Hitze Hypothese: Macht Hitze aggressiv
Vielleicht hast du schon einmal davon gehört, dass an heißen Tagen mehr Straftaten begangen werden. Falls nicht, ist das nicht weiter schlimm. Schließlich hält dieser Text einige Informationen darüber für dich bereit. Aggressionen können durch verschiedene Faktoren ausgelöst oder begünstigt werden.
Auf der einen Seite gibt es die personale Faktoren. Dazu zählen etwa dein Geschlecht, deine Persönlichkeit und auch die Art und Weise, wie du deine Umwelt wahrnimmst. Man spricht in diesem Zusammenhang von einer aggressiven Attribution. Dem gegenüber stehen noch eine Reihe von situativen Faktoren, die Aggressionen fördern können.
Neben Alkohol und Gewalt in den Medien ist ein weiterer Faktor vielleicht erst einmal überraschend: Die Hitze. Doch warum gerade dieser Punkt einen erheblichen Einfluss auf aggressives Verhalten haben kann, liest du in den folgenden Abschnitten.
Inhalt
Die Hitze-Hypothese innerhalb der psychologischen Forschung
Je heißer das Wetter, desto wahrscheinlicher das Auftreten von Aggressionen.
Dieser Hypothese liegt das sogenannte General Aggression Modell zugrunde. Diesem zufolge führt ein unangenehmer Reiz zu einer negativen affektiven Erregung, welche sich auf die Verarbeitung sozialer Stimuli auswirken kann.
Das bedeutet….
Hitze ist ein unangenehmer Reiz, welcher zu ebenso unangenehmen Gefühlen führt. Diese Gefühle sind der Auslöser einer negativen affektiven Erregung. Das bedeutet, wir empfinden zunächst nur ein diffuses Unwohlsein, welches sich dann in einen bestimmten Affekt verwandeln kann. Das kann zum Beispiel Ärger sein. Das wiederum wirkt sich darauf aus, wie wir soziale Informationen wahrnehmen und interpretieren.
Gehen bestimmte Dinge an Tagen mit durchschnittlichen Temperaturen recht spurlos an uns vorbei, können sie uns an heißen Tagen zur Weißglut treiben. Wir nehmen die Handlungen anderer unter Umständen nicht als Versehen wahr, sondern vermuten eine böse Absicht dahinter. Schon fühlen wir uns provoziert und die Wahrscheinlichkeit steigt, dass wir ein aggressives Verhalten an den Tag legen.
Um die Hitze-Hypothese zu untersuchen, bedienen sich Sozialpsychologen zweier Forschungsansätze. Bei dem einen Ansatz geht es um die geografische Region. Der andere Ansatz widmet sich der Zeitspanne, in der das aggressive Verhalten gezeigt wurde.
Hitze Hypothese und der Ansatz der geografischen Region
Verglichen werden heißere und kältere Regionen in Bezug auf die Anzahl der Gewaltverbrechen.
Hierzu werden vor allem Archivdaten genutzt. Anhand von Kriminalstatistiken oder Zeitungsberichten können verschiedene Regionen zu einander in Relation gesetzt werden.
Dabei zeigte sich mehrfach, dass es in heißeren Regionen häufiger zu Gewaltverbrechen kam als in den kälteren Gebieten. Allerdings gibt es hinsichtlich der Regionen auch andere Einflussfaktoren als nur die Temperatur. Das wird beispielsweise deutlich, wenn man die Nord- und die Südstaaten der Vereinigten Staaten von Amerika gegenüberstellt.
In den Südstaaten können mehr Gewalttaten verzeichnet werden und es ist auch im Durchschnitt heißer als im Norden. Allerdings gehen auch die kulturellen Gepflogenheiten auseinander. Zwar gibt es auch Unterschiede in der Zahl der Arbeitslosen und hinsichtlich der allgemeinen Akzeptanz von Aggression als Mittel zur Verteidigung. Doch besonders letzteres lässt sich durch einen Blick auf die historischen Hintergründe erklären.
Denn…
Die in den Südstaaten vorherrschende „Kultur der Ehre“ sieht Aggression als akzeptable Reaktion auf beispielsweise Beleidigungen an. Das wird damit begründet, dass die Viehhaltung hier traditionell den Lebensunterhalt sicherte. Angesichts von Viehdieben war ein aggressives Verhalten häufig notwendig, um die Tiere und damit seine Grundsicherung zu verteidigen.
Die regionalen Unterschiede sind also zum Teil auch auf traditionelle Umstände zurückzuführen. Dennoch hat die Temperatur auch einen entscheidenden Einfluss auf das aggressive Verhalten. Das kann auch teilweise in Laborexperimenten nachgewiesen werden. Doch darauf kommen wir weiter unten noch zu sprechen.
Hitze Aggressionshypothese und der Zeitspannenansatz
Hier findet ein Vergleich der Jahreszeiten innerhalb einer Region statt.
Anders als beim Ansatz der geografischen Region werden hier nicht mehrere Gebiete miteinander verglichen. Stattdessen wird nur eine Region untersucht, allerdings im Hinblick auf die Gewalttaten in kalten und in heißen Monaten.
Studien mit diesem Ansatz fanden heraus, dass es im Sommer mehr Gewaltverbrechen gibt als im Winter. Zusätzlich spielt auch die Hitze im Sommer generell eine Rolle. So zeigte ein Vergleich von mehreren Jahren, dass die Anzahl der Gewalttaten in Jahren mit sehr heißen Sommern höher war als die in Sommern mit eher durchschnittlichen Temperaturen.
Doch auch hier ist zu bedenken, dass unter Umständen nicht die Hitze allein für die Zunahme der Gewalt verantwortlich ist. Immerhin kann es genauso gut sein, dass sich aufgrund der warmen Temperaturen mehr Menschen im Freien aufhalten. Wenn sich die Leute draußen ballen, gibt es folglich auch mehr Möglichkeiten für die Entstehung von Konflikten.
Allerdings kann dieser Einwand insofern etwas entkräftet werden, als dass es im Sommer auch häufiger zu häuslicher Gewalt kommt als in den Wintermonaten. Es häufen sich bei heißen Temperaturen also auch die Fälle von Gewalt in den eigenen vier Wänden, obwohl man im Winter wesentlich mehr Zeit zu Hause verbringt.
Erforschung des Einflusses von Hitze auf die Psyche in Labortest
In Labortest kann man den Einfluss der Hitze auf die Psyche testen. Denn durch ein systematisches Anheben der Raumtemperatur können die Wirkungen von Hitze auf das Verhalten untersucht werden.
Dabei ist es wichtig, dass alle anderen Faktoren von den Forschern konstant gehalten werden. Auf diese Weise lässt sich im Experiment die Wirkrichtung der Variablen bestimmen. Doch leider ist die Befundlage hier nicht besonders eindeutig. Manche Studien finden hier einen Zusammenhang zwischen Hitze und aggressivem Verhalten, andere wiederum nicht.
Während einige Studien eine Zunahme der Aggression bei steigender Temperatur fanden, zeigte sich in anderen eine Abnahme des aggressiven Verhaltens. Letzteres könnte damit erklärt werden, dass es ab einem bestimmten Wert einfach zu heiß für ein aggressives und damit unnötig energiezehrendes Verhalten ist. Selbst großangelegte Meta-Analysen kommen zu dem Schluss, dass das Bild hier ein inkonsistentes ist.
Temperaturen und das Stimmungsbarometer
Vielleicht kennst du einige Beispiele aus der Sprache, die auf einen Zusammenhang zwischen Temperatur und Gemütslage hindeuten. Immerhin ist entweder die Rede von „aufgeheizter Stimmung“ oder einem „hitzigen Gemüt“. Demgegenüber steht beispielsweise „einen kühlen Kopf bewahren“.
Das scheint durchaus seine Berechtigung zu haben, da die Temperatur unsere Stimmung beeinflussen kann. Doch legen Studien nahe, dass Kälte einen anderen Einfluss auf uns hat als Hitze. Während Hitze offenbar im Zusammenhang mit steigender Aggressionsbereitschaft steht, zeigt sich bei Kälte kein solcher Effekt.
Eine mögliche Erklärung dafür ist, dass wir uns besser vor Kälte schützen können als vor Wärme. Wenn du frierst, kannst du dir dickere Kleidung anziehen. Bei Hitze kannst du zwar Kleidung ablegen, doch ab einer bestimmten Temperatur kannst du diesem unangenehmen Reiz nicht mehr entfliehen. Daher wird hier auch der Zusammenhang mit den negativen Affekten und der daraus entstehenden Aggression vermutet.
Hitze-Hypothese und globale Erwärmung
In Anbetracht der globalen Erwärmung nimmt die Hitze-Hypothese an Bedeutung zu.
Einer Studie von Anderson und Kollegen zufolge kommt es bei einer Erwärmung der Durchschnittstemperatur von nur 1,1 Grad Celsius zu einem Anstieg von Mord und Körperverletzung.
Pro 100.000 Einwohner sollen neun weitere Fälle hinzukommen. Zu dieser Prognose kamen die Forscher aufgrund ihrer Untersuchung von Archivdaten des Zeitraums 1950 bis 1997. Sie fanden heraus, dass es einen Zusammenhang zwischen der Anzahl der Gewalttaten und dem Anstieg der Temperatur in dieser Zeitspanne gab und rechneten diesen auf einen weiteren Anstieg der Durchschnittstemperatur hoch. Die statistische Auswertung zeigte, dass der Zusammenhang selbst dann bestehen bleibt, wenn andere Einflussfaktoren herausgerechnet werden.
Hinsichtlich dieser Ergebnisse ergeben sich neue Aufgaben für die Politik und die Gesellschaft. Um einen Anstieg von aggressivem Verhalten in der Bevölkerung zu vermeiden, sollten entsprechende Vorkehrungen getroffen werden. So könnten beispielsweise dort mehr Klimaanlagen installiert werden, wo viele Menschen zusammenkommen. Dazu zählen neben Schulen und Krankenhäusern auch Gefängnisse oder Fabriken.
Zusammenfassung
- Hitze gilt als ein situativer Einflussfaktor, der die Wahrscheinlichkeit eines aggressiven Verhaltens steigern kann.
- Um diesen Zusammenhang zu erforschen, gibt es mehrere Möglichkeiten. In der wissenschaftlichen Sozialforschung gebracht man drei Ansätze.
- Der Ansatz der geografischen Region vergleicht Gebiete mit unterschiedlichen Temperaturen hinsichtlich ihrer Verbrechensrate miteinander.
- Beim Zeitspannenansatz findet ein Vergleich der Kriminalitätsrate in derselben Region von den kälteren und heißeren Jahreszeiten statt.
- Auch die Untersuchung im Labor ist möglich, brachte bisher allerdings keine eindeutigen Befunde zum Zusammenhang von Hitze und Aggression.
- Da andere Studiendesigns allerdings eine verstärkende Wirkung von Hitze auch aggressives Verhalten nachweisen konnten, bringt die globale Erwärmung aller Voraussicht nach nicht nur umweltbezogene Probleme mit sich. Auch die Aggression in der Gesellschaft kann sich durch die steigenden Temperaturen erhöhen.