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Was sind Archetypen nach Jung. Definition, Bedeutung, Beispiele


Archetypus heißt übersetzt ursprüngliches Vorbild. Der Begriff „arché“ stammt ursprünglich aus dem Altgriechischen und bedeutet so viel wie „Anfang“ oder „Beginn“. Das altgriechische Wort „typos“ kann zum Beispiel mit „Vorbild“ übersetzt werden.

In der Philosophie tritt der Begriff des Archetyps erstmals zusammen mit Platon auf. Dieser verstand darunter eine Idee, welche die eine, wahre und vollkommene Gestalt ist. Es handelt sich demnach um ein idealtypisches und abstraktes Bild von einem bestimmten Wesen – ein Urbild.

Descartes und Locke hielten die Archetypi für die Grundlage aller Vorstellungen. Doch auch in der Psychologie hielt der Archetyp Einzug. Besonders in den Theorien Carl Gustav Jungs sind Archetypen ein Teil des kollektiven Unbewusstseins.

Das Unbewusste war bereits durch Freud zum Thema geworden, welcher sich allerdings auf das Individuum beschränkte. Mit dem kollektiven Unbewussten bezog Jung noch eine weitere psychische Ebene ein, welche der grundlegende Bauplan der persönlichen psychischen Entwicklung sein sollte. Auf dieser kollektiven Instanz siedelte er Archetypen an, welchen er nicht nur eine richtungsweisende, sondern auch eine heilende Kraft zusprach.

Definition der Archetypen nach Jung

Den Begriff des Archetypus nutzte Jung selbst erst ab 1919.
Allerdings sprach er zuvor bereits von „Urbildern“. Die Bezeichnung „Archetyp“ hat sich mittlerweile auch im alltäglichen Sprachgebrauch etabliert, obwohl es nicht immer ohne Missverständnisse einher geht.

Hinsichtlich der „Urbilder“ hat Jung noch anhand von Symbolen und Bildern klar gemacht, was er mit diesem Konzept ausdrücken wollte. Allerdings ist es in Bezug auf das kollektive Unbewusste doch nicht ganz passend. Denn unter Urbildern kann man sich bereits vorgefertigte Muster vorstellen.

Das meinte Jung allerdings nicht. Daher wechselte er zu den Archetypen. Diese sind nicht vorgefertigt in ihrer äußeren Gestalt, sondern es handelt sich eher um Instanzen mit verschiedenen Eigenschaften und Fähigkeiten. Diese Archetypen sind zwar in der Lage, Symbole und konkrete Bilder zu wecken. Doch sie selbst sind eben keine „fertigen Bilder im kollektiven Unbewussten“.

Was bedeuten Archetypen in der Jung´schen Psychologie?

Anders als Freud ging Jung von einem individuellen und kollektiven Unbewusstsein aus.
Freuds Theorien bezogen bereits das individuelle Unbewusstsein ein, was in der breiten Bevölkerung bereits auf Ablehnung traf.

Denn damals herrschte noch der allgemeine Glaube vor, dass der Mensch ein rein rationales Wesen ist. Als solches trifft der Mensch vernunftgeleitet seine eigenen Entscheidungen. Dass sich sozusagen „unter der Oberfläche“ noch etwas anderes befindet, fanden viele damals unheimlich.

Plötzlich sollte der Mensch von niederen Trieben gesteuert sein und nicht mehr allein von der Ratio. Freud bezog in seine Annahmen allein die individuellen Lebenserfahrungen und Triebe ein. Und nun legte Jung mit einem kollektiven Unbewusstsein noch eine Schippe drauf.

Jetzt waren nicht nur die eigenen Erfahrungen und das eigene Unbewusstsein handlungssteuernd, sondern auch noch das der gesamten Menschheitsgeschichte. Das mussten die Leute erst einmal verdauen. Dass die Psyche durch die eigenen Kindheitserfahrungen geprägt wird, war ja noch irgendwie nachvollziehbar – wenn auch ein damals unangenehmer Gedanke. Doch da sich mit der Idee eines kollektiven Unbewusstseins noch eine tiefere, unüberschaubarere Ebene im menschlichen Geist befinden sollte, sorgte für noch mehr Unsicherheit und ein Gefühl der Ohnmacht.

Bedeutung von Instinkten nach Jung

Der Mensch blickt auf eine mehr oder minder lange Entwicklungsgeschichte zurück.
In Bezug auf ein Menschenleben liegen unsere evolutionären Ursprünge sehr weit zurück. Aus sich der Erdgeschichte ist die Existenz der Menschen nur ein Wimpernschlag. Dennoch ist im Laufe der Menschheits- und Kulturgeschichte so einiges passiert. Und das soll sich nach Jung zufolge alles im kollektiven Unbewussten befinden.

Und um ein bisschen Ordnung in die Sache zu bringen, entwickelte Jung das Konzept der Archetypen. Im Archetyp sah Jung eine Erweiterung von Instinkten. So ging er davon aus, dass es sich bei Archetypen um psychische Grundelemente im kollektiven Unbewusstsein handeln muss, welche von einer Generation zur nächsten vererbt werden.

Anders als bei der Genetik stellt sich hier allerdings die Frage: Wie sollen psychische Elemente vererbt werden? Die Jung´sche Psychologie antwortet hierauf mit einer Analogie.

Jung selbst verglich den Archetyp mit Instinkten. Die Annahme dabei ist die folgende: Instinkte werden vererbt. Der Mensch besitzt allerdings nicht nur Instinkte, sondern auch Archetypen, die sein Unbewusstsein bevölkern. Diese Archetypen können als eine höhere Stufe von Instinkten verstanden werden. Da sich das kollektive Unbewusste auf spezifischen Lebenserfahrungen in der Menschheitsgeschichte stützt und diese bis zu den Anfängen der Bewusstseinsentwicklung des Menschen zurückgehen, müssen die Archetypen auf der Ebene der Instinkte ihren Ursprung haben.

Aus diesem Grund könnten sie nach Jungs Ansicht (ebenso wie die Instinkte) auch vererbt werden. Jung sah Instinkte und Archetypen allerdings als Pole eines Spektrums. Während die Instinkte biologisch begründet sind, stellen die Archetypen eine psychische Weiterentwicklung der Instinkte war.

Demnach verfügen zwar alle Lebewesen über Instinkte, doch (anscheinend) hat nur der Mensch zusätzlich noch ein Repertoire an Archetypen im Gepäck, welche einige geistige Reifung überhaupt erst ermöglichen. Dass beim Menschen noch Instinkte vorhanden sind, zeigt sich beispielsweise am Mutterinstinkt oder am Kindchenschema.

Bestimmte Reize lösen beim Menschen immer noch unwillkürliche Reaktionen aus, welche ihm noch aus grauer Vorzeit in den Knochen stecken. Als Analogon zum Mutterinstinkt kann zum Beispiel der Archetyp der „Großen Mutter“ verstanden werden. Dieser erweitert den ursprünglichen Trieb der Arterhaltung um einen kulturellen Aspekt. Dieser Archetyp ist aufgeladen mit spezifischen Emotionen, Bildern und Vorstellungen, welche sich in Mythen und Märchen wiederfinden. In der Religion sind sie ebenfalls anzutreffen.

Der Zusammenhang von Trieben und Archetypen

Triebe können als Grundelemente der Instinkte angesehen werden.
Hier ergibt sich eine Schnittstelle zu Freuds Sexualtheorien. Denn wenn Instinkte an Triebe gekoppelt sind, gehören Triebe auch unweigerlich zu den Archetypen.

Um noch einmal auf das Beispiel des Archetyps der „Großen Mutter“ zurückzukommen: Auch hier können Triebe ausgemacht werden. Denn neben dem kulturell beladenen Bild einer Mutter mit Zuneigung, Fürsorge und Schutzgebende fließt auch der Sexualtrieb ein. Denn ohne diesen wäre auch der Trieb zur Arterhaltung schnell hinfällig.

In Bezug auf psychische Erkrankungen schreibt Jung der Sexualtheorie einen anderen Wert zu als Freud dies tat. Während Freund beispielsweise den Ödipuskomplex in seiner Theorie zur kindlichen psychosozialen Entwicklung beschreibt, geht es bei Jung hier eher um den Archetypus der Mutter und weniger um die eigene Mutter als Person.

Zwar können die daraus entstandenen Probleme auch sexualisiert werden, jedoch ist es auf den Wunsch nach Bemutterung zurückzuführen. Jung nimmt eher den Wunsch nach einer psychologischen Vereinigung mit der Mutter an als eine sexuelle, was bei Freud der Fall ist. Es geht Jungs Ansicht nach demnach beim Ödipuskomplex mehr um das Bedürfnis nach Geborgenheit.

Sowohl Archetyp als auch Instinkt oder Trieb stehen für Jung nicht isoliert im Unbewusstsein, sondern sind ineinander verwoben. So ist für ihn der Archetyp eine Art kulturelle Hülle, die Triebe und Instinkte umgibt und erweitert.

Funktion von Archetypen in der analytischen Psychologie

Archetypen bringen nach Jung bestimmte Symbole und Bilder hervor, welche sich in Religion und Mythologie zeigen.
Er weist auf ein menschliches Bedürfnis nach einer symbolhaften Darstellung der archetypischen Grundmotive hin und macht auf kulturelle Ähnlichkeiten hinsichtlich dessen aufmerksam.

So gibt es wiederkehrende Heldenfiguren, welche bereits in der Antike vorherrschten und auch heute noch aktuell sind. Die Figur der Mutter, die archetypische Frau, der archetypische Mann, der/die Weise, der Gute, der Böse…Es stellt sich daher auch die Frage, wie viele Archetypen es überhaupt gibt.

Kommen wir – beispielsweise im Traum – mit Archetypen in Kontakt, dann wird dieser von den meisten als bedeutungsvoll wahrgenommen. Zumindest laut Jung. Die Kräfte der Archetypen wirken beispielsweise auch dann, wenn sich jemand in einer Lebenskrise befindet.

Da sich im kollektiven Unbewussten ein Fundus von Erfahrungen aus der gesamten Menschheitsgeschichte befindet, kann der Betreffende daraus Kreativität schöpfen und bei der Suche nach Lösungen für sein Problem nutzen. Doch Archetypen steuern auch das Verhalten in spezifischen Lebensphasen und geben die Richtung der geistigen Entwicklungsschritte vor. Um auf die archetypischen Kräfte zurückgreifen zu können, kann allerdings auch therapeutische Unterstützung genutzt werden.

Doch auch dann sollten laut Jung keine sofortigen und überragenden Ergebnisse erwartet werden. Viel mehr ginge es um einen kleinschrittigen Prozess, in dem kleine und stetige Erlebnisse den individuellen Weg bahnen. Wie stark jemand auf archetypische Kräfte reagiert, hängt nach Jung von den individuellen Widerständen ab.

Dieser Widerstand stellt eine Schutzfunktion des Ich-Bewusstseins dar, welches noch nicht für diese unbewussten Prozesse bereit ist. Immerhin wohnt dem Ich-Bewusstsein die Aufgabe inne, sich angemessen mit der Realität auseinanderzusetzen. Allerdings kann auch weniger Widerstand, sondern mehr mangelndes Interesse oder Unbehagen den Zugang zu den unbewussten, archetypischen Kräften blockieren.

Auch hier kann eine therapeutische Behandlung den Zugang öffnen, doch kann sich dabei wiederum Widerstand einstellen. Grund dafür ist der, dass die Auseinandersetzung mit der Thematik beängstigend oder schambehaftet sein kann. Jung schreibt den Archetypen gewisse Heilungskräfte zu, welche im Laufe einer Psychoanalyse aktiviert werden sollten. Um die psychischen Leiden zu lindern, sieht Jung allerdings auch den Einbezug der Ich-Funktionen vor, zu welchen beispielsweise das Empfinden und Fühlen zählen.

Archetyp des göttlichen Kindes

Dem Archetypus des Kindes werden vor allem entwicklungsfördernde Eigenschaften zugeschrieben. Das Kind wird von Jung sowohl im individuellen als auch im kollektiven Unbewusstsein verortet. Es soll psychische Reifungsschritte einleiten und auf diese Weise negative Entwicklungserfahrungen kompensieren.

Auf individueller Ebene symbolisiert das Kind die eigene Entwicklungsgeschichte. Es beinhaltet Erinnerungen, Verletzungen und andere Emotionen aus der Kindheit des Patienten.

Im kollektiven Unbewussten hingegen steht dieser Archetyp für Wachstum und Entwicklung. Allerdings wird er auch mit Verletzlichkeit und Hilflosigkeit in Zusammenhang gebracht. Als „göttlich“ wird der Archetyp des Kindes auch deshalb betitelt, weil es sich in seiner Symbolik vom individuellen ins kollektive Unbewusste verlagern kann. Diese nahezu transzendente Verbindung der beiden Sphären findet sich auch in der Religion wieder – man denke beispielsweise an das Jesuskind in der Krippe oder Moses im Schilfkorb.

Zusammenfassung

  • Archetypen waren bereits in der Philosophie ein Thema. Carl Gustav Jung führte sie in die Psychologie ein.
  • Er sah in ihnen eine Weiterentwicklung von Instinkten und Trieben. Daher nahm er auch an, dass Archetypen vererbt werden.
  • Instinkte und Triebe sind dabei die biologische Komponente. Archetypen hingegen sind als deren psychische und kulturelle Erweiterung zu verstehen.
  • Zunächst nutzte er den Begriff „Urbild“. Da er diesen allerdings für missverständlich hielt, wandelte er ihn in die Bezeichnung des Archetyps um.
  • Anders als ein Urbild ist ein Archetyp kein fertiges Bild. Vielmehr ist es eine psychische Instanz, welche verschiedene Symbole, Bilder und Motive hervorbringen kann.
  • Jung wies auf ein allgemeines Bedürfnis nach symbolhaften Darstellungen beim Menschen hin. Ebenso machte er auch auf kulturübergreifende Ähnlichkeiten in diesen Darstellungen aufmerksam.
  • Diese Darstellungen finden sich sowohl in Märchen und Mythen als auch in der Religion wieder.
  • Jung vermutete eine psychische Kraft hinter den Archetypen. Diese könne zu Heilungszwecken bei psychischen Erkrankungen eingesetzt werden und spielen daher auch eine Rolle in seinem Therapieansatz.
  • Sowohl in der Therapie als auch im Schlaf können Menschen mit den Archetypen im kollektiven Unbewussten in Kontakt treten.
  • Im Traum verschwimmt die Grenze zwischen Ich-Bewusstsein und dem Unbewussten. Auf diese Weise können Bilder und Symbole im Traum auftauchen, die von den Archetypen im Unbewussten mobilisiert werden.
  • Besonders das Kind als Archetyp nimmt eine spezielle Stellung ein. Es steht einerseits für die eigene Entwicklungsgeschichte. Andererseits besteht das archetypische Kind auch im kollektiven Unbewussten. Hier symbolisiert es Wachstum. Doch auch die verletzliche Seite des Kindes wird hier berücksichtigt.

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