Wie starb Otto der Große: Tod, Ursachen und Hintergründe
Otto I. war am 23.11. 912 geboren worden, verstorben ist er am 7.5.973 in der Pfalz Memleben. Der ostfränkische König war Sohn von König Heinrich I. aus dem Adelsgeschlecht der Liudolfinger. Ab dem Jahr 936 war Otto I. Herzog des Stammherzogtums Altsachsen und König des Ostfrankenreichs. Nachdem er ab 951 König von Italien geworden war, wurde er 962 in Aachen zum römisch-deutschen Kaiser gekrönt.
Otto trug seit dem Mittelalter den Beinamen “der Große” als festes Namensattribut. Der zeitgenössische Chronist Widukind von Corvey nannte Otto in seiner Sachsengeschichte “Res gestae Saxonicae” zudem” totius orbis caput”, das „Haupt der ganzen Welt“. Der absolutistische Herrscher konnte auf eine lange Regierungszeit zurückblicken, während der sowohl blutige Eroberungsfeldzüge als auch kulturelle Blütezeiten verzeichnet sind.
Zu Pfingsten, genauer am 7. Mai des Jahres 973, verstarb Otto der Große infolge einer heftigen Fiebererkrankung, berichten die Chronisten jener Zeit. Das Datum ist unbestritten, aber es gibt massive Gründe, die an einem natürlichen Tod des Königs zweifeln lassen.
Inhalt
Wie ist Kaiser Otto der Große gestorben: Tod und Hintergründe
Auf der intensiven Suche nach heldenhaften mittelalterlichen Ikonen waren die deutschen Geschichtsgelehrten im Verlauf des 19. Jahrhunderts gleich doppelt erfolgreich. Sie benannten Kaiser Otto I. sowie dessen scheinbar loyaler Gefolgsmann Hermann Billung, der als ein Prototyp eines Fürsten in fester Gefolgschaftstreue und Unterwürfigkeit seinem König gedient habe.
Sowohl Otto als auch Hermann schienen geradezu ideal, deren Mission und Wesen entsprechend des vorherrschenden Zeitgeistes abzubilden – der Sachsenherzog Hermann, der seinen Monarchen so uneigennützig vertrat, während dieser in Italien war und die Grenzmark gegen die heidnischen Slawen verteidigte und der Kaiser selbst, der die Reichsgründung des Vaters mit der Kaiserwürde gekrönt hatte. Zudem hatte Otto europäische Regionen vor dem Andrang durch “asiatische Horden” gerettet und einen vermeintlichen Vorrang des deutschen Reichs ebenda begründet.
Allerdings ist dies wohl nicht einmal die halbe Wahrheit: Zeitgenössische Quellen berichten nämlich von einer drastischen Verschlechterung des Verhältnisses zwischen dem König und seinem Vasallen: Sollte der eine den anderen womöglich umbringen?
Denn auf der blütenweißen Weste Hermann Billungs gab es hässliche Flecken. So berichten ottonische Chronisten von einem besonders pompösen Empfang des Billungers beim Magdeburger Erzbischof Adalbert anlässlich des Palmsonntags 972: Mit Glockengeläut und Kerzenschein wurde Hermann im Magdeburger Dom königlich gehuldigt. Nicht nur an der Festtafel, sondern sogar im Schlafgemach nahm Hermann den Platz Ottos ein. Erzbischof Adalbert ließ ihm somit besondere Ehrungen zuteilwerden, die ihm als Ottos Statthalter keinesfalls zustanden.
Allerdings wollten besonders deutschnationale Historiker nichts von diesen Vorkommnissen wissen. Gewürdigt wurde vielmehr eine Harmonie zwischen König und Herzog, die anlässlich des Quedlinburger Hoftages im Folgejahr geherrscht haben soll. Gerüchte über einen Aufstand in Sachsen hatten Otto zwar veranlasst, in der Mitte des Jahres 972 seine Italien-Mission vorzeitig abzubrechen. Dem Kaiser gegenüber spielte man die Gerüchte allerdings herunter. Die brisante Affäre in Magdeburg verschwieg man ihm voll und ganz.
Bis dato sucht man nach einer Erklärung der Motive des Erzbischofs und des Herzogs. Wie der Zwiespalt letztendlich gelöst wurde, erklären die Historiker bis heute nicht. Fest steht, dass der Vorfall alles andere war als eine Angelegenheit ohne Belang – vielmehr liegt sie als eine massive Herausforderung des abwesenden Monarchen auf der Hand.
Hatte sich während der langen Abwesenheit Ottos die Machtposition Hermanns hin zu einer Art sächsischem Vizekönig entwickelt? Zeitgenossen konnte dies nur als Akt der Auflehnung erschienen sein. Hermann wollte wohl ausloten, ob seine Zeit gekommen sei, ob die Machtverhältnisse neu geordnet werden könnten. Den Rückenhalt ließen die Großen jener Zeit allerdings vermissen. Ottos Macht war also weiterhin gefestigt und die Intriganten mussten zurückrudern.
Der Magdeburger Skandal war eine Reaktion auf die jahrelang andauernde Abwesenheit des Kaisers vom nördlich der Alpen liegenden Reichsgebiet. Er war auch ein Ausdruck einer anwachsenden Skepsis der Italienpolitik Ottos und dem römischen Kaisertum gegenüber. In Ottos Stammland fürchtete man eine fortschreitende Entfremdung des Kaisers. Zudem bestand aktueller Handlungsbedarf: Die Werbung Otto des Großen am Hof von Byzanz um eine standesgemäße Braut für Otto II., seinen mittlerweile zum Mitkaiser gekrönten Sohn.
Die Gefahr aus Byzanz
Es war schlimm genug, das der Kaiser nach einer „Porphyrogenita“, einer purpurgeborenen Kaisertochter in Byzanz suchte, weil ihm einheimische Adels-Töchter wohl nicht mehr standesgemäß erschienen. Aber das Otto nun ausgerechnet in Byzanz nach einer geeigneten Schwiegertochter Ausschau hielt, erscheint angesichts der Machtansprüche des oströmischen Herrscherhauses auf den gesamten Rest der Welt gefährlich. Steuerte Otto auf eine Fremdbestimmung seines Reichs zu?
Zur Braut auserkoren wurde Theophanu, die Nichte des byzantinischen Kaisers Johannes I. Tzimiskes. In ihrem Gefolge waren gebildete, arrogante Byzantiner, die alle künftig mitreden wollten. Selbst Johannes I. Tzimiskes wollte politischen Einfluss auf das junge Königspaar nehmen und die Heiratsurkunde galt dem byzantinischen Herrscher als Teilhabebefugnis an der Reichsgewalt. Theophanu wurde so zur Mitkaiserin mit der Alleinherrschaft als letztendliche Option.
So hatten sich die geografischen Schwerpunkte von Ottos Herrschaft bereits verlagert. Die Erlangung der Kaiserkrone, die Eroberung Italiens sowie die entsprechenden Verwicklungen in die italienischen Verhältnisse bedrohten die angestammten Herrschaftsareale der Ottonen und ließen sie in eine Randlage abgleiten. Dementsprechend drohte auch den dortigen Magnaten ein Abgleiten ins Abseits – die Sachsen hatten allem Anschein nach ihre Position als führendes Reichsvolk eingebüßt.
Mittelalterforscher hatten bis dato kaum beachtet, wie ausgesprochen reserviert die Chronisten der Zeit von der Eheschließung berichteten. Vielmehr wird sogar ein fingierter militärischer Angriff byzantinischer Soldaten auf eine Heeresabteilung erwähnt, die Otto I. zur würdigen Einholung der Braut ausgesandt hatte. Dann berichteten die Geschichtsschreiber weitaus ausführlicher von den militärischen Gegenmaßnahmen Ottos gegen die übermütigen und leichtsinnigen Griechen, die er letztendlich mit der Rückübersendung verstümmelter Soldaten nach Byzanz quittierte. Das Klischee von Heimtücke, gepaart mit Hinterlist, mit dem schon Autoren der Antike die feindlichen griechischen “Barbaren” diffamierten, erlebte eine Renaissance.
Zu allem bezweifelten die Geschichtsschreiber sogar die hohe Abstammung der Braut aus Byzanz. Fakt ist, dass die byzantinische Prinzessin Theophanu zwar nicht die erwünschte “purpurgeborene”, den Thron erbende ”Porphyrogenita“ ist, nichtsdestotrotz aber auf einen respektheischenden Stammbaum verweisen konnte.
Darüber berichteten die Geschichtsschreiber wohlweislich nichts. So erschienen Ottos Bemühungen um eine byzantinische Braut für seinen Sohn in schlechtem Licht. Sollte jetzt der Kaiser sterben, kämen sein Sohn samt der ausländischen Braut und deren machtbesessenem Hintergrund an die Macht – und die waren sowohl Sachsen als auch seinen adligen Potentaten in hohem Maß entfremdet.
Hermanns existenzielle Ängste
Als vom Kaiser eingesetzter Herzog hatte auch Hermann Billung allen Grund zur Sorge. Seine herausragende Position beruhte keinesfalls auf einer eigenen dynastischen Tradition, vielmehr müsste sie bei einem Machtwechsel erneut bestätigt werden. So dürfte Herman einerseits in Panik geraten sein, andererseits hatte er gute Gründe, sich in seiner Position stark fühlen zu können. Herman hatte seine Machtstellung peu à peu ausgebaut und Otto von Fall zu Fall sogar widersprechen können. Er verfügte zudem über stabilen und konkurrenzlosen Rückhalt in Sachsens Adel.
Warum also sollte Hermann die Rolle eines tatenlosen Zuschauers einnehmen, während ein unbedarfter Jüngling ohne Regierungserfahrungen und militärische Expertise samt seiner ausländischen Gemahlin die Macht übernimmt? Alle Früchte seiner langjährigen Bemühungen würden doch damit zerstört werden!
Eine Woche vor der Heirat Ottos II. mit Theophanu avancierte der Empfang Hermanns in Magdeburg zu einer Reaktion auf das Scheitern sämtlicher Bestrebungen zur Verhinderung jener Eheschließung. Der Vorfall im Dom richtete sich eindeutig gegen den Nachfolgeanspruch des kaiserlichen Sprosses. Otto der Große musste von den Nachrichten aus Magdeburg in hohem Maße alarmiert sein.
Interessierte suchen allerdings vergeblich nach Hinweisen auf kapitale Gegenmaßnahmen Ottos, auch eine Versöhnung stand damals nie im Raum. Vielmehr stößt man in alten Urkunden auf Notizen zum Quedlinburger Hoftag, denen zufolge Herzog Hermann dort zum großen Bedauern des Kaisers verstarb. Andere Geschichtsschreiber bringen Hermanns Tod nicht mit dem Hoftag in Verbindung. Sie berichten ausführlich vielmehr von der äußerst traurigen Stimmung Ottos – über die näheren Umstände zum Tode des Hermann schweigen auch sie. Selbst über die Trauerfeierlichkeiten zum Ableben des zweitwichtigsten Manns im Reich steht nichts in den mittelalterlichen Annalen.
Im Verlauf seiner Regierungsjahre musste Otto der Große allerlei bittere Erfahrungen mit Angriffen auf sich und seine Familie machen. Auf die Loyalität des Herzogs musste er vertrauen. Otto verdankte Hermann viel.
Bisher hatte Hermanns ältere Bruder Wichmann im Hintergrund Ansprüche auf die Position eines Heerführers erhoben. Diese Würde hatte Otto einst nicht ihm, sondern Hermann übertragen. Wegen dieser Entscheidung musste Otto sowohl einem Aufstand des sächsischen Adels als auch den immer wiederkehrenden Erhebungen Wichmanns widerstehen.
Nun wurde zudem deutlich, dass der Schützling des Kaisers dessen lange Abwesenheit missbraucht hatte, ihn zu hintergehen und eigene Machtansprüche anzumelden. Wäre eine Versöhnung noch möglich gewesen?
Entsprechend der damals gültigen Normen hätte Hermann in ein Kloster interniert oder gerichtlich verurteilt und hingerichtet werden müssen. Alternativ hätte der König bei einem Einlenken des untreuen Vasallen eine Unterwerfung in aller Öffentlichkeit fordern können. Dann wäre sogar eine Rückkehr in die königliche Huld ermöglicht worden. Beides hätte allerdings angesichts der Machtstellung Billungs die Gefahr erneuter Aufstände befeuert.
Wohl deshalb verwarf Otto diese Ideen. Vielmehr gönnte sich Otto der Große besonders viel Zeit bei seiner Rückkehr von der Kaiserkrönung seines Sohnes aus Rom. So stellte er seine Überlegenheit demonstrativ dar. Otto I. war im Juli des Jahres 972 in Mailand aufgebrochen und hatte die Alpen vergleichsweise schnell passiert. Im August traf der Kaiser in der Abtei Sankt Gallen ein, wo er dann längere Zeit verweilte. Mit einem ausgedehnten Aufenthalt im Kloster hatte er wohl Hermann Gelegenheit einräumen wollen, ihm entgegenzuziehen, um ihm zu huldigen, sich zu unterwerfen und um die kaiserlich-königliche Gnade zu flehen. Womöglich hätte der Konflikt so gütlich beigelegt werden können. Aber Herzog Hermann dachte gar nicht daran.
Nachfolgend war von Otto für September eine Synode nach Ingelheim einberufen worden. Von Hermann verlautete dazu weiterhin nichts.
Otto I. verbrachte den folgenden Winter im Rheingau. Erst im Verlauf des Frühjahrs 973 machte er sich wieder auf den Weg, um zum Palmsonntag in Magdeburg einzutreffen. Dort nahm der Kaiser mit einer großen Zeremonie seine Gemächer in Beschlag. Damit wollte er die vermeidliche Entweihung der Gemächer durch Hermann ungeschehen machen.
Anschließend zog Otto der Große zum glänzenden Quedlinburger Reichstag, wo das Osterfest seinen Anfang nahm und wo das frisch verheiratete Thronfolgerpaar des Großreiches den päpstlichen Gesandten und den anwesenden Fürsten aus vielen verschiedenen Ländern präsentiert werden sollte. Eine gezielte Unterwerfung und die Begnadigung Hermanns hätte vor Ostern am besten in Magdeburg, spätestens aber in Quedlinburg vollzogen werden sollen. Feierlich wäre die Versöhnung durch einen gemeinsamen Besuch des österlichen Gottesdienstes dargestellt worden. Allerdings versagen die historischen Quellen an dieser Stelle erneut. Fest steht, dass es auch nicht in Quedlinburg zur Klärung der Beziehungen zwischen Otto und Hermann kam.
Eine Art Modell hätte Otto zur Orientierung dienen können: Im Jahr 941 war ein Komplott niedergeschlagen worden, dass Ottos Bruder Heinrich ihm gegenüber geplant hatte. Otto I. war von den verschwörerischen Plänen rechtzeitig in Kenntnis gesetzt worden. Nachfolgend hatte er alle erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen einleiten können und dabei gleichzeitig das auch damals anstehende Osterfest gefeiert. Als das Fest vorbei war, hatte Otto die Verschwörer verhaften und anschließend gleich hinrichten lassen.
Sollte der Verschwörer auch diesmal unmittelbar nach Ostern bestraft werden? Dann hätten die Bestrafungsmaßnahmen in aller Stille geplant und überaus streng verheimlicht werden müssen. Die Vortäuschung eines natürlichen Todes erschien probat und Gift galt als das geeignetste Mittel.
Gewalt als Nonplusultra
Also war die letzte Gelegenheit vertan, den Konflikt friedlich beizulegen. Otto könnte dann entschieden haben, eine öffentliche Auseinandersetzung angesichts der bestehenden Machtverhältnisse zu meiden. Eine Schonung des untreuen Hermann war mit den gekränkten kaiserlichen Gefühlen unvereinbar und so war nun Gewalt zur letzten Option geworden. Dabei waren die Vorteile offenkundig: Solange Otto nicht als Drahtzieher entlarvt würde, musste er keine Widerstände aus der Anhängerschaft Hermanns einkalkulieren.
Überdies mochte das plötzliche Ableben einer Person, die sich königliche Rechte einfach angemaßt hatte, als Gottesurteil erscheinen. Wenn Hermann Billund getreu der bis heute gültigen Annahmen noch anlässlich des Hoftags vier Tage vor dem Osterfest, nämlich am 27. März 973 eines ganz natürlichen Todes verstorben sein sollte, wäre Otto I. ein besonders merkwürdiger Zufall zur Hilfe gekommen.
Ottos plötzlicher Tod
Kurze Zeit nach dem triumphalen Quedlinburger Hoftag, nämlich am 7. Mai des Jahres 973, erlag auch Otto in Memleben einem plötzlichen Tod. Den zeitgenössischen Chronisten folgten die Forscher bis heute ohne jegliche Kritik. Nur bezüglich der Todesursache, die von den Geschichtsschreibern verschwiegen wurde, wird gerätselt.
Vergleicht man zeitgenössische historische Berichte vom Ableben des Kaisers mit diversen Versterbeszenarien in der Geschichtsschreibung der Antike und des frühen Mittelalters und dazu die detaillierte Darstellung vom Tod König Heinrich I., genannt “der Vogler” und seiner Gemahlin Mathilde fällt einem direkt die rigorose Knappheit der Berichte auf: Die Chronisten legten statt literarisch glänzender Berichterstattung eher ein kurzes ärztliches Bulletin vor. Der kurze Bericht kommt zu einem bemerkenswert abrupten Ende ohne die üblichen Visionen, Träume und Vorzeichen, die üblicherweise zur Ausschmückung eingesetzt wurden.
Obwohl keinerlei Anhaltspunkte aus den alten Schriftquellen vorliegen, behaupten viele Historiker bis heute, Kaiser Otto habe sich bereits bei seiner Ankunft in Memleben schwach und kränklich gefühlt. Er musste wohl sogar Todesahnungen gehabt haben.
Dem stehen allerdings die genauen Berichte des zeitgenössischen Berichterstatters Widukind entgegen: Jener Chronist beschreibt des Kaisers letzten Tag ungewöhnlich nüchtern, kurz und präzise. Demnach gab es weder Krankheitszeichen noch außergewöhnliche Vorkommnisse. Fröhlich gestimmt sei Otto zur Tafel gekommen, um die Hauptmahlzeit einzunehmen. Genau während des Magnifikats im Verlauf des Vespergottesdienstes in der Pfalzkapelle setzen dann urplötzlich Symptome ein: Der Kaiser fieberte und wurde auf einen Sessel gesetzt. Dann neigte der Monarch sein Haupt und schien bereits tot. Jetzt wurde Otto erneut aufgerichtet und erhielt direkt auf eigenes Bitten hin die allerletzten Sakramente. Dann stirbt Otto I.
Die Geschichtsschreiber würdigten die eigenartig klaglose Schicksalsbereitschaft des Monarchen, der sein Schicksal im Einklang mit liturgischen Gesängen in die Hände Gottes übergab. Erst nach dem Eintritt des Todes wurde Otto I. in sein Schlafgemach gebracht – so schnell war alles passiert.
Echte Trauer gab es nicht
Ob die Gemahlin Adelheid, Sohn Otto II. oder die Schwiegertochter Theophanu: Die Geschichtsschreiber verschweigen die Namen aller anwesenden Personen. Nichts wird über die Bemühungen der Ärzte berichtet oder über Versammlungen der engsten Angehörigen am Sterbebett Ottos, über Trost, Mahnungen oder Sündenbekenntnisse.
Es gibt keine letzten Worte des Kaisers, auf ein Testament fehlen die Hinweise ebenso wie auf Stiftungen zur Sicherung von Ottos Seelenheil. Auch das Fehlen der charakterlichen Darstellung trägt zu dem äußerst kargen Gesamteindruck bei. Lediglich die Darstellung vom Aufstieg zu Gott verleiht dem Ende Ottos einen minimalen Anstrich würdigender Gestaltung.
Abgesehen von den verhaltenen Lobpreisungen der Taten und Leistungen Ottos fehlt auch beim Volk die Trauer über den Tod des Kaisers. Die offiziellen Bekundungen fallen distanziert, kühl und pflichtschuldig aus.
So stellen sich beim genaueren Betrachten Fragen nach den Ursachen des plötzlichen Todes bis hin zum Sinn und Zweck des detaillierten Tagesprotokolls. Otto kam gesund und munter zum Essen – und danach ging es dem Potentaten schlagartig schlecht. Da drängt sich der Verdacht auf einen Giftmord auf: Angehörige Hermanns werden sich an Otto gerächt haben.
Die spärlichen Berichte waren von Widukind Ottos Tochter Mathilde gewidmet worden. Dahinter stand womöglich die Hoffnung, die einflussreiche Äbtissin in Quedlinburg auf die verfehlte Italienpolitik des Vaters hinzuweisen. Ziel war eine Abkehr von Ottos Politikverständnis.
Die Hypothese vom Giftmord an Otto dem Großen kann mit genauen Quellen kriminalistisch nur schwerlich belegt werden. Dass schon Zeitgenossen Ottos als Konsequenz aus der Kaiser-, Italien- und Heiratspolitik des Herrschers einen Mordverdacht hatten, belegt die Doppelstrategie der Geschichtsschreiber aus Andeuten und Verschweigen. Auch die politischen Absichten liegen auf der Hand. Vom Mythos des getreuen Hermann bleibt kaum etwas übrig – es gilt vielmehr als ein Konstrukt gewisser historischer Forschungen des 19. und des 20. Jahrhunderts.