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Wie funktioniert Sprechen im Gehirn: Aktivitäten bei Spracherwerb und Verarbeitung


Wenn wir mit jemandem sprechen, wollen wir das Gesagte verstehen und dass wir verstanden werden. Das gelingt uns in der Regel auch. Doch ist eine bestimmte Region unseres Gehirns in Mitleidenschaft gezogen worden, dann ist das Verstehen von Sprache nicht mehr so selbstverständlich. Die Rede ist hier vom Wernicke-Zentrum.

Dieses ist an unserer Sprachfunktion beteiligt und teilt sich diese wichtige Aufgabe mit dem Broca-Zentrum. Allerdings ist Letzteres nicht für das Verständnis, sondern für die Produktion von Sprache verantwortlich. Diese Regionen bilden zusammen mit weiteren Teilen des Gehirns ein komplexes Zusammenspiel mit verschiedenen Netzwerken, die die Untereinheiten des Sprechens zusammenführen. Näheres zu den beiden genannten Zentren sowie deren Funktion erfährst du im Folgenden.

Sprachstörungen durch Verletzungen im Gehirn

An der Verarbeitung und Produktion von Sprache, sind verschiedene Regionen des Gehirns beteiligt.
Das wird besonders bei Aphasien deutlich. Diese Störungen werden durch Verletzungen beziehungsweise Schädigungen bestimmter Hirnareale verursacht.

Eine Aphasie äußert sich darin, dass bestimmte Funktionen der Sprachfähigkeit eines Menschen gestört sind oder gar vollständig verschwinden. Dieser Umstand zeigt, dass die Sprache oder unsere Fähigkeit zu sprechen nicht nur eine Einzelleistung des Gehirns ist. Viel mehr besteht unsere Sprach- und Sprechfähigkeit aus verschiedenen Teilfunktionen, die unsere koordinierte Verständigung überhaupt erst ermöglichen.

Wenn Zahlen in Ordnung sind, Buchstaben jedoch zum Problem werden

Solche Aphasien können unterschiedliche Formen annehmen. Zum Beispiel können einige Menschen mit einer Aphasie nicht mehr lesen, obwohl sie immer noch flüssig reden können und ein intaktes Sehvermögen vorweisen.

Der umgekehrte Fall ist ebenso möglich…
Einige können lesen und das Gelesene auch verstehen, doch haben sie ihre Fähigkeit zu Sprechen verloren. Ebenso interessant ist, dass manche Menschen mit einer Aphasie zwar singen, jedoch nicht sprechen können.

Noch kurioser wird es, wenn sich die Aphasie nur auf bestimmte Zeichen bezieht. So können einige Betroffene keine Buchstaben mehr erkennen. Mit Zahlen haben sie allerdings keine Probleme. Meist kommt es durch eine Schädigung der linken Hemisphäre zu einer Aphasie. Denn auf dieser Gehirnhälfte befinden sich zwei Areale, welche für das Sprechen und das Verstehen von Sprache zuständig sind: das Broca- und das Wernicke-Zentrum.

Das Broca-Zentrum sorgt für die Zusammensetzung beim Sprechen

Zu einer Störung der Sprachproduktion kommt es meist bei einer Schädigung des Broca-Zentrums. Dieses Areal ist nach dem französischen Arzt Paul Broca benannt, welcher den Zusammenhang zwischen der Sprache und dieser Hirnregion bereits 1865 entdeckte. Einer seiner Patienten mit einer Schädigung in einem bestimmten Teil des linken Frontallappens (das ist der Teil direkt hinter der Stirn) verstand ohne Probleme, was andere sagten.

Bekannte Lieder konnte er ebenfalls noch singen. Allerdings tat er sich sehr schwer damit, selbst die richtigen beziehungsweise überhaupt irgendwelche Worte zu finden. Seine Sprachproduktion war erheblich eingeschränkt. Häufig ist es bei Störungen dieses Zentrums so, dass die Betroffenen mit einzelnen Wörtern weniger Schwierigkeiten haben als mit einem zusammenhängenden Satz.

Der bekannteste Fall von Broca war der sogenannte „Monsieur Tan“. Der Patient erhielt den Spitznamen „Tan“, da das die einzige Silbe war, die er noch von sich geben konnte. Sein Sprachverständnis hingegen war noch vollkommen intakt.

Das Wernicke-Zentrum sorgt für den Sinn der Sprache

Nicht allzu viele Jahre später – nämlich 1874 – machte der deutsche Wissenschaftler Carl Wernicke eine weitere Entdeckung. Diese wies auf die verschiedenen Funktionsweisen unterschiedlicher Hirnareale in Bezug auf die Sprache hin. Hier stand jedoch nicht der linke Frontallappen, sondern der linke Temporallappen im Mittelpunkt.

Der Temporallappen befindet sich etwa im Bereich hinter deinem Ohr und ist neben dem Sprechen unter anderem auch noch für das Riechen und die Gedächtnisbildung zuständig. Wernicke gab an, dass Patienten mit einer Verletzung in diesem bestimmten Bereich nur noch sinnlose Sätze formulierten. Sie geben nur noch ein „Kauderwelsch“ von sich, weil sie die Sprache an sich nicht mehr verstehen.

Sprachverarbeitung im Gehirn

Weder Broca noch Wernicke hatten die technologischen Möglichkeiten, die Gehirnaktivitäten im Rahmen der Sprachfähigkeit sichtbar zu machen. Jedoch konnte die moderne Neurowissenschaft die Beteiligung dieser beiden Zentren an der Sprachverarbeitung belegen. Das konnten sie beispielsweise mit bildgebenden Verfahren, wie dem fMRT.

Bei der funktionellen Magnetresonanztomographie (kurz fMRT) kann man sehen, welche Bereiche des Gehirns bei bestimmten Aufgaben stärker durchblutet werden. Das wiederum weist auf eine gesteigerte Aktivität dieser Bereiche hin. Allerdings sind nicht nur diese beiden Zentren an der Sprache beteiligt.

Stattdessen werden verschiedene Netzwerke aktiv, welche uns das Sprechen und das Verständnis von Gesprochenem erst ermöglichen. Diese Netzwerke werden beispielsweise durch unterschiedliche Verben, Nomen, Handlungen oder das Lesen aktiviert. Zudem ermöglichen sie es uns auch, weitere Sprachen als ausschließlich unsere Muttersprache zu lernen und zu beherrschen.

Es sind demnach verschiedene Teile des Gehirns an der Sprache beteiligt. Die Untersuchungen mit bildgebenden Verfahren zeigten, dass beim Hören von Wörtern das Wernicke-Zentrum und der auditorische Kortex (das Hörzentrum) aktiv werden. Sprechen wir selbst, zeigt sich Aktivität im Broca-Zentrum und im motorischen Kortex, welcher für willkürliche Bewegungen zuständig ist.

Zusammenhang zwischen Sprache und Bewegungsabläufe im Gehirn

Kinder, welche Sprachprobleme aufweisen – haben häufig auch Koordinationsschwierigkeiten. Heutzutage weiß man, dass im motorischen Kortex die Bewegungen von Muskeln, Armen, Beinen, des Mundes und somit auch das Sprechen gesteuert werden. Moderne Therapieverfahren, welchen Kindern das richtige Sprechen ermöglichen sollen, bieten deshalb auch immer eine Bewegungstherapie an.

Sport im Kleinkindalter, Malen und Basteln wirkt sich demnach nicht nur auf die Koordination aus – sondern hat maßgeblichen Anteil am Spracherwerb des Kindes.

Sprechen und andere kognitive Funktionen greifen auf ähnliche Muster zurück

Das Sprechen ist demnach nicht auf eine einzelne Funktion und eine bestimmte Hirnregion beschränkt. Doch nicht nur das Sprechen setzt sich aus einer Vielzahl von Unterfunktionen zusammen. Denn diese Vielfalt ist bei allen anderen Arten der Informationsverarbeitung ebenfalls der Fall.

Demnach trifft dies auch auf das Denken, Wahrnehmen oder Erinnern zu. Das zeigt sich in Bezug auf die Wahrnehmung gut am Beispiel des Sehens. In diesem Bereich kann es zu einem Phänomen kommen, welches mit der Aphasie vergleichbar ist. Hier kann es beispielsweise zur Prosopagnosie kommen. Dabei handelt es sich um die sogenannte Gesichtsblindheit. Betroffene haben zwar ein intaktes Sehvermögen, können jedoch keine Gesichter erkennen.

Vielleicht hattest du schon mal das folgende, etwas peinliche Problem…
Du hast jemanden wegen seiner neuen Frisur nicht direkt erkannt und bist einfach (ohne zu grüßen) an ihm vorbeigelaufen. Doch im Normalfall können wir Gesichter erkennen und diese einem bestimmten Menschen zuordnen.

Das ist bei der Gesichtsblindheit nicht der Fall. Betroffene können nicht nur Fremde nicht auseinanderhalten, sondern erkennen auch keine Bekannte, Freunde, den Partner oder die eigenen Kinder. Selbst ihr eigenes Gesicht erkennen sie auf Fotos nicht wieder. Wie du dir vielleicht vorstellen kannst, macht dieser Umstand soziale Situationen recht kompliziert. Agnosien im Allgemeinen beschreiben die Unfähigkeit Objekte wiederzuerkennen. Eine Agnosie beschränkt sich also nicht zwingend nur auf Gesichter.

Zusammenfassung

  • Das Sprechen setzt sich aus verschiedenen Unterfunktionen zusammen. Daher wirken auch unterschiedliche Bereiche und Netzwerke des Gehirns an dieser Fähigkeit mit.
  • Das Broca-Zentrum ist an der Produktion von Sprache beteiligt. Es befindet sich im Frontallappen der linken Gehirnhälfte.
  • Hingegen ist das Wernicke-Zentrum für das Sprachverständnis zuständig. Auch dieses Zentrum ist auf der linken Hemisphäre zu finden. Jedoch nicht im Frontal-, sondern im Temporallappen.
  • Neben den beiden Zentren spielen noch weitere Bereiche des Gehirns eine Rolle bei der Sprache.
  • Eine Aphasie ist eine Unfähigkeit, Sprache zu verstehen oder selbst sprechen zu können. Das hängt davon ab, welcher Bereich des Gehirns beschädigt wurde.
  • Aphasien beschränken sich auf das Sprechen. Eine Agnosie hingegen ist eine Störung einer Teilfunktion des Sehens. Menschen mit einer Prosopagnosie können zum Beispiel keine Gesichter erkennen.

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