Die 2 Phasen bei der Blutgerinnung (Hämostase): Ablauf, Kaskade
Die Blutgerinnung ist ein lebensnotwendiger Prozess bei Verletzungen, der ein Verbluten verhindert. Sie verläuft, je nach Betrachtungsweise, in unterschiedliche vielen Phasen. Grob gesagt schließt sich eine Wunde durch sich dort anheftende Blutplättchen, die mit einem Netz aus Eiweißfäden verstärkt werden und von außen als Schorf sichtbar werden.
Inhalt
Was ist Blutgerinnung: Definition und Bedeutung
Blutgerinnung oder Hämostase bezeichnet die Stillung einer Blutung durch körpereigene Prozesse. Die Begriffe fassen die gesamte Blutgerinnung zusammen. Hämostase wird zusätzlich teilweise verwendet, wenn der Mensch die Blutstillung künstlich herbeiführt. Dafür kommen Gefäßnähte, Druck-, bzw. Kompressionsverbände und Medikamente zur Blutstillung, Hämostyptika, zum Einsatz.
Die Blutgerinnung ist für die allermeisten Lebewesen überlebensnotwendig. Ohne sie würden auch kleinste Verletzungen letztendlich zum Tod führen.
Die Größe der Verletzung nimmt kaum Einfluss auf die Zeit, die der Körper zum Verschließen braucht. Bei zu schweren Verletzungen, etwa wenn große Arterien betroffen sind, kann die Blutgerinnung auch scheitern.
Phasen der Blutgerinnung
Grob läuft die Blutgerinnung in drei Schritten ab:
- Der Blutfluss zum verletzten Gefäß wird verringert und das Gefäß zieht sich zusammen.
- Durch die geringe und langsam fließende Blutmenge im verletzten Gefäß, werden die Thrombozyten, die Blutplättchen, aktiviert.
- Eine Mischung aus Eiweiß und Blutplättchen verklebt miteinander und lagert sich an den verletzten Gefäßrändern an. Nach und nach wird die Verletzung damit verschlossen.
Dieser Ablauf lässt sich in zwei Phasen mit zusätzlichen Unterteilungen gliedern.
1. Primäre Hämostase
Die primäre Hämostase ist die Blutstillung, die unmittelbar nach der Verletzung einsetzt. Sie ist nach ein bis drei Minuten abgeschlossen und dient in der Medizin als wichtiger Indikator. Blutet eine kleine Verletzung, etwa ein Nadelstich, darüber hinaus weiter, ist das ein Hinweis auf eine Störung der Blutgerinnung.
Die primäre Hämostase läuft in drei Schritten ab: Vasokonstriktion, Thrombozytenadhäsion und Thrombozytenaggregation.
1.1: Vasokonstriktion
Die Vasokonstriktion bezeichnet das Zusammenschnüren eines Blutgefäßes. In diesem Fall betrifft es das verletzte Blutgefäß, genauer, den Bereich kurz vor der Verletzung. Durch die Verengung fließt weniger Blut zu der verletzten Stelle. Dadurch wird der Blutverlust gering gehalten.
Die Vasokonstriktion wird durch Serotonin und Thromboxan ausgelöst, welches die Blutplättchen freisetzen. Beide Stoffe sind gleichzeitig für die weitere Blutgerinnung nötig.
1.2.: Thrombozytenadhäsion
Unter Thrombozytenadhäsion versteht man das Anheften der Blutplättchen an freigesetztem Kollagen aus dem verletzten Gefäß. Zusammen mit einem Glykoprotein, dem von-Willebrand-Faktor, versiegeln Kollagen und Blutplättchen die Wunde innerhalb von drei Minuten. Diese Versiegelung ist jedoch nur oberflächlich. Kommt es zu Stößen oder wird die Verletzung durch Bewegung gedehnt, reißt sie leicht wieder auf.
1.3.: Thrombozytenaggregation
Die Thrombozytenaggregation ist die eigentliche Blutgerinnung, also das Verklumpen der Blutplättchen. Aktiviert wird dieser Vorgang durch weitere Glykoproteine.
Die Blutplättchen verändern nun ihre Form, um besser miteinander verklumpen zu können. Normalerweise sind sie scheibenförmig, mit glatter Oberfläche. Werden sie für die Blutgerinnung gebraucht, werden sie kugelförmig und bekommen armähnliche Ausstülpungen mit unterschiedlicher Länge. Diese nennt man Pseudopodien. Sie helfen den Blutplättchen dabei, aneinander zu haften.
Durch die Veränderung der Blutplättchen wird der Gerinnungsfaktor, Faktor X, aktiviert. Er fördert ihre Veränderung weiter. Zunächst bleibt diese noch reversibel. Ab einer bestimmten Konzentration an Glykoproteinen, Serotonin und Thromboxan, bleiben die Blutplättchen jedoch in dieser Form.
Die miteinander verklumpenden Blutplättchen werden durch Fibrinogen, einem weiteren Glykoprotein stärker zusammengehalten. Es entsteht ein sogenannter Abscheidungsthrombus, besser als Schorf bekannt.
Bis jetzt sind bei einem gesunden Menschen ohne Gerinnungsprobleme höchstens drei Minuten vergangen.
2. Sekundäre Hämostase
Nach der primären Hämostase beginnt die eigentliche Blutgerinnung. In der Regel ist sie nach sechs bis zehn Minuten abgeschlossen und läuft in drei bis vier Schritten ab. Die sekundäre Hämostase beginnt entweder mit der intrinsischen oder der extrinsischen Gerinnungskaskade. Beide Systeme nehmen jedoch aufeinander Einfluss, sodass eigentlich bei jeder Blutgerinnung vier Schritte unterschieden werden können.
2.1.: Intrinsisches System
Um das intrinsische System zu starten, wird der Hageman-Faktor, der Faktor XII, benötigt. Dabei handelt es sich um einen Gerinnungsfaktor. Hauptsächlich wird damit die Fibrinbildung aufrechterhalten und die bereits aktivierten Blutplättchen zur weiteren Verklebung angeregt.
Durch Faktor XII werden weitere Gerinnungsfaktoren aktiviert. Am Ende der Kette steht Faktor X, was beide Systeme wieder zueinander führt.
2.2.: Extrinsisches System
Das extrinsische System wird gestartet, wenn die Oberfläche von Blutgefäßen verletzt wird. Da das meistens der Fall ist, wenn es zu einer Blutung kommt, beteiligt es sich an fast allen Gerinnungsprozessen.
Nötig für den Beginn ist Gewebsthromboplastin, der Gewebefaktor III. Dieser gelangt ins Blut, wenn Gefäßwende verletzt werden und stößt eine Reaktionskette an. Dadurch werden weitere Gewebefaktoren aktiviert. Kommt Kalzium hinzu, mündet die Reaktionskette in der Aktivierung von Faktor X.
2.3.: Plasmatische Gerinnung
Beide Systeme beginnen nun mit der Bildung von Faktor Xa. Kommt der Gewebefaktor Va hinzu, verbinden beide sich zum sogenannten Prothrombinase-Komplex.
Wieder wird Kalzium benötigt. Damit spaltet der Komplex das sich auf den Blutplättchen befindende Prothrombin zu Thrombin. Beides sind Gerinnungsfaktoren. Das Thrombin löst sich jetzt von den Blutplättchen und geht mit Fibrinogen eine Verbindung ein. Dabei spaltet es dieses in Fibrinmonomere, die weiter zu Polymeren vernetzt werden.
Diese Vernetzung spannt sich über den zuvor gebildeten Thrombus und verstärkt ihn.
2.4.: Anschlussreaktion
Die eigentliche Blutgerinnung ist abgeschlossen und die Wunde blutet nicht mehr. Die Wunde an sich reagiert allerdings noch einen Moment weiter. Sie verengt sich, Mediziner nennen diesen Vorgang auch Retraktion. Die Wundfläche wird dadurch kleiner und der Thrombus darauf wölbt sich ein wenig.
Während der Retraktion wird automatisch Serum aus dem Thrombus gepresst, Er wird hart und damit stabiler. Das Fibringerüst wird daher nicht mehr benötigt und langsam wieder abgebaut.
Anderes Modell der Phasen der Blutgerinnung auf Zellbasis
Neben der Unterteilung in intrinsische und extrinsische Aktivierung existiert ein zellbasiertes Gerinnungsmodell. Dieses soll sich besser eignen, um die Blutgerinnung durch verletzte Blutgefäße zu beschreiben.
1.: Initiation
Die Gewebeverletzung spült Gewebezellen ins Blut, die den Gewebefaktor III auf ihrer Oberfläche tragen. Sie sind für den Körper damit als blutfremde Zellen zu erkennen.
Als Folge werden geringe Mengen Thrombin ausgeschüttet, welches Gerinnungsfaktoren und Blutplättchen aktiviert. Das Zusammenspiel stößt die weitere Thrombinbildung an, was die gesamte Blutgerinnung in Gang bringt.
2.: Amplifikation
Während der zweiten Phase aktiviert der Körper vermehrt Thrombin. Unter anderem geschieht das, weil die Blutplättchen ihre Speicher an Proaccelerin, einem Gerinnungsfaktor, leeren.
Das Thrombin reagiert mit dem Fibrin und aktiviert es. Gleichzeitig beginnt eine Schleifenreaktion, an der Thrombin und andere Gerinnungsfaktoren beteiligt sind. Sie verstärken einander, sodass immer mehr Thrombin freigesetzt wird.
Mit der Zeit befinden sich an der Stelle der Verletzung daher immer mehr Gerinnungsfaktoren. Damit diese nicht deaktiviert werden, heften sie hauptsächlich an den Blutplättchen, die die Wunde bereits verschließen. Andernfalls würde ihre Wirkung durch das freie Blut aufgehoben werden.
3.: Propagation
Die Gerinnungsfaktoren bilden Tenasekomplexe. Diese werden benötigt, um den Prothrombinase-Komplex zu bilden. Es geht weiterhin hauptsächlich um die Bildung und Freisetzung von Thrombin.
Dieses fängt in der dritten Phase an, Fibrinnetze zu bilden. In den Fibrinnetzen werden die Blutplättchen eingewoben, bzw. binden sich selbst dort ein. Durch einen anderen Gerinnungsfaktor werden die Netze mit Querverbindungen verstärkt.
4.: Verhinderung der Ausbreitung eines Gerinnsels
Das sich bildende Blutgerinnsel stillt zwar die Blutung, ist aber gleichzeitig auch eine große Gefahr für den Körper. Löst es sich, könnte es zu einer Thrombose führen. Im Herzen würde diese einen Herzinfarkt auslösen, im Gehirn einen Schlaganfall.
Damit das nicht passiert, befindet sich im freien Blut Antithrombin. Lösen sich Teile des Blutgerinnsels und fließen mit dem freien Blut davon, löst das Protein es auf. Daneben kann die Oberfläche des Blutgefäßes Blutplättchen deaktivieren. Dadurch wird die Gerinnungswirkung in Bereichen, die bereits ausreichend geschlossen sind, heruntergeregelt.
Zusammenfassung
- Die Blutgerinnung ist auch als Hämostase bekannt.
- Bei der Blutgerinnung verschließen Blutplättchen, Thrombozyten, eine Wunde, indem sie verklumpen.
- Klassisch betrachtet, läuft die Blutgerinnung in zwei Phasen ab, welche in weitere Unterpunkte unterteilt werden.
- Die erste Phase ist die primäre Hämostase, die nach spätestens drei Minuten abgeschlossen sein sollte.
- Der erste Schritt der primären Hämostase ist die Vasokonstriktion, bei der sich das Blutgefäß durch Serotonin und Thrombaxan zusammenzieht.
- Der zweite Schritt ist die Thrombozytenadhäsion, während der sich die Thrombozyten an das aus der verletzten Gefäßwand austretende Kollagen anheften.
- Der dritte Schritt ist die Thrombozytenaggregation, bei der die Blutplättchen verklumpen.
- Um zu verklumpen, nehmen die Blutplättchen eine Kugelform mit Ausstülpungen an.
- An dem Prozess sind Glykoproteine, die die Klebewirkung der Blutplättchen verstärken.
- Die zweite Phase ist die sekundäre Hämostase, die eigentliche Blutgerinnung, und nach sechs bis zehn Minuten abgeschlossen.
- Der erste Schritt der sekundären Hämostase ist das intrinsische oder extrinsische System, während denen Gewebe- und/oder Gerinnungsfaktoren freigesetzt werden und eine Kettenreaktion auslösen.
- Am Ende der beiden Systeme steht die Aktivierung von Faktor X, einem Gerinnungsfaktor.
- Der dritte Schritt der sekundären Hämostase ist die plasmatische Gerinnung, während der Thrombin mit Fibrinogen reagiert und am Ende ein Fibrinnetz entsteht, das den Thrombus verstärkt.
- Der vierte Schritt findet nach der Blutgerinnung als Antwort darauf statt.
- Während des vierten Schritts ziehen sich die Wundränder zusammen und pressen dabei Serum aus dem Thrombus.
- Ein anderes Modell teilt die Blutgerinnung in vier Phasen.
- Die erste Phase ist die Initiation, während der Gewebefaktoren ins Blut gespült und damit Gerinnungsfaktoren aktiviert werden.
- Die zweite Phase ist die Amplifikation, während der Thrombin aktiviert wird, um die Gerinnung zu verstärken.
- Die dritte Phase nennt sich Propagation, während der weiterhin Thrombin freigesetzt wird und die Bildung von Fibrinnetzen beginnt.
- In der vierten Phase wird über Antithrombin im Blut verhindert, dass sich lösende Blutgerinnsel im Blut fest bleiben.