch das fMRT. Damit ist ein funktionelles MRT gemeint, welches den Blutfluss im Gehirn darstellt. Es fließt nämlich mehr Blut in den Bereichen des Gehirns, die gerade aktiv sind. Dazu wird eine Reihe von aufeinanderfolgenden MRT-Scans mit einander verglichen. Auf diese Weise kann zum Beispiel sichtbar gemacht werden, welche Areale beim Lösen von Problemen aktiv sind oder welche Bereiche visuelle Informationen verarbeiten. Beim Lösen einer Matheaufgabe werden andere Teile des Gehirns besser durchblutet als beim Betrachten von Portraitfotos.

Positronenemissionstomografie

Die PET macht sich den Zuckerverbrauch des Gehirns zunutze. Unser Gehirn liebt Zucker. Besser gesagt Glukose. Werden Neurone aktiv, verbrennen sie eine Menge davon und das wiederum kann bei der Erforschung des Denkens nützlich sein. Dazu wird der Testperson eine Glukoselösung injiziert, welche im geringen Maße radioaktiv ist.

Bei der Positronenemissionstomografie wird die Gammastrahlung sichtbar gemacht. Während die Testperson beispielsweise eine Rechenaufgabe löst, kommt es in bestimmten Teilen des Gehirns zu einem verstärkten Glukoseverbrauch und damit auch zu einer stärkeren Konzentration an Strahlung an dieser Stelle.

Vor- und Nachteile unterschiedlicher Methoden

Bei der Anschaffung und Nutzung der verschiedenen Gerätschaften sollte man sich auch deren Stärken und Schwächen bewusst machen. Im Zusammenhang mit den genannten Forschungswerkzeugen spricht man von Punkten wie der zeitlichen und räumlichen Auflösung, der Invasivität und den Kosten.

Räumliche Auflösung

Mit der räumlichen Auflösung ist das Ausmaß gemeint, in dem das Gerät die Position der untersuchten Hirnfunktion wiedergeben kann. Beim EEG ist diese relativ gering. Hier kann das aktive Areal mit einer Genauigkeit abgebildet werden, die um 2,5 Zentimeter schwankt. Bei der PET sind die Angaben mit Schwankungen von etwa einem Zentimeter schon besser. Am besten schneidet hier das MRI beziehungsweise fMRI ab. Bei diesem ist eine Lokalisation der Aktivität im Millimeterbereich möglich.

Zeitliche Auflösung

Bei der zeitlichen Auflösung handelt es sich um den zeitlichen Abstand, der zwischen zwei Aufnahmen liegt. Davon abhängig ist die Genauigkeit, mit welcher Veränderungen der Hirnaktivität zeitlich erfasst werden können. Beim EEG ist diese hervorragend. Zwischen den Aufnahmen der Signale liegen gerade einmal Millisekunden. Beim PET hingegen ist sie sehr gering. Zwischen den einzelnen Bildern liegen rund 40 Sekunden. Beim MRT ist es stark vom Auflösungsgrad der Bilder abhängig. In der Regel liegen zwischen den Aufnahmen mehrere Sekunden.

Invasivität

Die Invasivität bezieht sich darauf, ob mit der Methode ein „Eindringen“ oder ein Eingriff in den Körper der untersuchten Person einhergeht und potenziell gesundheitliche Risiken birgt. Damit ist auch das Zuführen einer fremden Substanz gemeint. Bei EEG und MRT ist das nicht der Fall. Hierbei werden schließlich nur elektrische Wellen über Elektroden aufgefangen beziehungsweise magnetische Wellen eingesetzt.

Diese Verfahren gehen demnach mit einer niedrigen Invasivität einher. Bei der PET ist das schon etwas anders. Hierbei wird ein radioaktives Mittel in den Körper gespritzt, um die Aktivitäten des Gehirns abzubilden. Zwar handelt es sich dabei um eine geringe Dosis, dennoch ist es ein Eingriff in den Körper.

Die Kosten in der Anschaffung und Nutzung sind ein weiterer Faktor, den Forscher oder Universitäten im Hinterkopf behalten müssen. Das EEG ist in Bezug auf beide Kostenpunkte ziemlich günstig. Die PET ist bereits wesentlich kostenintensiver. Nicht nur die Anschaffungskosten haben es in sich, sondern auch die Nutzung ist sehr teuer.

In der Literatur werden Kosten in Höhe von 2.000 US-Dollar genannt – und zwar pro Testperson. In der Nutzung ist das MRT zwar günstiger, doch es geht mit hohen Anschaffungskosten einher. Zudem muss beachtet werden, dass dieses Gerät viel Platz in Anspruch nimmt. Entsprechende Räumlichkeiten müssen für die Nutzung also auch gegeben sein.

Zusammenfassung

  • Verletzungen des Gehirns offenbaren dessen Funktionsweise. Je nach dem, in welchem Bereich eine Läsion auftritt, kann der Patient zum Beispiel nicht mehr richtig sprechen.
  • Früher boten diese Zusammenhänge von Verletzung und daraus folgender Störungen die einzige Methode, um die Funktionsweisen den unterschiedlichen Zuständigkeitsbereichen des Gehirns auf die Spur zu kommen.
  • Mittlerweile gibt es verschiedene Verfahrensweisen, mit denen auf jeweils unterschiedliche Arten in das Gehirn geschaut werden kann.
  • Das EEG nutzt die elektrischen Impulse, welche die Neuronen des Gehirns bei der Informationsübertragung aussenden. Diese Methode ist in der Anschaffung und in den Unterhaltskosten niedrig. Sie besitzt eine gute zeitliche, aber eine schlechte räumliche Auflösung.
  • Beim MRT wird das Gehirn anhand eines Magnetfeldes sichtbar gemacht. Mit dem fMRT zeigt der Blutstrom an, in welchen Bereichen des Gehirns sich gerade die meiste Aktivität abspielt. Diese ist abhängig davon, was der Proband gerade tut. Beim Erkennen von Gesichtern werden andere Hirnbereiche stärker durchblutet als beim Rechnen.
  • Die räumliche Auflösung ist hier sehr gut, die zeitliche eher mittelmäßig. Die Anschaffungskosten sind hoch und es müssen geeignete Räume bereitstehen.
  • Die PET ist (anders als die anderen genannten) eine invasive Methode, da eine radioaktive Glukoselösung in den Körper des Probanden gespritzt wird. Glukose wird vom Gehirn als Treibstoff genutzt. Daher sammelt sich die radioaktive Lösung besonders an den Stellen, die gerade aktiv sind.
  • Hinsichtlich der Kostenfrage ist diese Methode sowohl in Anschaffung als auch in der Nutzung sehr teuer. Die räumliche Auflösung ist relativ gut, jedoch schlechter als die des MRT. Die zeitliche Auflösung hingegen ist gering.

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