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Hemisphärenmodell: Funktionen der linken und rechten Gehirnhälfte


Das Hemisphärenmodell oder auch als Hemisphärentheorie bezeichnet – unterscheidet zwischen linker und rechter Gehirnhälfte. Grundlage des Modells ist, dass linke und rechte Gehirnhälfte unterschiedliche Funktionen ausführen und für spezielle Fähigkeiten des Menschen verantwortlich sind.

Unser Gehirn ist in unterschiedliche Strukturen eingeteilt. Manche davon sind evolutionsgeschichtlich älter, andere jünger. Das Großhirn ist ein Bereich des Gehirns, der sich erst bei den Säugetieren stärker ausgebildet hat und beim Menschen stark ausgeprägt ist. Es ist in zwei Hälften eingeteilt, welche mit höheren geistigen Fähigkeiten assoziiert wird.

Dank unseres Großhirns können wir sprechen, planen und uns erinnern. Doch auch wenn die beiden Hälften dieser Gehirnstrukturen optisch gleich aussehen, scheinen sie unterschiedliche Funktionen zu haben.

So ist die Sprache etwa meistens auf der linken Gehirnhälfte verortet. Das ist allerdings nicht immer der Fall. So sie bei Linkshändern auch auf der rechten oder auf beiden Hälften zu finden. Mehr über die Unterschiede zwischen den beiden Gehirnhälften, zwischen Links- und Rechtshändern sowie zum Thema Neuroplastizität findest du weiter unten im Text.

Die Aktivität verschiedener Hirnbereiche weist auf deren Zuständigkeit im Denken und Verhalten hin

Um das Gehirn zu erforschen werden heutzutage verschiedene Verfahren benutzt. Dazu zählen beispielsweise das Elektroenzephalogramm (EEG) oder das funktionelle Magnetresonanztomografie (fMRT). Während das fMRT den Blutfluss im Gehirn aufzeichnet, gibt das EEG die elektrischen Impulse auf der Hirnoberfläche wieder.

Sowohl Blutfluss als auch elektrische Signale deuten auf eine verstärkte Aktivität in den jeweiligen Bereichen des Gehirns hin. Die Zunahme der Aktivität an den entsprechenden Stellen zeigt an, dass diese bei bestimmten Vorgängen arbeiten. Dabei kann beobachtet werden, dass sich die verschiedenen Bereiche der Großhirnrinde in ihren Aufgaben unterscheiden.

Mit der Großhirnrinde (auch zerebraler Kortex) ist die „Hülle“ aus Neuronen (Nervenzellen) gemeint, die das Großhirn umschließt. Während sich in tieferliegenden Hirnstrukturen Prozesse abspielen, die zum Beispiel für lebenserhaltende Vorgänge (zum Beispiel den Herzschlag oder die Atmung) zuständig sind, finden im zerebralen Kortex höhere geistige Abläufe statt. Dazu gehören die Sprache, das Denken oder auch das Erinnern.

Einzelne Aufgabenbereiche im komplexen Zusammenspiel

Das Großhirn ist in zwei Hälften geteilt, welche auch Hemisphären genannt werden. Diese beiden Hälften sind über den sogenannten Balken (Corpus callosum) miteinander verbunden. Diese Struktur besteht aus einem breiten Band von Nervenfasern, die Informationen zwischen den beiden Hemisphären hin und her transportieren. Für unsere Psyche, unser Denken und Handeln, ist unser gesamtes Gehirn verantwortlich. Denn die einzelnen Bereiche arbeiten nicht isoliert voneinander, sondern eher in Form eines komplexen Netzwerks.

Dennoch kann mittels verschiedener Untersuchungsmethoden (wie den oben bereits erwähnten) beobachtet werden, dass bestimmte Bereiche des Kortex bei unterschiedlichen Aktivitäten arbeiten. Und obwohl sich die beiden Hemisphären äußerlich stark ähneln, scheinen sie doch für jeweils andere Aufgaben zuständig zu sein. So zeigt sich beispielsweise eine stärkere Aktivität in der rechten Hemisphäre, wenn Prozesse der Wahrnehmung stattfinden. Hingegen ist die linke Hälfte am Sprechen oder Rechnen beteiligt.

Über Kreuz verschaltet

Die Zuständigkeit der Gehirnhälften kann auch im Zuge von Gehirnoperationen erforscht werden. Ärzte können mit Narkosemitteln beispielsweise nur die rechte oder nur die linke Hemisphäre in einen Schlafzustand versetzen. Soll der Patient während der Operation sprechen und beide Arme nach oben halten passiert Folgendes: Erhält die linke Hemisphäre das Medikament, dann spricht der Patient nicht mehr und der Arm senkt sich.

Die linke Gehirnhälfte ist nämlich nicht nur für die Sprache zuständig, sondern auch für die rechte Körperhälfte. Dementsprechend erschlafft auch der linke Arm, wenn das Mittel in die rechte Hemisphäre gelangt. Die Sprachfähigkeit bleibt in dem Fall allerdings erhalten.

Befindet sich die Sprache nur in der linken Hirnhälfte?

Bei der Verarbeitung und Produktion von Sprache ist es übrigens egal, ob es sich um gesprochene Sprache oder um Gebärdensprache handelt. Und bei gehörlosen Menschen ist also auch die linke Hirnhälfte für die Kommunikation zuständig. Wie wir Sprache verstehen, hängt allerdings von beiden Gehirnhälften ab.

Die linke Hemisphäre ist sehr schnell darin, Sprache wörtlich zu verstehen. Allerdings brauchen wir unsere rechte Gehirnhälfte, wenn wir aus dem Gesprochenen Schlüsse ziehen wollen. Wird der linken Hälfte des Gehirns das Wort „Fuß“ gezeigt, dann erkennt sie in Sekundenbruchteilen das Wort „Ferse“. Grund dafür ist der, dass diese Wörter eng miteinander zusammenhängen.

Die rechte Hemisphäre erkennt aber schneller als die linke das Wort „Schnitt“, wenn auf das Wort „Fuß“ noch die Wörter „Glas“ und „Schrei“ folgen. Patienten, die einen Schlaganfall in der rechten Hemisphäre hatten, haben häufig Probleme beim Erkennen der Bedeutung von Wörtern. Sie verstehen die Wörter an sich zwar, doch können nicht mehr „zwischen den Zeilen lesen“. Auch die Betonung der Wörter ist Sache der rechten Hemisphäre. Die Bedeutung des Satzes „Du sollst das Hindernis umfahren“ ändert sich mit der Betonung des letzten Wortes. So kann gemeint sein, dass die angesprochene Person um das Hindernis herumfahren oder es „über den Haufen“ fahren soll.

Die rechte Hemisphäre beeinflusst die Selbstwahrnehmung

Die rechte Hemisphäre spielt in Bezug auf das Verhalten auch eine Rolle. Und zwar im Bereich der Selbstwahrnehmung. Nach einer Verletzung in der rechten Hemisphäre kann es sein, dass der Betroffene beispielsweise den linken Arm nicht mehr bewegen kann. Dennoch ist es unter Umständen möglich, dass er die Lähmung leugnet. Stattdessen ist er der festen Überzeugung, den gelähmten Arm bewegen zu können.

Gibt es Unterschiede zwischen Rechts- und Linkshändern

Auch bei der Händigkeit spielen die Hemisphären eine Rolle. Die meisten Menschen sind Rechtshänder. Nur bei rund 10 Prozent der Bevölkerung handelt es sich um Linkshänder. Die Geschlechterverteilung gestaltet sich dabei übrigens so, dass es etwas mehr Männer als Frauen unter den Linkshändern gibt.

Bei den meisten Rechtshändern (rund 96 Prozent) ist die linke Hemisphäre für die Verarbeitung der Sprache zuständig. Bei Linkshändern sieht die Sache etwas anders aus. Von zehn Linkshändern wird zwar auch bei sieben die Sprache in der linken Gehirnhälfte verortet. Doch bei den anderen drei kann sie in der rechten oder auch in beiden Hemisphären repräsentiert sein.

Die vorwiegende Nutzung der rechten Hand ist übrigens nicht nur beim Menschen, sondern auch bei Menschenaffen vorherrschend. Ein kultureller Einfluss auf die Händigkeit kann ebenfalls so gut wie ausgeschlossen werden, da selbst ungeborene Kinder bereits im Mutterleib eher am rechten als am linken Daumen nuckeln. Daher ist es denkbar, dass Linkshändigkeit entweder genetisch bedingt ist oder auf Faktoren zurückgehen, die sich während der Entwicklung des Fötus während der Schwangerschaft zugetragen haben.

Vor- und Nachteile der Linkshändigkeit

Linkshändigkeit ist zwar selten und geht häufiger mit Leseschwäche, Migräne und Allergien einher als Rechtshändigkeit. Doch sie hat auch einige Vorteile, die das wieder wett machen. So finden sich unter Musikern, ProfiSportlern, Künstlern, Architekten und Mathematikern häufiger Linkshänder.

Diese können sich daher in eine Reihe von Künstlern wie Picasso, da Vinci und Michelangelo einreihen. Zudem weist eine Studie aus dem Iran darauf hin, dass Linkshänder erfolgreicher im Studium sind. Studierende müssen hier bei der Eingangsprüfung angeben, ob sie Rechts- oder Linkshänder sind. Es zeigte sich, dass Linkshänder im Durchschnitt in allen Fächern bessere Noten erreichten als die Rechtshänder.

Beide Hemisphären können die Aufgaben der gegenüberliegenden Hälfte kompensieren

Den beiden Hemisphären sind zwar unterschiedliche Aufgaben zuzuordnen. Doch sie können die Aufgaben der anderen auch zum Teil oder vollständig übernehmen, falls ihr Gegenüber aufgrund einer Verletzung, eines Schlaganfalls oder eines Tumors geschädigt ist. Diese Anpassung des Gehirns wird als Neuroplastizität bezeichnet. Es handelt sich also nicht um strikt voneinander getrennte Bereiche, sondern sie können auch füreinander einspringen. Das geht sogar in extremen Fällen so weit, dass die eine Hemisphäre die andere komplett ersetzen muss.

So ein Fall ist Michelle Mack. Nach ihrer Geburt bemerkten ihre Eltern bald, dass etwas mit ihrem Kind nicht ganz stimmte. Es war allerdings weder das Down-Syndrom noch eine andere Krankheit, die ihnen bekannt war. Erst ein MRT-Scan zeigte, dass Michelles linke Gehirnhälfte fast vollständig fehlte. Das Kind war nur mit einer Gehirnhälfte geboren worden.

Dennoch führt sie ein relativ normales Leben. Ihre Sprachfunktion ist intakt und sie hat erfolgreich die Schule abgeschlossen. Doch sie hat Probleme beim Verstehen von Sprichwörtern. Abstraktes Denken fällt ihr sehr schwer. Dafür hat sie ein ausgezeichnetes Gedächtnis und kann sich Daten erstaunlich gut merken. Zum Beispiel kann sie bis zurück in das Jahr 1984 den Wochentag zu jedem Datum nennen. Als Ursache für das nahezu vollständige Fehlen der rechten Hemisphäre vermuten die Ärzte einen Schlaganfall, den Michelle noch im Mutterleib erlitt.

Das Alter spielt bei der Plastizität eine Rolle

Bei Michelle handelt es sich um einen Extremfall. Da sie von Geburt an nur mit einer Gehirnhälfte ausgestattet war, konnte die andere Hälfte die nötigen Funktionen fast vollständig übernehmen. Würde eine erwachsene Person eine Hemisphäre verlieren, könnte das Gehirn sich nicht mehr so gut anpassen. Denn obwohl die Plastizität des Gehirns auch bei Erwachsenen noch besteht, finden im Kindesalter doch die wichtigsten Meilensteine in der Hirnentwicklung statt.

Zusammenfassung

  • Unser Großhirn ist in zwei Hälften (Hemisphären) aufgeteilt.
  • Diese sind über den sogenannten Balken verbunden und haben jeweils unterschiedliche Aufgaben.
  • Die linke Hemisphäre ist bei den meisten Menschen für die Sprache oder das Rechnen zuständig und die rechte für abstraktes Denken.
  • Zusätzlich sind die Hemisphären für die jeweils andere Körperseite verantwortlich.
  • Die linke Gehirnhälfte steuert also die rechte Hälfte des Körpers, die rechte Hemisphäre ist für die linke Seite zuständig.
  • Links- und Rechtshänder unterscheiden sich mitunter darin, wo ihr „Sprachzentrum“ sitzt. Bei den meisten Rechtshändern liegt der Bereich für die Sprache in der linken Gehirnhälfte. Bei den Linkshändern nur bei etwa 70 Prozent der Personen. Bei den restlichen Linkshändern kann auch die rechte oder beide Hirnhälften an der Sprache beteiligt sein.
  • Die Hemisphären haben zwar unterschiedliche Bereiche mit jeweils anderen Aufgaben. Dennoch arbeiten diese nicht getrennt voneinander.
  • Das Gehirn ist ein komplexes Netzwerk, bei dem alles zusammenspielt. So ist es auch möglich, dass die eine Hemisphäre die Aufgaben der anderen ausgleichen kann.
  • Übernehmen Gehirnbereiche die Funktion anderer, spricht man von Neuroplastizität. Diese ist auch noch im Erwachsenenalter gegeben. Allerdings ist das Gehirn im Kindesalter flexibler und kann sich nach Verletzungen besser an die neuen Gegebenheiten anpassen.

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