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Disziplinen der Psychologie und deren Anwendungsgebiete

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Dir wird sicher schon einmal aufgefallen sein, dass die wissenschaftliche Psychologie ein sehr weites Feld ist.
Auf den ersten Blick kommen dir etliche Begriffe entgegen: Allgemeine Psychologie? Psychoanalyse? Klinische Psychologie? Methodenlehre?

Bei all den verschiedenen Strömungen der Psychologie, Gebieten und Schwerpunkten kann man schnell den Überblick verlieren. Doch wie können diese ganzen verschiedenen Punkte so sortiert werden, dass ein sinnvolles Bild entsteht? Der folgende Text wird dir hoffentlich dabei helfen, ein wenig mehr Klarheit in das Chaos zu bringen.

Warum gibt es verschiedene Disziplinen in der wissenschaftlichen Psychologie?

Das menschliche Erleben und Verhalten ist sehr facettenreich.
Auf uns wirken Tag für Tag unzählige Reize auf ein. Außerdem ist der Mensch kein isoliertes Wesen. Unser Verhalten wird nicht nur von unserem Inneren beeinflusst, sondern auch von unseren Mitmenschen, unserer Erziehung, unserer Ernährung, der Umwelt und vielen weiteren Faktoren. Daher ist es eine Notwendigkeit, dass die Psychologie sich aus verschiedenen Disziplinen zusammensetzt. Jede Disziplin legt ihren Fokus auf ein ganz bestimmtes Themengebiet, welches so immer genauer erforscht werden kann.

Hinzu kommt, dass sich im Laufe der Geschichte verschiedene psychologische Strömungen entwickelt haben, welche heute in den einzelnen Disziplinen vorherrschen. Andere wiederum wurden mittlerweile verworfen. Die Vielfalt der Disziplinen mag auf den ersten Blick unübersichtlich wirken. Jedoch ermöglicht sie auch verschiedenste Querverbindungen und lässt sich zu einem Gesamtbild über die menschliche Psyche zusammenfügen. Zwar ist die Erforschung des menschlichen Erlebens und Verhaltens noch längst nicht abgeschlossen. Doch jede Disziplin kann ein Mosaiksteinchen für ein umfassenderes Verständnis hinzufügen.

Um ein wenig Struktur in die Angelegenheit zu bringen, werden die Disziplinen in zwei Gebietsgruppen unterteilt: Grundlagengebiete und Anwendungsgebiete. Die Gebiete unterscheiden sich in ihren Schwerpunkten. So befassen Grundlagengebiete sich vornehmlich mit den fundamentalen Elementen der Psyche. Anwendungsgebiete hingegen haben mehr Bezug zur Praxis.

Zu den Grundlagengebieten gehören:

  • die Allgemeine Psychologie,
  • die biologische Psychologie,
  • die Entwicklungs- und die Persönlichkeitspsychologie
  • sowie die Sozialpsychologie.

Die Anwendungsgebiete beinhalten etwa Pädagogische Psychologie, Gesundheitspsychologie, Gerontopsychologie, Umweltpsychologie, Klinische Psychologie oder auch Arbeits- und Organisationspsychologie. Diese Liste kann aber noch fortgeführt werden.

Daneben gibt es auch noch die Methodenfächer psychologische Methodenlehre und die psychologische Diagnostik. Diese Fächer gehören nicht unbedingt zu den Lieblingsthemen von Psychologiestudierenden. Dennoch sind sie für die Psychologie als empirische Wissenschaft von großer Bedeutung. Die Methodenlehre umfasst alles, was mit Statistik zu tun hat. Hiermit werden zum Beispiel die Daten aus Experimenten analysiert. Du kannst die Methodenlehre auch als „Handwerkszeug“ verstehen, welches die wissenschaftliche Erforschung psychologischer Theorien erst ermöglicht. Zur Diagnostik gehört die Testtheorie sowie die Konstruktion und Analyse von Testverfahren. Die diagnostische Arbeit ist die Grundlage für jede psychologische Behandlung und deshalb wichtig für alle Bereiche der Psychologie.

Doch was ist mit der Psychoanalyse oder dem Behaviorismus? Wo sind diese zu verorten? Bei ihnen handelt es sich um verschiedene psychologische Sichtweisen, die in die unterschiedlichen Disziplinen einfließen. So sind auch andere Strömungen, wie der Kognitivismus oder die humanistische Psychologie, keine der Grundlagen- oder Anwendungsgebiete.

Grundlagengebiete der wissenschaftlichen Psychologie

Um dir weitere Einblicke in die jeweiligen Gebiete zu ermöglichen, werden dir in diesem Absatz die verschiedenen Grundlagengebiete vorgestellt. Anschließend lernst du mehr über einige Anwendungsgebiete.

Allgemeine Psychologie

Hier dreht sich alles um die allgemeingültigen psychischen Funktionen.
Die allgemeine Psychologie beschäftigt sich nicht mit den individuellen Unterschieden zwischen den Menschen. Ihr Fokus liegt auf den Vorgängen, die bei allen Menschen gleich sind. Es stehen also eher die allgemeinen Denkprozesse im Mittelpunkt und nicht die persönlichen Denkinhalte. Erforscht werden daher die allgemeingültigen psychischen Grundprozesse. Dazu zählen etwa Wahrnehmung, Emotionen und Motivationen sowie Lern- und Gedächtnisprozesse. Doch auch das Denken ist von Interesse, ebenso wie die Sprache und Handlungsplanung.

Ziel der allgemeinen Psychologie ist es, den Ablauf und die Zusammenhänge von psychischen Grundprozessen zu erklären und zu beschreiben. Dabei wird vor allem das Experiment als methodisches Vorgehen genutzt. Denn Laborexperimente haben den Vorteil, dass die Bedingungen zum Großteil von den Forschern kontrolliert werden können. Somit können sie die Wirkungen verschiedener Einflussfaktoren und auch deren Zusammenhänge überprüfen.

Ein klassisches Beispiel der allgemeinen Psychologie ist die Vergessenskurve.
Hermann Ebbinghaus begann gegen Ende des 19. Jahrhunderts mit der experimentellen Erforschung des Gedächtnisses. Dabei lernte er Listen mit sinnfreien Silben auswendig und beobachtete, an welche er sich nach bestimmten Zeitintervallen noch erinnern konnte. Forschungsfragen in diesem Zusammenhang könnten daher lauten: Ist der Verlauf der Vergessenskurve bei allen Lernmaterialien identisch? Ist die Materialmenge von Bedeutung? Hat zwischenzeitliches Wiederholen einen Einfluss auf das Vergessen?

Aber…
Es werden nicht nur die Grundprozesse an sich, sondern auch deren Zusammenwirken erforscht. So könnte etwa untersucht werden, ob Emotionen eine bestimmte Wirkung auf das Erinnerungsvermögen haben.

Differenzielle und Persönlichkeitspsychologie

Menschliche Persönlichkeiten haben Überschneidungen, aber eben auch Unterschiede.
Dieses Gebiet beschreibt und erklärt individuelle Unterschiede zwischen Personen. Das Hauptaugenmerk liegt hierbei auf verschiedenen psychischen Funktionen zur Erstellung von Persönlichkeitsmodellen. Das individuelle Erleben und Verhalten eines Menschen soll in seiner Stabilität und Einzigartigkeit beschrieben, erklärt und vorhergesagt werden. Doch auch der Intelligenzforschung kommt in dieser Disziplin eine Menge Aufmerksamkeit zu.

Was ist der Unterschied zwischen der differentiellen Psychologie und der Persönlichkeitspsychologie?

Um Unterschiede in der Persönlichkeit untersuchen zu können, werden zunächst einmal Gemeinsamkeiten benötigt. Deren Entdeckung gehört zu den Aufgaben der differentiellen Psychologie. Es werden Persönlichkeitsaspekte festgelegt, welche auch als Dispositionen bezeichnet werden. Bei Dispositionen handelt es sich dann beispielsweise um Gefühlsneigungen, Kompetenzen, Motive oder das Temperament. Jeder Mensch verfügt über diese Dispositionen. Deren Ausprägung ist jedoch bei jedem unterschiedlich. So untersucht die differentielle Psychologie beispielsweise, welche Unterschiede Menschen in Bezug auf Angst haben. Wie sind die Dispositionen und deren Ausprägungen verteilt.

Die Persönlichkeitspsychologie befasst sich dagegen mit der Persönlichkeit an sich. Es gibt viele verschiedene Theorien zum Thema Persönlichkeit, die alle unterschiedliche Schwerpunkte aufweisen. So liegt der Fokus einiger Theorien auf der Frage, ob die Persönlichkeit dynamisch oder statisch ist. Oder ob sie vornehmlich durch bewusste oder unbewusste Prozesse beeinflusst wird.

Eine Theorie erklärt die Persönlichkeit anhand der sogenannten Big Five. Diese fünf Persönlichkeitsfaktoren liegen bei jedem Menschen in unterschiedlicher Ausprägung vor und machen ihn zu dem, was er ist. Zu diesen Faktoren zählen Offenheit, Extraversion (Geselligkeit), Gewissenhaftigkeit, Verträglichkeit und Neurotizismus (emotionale Verletzlichkeit). Andere Theorien schreiben jedoch auch anderen Faktoren einen Einfluss auf die Persönlichkeit zu. So ziehen beispielsweise auch Selbstwirksamkeitserwartung oder Attributionsstile zunehmend Interesse auf sich.

Entwicklungspsychologie

Gegenstand des Interesses ist die menschliche Entwicklung über die gesamte Lebensspanne.
Dabei wird nicht nur die Zeit von der Geburt bis zum Tod betrachtet, sondern auch bereits die Schwangerschaft. Schließlich können bestimmte Einflüsse noch im Mutterleib das Gehirn des Ungeborenen beeinflussen. Das wiederum hat später Auswirkungen auf die Persönlichkeit sowie auch die weitere Entwicklung.

Die Hauptaufgabe dieses Grundlagengebietes liegen in der Beschreibung und Erklärung einzelner Entwicklungsschritte. Das Beschreiben findet entweder unter Anwendung von Lebensphasen oder Funktionsbereichen statt. Mit den einzelnen Lebensphasen gehen die dafür typischen psychologischen Veränderungen einher. Jean Piaget teilte die kognitive Entwicklung von Kindern beispielsweise in vier Phasen ein. Bis zum Alter von zwei Jahren sollte das Kind laut Piaget in der Lage sein, sich selbst von der Umwelt zu unterscheiden. Der Spracherwerb sollte in der Zeit zwischen dem zweiten und siebten Lebensjahr erfolgen. Spätere kognitive Prozesse, zum Beispiel das abstrakte Denken oder Gedankenexperimente, folgen in späteren Phasen.

Die Entwicklungsschritte werden entweder durch innerpsychische Prozesse oder äußere Reize erklärt. Allerdings wird auch die Interaktion mit der Umwelt als Einflussfaktor auf die Entwicklung verstanden. Doch nicht nur die Beschreibung und Erklärung sind Elemente der Entwicklungspsychologie, sondern auch die Vorhersage von Entwicklungsschritten oder die Erstellung von Behandlungsmöglichkeiten.

Sozialpsychologie

Die Sozialpsychologie untersucht das Verhalten und Erleben des Menschen im Zusammenhang mit dessen sozialen Umfeld.

Fragen könnten sein:

  • Wie beeinflussen zwischenmenschliche Interaktionen die Wahrnehmung?
  • Welchen Einfluss hat die Gruppe auf diese?

Die Sozialpsychologie befasst sich von verschiedenen Standpunkten aus mit dem menschlichen Erleben und Verhalten. Sie betrachtet sowohl das Individuum als auch den sozialen Kontext. Bei der Erforschung des Individuums werden mehrere Faktoren berücksichtigt. Dazu gehören soziale Kognitionen, soziale Einstellungen, Motive und die Sozialisation. Unter sozialen Kognitionen versteht man etwa die soziale Urteilsbildung oder auch die Zuschreibung von Eigenschaften auf sich und andere.

Im sozialen Kontext sind zum Beispiel Gruppenprozesse und die soziale Interaktion interessant.

  • Was macht Gruppen aus?
  • Wie entsteht Gruppenzwang?
  • Was ist sozialer Druck?
  • Wie entwickeln Gruppen sich?
  • Welche verschiedenen Arten von Gruppen gibt es?

Bei der sozialen Interaktion werden die sprachlichen und nicht-sprachlichen Wege der Kommunikation erforscht oder auch die Abläufe von Gesprächen.

Biologische Psychologie

Dieses Forschungsfeld untersucht die Zusammenhänge von Psyche und neuronalen Systemen.
Psychische und körperliche Prozesse sind miteinander verbunden. Du hast dich vielleicht schon häufiger gefragt, warum jemand in peinlichen Momenten rot wird oder ins Schwitzen gerät. Die Angst vor einer Präsentation ist eine Emotion, zeigt sich aber ebenso anhand von körperlichen Symptomen: Das Herz schlägt schneller, die Atmung beschleunigt sich und nicht selten macht sich ein flaues Gefühl im Magen breit. All das ist Gegenstand der biologischen Psychologie.

Die biologische Psychologie erforscht die Zusammenhänge psychischer und physischer Prozesse, wobei sich einige Forschungsschwerpunkte herausgebildet haben. So geht es bei der Neuropsychologie etwa um die Auswirkungen von Verletzungen des Gehirns auf das Erleben und Verhalten. Die Psychopharmakologie befasst sich mit der Wirkweise von Medikamenten und Drogen auf die Psyche. Auch der Einfluss körpereigener Substanzen, wie bestimmte Hormone oder Neurotransmitter, gehört zum Forschungsgegenstand dazu. Die Psychophysiologie hingegen beschäftigt sich mit dem Zusammenwirken von körperlichen Prozessen, Erleben und Verhalten. So werden beispielsweise die Auswirkungen von Emotionen, Schlaf oder Stress auf die psychischen Prozesse beleuchtet.

Anwendungsfächer der wissenschaftlichen Psychologie

Neben den Grundlagengebieten finden sich in der Psychologie die Anwendungsfächer. Diese sind praxisnäher und nicht weniger vielfältig.

Pädagogische Psychologie

Dieses Anwendungsgebiet ist ein Bindeglied zwischen Pädagogik und Psychologie.
Untersucht werden beispielsweise die Zusammenhänge von Leistungsmotivation und -erfolg oder auch der Einfluss verschiedener Lehrformen auf den Aufbau von Wissen. Auch die Beurteilung der kindlichen Entwicklung ist relevant, um die „Schulreife“ festzustellen und gegebenenfalls angepasste Fördermöglichkeiten anbieten zu können.

Weitere Forschungsfragen beziehen sich darauf, welche persönlichen Fähigkeiten des Lehrenden zum Lernerfolg bei den Schülern führen oder welchen Einfluss das Klassenklima auf das Lernen hat.

Klinische Psychologie

Das Ziel ist hier die Beschreibung, Erklärung und Veränderung psychischer Erkrankungen.
Abhängig von der Ursache der Erkrankung ist manchmal die Zusammenarbeit mit anderen Fachbereichen sinnvoll. Da psychische Störungen auch körperliche Ursachen haben können, spielen Endokrinologie oder Neurologie oft ebenfalls eine Rolle.

Was genau unter einer psychischen Störung oder Erkrankung zu verstehen ist, wird unterschiedlich definiert. Eine Gemeinsamkeit ist das Leiden, welches sie beim betroffenen Menschen auslösen. Dazu gehören etwa Ängste, Selbstzweifel, depressive Verstimmungen oder aggressives Verhalten. Neben den verschiedenen Theorien zur Beschreibung und Erklärung psychischer Störungen gibt es verschiedene Therapieansätze, welche zur Veränderung des Leidenszustands führen sollen.

Gesundheitspsychologie

Im Fokus stehen hier sämtliche psychologischen Fragen rund um das Thema Gesundheit.

  • Wie kann die Psychologie zu Erhalt und Förderung der Gesundheit beitragen?
  • Wie können Menschen zur Krankheitsvorbeugung motiviert werden?
  • Welche Faktoren sind gesundheitsförderlich und welche gesundheitsgefährdend?

Diese Fragen gehören genauso zur Gesundheitspsychologie wie auch die Erforschung verschiedener Gesundheitszustände und Verhaltensweisen, die sich auf die Gesundheit auswirken.

Auch die Resilienz spielt eine immer größere Rolle. Damit ist die psychische Widerstandsfähigkeit gemeint. Diese ermöglicht es Menschen, negativen Einflüssen zu trotzen und ihre psychische und körperliche Gesundheit aufrechtzuerhalten oder auch wiederzuerlangen.

Umweltpsychologie

Wie können Menschen zu einem umweltbewussteren Verhalten bewegt werden?
Gemeint ist damit nicht die Biotonne oder Umweltverschmutzung. Vielmehr geht man der Frage nach, wie kann sich ein Mensch seiner Umwelt und deren Einfluss auf sich selbst, bewusst werden. Und welche Strategien kann der bewusste Mensch dann verfolgen, um seine Umwelt nachhaltig zu verbessern.

Darunter fallen auch Aspekte wie eine altersgerechte Gestaltung verschiedener Umwelten.

  • Wie kann eine Wohnung optimal an Senioren angepasst werden?
  • Welche Einrichtung im Kinderzimmer ist entwicklungsfördernd?

Gleichzeitig ist auch der Einfluss von Umweltstressoren auf den Menschen relevant. Dazu gehören Lärm, Hitze oder Schadstoffe. Auch die verantwortungsvolle Nutzung von Umweltressourcen ist Teil der umweltpsychologischen Forschung.


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