Organminderwertigkeit nach Adler: Definition, Bedeutung & Beispiele
Organminderwertigkeit ist ein Begriff, welchen der österreichische Arzt und Psychotherapeut Alfred Adler im Jahr 1907 einführte. Laut Adler führt ein minderwertiges bzw. minderentwickeltes Organ zu einer Kompensation. Der Mensch, welcher darunter leidet, versucht diesen Umstand durch geeignete Strategien wettzumachen, zu vertuschen oder zu überspielen.
Organminderwertigkeit am Beispiel
Ursache für die Kompensation ist immer ein Minderwertigkeitsgefühl, welchen das schlecht ausgebildete Organ hervorruft. Um dieses zu überspielen, gibt es einige Strategien, welche der Betroffene anwendet.
Angenommen jemand ist gehbehindert. Dann kann dieser Umstand, welcher entweder angeboren oder durch besondere Umstände hervorgerufen wurde, dazu führen – dass der Patient seinen Fokus auf seine Gehbehinderung richtet.
Das Minderwertigkeitsgefühl setzt ein und der Patient hat nun zwei Möglichkeiten. Er kann den Umstand zu seinem Vorteil ausbauen oder von der Organminderwertigkeit ablenken.
Beginnen wir mit dem Vorteil…
Um die Gehbehinderung wettzumachen, kann der Patient(in) seine Beine trainieren. Diese Beispiele findet man auch gelegentlich im Sport. Zum Beispiel werden im Behindertensport erstaunliche Leistungen erzielt. Es gibt Athleten, welche an den Paralympics teilnehmen und dort Leistungen abrufen, zu denen normale gesunde Menschen nicht fähig werden.
Durch Training kann somit ein Mensch mit Gehbehinderung oder Prothese erstaunliches leisten, was er wahrscheinlich ohne die Behinderung nicht geschafft hätte. Erst sein Gefühl der Minderwertigkeit bzw. die Organminderwertigkeit hat diesen Menschen dazu befähigt, diesen Nachteil als Vorteil umzuwandeln. Ohne dieses andauernde Minderwertigkeitsgefühl hätte dieser Mensch niemals die Motivation aufbringen können, um diese Disziplin dauerhaft zu leisten.
Die Strategie, um eine Minderwertigkeitszustand auszugleichen, nennt Alfred Adler – Kompensation. Laut Adler setzt diese Strategie immer ein. Doch dabei muss unterschieden werden, ob die Kompensationsstrategie erfolgreich war oder nicht. Denn sobald das Training des Gehbehinderten nicht den erwünschten Erfolg bringt, entwickeln sich neurotische Störungen.
Weiterhin kann die Organminderheit auch durch eine eingebildete Überlegenheit kompensiert werden. So fühlen sich kleine Männer manchmal auch minderwertig. Auch hier liegt eine Organminderheit vor, welche den ganzen Körper betrifft und in der Kleinwüchsigkeit ihre Ursache haben.
Da der zu kleine Mann diese Unzulänglichkeit aber nicht durch Training aufholen bzw. kompensieren kann, verwendet er eine andere Strategie. Oft leiden zu kleine Männer dann an übertriebener Selbsteinschätzung oder Narzissmus (übertriebene Selbstliebe) um ihre Kleinwüchsigkeit zu überspielen bzw. zu kompensieren.
Weitere Beispiele:
- Potenzstörungen beim Mann gelten als funktionelle Organminderwertigkeit. Um diese zu kompensieren, können verschiedene Strategien stattfinden. So können diese Männer ihren Status durch Geld, Autos oder Ähnliches anheben.
- Blinde Menschen entwickeln mitunter ein sehr gutes Gehör, welches sehende Menschen niemals entwickeln könnten. Auch hier ist die gefühlte Minderwertigkeit die entscheidende Motivation, um diese Fähigkeit auszubilden.
Neben den Begriff der Organminderwertigkeit führte Alfred Adler auch den Begriff des Minderwertigkeitsgefühls ein, welcher eng damit verbunden ist. Außerdem galt Adler als Anhänger der Psychoanalyse Freuds und war dessen Schüler. Aber anders als Freud, hob Adler den Sexualtrieb nicht in den Mittelpunkt seiner Lehre und schrieb Neurosen nicht nur Kindheit-Ursachen zu. Stattdessen nahm er das Minderwertigkeitsgefühl der Menschen als zentrales Thema auf, wandte sich von Freud ab und schuf die Schule der Individualpsychologie.