2 Gründe, warum es Binsenweisheit heißt: Wortherkunft und Bedeutung
Die Binsenweisheit ist eine Wahrheit, die so offensichtlich und allgemein bekannt ist, dass man sie nicht extra erwähnen muss. Weniger bekannt ist, woher dieser Begriff eigentlich stammt – und wie lange die Menschen schon von einer „Binsenweisheit“ sprechen.
Inhalt
Die Binsen in vergangenen Kulturen
Die Binse selbst ist ein weltweit verbreitetes Gewächs, das vor allem in Feuchtgebieten wächst und allein in Deutschland mit 29 Arten vertreten ist. Weltweit gibt es rund 300 Arten. Die Halme der Binsen sind besonders stark, aber auch biegsam. Sie eigneten sich daher seit jeher als Flechtmaterial für die Herstellung von Körben, Matten oder Hüten. Der römische Autor Marcus Terentius Varro (116 bis 27 vor Christus) beschrieb den Binsenanbau, um daraus Körbe oder Schnüre und Seile zu flechten. Auch Reusen für den Fischfang wurden aus Binsen hergestellt.
Besonders bedeutend waren Binsen für die alten Ägypter: Sie verwendeten Schreibbinsen, um ihre Hieroglyphen auf Papyrus zu malen. Auch hochwertige Sandalen wurden aus Binsengras gefertigt. Sogar in ihre Mythologie fand die Binse Eingang: Sechet-iaru bedeutet „Gefilde der Binsen“ und war ein Teil des Totenreichs. Auch im Mittelalter hatte man Bedarf an Binsen: Sie wurden getrocknet, um damit die Böden der Räume auszulegen, mangels Heizung sogar in herrschaftlichen Burgen. So halfen Binsen mit, den Boden gegen die Kälte abzuschirmen.
Ein besonders auffälliges Merkmal der Binsen, die in Österreich übrigens unter dem Namen Simsen bekannt sind: Sie wachsen ohne Knoten, haben also einen vollkommen glatten Stängel. Das bringt uns auch schon auf die Spur der „Binsenweisheit“: Der Stängel der Binse ist eine glatte Sache – das fiel schon den alten Römern auf.
Antiker Ursprung der „Binsenweisheit“
Ja, schon Cäsar und Nero sprachen in gewisser Weise von „Binsenweisheiten“, naturgemäß aber in lateinischer Sprache.
„Nodum in scirpo quaerere“
bedeutet übersetzt „den Knoten an der Binse suchen“. Der aber existiert nicht. Wer den Knoten an der Binse sucht, will Schwierigkeiten finden, wo keine sind oder über eine Tatsache diskutieren, die eigentlich unstrittig ist und über die sonst niemand ein einziges Wort verlieren würden.
Binsen als Geheimnisträger der griechischen Mythologie
Auch die griechische Mythologie bietet einen Erklärungsansatz für die „Binsenweisheit“, und zwar in einer Sage über König Midas. Diesen Herrscher gab es wirklich. Er regierte im 8. Jahrhundert vor Christus im Königreich Phrygien, welche sich im heutigen Anatolien (Türkei) befindet.
Der Legende nach war Midas zwar unglaublich reich, beging aber den Fehler, sich in einen göttlichen Streit hineinziehen zu lassen. Er sollte als Schiedsrichter einen musikalischen Wettstreit zwischen dem Hirtengott Pan und Apollo, dem Gott der Weissagung, entscheiden und sprach Pan den Sieg zu. Apollo fand das nicht besonders witzig und ließ Midas Eselsohren wachsen. Der König versteckte diesen Makel unter einer Mütze – nur sein Barbier entdeckte beim Haareschneiden das Geheimnis.
Zwar ließ Midas seinen Barbier schwören, keinem Menschen davon zu erzählen, doch der Barbier hielt es nicht aus und flüsterte das Geheimnis in ein Loch im Boden. Daneben aber wuchsen Binsen, hörten die Geschichte und trugen diese in alle Winde, sodass die ganze Welt von den Eselsohren des Königs erfuhr.
Auch diese Sage kommt als Ursprung für die Binsenweisheit infrage.
Die Römer gehen, das Sprichwort bleibt
Im Mittelalter was das Römische Reich zwar längst untergegangen, die Sprache aber war nach wie vor lebendig und damit auch die Phrase „nodum in scirpo quaerere“. Sie blieb es auch in der Neuzeit und die Verwendung der wörtlichen Übersetzung ist in Schriften aus dem 16. Jahrhundert belegt. Oft sprachen die Menschen aber auch davon, „einen Knopf an der Binse zu suchen“. Auf diese Weise blieb die „Binsenweisheit“ bis heute erhalten.