4 Gründe, Warum Im Westen nichts Neues ein Antikriegsroman ist
Der Roman „Im Westen nichts Neues“ von Erich Maria Remarque aus dem Jahr 1928 wird von einer Vielzahl Literaturwissenschaftler als Antikriegsroman verstanden. Auch wenn der Autor selbst sein Werk nie öffentlich als solches bezeichnet hat, ist die Botschaft, die dieses mit sich bringt, eindeutig. Zu eindrucksvoll schildert der Protagonist, der als Soldat im ersten Weltkrieg tätig ist, seine Erlebnisse, die erschütternder nicht sein könnten und die dem Leser eine völlig einzigartige Sicht auf das Gefühlsleben der sogenannten verlorenen Generation liefern.
Inhalt
- 1 Warum ist Im Westen nichts Neues ein Antikriegsroman
- 1.1 Der ersehnte Heimataufenthalt bringt Einsicht
- 1.2 Der Krieg ist wie eine völlig neue und grausame Welt
- 1.3 Der Mensch als Solches ist im Krieg lediglich eine Maschine ohne weiteren Wert
- 1.4 Der Protagonist liefert Lesern einen eindrucksvollen Einblick in die Gefühls- und Gedankenwelt der damaligen Soldaten
Warum ist Im Westen nichts Neues ein Antikriegsroman
Der Roman „Im Westen nichts Neues„, der 1928 von Erich Maria Remarque verfasst wurde, zählt zu den bekanntesten Antikriegsromanen aller Zeiten. Eindrucksvoll schildert Remarque hierbei die Schattenseiten, die der erste Weltkrieg mit sich brachte – so eindrucksvoll, dass das Buch unter dem NS-Regime sogar verboten wurde. Unter Joseph Goebbels, dem Gauleiter der NSDAP, wurden im Mai 1933 zahlreiche Exemplare des Werks verbrannt, das Buch an sich verboten und auch der dazugehörige Film wegen „Schädigung des deutschen Ansehens im Ausland“ eingestellt.
Das tat dem Erfolg des Buches jedoch keinen Abbruch. Schon im Vorfeld erlangte es internationales Aufsehen und wurde nur ein Jahr nach Veröffentlichung bereits millionenfach verkauft. Auch der auf dem Buch von Remarque basierenden Film des Regisseurs Lewis Milestone weckte in erster Linie positive Resonanzen und wird ebenfalls als Meisterwerk der Filmgeschichte gefeiert – zumindest von Gegnern des NS-Regimes und allen anderen Kriegs-Kritikern auch. Nicht umsonst gilt das Werk schließlich als Antikriegsroman schlechthin.
Der ersehnte Heimataufenthalt bringt Einsicht
Aus Sicht des erst 19-jährigen Paul Bäumer beschreibt Remarque in seinem Roman, wie es ist, in den Krieg zu ziehen. Als Soldat an der Westfront im ersten Weltkrieg lernt Bäumer dabei schnell, welche Werte im Krieg gelten, worauf es zu achten gilt und wie er sich am besten gegen Feinde verteidigt. Während der Ruhestellung an der Front schweifen die Gedanken des jungen Soldaten dabei immer wieder zurück zu seiner Schulzeit und damit auch zu den Beginn seines Soldatendaseins. Niemand anders als sein Lehrer war es, der seine gesamte Klasse und damit auch ihn mithilfe seiner patriotischen Reden dazu brachte, in den Krieg einzuziehen.
Während Bäumer sich zunächst von seinem Lehrer dazu verleiten lässt, gegen die Feinde im ersten Weltkrieg zu kämpfen, ist es während seiner Zeit an der Westfront ein erfahrener Frontkämpfer, von dem Bäumer lernen kann und der ihn dazu bringt, sich perfekt auf die Begebenheiten des Krieges einzulassen. Auch wenn sich Bäumer während des Krieges perfekt in die Gemeinschaft der Soldaten eingliedert, indem er lernt, zu überleben, sich gegen Feinde zur Wehr zu setzen, etwas zu essen zu finden und mit Gewehren unterschiedlicher Art umzugehen, kommt die wahre Einsicht erst deutlich später – dann nämlich, als Bäumer während eines kurzen Heimataufenthalts zumindest einen kleinen Abstand zwischen sich und den Geschehnissen des Krieges bringen kann.
Der Krieg ist wie eine völlig neue und grausame Welt
Während seiner Abwesenheit an der Front wird Bäumer bewusst, wie viel der Krieg in ihm zerstört hat – auch wenn er von Granaten und anderen Waffenangriffen verschont wurde. Doch es sind nicht die körperlichen Beeinträchtigungen und Verletzungen, die Bäumer mitgenommen haben. Es sind die seelischen Verwundungen, die etwas in ihm verändert haben. Gesehen zu haben, was der Krieg anrichtet, welche direkten Auswirkungen auf sein Leben und auf das seiner Kammeraden diese haben, lässt ihn beinahe wortlos zurück. Unmöglich erscheint es ihm, seine Erlebnisse offen mit seiner Familie und anderen nahestehenden Personen zu teilen, die nicht selbst im Krieg kämpften.
Zu schrecklich, zu ergreifend und vor allen Dingen zu unwirklich ist es, das auszusprechen, was ihn tatsächlich bewegt. Der Krieg ist wie eine ferne Welt – eine Welt des Schreckens und des Grauens – die er nicht mit denjenigen teilen will, die ihm am Liebsten sind. Auch wenn Bäumer Familie und Freunde bewusst schützen will, indem er ihnen nicht sagt, wie es als Soldat an der Front tatsächlich ist, sie davor bewahren will, sich zu viele Sorgen um ihn zu machen oder die schrecklichen geschilderten Erlebnisse nicht mehr aus dem Kopf zu bekommen, erfüllt ihn sein Schweigen mit Trauer.
Seine Familie, sein sicherer Hafen und sein Heimatort erscheinen ihm plötzlich als nichts mehr als ein Relikt aus alten Zeiten. Hier hat er nichts zu sagen, hier fühlt er sich nicht verstanden und hier hat er nichts mehr verloren. Voller Enttäuschung mit einer inneren Leere kehrt Bäumer schließlich zu seinen Kollegen an der Front zurück, die immer mehr den Platz seiner Familie und den früheren Freunden einnehmen. Als Bäumer bei einem Angriff verletzt wird und für mehrere Wochen im Lazarett liegt, verdünnt sich seine anfängliche Truppe immer mehr.
Nach seiner Rückkehr an der Front wird die Gruppe nach und nach kleiner. Gas- und Granatenangriffe fordern ihre Opfer. Schlussendlich stirbt auch Bäumer selbst bei einem Angriff – „an einem Tag, der so ruhig und so still war, daß der Heeresbericht sich auf den Satz beschränkte, im Westen sei nichts Neues zu melden.“
Der Mensch als Solches ist im Krieg lediglich eine Maschine ohne weiteren Wert
Der Schlusssatz, der gleichzeitig den Titel des Romans von Remarque darstellt, legt dabei eindeutig die Absurdität des Kriegs offen und entlarvt das Buch damit auch als Antiekriesgroman als solches. Ein Tag, der so ruhig und so still ist, dass es im Westen nichts Neues gibt, stellt nicht etwa einen warmen Frühlingstag dar, an dem das Leben seinen gewohnten Gang nachgeht und es nichts zu berichten gibt, was erwähnenswert wäre.
Der Tag, an dem so ruhig und still ist, beschreibt einen Tag während des ersten Weltkriegs, der Hunderte von Menschen das Leben nahm, von dem Bäumer nur ein einziger ist, der damit sinnbildlich für alle Opfer des ersten Weltkrieges steht. Im Angesicht des Krieges verloren diese jedoch ihre Wertigkeit. Die Menschen an sich mit ihrem unterschiedlichen Charakteren, Wünschen und Zielen, Träumen und Vorhaben, spielen hier keine Rolle.
All diejenigen werden zu Opfer und Täter degradiert, als Marionetten des Kriegs, die darauf aus sind, zu töten und zu verteidigen. Die „verlorene Generation“, wie die Generation um Bauer dabei genannt wird, ist hoffnungslos. Gepeinigt von tiefen seelischen und körperlichen Wunden läuft alles dennoch auf eines hinaus: Den Tod. Es gibt nichts, wofür es sich zu leben lohnt. Dabei war das, was Bäumer und seine (Klassen-)Kameraden erwartet hatten, etwas ganz anderes.
Während der Klassenlehrer Kantorek den Krieg befürwortet sich für den Einzug seiner Schüler als Soldaten ausspricht, folgt Bäumer seiner Forderung. Immerhin ist Kantorek als Lehrer nicht nur eine Autoritätsperson, der es zu gehorchen gilt. Auch wird der Krieg als durch die Schilderungen des Lehrers und das Lehren entsprechender Bildungsinhalte als Vorbereitung für den Krieg an sich als hauptsächlich positives Konstrukt wahrgenommen, für das es sich zu kämpfen lohnt. Dass dem nicht so ist, begreift Bäumer jedoch erst viel zu spät – dann nämlich, als es kein Zurück mehr gibt.
Der Protagonist liefert Lesern einen eindrucksvollen Einblick in die Gefühls- und Gedankenwelt der damaligen Soldaten
Auch wenn Remarque selbst betonte, sein Roman sei nicht als Antikriegsroman zu werten und solle lediglich einen Generationsbericht über die vom Krieg zerstörte Gesellschaft darstellen, sind sich Literaturwissenschaftler einig. Obwohl sich die im Roman enthaltenen Aussagen nie eindeutig gegen den Krieg wenden und vor allen Dingen unter Schutz des Protagonisten als neutral zu werten sind, ist die Botschaft des Romanes eindeutig.
Neben abschreckenden Schilderungen über schlimmste Verwundungen bis hin zum Tod und dem Umgang den Opfern gegenüber, beschreibt Remarque eindeutig, welche Auswirkungen das Mitansehen und Miterleben genau solcher Fälle hat: Einer Traumatisierung, die als solches bleiben wird, völlig unabhängig davon, welches Ende der Krieg nehmen wird und welches Ende jedem einzelnen blüht. Gefühle wie tiefe Trauer, Angst und Resignation haben jedoch keinen Platz an der Front.
Immerhin zählt im Krieg nicht der Mensch als solches, Soldaten fungieren hierbei lediglich als Maschinen und das Tag für Tag. Fallen einige davon aus, ist das keiner weiteren Erwähnung wert – immerhin ist das „im Westen nichts Neues“. Wie der Leser dabei durch die Schilderungen Remarques beziehungsweise Bäumers erfährt, zweifelte die einst so motivierte Kriegsgeneration schließlich doch an der Sinnhaftigkeit des Kriegs – dann, als sie selbst und am eigenen Leib erfahren musste, wie es ist, an der Front zu stehen und zu erleben, wie nach und nach das Leben ausgelöscht wird und sich an niemanden wenden zu können, um eigene Emotionen zu verarbeiten.
Als Zeichen von Schwäche gegenüber Gleichgesinnten zum einen, als unnötige Verängstigung und Panikmache gegenüber der außenstehenden Familie fühlt Bäumer sich unverstanden, unbeachtet und schließlich auch als Nichts. Einst so überschwänglich, mit dem Gedanken, den Krieg mit dem eigenen Zutun voranzubringen und zum Positiven verändern zu können, erkennt Bäumer bereits nach kurzer Zeit die ausweglose Situation. Der Krieg bringt nichts als Verderben mit sich: Den Tod, der zum traurigen Alltag geworden ist, eine verlorene Zukunftsperspektive und eine Abspaltung der Gesellschaft.
Dass Remarque sich offen gegen den Krieg ausspricht, ist hier nicht notwendig. Die Erlebnisse und Schilderungen der Figuren insbesondere des Protagonisten Bäumer sind aussagekräftig genug: Der Krieg liefert nichts Neues, außer Tod, Verlust, Angst, Armut und Hoffnungslosigkeit.