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Denken in Bildern und bildhaftes Lernen: Gehirnprozesse, Ursachen und Hintergründe

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Menschen denken sowohl in Bildern als auch in Worten. Welche Form des Denkens gerade den Vorrang hat, hängt von der Situation ab. Bei der Lösung von Problemen können beide Varianten hilfreich sein.

Bildhaftes Denken hat allerdings in manchen Bereichen noch ein paar nette Nebeneffekte. In diesem Artikel erfährst du, was beim bildlichen Denken im Gehirn passiert, wann diese Form des Denkens zum Einsatz kommt und wie du durch mentales Training deine Noten verbessern kannst. Klingt gut? Dann viel Spaß beim Lesen.

Das erdachte Bild in der Psychologie

In der Psychologie wird das Wort Bild gleichgesetzt mit dem Vorstellungsbild oder dem inneren Bild, welches sich abzeichnet. Es entsteht durch vergangene Sinneseindrücke, also Erfahrungen – welche im Gehirn abgespeichert worden.

Wichtig ist, dass das innere Bild kein rein visueller Sinneseindruck ist, also nicht nur etwas gesehen wird. Stattdessen können andere Sinneseindrücke, wie Gerüche, Geräusche oder Körperempfindungen, daran angeknüpft werden. Oftmals sind mit dem inneren Bild auch Emotionen verknüpft. Ob beim Aufkommen von inneren Bildern auch andere Gefühle und Eindrücke entstehen, hat etwas mit den abgespeicherten Erfahrungen jedes Einzelnen zu tun.

Wie funktioniert das?
Angenommen du hast Angst vor Hunden. Wenn du jetzt an einen Hund denkst, erscheint in dir ein inneres Bild von einem Hund. All deine Erfahrungen mit Hunden fließen in dieses Bild mit ein. Somit wird klar, dass dein inneres Bild von einem Hund ganz anders aussieht als die Bilder von deinen Mitmenschen.

Nun ist es aber so, dass ähnliche Konstrukte auch ähnliche Bilder hervorrufen. Denn alles, was wir wahrnehmen, wird in einem kognitiven Schema abgespeichert – welches jederzeit wieder abgerufen wird. Somit sind mit dem Hund auch dessen Merkmale verknüpft. Dies sind 4 Pfoten, ein Fell, vielleicht ein Geruch und eine Schnauze.

Verfügst du bei anderen Tieren, wie bspw. Katzen über keine sonderlich hochwertigen Erfahrungen, wird das gleiche Schema angesprochen. Das bedeutet, dass du zwar weißt, was eine Katze und was ein Hund ist. In deinem inneren Bild unterscheiden sich Hund und Katze auch. Aber die negativen Angstemotionen können auch bei einer Katze hervorgerufen werden. Hast du bereits genug positive Erfahrungen mit Katzen – wird das Hunde-Schema nicht aktiviert.

Hier ein konkretes Beispiel dazu…
Viele Menschen haben Angst vor Ratten bzw. einen Ekel davor. Meistens ist es der lange Schwanz, weshalb sich die Menschen fürchten. Im kognitiven Schema ist also eine Ratte mit langem Schwanz abgespeichert. Sobald ein Tier ähnliche Rattenmerkmale zeigt, wird das innere Bild einer Ratte aktiviert und mit dem derzeitigen Tier gleichgesetzt. Sobald du aber das neue Tier besser kennenlernst, neue Erfahrungen damit sammelst – wird das allgemeine Rattenschema überschrieben bzw. ergänzt.

Das Image als gezielt erzeugtes Vorstellungsbild

In der Werbung werden gezielt innere Bilder von Produkten, Marken und Unternehmen erzeugt. Hier wird der englische Ausdruck Image (deutsch: Bild) verwendet. Das Image ist somit ein inneres Bild, welches wir uns von einem Unternehmen, einer Person oder einer Marke machen bzw. machen lassen.

Der Unterschied zu anderen Vorstellungsbildern besteht darin, dass das Image gezielt durch Firmen oder Personen beeinflusst wird. So sorgen Imagekampagnen dafür, dass wir uns ein besseres Bild vom Produkt machen können oder dass das Unternehmen den Anschein erweckt, klimafreundlich zu produzieren, seine Arbeiter gut behandelt usw..

Das Traumbild erzeugt durch das Unbewusstsein

Ein weiteres inneres Bild ist das Traumbild. Beim Schlafen kommt es zum Träumen. Denn die Sinneseindrücke werden verarbeitet. Das Bewusstsein ist beim Schlafen allerdings in einem so niedrigen Frequenzbereich, dass es praktisch abgeschaltet ist. Und nur das Unbewusstsein bzw. Restbewusstsein, welches den Körper und dessen Funktionen am Leben hält – ist zuständig.

Der Thalamus ist eine Hirnregion und wird auch als Tor zum Bewusstsein bezeichnet. Während des Schlafes sinkt die rhythmische Erregung der kortikalen Zellen im Gehirn auf eine Frequenz unter 6 Hz, im Tiefschlaf unter 3 Hz. Oberhalb dieser Frequenz werden wir wacher und bei 40 Hz sind wir hellwach.

In diesen Phasen entstehen innere Bilder, welche nicht bewusst gesteuert werden können. Und da der Denkapparat erst ab einer höheren Frequenz mit seiner Arbeit beginnt, können Traumbilder auch nicht hinterfragt oder eingeordnet werden. Somit werden Bilder während des Träumens als Realität wahrgenommen.

In der Tiefenpsychologie und Psychotherapie werden mitunter Träume analysiert, da man davon ausgeht – dass Trauminhalte in den Erfahrungsspeicher eindringen, diesen überschreiben oder ergänzen können.

Laut einigen Tiefenpsychologen kann der Mensch an einem Traum erkranken. Denn bspw. kann die Angst vor einem Hund durchaus anerzogen worden sein. Sie kann auf echten Erfahrungen mit Hunden beruhen. Oder die Angst kann durch Traumerfahrungen erzeugt worden sein, an welche sich der Hunde-Phobiker nicht mehr erinnert.

Die Macht der Bilder

Wenn innere Bilder, sämtliche Emotionen hervorrufen können – besteht darin ein Zugang zur eigenen Angst, zum Mut, zum Selbstbewusstsein und allen anderen Gefühlen, Empfindungen und Deutungen. Wie wir die Welt sehen, hat etwas mit den Bildern im Kopf zu tun, welche wir von der Welt haben.

Und da die Bilder im Kopf solche Macht haben, geht man in der Kognitionsforschung der Frage nach, wie man diese Bilder fürs Denken, Lernen und zur Aktivierung sämtlicher Fähigkeiten einsetzen kann.

Bildhafte Selbstgespräche – Sprache und Denken hängen oft zusammen

Stell dir vor, du gehst eine Straße entlang. Dir kommt jemand entgegen, der in ein Gespräch vertieft ist. Allerdings siehst du sonst niemanden. Was denkst du von dieser Person? Hältst du sie für verrückt, weil sie Selbstgespräche führt? Doch tun wir das nicht in gewisser Weise alle? Wir reden ständig im Geiste mit uns selbst. Um es mit den Worten des Philosophen und Neurowissenschaftlers Sam Harris auszudrücken: „Wir reden alle durchgängig mit uns selbst – wir haben nur die gesunde Intuition, unseren Mund dabei geschlossen zu halten.“

Sprache und Denken sind unweigerlich miteinander verknüpft. Das steht außer Frage. Das Denken kann seinerseits die Sprache beeinflussen und die Wirkung der Sprache auf das Denken wurde ebenfalls mehrfach belegt. Doch ist das Denken dann auch nur möglich, wenn wir über eine Sprache verfügen?

Die Antwort lautet „nein“.

Denn Bewegungen stellen wir uns meistens bildlich vor

Eine Vielzahl unserer Gedanken finden nicht in Worten, sondern in Form von Bildern statt. Wenn es zum Beispiel um Bewegungsabläufe geht, dann kommt unser prozedurales Gedächtnis ins Spiel. Und dieses kommt weitgehend ohne Worte aus. Würden wir automatisierte Bewegungen zunächst einmal im Geiste ausformulieren, würde das eine Menge Zeit in Anspruch nehmen. Oder sprichst du dir beim Autofahren jeden Schritt im Kopf vor?

Mit welchem Fuß du auf welches Pedal drückst und wann du in den nächsten Gang schaltest, hast du zwar unter anderem unter Zuhilfenahme der Sprache gelernt. Doch die Ausführung der Bewegung bedarf keiner Sprache mehr. In der Regel haben wir ein mentales Bild über den Ablauf vor Augen.

Bildliche Vorstellungen können Leistungen verbessern

Bei manchen Menschen überwiegt das Denken in Bildern sogar. Künstler, Dichter oder Komponisten denken häufig auf diese Art und Weise. Doch selbst Mathematiker und Wissenschaftler gehen häufig bildhaften Gedankengängen nach.

So soll zum Beispiel auch Albert Einstein seine wissenschaftlichen Erkenntnisse erst in bildhafter Form gehabt haben und fand erst im Nachhinein die richtigen Worte dafür. Komponisten verbessern ihre Fähigkeiten, wenn sie sich das Üben am Klavier bildlich vorstellen. Bei Sportlern scheint dieses Vorgehen ebenfalls einen positiven Effekt auf die athletischen Leistungen zu haben.

Mehr Treffer durch mentales Training

Zur Veranschaulichung ein kleines Beispiel…
Die Forscher Savoy und Beitel begleiteten im Rahmen ihrer Untersuchung in der Mitte der 1990er die Spielerinnen des Basketballteams der Universität Tennessee bei 35 Spielen. Ausschlaggebend war die Quote der Freiwürfe pro Spiel.

Diese stieg innerhalb des genannten Zeitraums von 52 Prozent auf etwa 65 Prozent. Das normale Trainingsprogramm wurde gegen ein mentales Training ersetzt. Beim mentalen Training sollten die Frauen sich den Ablauf eines Freiwurfs zu unterschiedlichen Bedingungen vorstellen. Am Ende gewann die Mannschaft sogar einen bundesweiten Wettkampf und der Sieg war zum Teil auf die erfolgreichen Freiwürfe zurückzuführen.

Bewegung stimuliert das Gehirn

Dabei ist es egal, ob wir die Bewegung selbst ausführen, beobachten oder uns vorstellen. Im Gehirn passiert bei der bildhaften Vorstellung folgendes: Haben wir bestimmte Bewegungen bereits gelernt und verinnerlicht, dann reicht das bloße Ansehen zur Aktivierung neuronaler Netzwerke.

Diese sind auch dann aktiv, wenn wir diese Bewegungen selbst ausführen. Das stellten beispielsweise Clavo-Merino und sein Forscherteam im Jahre 2004 mittels Kernspintomografien fest. Sie ließen die Versuchspersonen während der Untersuchung Videos ansehen und beobachteten, wie die gesehenen Handlungen bestimmte Bereiche des Gehirns aktivierten.

Doch nicht nur das Ansehen von Bewegungen stimuliert das Gehirn auf diese Weise. Gleiches passiert auch, wenn wir uns eine körperliche Handlung vorstellen. Dabei erzeugen wir das Bild also selbst und sehen kein Video – die Stimulierung gelingt demnach auch aus dem Inneren heraus und nicht nur durch einen äußeren Reiz.

Aufgrund der bisherigen Kenntnisse über die Effekte bildhafter Vorstellungen auf das Gehirn gehört mittlerweile sogar bei Sportlern der olympischen Spiele das mentale Üben auf dem Programm.

Bildliches Lernen und gute Noten durch Vorstellungskraft?

Das mentale Üben kann sich allerdings nicht nur auf das sportliche Können auswirken. Untersuchungen mit studentischen Testpersonen zeigten, dass diese Form der Übung die akademischen Leistungen ebenfalls positiv beeinflussen kann. Doch bevor du jetzt denkst „Super! Ich stelle mir einfach vor, dass ich eine Eins schreibe und muss mir keinen Stress mehr beim Lernen zu machen“ – so einfach ist es dann doch leider nicht. Warum das so ist, zeigt dir folgendes Experiment.

Der Forscher Taylor und Kollegen haben 1998 Studierende des ersten Semesters eines Psychologiestudiengangs in drei Gruppen eingeteilt. Jede Gruppe bekam unterschiedliche Anweisungen. So sollte sich die erste Gruppe vorstellen, wie sie ihre korrigierte Klausur zurückbekommen und sich über die Note Eins freuen. Das sollten sie zwei Wochen lang täglich fünf Minuten lang tun.

Die zweite Gruppe hingegen sollte sich vorstellen, wie sie ihre Lehrbücher durchgehen, Notizen machen, sich nicht ablenken lassen und Versuchungen widerstehen. Sie sollten sich also vorstellen, wie sie motiviert und konzentriert lernen. Die Mitglieder der Gruppe Nummer drei bekamen gar keine Anweisungen. Sie dienten damit als Kontrollgruppe.

Der Weg zum Ziel ist wichtig

Nach der Klausur wurden die Ergebnisse der drei Gruppen miteinander verglichen. Der Effekt der Ergebnissimulation (sie stellten sich nur die gute Note vor) in Gruppe eins fiel eher ernüchternd aus. Es zeigte sich zwar ein geringer Effekt, doch unterschieden die Studierenden dieser Gruppe sich gerade einmal um zwei Punkte von der Durchschnittsnote der Kontrollgruppe.

Hatten die Studierenden die Prozesssimulation durchlaufen (Gruppe zwei), fiel der Unterschied schon deutlicher aus. Sie waren um acht Punkte besser als der Durchschnitt. Doch was war bei dieser Gruppe anders? Die bildhafte Vorstellung vom aktiven Lernen veranlasste die Studierenden zu einer früheren Prüfungsvorbereitung. Sie fingen jedoch nicht nur früher mit dem Lernen an, sondern blieben auch ausdauernder dabei.

Die Studie lässt den folgenden Schluss zu: Um ein bestimmtes Ziel zu erreichen, solltest du dir nicht nur das Endergebnis vor Augen halten. Stattdessen solltest du dir ebenfalls vorstellen, was zu Erreichung des Ziels nötig ist.

Zusammenfassung

  • Wir alle führen Selbstgespräche. Jedoch tun wir das meist im Geist und ohne dabei zu sprechen.
  • Sprache und Denken beeinflussen sich gegenseitig. Das Denken ist allerdings auch ohne Sprache möglich.
  • Bildhaftes Denken geschieht vor allem im Zusammenhang mit Bewegungsabläufen.
  • In Form von mentalem Training kann bildhaftes Denken künstlerische, wissenschaftliche, sportliche und akademische Leistungen positiv beeinflussen.
  • Sich allein das Ziel vorzustellen reicht zur Verbesserung nicht aus. Statt einer Ergebnissimulation sollte eine Prozesssimulation durchgeführt werden. Dabei werden Schritte auf dem Weg zum Ziel mental und bildhaft durchgespielt. Das unterstützt die Zielumsetzung.

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