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So entsteht Empathie im Gehirn: Bedeutung, Messung und Nachweis

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Empathie wird auch als Einfühlungsvermögen bezeichnet. Gemeint ist die Fähigkeit, sich in andere Menschen hineinzuversetzen, deren Lage zu verstehen und deren Handlungen nachzuvollziehen.

Eng verbunden mit dem Empathiebegriff sind auch Hilfsbereitschaft, Fairness und Altruismus. Denn diese Konzepte stützen sich darauf, dass ein Mensch zur Empathie fähig ist. Ohne Mitgefühl würde es nicht zum prosozialen Handlungen kommen, weshalb Psychologie und Sozialforschung die Empathie untersuchen und im Gehirn lokalisieren.

Wie?
Die stetig fortschreitende Entwicklung moderner Untersuchungstechniken hilft uns bei der Erforschung der neuronalen Grundlagen unseres Denkens und Handelns. Jede Handlung und jedes Empfinden hängen mit der Aktivität in bestimmten Bereichen des Gehirns zusammen. Hilfeverhalten und Altruismus bilden da keine Ausnahme.

Das fMRT ist eine häufig genutzte Möglichkeit, die uns Einblicke in unser Gehirn erlaubt und uns die biologischen Vorgänge hinter unserer Psyche besser verstehen lässt. Daher ist sie auch der methodische Bestandteil von mehreren Studien, denen wir uns in diesem Artikel widmen werden.

Welche Strukturen unseres Gehirns unser Hilfeverhalten beeinflussen und welche Bedeutung der sozialpsychologische Aspekt der Gruppenzugehörigkeit für unsere Empathie für andere hat, wollen wir im Folgenden erklären.

Was ist eine funktionelle Magnetresonanztomographie?

Bildgebende Verfahren ermöglichen einen Einblick in die Aktivitäten des Gehirns.
Die fMRT ist ein bildgebendes Verfahren, mit welchen die Zusammenhänge von Psyche und Hirnaktivitäten untersucht werden können. Hinter dem Kürzel verbirgt sich die funktionelle Magnetresonanztomographie.

Bei diesem Verfahren wird ein Schichtbild ohne den Einsatz von Röntgenstrahlen erzeugt. Das während der Untersuchung entstehende Bild zeigt die aktiven Hirnareale an. So kann zum Beispiel festgestellt werden, welche Areale an den Vorgängen des Sprechens oder des Erinnerns beteiligt sind.

Das Bild wird mit Hilfe des BOLD-Effekts (Blood-Oxygenation-Level Dependent) generiert. Hierbei werden die magnetischen Eigenschaften des Blutes genutzt. Aktive Hirnareale werden stärker mit Blut versorgt als inaktive und geben eine stärke Magnetresonanz ab, welche sich dementsprechend visualisieren lässt.

Da das Blut hier sozusagen als körpereigenes Kontrastmittel dient, kann auf das Spritzen anderer Kontrastmittel verzichtet werden. Das birgt einen großen Vorteil, denn so müssen keine Gegenreaktion oder andere Unverträglichkeiten gegenüber einem künstlichen Mittel befürchtet werden. Da auch keine anderen Eingriffe in den Körper erfolgen, spricht man auch von einer nicht-invasiven Methode.

Die Inselrinde ist an unserem Verständnis von Fairness beteiligt

Studien mit dem Öffentliche-Güter-Spiel konnten ausmachen, welche Bereiche des Gehirns bei unfairen Angeboten aktiv sind.

Das Öffentliche-Güter-Spiel läuft folgendermaßen ab: Jeder Spieler erhält einen anfänglichen Betrag einer bestimmten Währung. Sie entscheiden daraufhin, wie viel sie zu Beginn des Spiels in ein öffentliches Gut investieren wollen. Alle zahlen also in einen gemeinsamen Topf ein, dessen Betrag am Ende vervielfacht und an alle Mitspieler zu gleichen Teilen ausgeschüttet wird.

So erhalten allerdings auch diejenigen Mitspieler am Ende einen Betrag, zu dem sie selbst nichts beigetragen haben. Daher werden diese Personen auch als Trittbrettfahrer betitelt. So birgt dieses Spiel die Komponente der Unfairness in sich, welche sich im Gehirn auf eine bestimmte Weise zeigt.

Wird etwas als unfair empfunden, zeigte sich eine Aktivität in der Inselrinde beziehungsweise Insula. Dieser Teil der Großhirnrinde ist auch mit den Empfindungen Hunger und Schmerz assoziiert. Auch wenn wir jemandem misstrauen, ist diese Region beteiligt. Ebenfalls zuständig ist sie für andere zwischenmenschliche Empfindungen wie Ekel oder Mitgefühl.

Untersuchungen mit der fMRT zeigten, dass je stärker dieses Areal aktiviert (also stärker durchblutet) wird, desto eher wird ein als unfair empfundenes Angebot abgelehnt.

Das Striatum gehört zum Belohnungssystem und belohnt Empathie

Neben der Insula ist auch das Striatum in das Empfinden von Hilfsbereitschaft und Altruismus involviert.
Diese Struktur ist ein Teil der Basalganglien, welche mit willentlichen motorischen Handlungen zusammenhängen.

In einer Studie von Fehr und Camerer aus dem Jahr 2007 fand sich eine Aktivierung des Striatums im Zusammenhang mit Spenden und sozialen sowie finanziellen Belohnungen. Das legt eine Überlappung von wohltätigem Verhalten und einem Belohnungsempfinden nahe. Die Aussicht auf Belohnung könnte sich daher positiv auf altruistisches Verhalten auswirken. Wobei in dem Falle der Begriff des Altruismus vielleicht nicht ganz passend ist. Dieser beinhaltet schließlich, dass eine gute Tat vollkommen selbstlos erfolgt.

Wenn das Gehirn sich in Folge eines Hilfeverhalten quasi selbst belohnt, ist die Definition der Selbstlosigkeit hier eher schwierig. Denn es folgt zwar keine Belohnung von außen, doch eine innere kommt dennoch zustande. An dieser Stelle entwickelt sich die Frage fast schon zu einer philosophischen.

Wie unsere Gruppenzugehörigkeit unsere Empathie beeinflusst

Empathie spielt beim Hilfeverhalten eine bedeutende Rolle und wird im Rahmen der psychologischen Forschung untersucht. Denn unser empathisches Empfinden gilt längst nicht jedem. So kann die eigene Gruppenzugehörigkeit unsere Hilfsbereitschaft schmälern oder steigern.

Das zeigte zum Beispiel eine Studie von Hein und Kollegen (2010), welche die Fans verschiedener Fußballvereine als Versuchspersonen heranzogen. Die Forscher wollten herausfinden, wie sich die Versuchspersonen in einer Situation verhielten, in der sie entweder einem Eigengruppen- oder Fremdgruppenmitglied helfen beziehungsweise Hilfe verweigern konnten.

Das Experiment verlief in zwei Etappen. Der erste Teil beinhaltete eine Interaktion mit einem Eigengruppen- oder einem Fremdgruppenmitglied. Das heißt, die Versuchspersonen sprachen entweder mit jemandem, der dieselbe Mannschaft wie sie selbst favorisierten oder mit dem Fan einer anderen Mannschaft. Bei dem Interaktionspartner handelte es sich allerdings nicht um einen „echten“ anderen Fan, sondern um eine in das Experiment eingeweihte Person, die nur die Rolle eines Fans des einen oder des anderen Vereins einnahm.

Während die Versuchspersonen anschließend im fMRT untersucht wurden, erhielten sie entweder selbst leichte Stromstöße oder beobachteten, wie jemand anderes welche erhielt. In dieser Zeit wurde die Hirnaktivität der Probanden aufgezeichnet.

“Würden Sie mit ihm tauschen?“

In der zweiten Sitzung erhielten die Probanden selbst keine Stromschläge, sondern sahen lediglich zu, wie einem Eigengruppen- oder Fremdgruppenmitglied elektrische Schläge verabreicht wurden.

Ihnen wurden daraufhin drei mögliche Verhaltensweisen angeboten. Entweder konnten die Versuchspersonen die Position des anderen einnehmen, wobei sie selbst nur Stromstöße der halben Intensität erhalten würden oder sie konnten sich stattdessen mit dem Anschauen eines Fußballvideos vom Leid des anderen ablenken. Die dritte Möglichkeit bestand darin, die Situation einfach weiter zu beobachten.

Die Ergebnisse der Studie zeigten, dass die vordere Insula aktiv wurde, wenn die Versuchspersonen einem Eigengruppenmitglied (Fan der eigenen Mannschaft) halfen. Dieser Teil der Inselrunde wird mit Empathie in Zusammenhang gebracht.

Ein aktiver Nucleus accumbens sagte hingegen das Ausbleiben des Hilfeverhaltens gegenüber einem Fremdgruppenmitglied voraus. Dieser Nervenkern befindet sich ebenfalls in den Basalganglien und ist am Belohnungssystem beteiligt.

In früheren Studien konnte eine Aktivierung dieser Region mit der Freude am Unglück anderer in Verbindung gebracht werden. Somit empfinden wir eine gewisse Form der Belohnung, wenn wir das Leid derer beobachten, für die wir keine Empathie empfinden.

Unser Hilfeverhalten wird von zwei motivationalen Systemen beeinflusst

Basierend auf ihren Ergebnissen schlossen die Forscher auf zwei motivationale Systeme, welche sich auf das Hilfeverhalten auswirken.

Zum einen wird die vordere Insula aktiviert, wenn die andere leiden sehen. Damit geht eine gesteigerte Empathie einher, welche das Hilfeverhalten wahrscheinlicher macht. Zum anderen sorgt eine Aktivierung des Nucleus accumbens dafür, dass keine Empathie aufkommt. Damit hängt wiederum ein geringes Hilfeverhalten zusammen.

Diese Systeme funktionieren allerdings nun einmal nicht in Bezug auf jeden Menschen gleich. Im Experiment wurde deutlich, dass eine Verzerrung zugunsten der Eigengruppe stattfindet. Sahen die Probanden, wie einem Eigengruppenmitglied anhand der Stromstöße Schmerzen zugefügt wurde, so reagierte ihre Insula darauf. Es kam zu einer auf Empathie basierenden Reaktion, welche sich in Form von Hilfsangeboten zeigte. Die Versuchsteilnehmer waren in dem Fall eher bereit, den Platz mit der anderen Person zu tauschen und die Stromschläge selbst auszuhalten.

Das war bei einem Fremdgruppenmitglied eher selten der Fall. Eine Ausnahme gab es allerdings doch. Denn bewerteten die Versuchsteilnehmer den Fan einer anderen Mannschaft trotz der unterschiedlichen Gruppenangehörigkeit als positiv, dann wurde auch ihre Insula aktiv. Gleichzeitig zeigte der Nucleus accumbens keine Reaktion und ein Hilfeverhalten stellte sich mit einer höheren Wahrscheinlichkeit ein. Finden wir ein Mitglied einer fremden Gruppe sympathisch, helfen wir diesem demnach eher.

Zusammenfassung

  • Der technische Fortschritt ermöglicht es, Zusammenhänge zwischen psychischen Vorgängen und daran beteiligten Gehirnregionen immer besser zu untersuchen.
  • In Bezug auf unser Hilfeverhalten spielen vor allem die Insula und das Striatum eine Rolle sowie der Nucleus accumbens.
  • Sowohl das Striatum als auch der Nucleus accumbens gehören zu den Basalganglien und bilden einen Teil des „Belohnungssystems“. Tun wir anderen etwas Gutes, ist unser Striatum an einem Belohnungsempfinden beteiligt.
  • Auch der Nucleus accumbens hängt mit Belohnung zusammen. Doch wird er nicht beim Hilfeverhalten aktiv, sondern wenn wir uns am Unglück anderer erfreuen.
  • Die Insula ist ein Teil der Großhirnrinde und nicht nur für das Empfinden von Schmerz und Hunger zuständig, sondern auch für Empathie. Eine Aktivierung der vorderen Insula führt mit einer höheren Wahrscheinlichkeit dazu, dass wir einer anderen Person helfen. Doch diese Empathie kann durch den Nucleus accumbens gedrosselt werden.
  • Welche Areale aktiv werden und welche nicht, hängt allerdings auch davon ab, ob die andere Person zur gleichen Gruppe wie wir angehören. Einem Fremdgruppenmitglied wird seltener geholfen. Es sei denn, wir finden diese Person trotz des Gruppenunterschieds sympathisch. Dann wird die empathie- und hilfehemmende Wirkung des Nucleus accumbens ausgehebelt.<7li>

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