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Aggression: Attributionstheorie & Persönlichkeitsursachen

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Aggression bzw. aggressives Verhalten wird in der allgemeinen Psychologie, aber vor allem in der Persönlichkeitspsychologie, anhand der Attributionstheorie untersucht. Dabei werden Charaktereigenschaften (Attribute) unterstellt, welche die Aggressionsneigung beeinflussen. Man spricht in diesem Zusammenhang von einer aggressiven Attribution bzw. feindseligen Attributionsstil.

Was untersucht die Attributionstheorie hinsichtlich der Aggression?

Wenn Menschen aggressiv werden, kann das verschiedenste Ursachen haben. Frustration führt nicht selten zu aggressivem Verhalten. Diese kann eine Reaktion auf Provokation oder auf eine unabsichtliche Verletzung durch eine andere Person sein. Doch hast du dich schon einmal gefragt, warum manche Leute bei bestimmten Dingen direkt an die Decke gehen, während andere hinsichtlich derselben Situation völlig gelassen bleiben?

Die Ursache für die unterschiedlichen Ausprägungen in der Aggressionsneigung sind nicht nur situationsabhängig, sondern werden auch von der Struktur der eigenen Persönlichkeit mitbestimmt. Die Art und Weise welche Ursachen wir einem bestimmten Sachverhalt zuschreiben, ist dabei ebenso entscheidend, wie die Struktur unserer Persönlichkeit und auch unser Geschlecht. Wie das alles zusammenwirkt und welche Faktoren das aggressive Verhalten des Einzelnen beeinflussen, sehen wir uns nun einmal genauer an.

Was macht die individuellen Unterschiede im aggressiven Verhalten aus?

Zwar spielt die Situation auch eine große Rolle, doch unsere Persönlichkeit bestimmt ebenfalls über unser Verhalten.
Daneben sind auch das Geschlecht und der individuelle Attributionsstil zwei weitere Punkte, mit denen sich die sozialpsychologische Forschung seit längerer Zeit befasst.

Aggressivität als Persönlichkeitseigenschaft in der Attributionstheorie

Wenn man von der individuellen Aggressivität spricht, dann sind damit die stabilen Unterschiede zwischen Personen bezüglich der Wahrscheinlichkeit und Stärke des aggressiven Verhaltens gemeint. Ist das Persönlichkeitsmerkmal Aggressivität gering ausgeprägt, so kommt es weniger häufig zu aggressivem Verhalten. Und selbst wenn es dazu kommt, dann ist die Intensität eher niedrig.

Bei einer starken Ausprägung von Aggressivität steigt die Wahrscheinlichkeit aggressiven Verhaltens und es zeigt sich auch in einer stärkeren Form. Rund um dieses Persönlichkeitsmerkmal wurden bereits verschiedenste Studien betrieben. Dabei konnte festgestellt werden, dass die Aggressionsbereitschaft ein sehr stabiles Merkmal bzw. Attribut unserer Persönlichkeit ist. Es hält sich also über Jahrzehnte hinweg oder auch das ganze Leben über.

Längsschnittstudien untersuchen dieselben Personen über mehrere Jahre hinweg und ermöglichen so ein relativ klares Bild von deren Entwicklung. Hierbei zeigte sich, dass die Aggressivität ein ebenso stabiles Persönlichkeitsmerkmal ist, wie die Intelligenz. Kaum ein anderes Persönlichkeitsmerkmal bleibt im Laufe der eigenen biografischen Entwicklung so unverändert.

Aus welchen Teilen setzt sich Aggressivität zusammen?

Die Aggressivität stellt allerdings kein einzelnes Merkmal dar, sondern kann noch in vier weitere Komponenten unterteilt werden.

Dazu gehören die körperliche Aggression, die verbale Aggression, Ärger und Feindseligkeit. Die Ausprägung dieser Punkte kann mit Hilfe von Fragebögen untersucht werden. Ein häufig genutztes Erhebungsinstrument ist der Aggressionsfragebogen von Buss und Perry.

Dieser beinhaltet Items zu den einzelnen Komponenten. Bei den Items handelt es sich um Aussagen, denen die Befragten auf einer Skala von 1 bis 5 zustimmen sollen. Empfinden sie die Aussage in Bezug auf sich selbst als völlig unzutreffend, dann kreuzen sie die 1 an. Stimmen sie mit der Aussage gänzlich zu, entscheiden sie sich für die 5. Alle Ausprägungen dazwischen, ordnen die befragten Personen dann den Zahlen 2, 3 oder 4 zu.

Um dir den Fragebogen ein bisschen besser vorstellen zu können, geben wir dir einmal jeweils ein Beispiel zu den einzelnen Komponenten. Bei der körperlichen Aggression gibt es beispielsweise das Item „Wenn ich nur entsprechend gereizt werde, kann ich jemand anderen durchaus schlagen“.

Die verbale Aggression beinhaltet Items wie „Wenn mich Leute verdrießen, sage ich ihnen, was ich über sie denke“. Um den Grad des Ärgers zu ermitteln, werden Items wie „Ich brause manchmal wegen Nichtigkeiten auf“ verwendet. Schließlich dienen Aussagen wie „Ich frage mich, warum ich manchmal so verbittert bin“ der Erhebung der Feindseligkeit.

Feindseliger Attributionsstil

Manche Menschen vermuten hinter den Handlungen anderer grundsätzlich schlechte Absichten.
Anders ausgedrückt handelt es sich beim feindseligen Attributionsstil um die Tendenz, das mehrdeutige Verhalten anderer Personen stets als eine feindselige Absicht zu interpretieren.

Oder anders formuliert…
Wenn durch die Handlung eines Anderen ein Schaden entsteht, wird automatisch auf seine „böse Absicht“ dahinter geschlossen.

Wieso?
Bei Attributionen handelt es sich um Ursachenzuschreibungen, mit Hilfe derer wir uns in unserer sozialen Umwelt orientieren können. Denn wenn wir die Ursachen für das Verhalten anderer Menschen kennen, können wir uns ihre Handlungen erklären und auch ihr zukünftiges Verhalten zu einem bestimmten Grad vorhersagen.

Aber…
Leider handelt es sich bei Attributionen auch nur um Vermutungen, die unsere Wahrnehmung von anderen Personen bestimmen und nicht zwingend korrekt sein müssen. Beim feindseligen Attributionsstil wird eine Absicht unterstellt, obwohl diese gar nicht bekannt oder existent ist. Es kann sich bei den Konsequenzen einer Handlung auch nur um ein Versehen gehandelt haben.

Feindseliger Attributionsstil entscheidet über Absicht oder Versehen

Ist der Schaden versehentlich passiert oder hat mein gegenüber absichtlich gehandelt?
Solche Fragen werden untersucht. Denn diese Frage hängt von deiner persönlichen Art ab, die Dinge um dich herum zu interpretieren. Die Ausprägung des feindseligen Attributionsstils kann beispielsweise durch mehrdeutige Texte oder Filmszenen untersucht werden.

Darin enthalten sind Situationen, bei denen unklar ist, ob das beschriebene oder gezeigt Verhalten mit Absicht oder aus Versehen erfolgte. So könnte einer Versuchsperson eine Szene gezeigt werden, in der zwei Kinder am Strand spielen. Sie bauen zusammen eine Sandburg, bis das eine Kind aufsteht. Dabei stößt es gegen die Sandburg, welche daraufhin in sich zusammenstürzt. Allerdings ist nicht klar zu erkennen, ob das Kind absichtlich handelte oder ob es versehentlich gegen die Sandburg geraten ist.

Was heißt das jetzt?
Sofern die Versuchsperson sich sicher ist, dass das eine Kind dem anderen mit dem Zerstören der Sandburg schaden wollte, hat sie vermutlich einen stärker ausgeprägten feindseligen Attributionsstil. Ist dieser eher gering ausgeprägt, geht die Versuchsperson von einem Versehen des Kindes aus.

Studien zeigten, dass sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen ein Zusammenhang zwischen der Ausprägung des feindseligen Attributionsstils und dem eigenen aggressiven Verhalten vorliegt. Eine Längsschnittstudie begleitete Kinder vom Kindergartenalter bis in die achte Klasse. Dabei zeigte sich, dass aggressives Verhalten im Kindergartenalter den feindseligen Attributionsstil in der achten Klasse sehr zu verlässig vorhersagte.

Wie wir unsere Umwelt wahrnehmen, hängt nicht nur mit unserem Attributionsstil zusammen. Umgekehrt wird dieser auch durch unsere Art der Informationswahrnehmung beeinflusst. Der feindselige Attributionsstil verfestigt sich, wenn wir aufgrund des eigenen aggressiven Verhaltens mehr Feindseligkeit in sozialen Interaktionen feststellen.

Dann kommen wir zu dem Schluss, dass andere uns auch nur Böses wollen und das hat weitere negative Folgen. Denn dadurch sinkt nämlich unsere Schwelle für aggressives Verhalten und dieses bestärkt wiederum unseren feindseligen Attributionsstil.

Die Entstehung des aggressiven Attributionsstils

Doch wie kommt es überhaupt zu so einer Form der Ursachenzuschreibung?
Eine Theorie ist die, dass dieser Attributionsstil durch den Einfluss gewalthaltiger Medien begünstigt wird. Je mehr Mediengewalt wir konsumieren, desto mehr beeinflusst das unsere Weltsicht. Wir neigen daraufhin eher dazu, anderen schlechte Absichten zu unterstellen. Denn schließlich ist das in gewalthaltigen Filmen auch in der Regel der Fall.

Doch nicht nur die Medien spielen eine Rolle, sondern auch unsere Sozialisation. So haben auch unsere Eltern einen nicht unerheblichen Anteil daran, wie wir die Welt um uns herum wahrnehmen. Die Forschung konnte zeigen, dass ein feindlicher Attributionsstil von Müttern an ihre Töchter weitergegeben wird. Die Mädchen lernen hier aller Wahrscheinlichkeit nach am Modell.

Die Rollenvorstellungen in Bezug auf die Geschlechter scheinen hier ebenfalls von Bedeutung zu sein. Denn diese Weitergabe besteht nur zwischen Müttern und ihren Töchtern. Die Söhne hingegen adaptieren die Ansichten ihrer Mütter nicht. Ob eine Weitergabe des feindlichen Attributionsstils von Vätern an ihre Söhne stattfindet, wurde bisher noch nicht abschließend geklärt.

Attribution der Aggression: Der Geschlechterunterschied

Hier ist die Studienlage etwas komplizierter.
Klar ist, dass das männliche Sexualhormon Testosteron mit aggressivem Verhalten zusammenhängt. Doch das Geschlecht allein ist nicht der einzige Grund für Aggressionen – auch wenn es manchmal so aussieht.

Wenn man einen Blick auf die Kriminalstatistiken wirft, so sind Frauen zwar wesentlich häufiger von Partnergewalt betroffen als Männer. Allerdings kann dieser Schein auch trügen. Es gibt Geschlechtsunterschiede hinsichtlich der angewendeten Aggressionsformen. Frauen verhalten sich in Beziehungen unter Umständen auch sehr aggressiv, wenden aber weniger körperliche Aggression an als Männer. Da es bei verbaler Aggression nicht zu körperlichen Verletzungen kommt, erscheinen diese Vorfälle auch nicht in den Statistiken.

Die Form der Aggression unterscheidet sich auch in Bezug auf die Provokation zwischen den Geschlechtern. Männer neigen eher zu aggressivem Verhalten, ohne dass sie vorher provoziert wurden. Das ist bei Frauen sehr viel seltener der Fall. Ist das aggressive Verhalten allerdings eine Reaktion auf eine Provokation, so verschwinden die Geschlechtsunterschiede. Nach einer Provokation zeigen sich sowohl Männer als auch Frauen gleichermaßen aggressiv.

Bestimmt das Geschlecht die Form der Aggression?

Eine weit verbreitete Annahme ist die, dass Frauen eher zu indirekter Aggression neigen.
Damit ist gemeint, dass sich ihr aggressives Verhalten nicht direkt gegen eine Person richtet. Stattdessen schaden sie der Zielperson indirekt, indem sie die Beziehungen der Zielperson schädigen. Das kann etwa durch das Verbreiten von Gerüchten der Fall sein, die den Ruf der betreffenden Person negativ beeinflussen sollen.

Allerdings ist mit Hinblick auf die Forschungslage unklar, ob Frauen wirklich häufiger zu dieser Form der Aggression neigen als Männer. Manche Studien sprechen zwar dafür, doch andere zeichnen ein anderes Bild. Wurden Verhaltensbeobachtungen als Erhebungsinstrument im Rahmen einer Studie verwendet, so schienen tatsächlich Frauen häufiger eine indirekte Form der Aggression anzuwenden.

Doch Studien mit Fremdberichten lieferten andere Ergebnisse. Wurden hier Gleichaltrige nach dem aggressiven Verhalten von Kindern und Jugendlichen befragt, so zeigten sich keine Geschlechtsunterschiede. Auch bei Erwachsenen konnten auf diese Weise keine Unterschiede zwischen Männern und Frauen gefunden werden.

Eine mögliche Erklärung dafür ist, dass direkte Aggression mit hohen gesellschaftlichen Kosten einhergeht. Direktes aggressives Verhalten am Arbeitsplatz kann schließlich eine Kündigung nach sich ziehen und je nach Intensität auch Geld- oder Haftstrafen. Daher scheinen sich sowohl Männer als auch Frauen eher der indirekten und damit weniger auffälligen Form der Aggression zu bedienen.

Zusammenfassung

  • Jeder Mensch ist anders. Darum unterscheiden sich auch Häufigkeit und Intensität des aggressiven Verhaltens jeder einzelnen Person.
  • Sowohl die Persönlichkeitseigenschaften als auch ein feindseliger Attributionsstil und das Geschlecht haben einen Einfluss auf die Form der gezeigten Aggressionen.
  • Dadurch lässt sich das aggressive Verhalten durch die Persönlichkeitseigenschaft Aggressivität vorhersagen und ebenso durch unsere Tendenz, dem Handeln anderer Personen eine schlechte Absicht zu unterstellen.
  • Das Geschlecht hat einen Einfluss auf die Ausübung körperlicher Aggression. Diese ist bei Männern stärker ausgeprägt.
  • Bei indirekter Aggression ist die Lage nicht ganz eindeutig, doch scheinen hier kaum Unterschiede zwischen Männern und Frauen zu bestehen.

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