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Liebe: Psychologische Prozesse und Ursachen


Liebe ist eine Ausdrucksform bzw. eine Bezeichnung für das Ausleben von Zuneigung und Wertschätzung. Liebe ist somit eine Erscheinung, welche entsteht – wenn zwei Menschen ihre Verbundenheit teilen. Doch häufig wird Liebe als Gefühl gesehen bzw. interpretiert, was rein psychologisch nicht richtig ist.

Wieso?
Filme vermitteln einem ein relativ deutliches Bild von der Liebe: Zwei Menschen finden sich und wollen nicht mehr ohne einander leben. Sie wollen den anderen permanent in ihrer Nähe wissen und werden von Sehnsucht gequält, sobald der andere außer Sichtweite ist. Die Leidenschaft schäumt über, man hat nur noch Augen für den anderen. Alles andere ist egal.

Rein psychologisch gesehen, spiegeln diese Beispiele allerdings nur eine bestimmte Phase der Liebe wider: Das Verliebtsein. Wie sich im Alltag zeigt, bleibt dieses Schweben auf Wolke Sieben allerdings kein Dauerzustand. Denn anstelle der leidenschaftlichen Liebe treten im Laufe der Zeit andere Aspekte, welche die Liebe festigen oder ihr schaden können.

Zufriedenheit und Stabilität in Beziehungen bauen anfangs auf Leidenschaft auf, doch für eine erfolgreiche Beziehung ist Liebe allein nicht ausreichend. Daher wollen wir im Folgenden nicht nur die psychologischen Aspekte der Liebe näher beleuchten, sondern auch einen Blick darauf werfen, welche Verhaltensweisen und damit verbundene Gedanken eine Beziehung stabil und lebendig halten.

Was ist Liebe

Zunächst kommen wir zu einer Frage, die nicht ganz so leicht zu beantworten ist: Was ist Liebe?
Falls dich die eingangs erwähnten Beispiele an eine Beschreibung von Sucht erinnert haben, dann liegst du gar nicht so falsch. Bei frischverliebten Paaren feuert das Dopaminsystem nämlich los, sobald der Partner erblickt wird.

Das dopaminerge System ist normalerweise nur aktiv, wenn wie eine Belohnung erwarten und geht mit einer fokussierten Aufmerksamkeit einher. Zwar kommt die Aktivität auch bei Lust zustande, doch auch ebenso in Verbindung mit Suchtverhalten. Dieses Gefühl von Sehnsucht und die gedankliche Fixierung auf den Partner haben also tatsächlich suchtähnliche Aspekte.

Diese leidenschaftliche Phase der Verliebtheit wird daher auch treffenderweise definiert als Zustand eines intensiven Sehnens nach Vereinigung. Hinzu kommt noch die Idealisierung des Partners und der starke Wunsch danach, den anderen wirklich in und auswendig zu kennen.

Anders als Freude, Angst oder Ekel wird Liebe daher auch weniger als Emotion verstanden, sondern eher als eine starke Motivation (oder eben eine Sucht) danach, mit dem Partner zusammen zu sein. Diese leidenschaftliche Phase des Verliebtseins nimmt allerdings im Laufe der Zeit ab. Das ist auch gut so, denn ansonsten wäre unser Dopaminsystem vermutlich irgendwann ziemlich ausgelaugt.

Sofern die Beziehung länger andauert, verwandelt sich die Verliebtheit langsam in eine eher kameradschaftliche Liebe. Die Partner empfinden zwar immer noch Zuneigung füreinander und tauschen Zärtlichkeiten aus. Auch stellt der Partner weiterhin eine wichtige Bezugsperson in unserem Leben dar. Doch wir vergehen nicht mehr vor Trennungsschmerz, wenn wir uns mal einen oder mehrere Tage nicht sehen. Die suchtähnliche Fixierung nimmt allmählig ab und die Leidenschaft spielt in der Partnerschaft eine geringere Rolle als noch am Anfang.

Faktoren der Liebe

Beziehungen jeglicher Art lassen sich nach der Dreieckstheorie der Liebe definieren. Dieses Dreieck verfügt an jeder Spitze über einen bestimmten Aspekt. Bei diesen handelt es sich um emotionale Nähe, Leidenschaft und Festlegung. Eine vollkommene Liebesbeziehung sollte alle drei Faktoren beinhalten.

Freundschaften beispielsweise weisen keine Leidenschaft auf, gehen allerdings mit einer emotionalen Nähe einher. Mit emotionaler Nähe ist gemeint, dass man sich sehr eng mit dem eigenen Partner verbunden fühlt – wir fühlen uns bei dieser Person geborgen, von ihr verstanden und vertrauen ihr. Hingegen bezieht sich Leidenschaft auf Romantik und Sexualität.

Leidenschaft sollte auch in langfristigen Liebesbeziehungen natürlich nicht vernachlässigt oder unterschätzt werden. Allerdings steht dieser Punkt einfach nicht mehr so sehr im Fokus wie zu Beginn der Beziehung.

Festlegung bedeutet, dass wir einerseits die Erkenntnis haben, den Partner zu lieben und gleichzeitig aber auch die Entscheidung treffen, mit ihm zusammenbleiben zu wollen. Wir halten an der Beziehung fest und tätigen auch Investitionen in deren Aufrechterhaltung. Investitionen sind übrigens ein gutes Stichwort, mit dem wir uns im nächsten Abschnitt näher befassen.

Investitionen in die Liebe

Liebe allein reicht leider nicht aus, um eine Beziehung aufrechtzuerhalten.
Auch unser Gefühl von Gleichberechtigung in einer Beziehung spielt eine Rolle bei der Stabilität. Beziehungen gehen immer auch mit der Verteilung von Ressourcen und Investitionen einher. Diese sollten sich nach Möglichkeit seitens beider Partner die Waage halten. Dabei geht es nicht in erster Linie um Geld, sondern um emotionale Zuwendung, Unterstützung, Wertschätzung oder auch einfach das Verschenken von Zeit.

Nach der Equity-Theorie basiert die Zufriedenheit innerhalb einer Beziehung darauf, wie fair die Ressourcenverteilung von beiden Partnern wahrgenommen wird. Belohnungen und Kosten sollten von beiden als ausbalanciert empfunden werden, sonst nimmt die Unzufriedenheit zu. Allerdings sagt diese Theorie nur etwas zur Zufriedenheit aus, nicht zur Stabilität der Beziehung. Zudem zeigten neuere Forschungsarbeiten, dass nicht das Verhältnis von Kosten und Belohnungen für die Zufriedenheit ausschlaggebend ist, sondern eher ein absolutes Niveau.

Dass das Überwiegen von Belohnungen gegenüber den Kosten noch kein Garant für die Stabilität einer Beziehung darstellt, nahmen Kelley und Thibaut bereits in den späten 1970er Jahren an. Ihrer Meinung nach spielen auch Erwartungen an die Beziehung und die Aussicht auf Alternativen eine entscheidende Rolle für die Stabilität einer Partnerschaft. Wenn wir eine Beziehung mit einem neuen Partner eingehen, so bringen wir bestimmte Erwartungen an diesen und auch an die Beziehung an sich ein.

Kaum jemand geht völlig ohne Erwartungen in eine Beziehung. Selbst wenn wir in der Vergangenheit noch keine Partnerschaft mit einer anderen Person hatten, haben wir eine bestimmte Vorstellung von Beziehungen. Sei es durch die Beziehung unserer Eltern zueinander, welche wir als Leitbild von klein auf verinnerlicht haben oder ein medial vermitteltes Bild, welches wir durch Filme in unsere Erwartungen integriert haben.

Zudem ist auch das Vorhandensein von Alternativen entscheidend. Sind wir in einer zufriedenstellenden Beziehung, können wir diese dennoch verlassen, wenn wir einen scheinbar besser geeigneten Partner finden. Umgekehrt verbleiben wir allerdings auch in Beziehungen, welche weniger zufriedenstellend sind. Diese Tatsache ist eine mögliche Erklärung dafür, warum manche Personen sogar bei Partnern bleiben, die sie misshandeln.

Interviews mit Frauen aus solchen Beziehungen zeigten, dass bei ihnen häufig eine Kombination aus hohen Investitionen uns einer geringen Chance auf Alternativen vorlag. Dem Investitionsmodell nach beeinflussen die Aspekte Zufriedenheit, Qualität der Alternativen und Investitionen die Festlegung auf eine Beziehung und somit auch deren Stabilität. So führt beispielsweise eine hohe Zufriedenheit zusammen mit hohen Investitionen und einer geringen Qualität für Alternativen zu einer stärkeren Festlegung auf die Beziehung.

Festlegung meint in dem Fall die Ansicht, die bestehende Beziehung aufrecht zu erhalten und sich ebenfalls psychisch an den Partner zu binden. Gleichzeitig gilt, dass die Kosten einer Trennung mit der Höhe der getätigten Investitionen steigen. Was mit Investitionen und Kosten gemeint ist, kannst du die anhand des folgenden Beispiels vielleicht besser vorstellen:

Das Paar A ist erst seit einigen Monaten zusammen. Sie haben keine gemeinsame Wohnung, sondern übernachten abwechselnd bei dem jeweils anderen. Auch pflegt jeder seinen eigenen Freundeskreis und ist durch einen gut bezahlten Job finanziell nicht auf den anderen angewiesen. Hier wurden bisher kaum Investitionen getätigt. Würde es bei diesem Paar nun zur Trennung kommen, wären die Kosten dementsprechend nicht sonderlich hoch.

Paar B hingegen ist mittlerweile seit 14 Jahren verheiratet und hat drei Kinder. Die Frau ist aufgrund der Kindererziehung seit Jahren nicht mehr berufstätig und der Mann ist Alleinverdiener. Sie ist finanziell von ihm abhängig und gleichzeitig bewohnen sie ein Haus, welches sie noch nicht vollständig abzahlen konnten. Außerdem teilen beide Partner sich denselben Freundeskreis. Würde diese Beziehung in die Brüche gehen, würde nicht nur das soziale Umfeld sich für die Partner ändern, sondern auch die hohen Investitionen in diese Beziehung (Kinder, berufliche Auszeiten, Hauskauf) würden erhebliche Kosten nach sich ziehen.

Diese hohen Investitionen sind ein Punkt, warum die misshandelten Frauen aus den Interviews dennoch in ihren Beziehungen verweilen. Häufig kommt ihre eigene prekäre finanzielle Lage noch hinzu, so dass sie sich auch keine Alternativen zur jetzigen Situation vorstellen können. So kann beispielsweise die eigene Arbeitslosigkeit oder die Angst davor, den Kindern eine intakte Familie durch eine Trennung vorzuenthalten, zum Verbleib in der gewalttätigen Beziehung führen.

Um nun allerdings nicht mit diesem negativen Beispiel zu enden, wollen wir noch einen Blick auf die Strategien lenken, die zu einer positiven Beziehung beitragen.

Verhaltenspsychologie der Liebe

Den Aspekt der Festlegung haben wir bereits angesprochen. Dieser Aspekt ist äußerst wichtig. Falls die Partner jeden Tag aufs Neue die Entscheidung treffen, an der Beziehung festzuhalten, kommt es zu weniger Streit, zu schnellerem Verzeihen und zu Harmonie. Denn unwichtige persönliche Belange lassen sich dieser Entscheidung unterordnen.

Doch da diese Festlegung auch zum Verharren in einer negativen Beziehung führen kann, schauen wir uns auch noch weitere Gedankenmuster und Verhaltensweisen an, die eine positive Partnerschaft fördern.

Streitigkeiten in Beziehungen sind unvermeidlich und auch nicht immer von Nachteil. Denn Konflikte bieten auch gleichzeitig die Möglichkeit, eine Sache aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Und das wiederum kann einen Beitrag zur Persönlichkeitsentwicklung leisten. Beziehungen kann man demnach auch als eine Form der Selbsterweiterung betrachten, da sie Anreize bietet, sich mit den eigenen Vorstellungen immer wieder auseinander zu setzen.

Hinzu kommt, dass eine Beziehung durch diese Form der Selbsterweiterung interessant bleibt. Langeweile führt meist auf Dauer dazu, dass Partner sich auseinanderleben und die Beziehung irgendwann endet.

Doch um noch einmal auf die Festlegung zurückzukommen: Diese hat auch ihre Vorteile. Denn mit ihr gehen häufig zwei Denkweisen einher, die die eigene Beziehung als etwas Besonderes erscheinen lassen. Haben wir uns auf unseren Partner festgelegt, so glauben wir häufig an die Überlegenheit unserer Beziehung. Unsere Partnerschaft ist einfach besser als die durchschnittliche. Damit stärken wir die Stabilität der Partnerschaft.

Doch auch die Abwertung von Alternativen ist mit der Festlegung verbunden. Wir empfinden andere potenzielle andere Partner als weniger attraktiv, wenn wir uns auf unseren Partner festgelegt haben und schenken ihnen auch weniger Aufmerksamkeit. Dieser Effekt ist bei Singles nämlich nicht zu beobachten.

Daneben sind noch Verhaltensweise wie Akkommodation, Opferbereitschaft und Versöhnlichkeit von Vorteil für die Beziehungsstabilität. Nehmen wir noch einmal das Thema Streit. Mit Akkommodation ist hier gemeint, dass der eine Partner auf das destruktive Verhalten des anderen mit konstruktivem Verhalten reagiert. Statt bei einem Streit in die die Offensive zu gehen und beleidigend zu werden, ist ein genaues Zuhören und eine ruhige Aussprache im Anschluss förderlicher als mit den Türen zu knallen.

Hier greift auch die Versöhnlichkeit. Denn sollte der eine Partner im Streit ausfallend werden, ist dieser Aspekt sehr wichtig. Statt ewig wegen einer Beleidigung zu schmollen, kann die ernstgemeinte Einstellung „Schwamm drüber“ den Streit im Keim ersticken, statt diesen ewig aufrecht zu erhalten. Letzteres geht nämlich auf Kosten beider Partner – sowohl hinsichtlich der psychischen als auch der physischen Gesundheit.

Falls du vor hast, Jemanden irgendwann zu verzeihen – verzeih ihm sofort. Der Rest ist nur Verschwendung von Zeit, von psychischer Energie und anderen Ressourcen.

Wie versöhnlich wir uns jedoch zeigen, hängt auch von der eigenen Persönlichkeit ab. Selbstkontrolle, Freundlichkeit und vor allem ein geringer Wert bei der Persönlichkeitseigenschaft Neurotizismus sind der Versöhnlichkeit dienlich.

Mit Neurotizismus geht die Tendenz einher, jedes Wort des anderen zu „zerdenken“ und vor dem Hintergrund eigener Selbstzweifel negativ zu interpretieren. Das kann eine Beziehung sehr belasten.

Schließlich trägt auch Opferbereitschaft zur Langlebigkeit einer Beziehung bei. Steckt man die eigenen Interessen ab und zu zugunsten der Beziehung zurück, hat das durchaus positive Effekte. Festlegung fördert sowohl die Opferbereitschaft als auch Akkommodation, und Versöhnlichkeit und geht mit einer stabileren Beziehung einher. Dazu sei allerdings gesagt, dass diese Denk- und Verhaltensweisen bestenfalls von beiden Partnern verinnerlicht sein sollten. Denn wenn immer nur einer zurücksteckt, hat das eher wieder negative Folgen für die Beziehung und auch für die mentale Gesundheit.


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