Beobachtungen als Methode der wissenschaftlichen Psychologie
Die wissenschaftliche Psychologie weist einen ganzen „Werkzeugkasten“ mit verschiedenen Forschungsmethoden auf. Das hat auch seinen Grund: Das menschliche Erleben und Verhalten ist sehr facettenreich und wäre mit nur einer einzigen Methode nicht zu erheben.
Die verschiedenen Methoden kommen abhängig von dem Phänomen zum Einsatz, welches untersucht werden soll. So können Fragebögen oder Interviews genutzt werden, um individuellen Persönlichkeitseigenschaften auf den Grund zu gehen.
Allerdings haben Selbstauskünfte den Nachteil, dass die Befragten gern in einem positiven Licht dastehen möchten. Das führt dazu, dass sie nicht immer unbedingt wahrheitsgemäß auf die Fragen antworten. Entweder sind ihnen bestimmte Aspekte ihrer Persönlichkeit peinlich oder sie machen unbewusst falsche Angaben, weil sie sich selbst anders wahrnehmen.
Beobachtungen bieten die Möglichkeit, das Verhalten einer Person zu untersuchen. Das Erleben kann auch durch Selbstauskünfte nicht direkt erhoben werden, doch das Verhalten ist sichtbar und kann den eigenen Angaben über die eigene Person widersprechen. Daraus lassen sich wichtige Schlüsse ableiten.
Inhalt
- 1 Was bezeichnet man als Beobachtung in der wissenschaftlichen Psychologie?
- 2 Warum und wozu zieht man die Beobachtung als wissenschaftliche Methode heran?
- 3 Unterschied zwischen wissenschaftlicher Beobachtung und Alltagsbeobachtung
- 4 Merkmale der Fremd- und Selbstbeobachtung unter wissenschaftlichen Aspekten
- 5 Welche Prinzipien gelten für die Beobachtung als psychologische Methode?
- 6 Wann gilt eine Beobachtung als methodisch korrekt und wann nicht?
Was bezeichnet man als Beobachtung in der wissenschaftlichen Psychologie?
Bei der Beobachtung wird das Verhalten einer Person situationsspezifisch erfasst.
Um bei dem möglichen Widerspruch von Selbstauskunft und Verhalten zu bleiben, nehmen wir einmal folgendes an: Die befragte Person weiß von sich selbst, dass sie recht impulsiv ist und schnell wütend wird.
Allerdings ist ihr bewusst, dass diese Eigenschaft gesellschaftlich nicht besonders hoch angesehen wird. Bei der Selbstauskunft in Form von Interviews oder Fragebögen (Psychologie) kann diese Person nun angeben, dass sie auch in schwierigen Situationen gelassen bleibt. Hier greift die sogenannte soziale Erwünschtheit. Dabei handelt es sich um die bewusste Verfälschung der eigenen Angaben, um selbst den gewünschten gesellschaftlichen Standards zu entsprechen.
Das Problem dabei ist die Verzerrung der Daten. Der Fragebogen spiegelt die Persönlichkeit der Testperson also nicht korrekt wider. Eine zusätzliche Beobachtung kann dann als Vergleich mit den anderen Informationsquellen herangezogen werden.
In der wissenschaftlichen Psychologie sollen Beobachtungen vor allem diagnostischen Zwecken dienen. Daher sind sie zielgerichtet, selektiv, gut geplant und auf die spätere Auswertung ausgerichtet. Es stellen sich somit Fragen wie:
- Was genau soll mit der Beobachtung untersucht werden?
- Wie sollte die Situation am besten gestaltet sein, in der die Beobachtung stattfindet?
- Was muss alles beachtet werden, damit die Beobachtung möglichst gute Informationen liefert?
Es wird genau geplant, zu welchem Zeitpunkt eine Beobachtung stattfindet, über welchen Zeitraum hinweg, in welcher Situation und welches Verhalten beobachtet werden soll.
Auch die Stichprobe spielt eine Rolle. Werden im Feld Personen beobachtet, handelt es sich dabei vielleicht um eine recht homogene Gruppe. Findet die Beobachtung in einem bestimmten Stadtviertel statt, ähneln sich die Menschen sich hier unter Umständen sehr. Und zwar bezüglich ihres Alters, Einkommens oder Bildung.
Die Stichprobe wäre daher nicht repräsentativ für die allgemeine Bevölkerung. Bei einer Laborbeobachtung wird auf eine möglichst heterogene und damit repräsentative Stichprobe geachtet. Sie wird randomisiert gebildet. Dadurch beinhaltet die Stichprobe zufällig ausgewählte Personen verschiedenen Alters, sozialen Hintergrundes oder Bildungsstandes. Diese Stichprobe soll die Gesamtbevölkerung repräsentieren, damit die Ergebnisse der Datenerhebung allgemein anwendbar sind.
Warum und wozu zieht man die Beobachtung als wissenschaftliche Methode heran?
Das menschliche Erleben und Verhalten ist auf verschiedenen Wegen zu untersuchen.
Die Beobachtung wiederum könnte mehr Aufschluss darüber geben, wie die Person sich in schwierigen Situationen verhält.
Dazu könnte nach dem Fragebogen ein anderer Test gemacht werden, bei dem die Person eine frustrierende Aufgabe bewältigen muss. So könnte zum Beispiel eine komplizierte Aufgabe zum Einsatz kommen, welche schlichtweg nicht zu lösen ist. Dabei kann die Person sich noch so sehr anstrengen – Ein Erfolg würde sich nicht einstellen und Frustration ist garantiert.
Nun kann der Testleiter beobachten, wie die Person sich wirklich verhält.
- Wird die Testperson schnell wütend?
- Beginnt sie zu fluchen?
- Wie verhält sie sich wirklich unter Stress?
- Weicht das beobachtete Verhalten von den selbstgemachten Angaben im Fragebogen ab?
Für die Psychologie waren und sind Beobachtungen sehr aufschlussreich. Im Behaviorismus wurde ausschließlich das beobachtbare Verhalten als Forschungsgrundlage genutzt. Per heutiger Definition ist Psychologie zwar das Erforschen von Verhalten und Erleben. Doch das Erleben spielte bei den Vertretern der behavioristischen Strömung nur eine geringe oder gar keine Rolle. Das beobachtbare Verhalten diente zur Erforschung von Lernmechanismen und den Zusammenhängen von Reiz und Reaktion.
Die wissenschaftliche Beobachtung folgt gewissen Regeln.
Das unterscheidet sie von Beobachtungen im Alltag. Denn diese Alltagsbeobachtungen sind sehr subjektiv gefärbt.
Das bedeutet, dass sie von den jeweiligen Interpretationen und Erfahrungen des Beobachtenden geprägt werden. Es mangelt also an Objektivität. Diese stellt eines der Gütekriterien bei psychologischen Forschungsmethoden dar. Mehr dazu kannst du ein Stück weiter unten lesen.
Beobachtungen finden in der psychologischen Forschung entweder im Feld statt oder im Labor. Mit „Feld“ ist das natürliche Umfeld der beobachteten Personen gemeint. So kann zum Beispiel beobachtet werden, wie Menschen sich an der Supermarktkasse verhalten oder ob sie einen vorher platzierten Gegenstand (beispielsweise ein Portemonnaie) auf dem Boden liegen lassen oder mitnehmen.
Im Feldversuch wissen die Personen oft nicht, dass sie beobachtet werden. Das kann ethisch bedenklich werden. Hinzu kommt, dass eine Vielzahl von Variablen gibt, die das Verhalten beeinflussen können. Diese Störvariablen entfallen im Rahmen eines Laborexperimentes. Die Bedingungen sind hier besser kontrollierbar, was das Ergebnis genauer werden lässt. Dies hat allerdings auch zur Folge, dass die Situation künstlich und das darin beobachtete Verhalten gegebenenfalls nicht auf andere Situationen übertragen werden kann.
Ein weiterer Nachteil an Beobachtungen im Labor ist der, dass die Personen um die Beobachtung wissen. Dementsprechend können sie sich anders verhalten als die Personen im Feldversuch. Diesen ist nicht bewusst, dass sie beobachtet werden. Daher können sie ihr Verhalten auch nicht absichtlich ändern. Um den bewussten Verfälschungen des Verhaltens im Labor entgegenzuwirken, werden manchmal auch Kameras oder Einwegspiegel genutzt.
Zwar wird der Testperson zu Beginn des Tests mitgeteilt, dass eine Beobachtung stattfindet. Allerdings vergessen die Probanden diese Tatsache häufig im Laufe der Untersuchung, so dass das Verhalten natürlicher wird.
Aus diesem Grund wird auch zwischen einer offenen und einer verdeckten Beobachtung unterschieden. Bei der offenen Beobachtung wissen die Testpersonen von der Beobachtung, während sie bei einer verdeckten Beobachtung nicht darüber im Klaren sind. Eine verdeckte Beobachtung findet daher auch meistens im Feld statt.
Weiterhin kann auch in freie und systematische Beobachtung unterschieden werden. Eine freie Beobachtung lässt dem Beobachtenden mehr Spielraum. Er kann selbst entscheiden, welche Verhaltensweisen er in einer Situation beobachtet. Die Aufmerksamkeit liegt hier auf dem gesamten Kontext und nicht nur auf einer spezifischen Verhaltensweise.
Darin ähnelt sie eher den Alltagsbeobachtungen und ist fehleranfälliger als die systematische Beobachtung. Bei dieser ist vorab genau festgelegt, was beobachtet werden soll und wie das Verhalten protokolliert werden muss. Diese Vorgehensweise ist in der Planung zwar aufwendiger als eine freie Beobachtung. Allerdings hat sie den Vorteil, dass die Gütekriterien in einem höheren Maße erfüllt werden.
Merkmale der Fremd- und Selbstbeobachtung unter wissenschaftlichen Aspekten
Neben der offenen und der verdeckten Beobachtung gibt es noch weitere Arten.
Unterschieden wird ebenfalls zwischen Fremd- und Selbstbeobachtung. Bei der Fremdbeobachtung wird die Testperson von einer anderen Person beobachtet. Die Selbstbeobachtung hingegen sieht vor, dass die Testperson selbst ihr Verhalten beobachtet und beurteilt.
Letztere Variante setzt allerdings voraus, dass die Testperson über einen hohen Grad an Selbstaufmerksamkeit verfügt. Eine objektive Selbstbeobachtung ist schwer zu erzielen. Immerhin haben wir meistens ein anderes Bild von uns selbst als andere und interpretieren unser Verhalten selbst auch anders. Eine Fremdbeobachtung kommt dem Gütekriterium der Objektivität etwas näher.
Des Weiteren gibt es die teilnehmende und die nicht-teilnehmende Beobachtung. Der Unterschied zwischen diesen beiden Varianten liegt in der Rolle des Beobachtenden. Dieser stellt bei der teilnehmenden Beobachtung einen Teil der Personengruppe dar, die beobachtet wird. Diese Methode findet häufig in der Kulturforschung Anwendung, da mehr Nähe zum Alltagsleben der Beobachteten aufgebaut werden kann.
Bei der nicht-teilnehmenden Beobachtung bleibt die Distanz zwischen Beobachter und Testperson bestehen. Die Beobachtung findet also hier von „außen“ und nicht von „innen“ statt.
Welche Prinzipien gelten für die Beobachtung als psychologische Methode?
Wie andere Forschungsmethoden auch sollte die Beobachtung den verschiedenen Gütekriterien gerecht werden.
Zu diesen zählen die Objektivität, die Reliabilität und die Validität. Diese drei Gütekriterien bauen aufeinander auf. Du kannst dir das Ganze wie eine Pyramide vorstellen. Die Objektivität ist das Fundament. Darauf baut die Reliabilität auf und die Validität bildet die Spitze.
Das was genau ist unter diesen drei Gütekriterien zu verstehen?
Objektivität, Reliabilität und Validität bilden die drei Hauptgütekriterien.
Bei der Objektivität geht es um die Unabhängigkeit des Testergebnisses von der Person, die den Test ausführt. Bei Alltagsbeobachtungen ist es so, dass der Beobachtende die Situation auf seine ganz eigene Weise interpretiert.
Wenn fünf verschiedene Personen dieselbe Situation beobachten, kommen auch fünf unterschiedliche Interpretationen des Gesehenen zustande. Jede Person hat eine andere Persönlichkeit und hat andere Erfahrungen gemacht als die anderen. Genauso unterschiedlich wie diese fünf Personen sind auch deren Interpretationen. Daher sind diese Interpretationen auch nicht objektiv. Bei wissenschaftlichen Beobachtungen darf die individuelle Interpretation des Testdurchführenden also nicht einfließen.
Wie kann das erreicht werden?
Dem Beobachter muss möglichst wenig Spielraum gelassen werden. Sowohl die Durchführung als auch die Auswertung und die Interpretation der erhobenen Daten muss soweit standardisiert sein, dass verschiedene Testleiter zum gleichen Ergebnis kommen. In einer Beobachtung ist es daher zum Beispiel wichtig, dass alle Versuchsteilnehmer dieselben Aufgaben bekommen.
Aber auch die Beobachtungssituation sollte für alle Teilnehmer exakt gleich ablaufen. Denn nur so können die individuellen Unterschiede im Verhalten der jeweiligen Personen festgehalten werden. Außerdem sollten die Testleiter entsprechend geschult sein, damit sie sich ihrer eigenen Interpretationen bewusst sind und diese nicht mit in die Auswertung einfließen lassen.
Um die Objektivität zu erhöhen, kommen beispielsweise auch Protokollbögen zur systematischen Erfassung des Gesehenen zum Einsatz. Mit diesen kann genau festgehalten werden, welches Verhalten in welchem Ausmaß gezeigt wird.
Wenn die Objektivität gewährleistet ist, stellt sich die Frage nach der Reliabilität. Denn ohne eine objektive Datenerhebung, kann auch nicht festgestellt werden, ob der Test fehlerfrei misst. Die Reliabilität gibt an, wie genau der Test etwas misst. Gemeint sind also Zuverlässigkeit oder Genauigkeit des Testinstrumentes. Je weniger Messfehler auftreten, desto reliabler ist ein Test. Um die Reliabilität festzustellen, werden verschiedene Methoden verwendet. So sollte zum Beispiel eine mehrfache Wiederholung des Tests immer die gleichen Ergebnisse aufzeigen.
Die Reliabilität ist die Voraussetzung für die Validität. Bei dieser ist der springende Punkt: Misst der Test, was er wirklich messen soll? Die Validität ist also die Gültigkeit eines Testverfahrens. Wichtig hierbei ist, ob der Test auch wirklich das Merkmal erfasst, das er zu messen vorgibt.
Außerdem sollte eine praktische Anwendbarkeit vorliegen: Lassen die Testergebnisse auf das Verhalten außerhalb der Testsituation schließen? Lassen sich Vorhersagen zum Verhalten damit machen? Entspricht der Test der Theorie, welche getestet werden soll?
Wann gilt eine Beobachtung als methodisch korrekt und wann nicht?
Gütekriterien müssen berücksichtigt werden.
Bei einer wissenschaftlichen Beobachtung sind die Vorgaben zu beachten. Um ein möglichst „sauberes“ Ergebnis zu erhalten, muss die Standardisierung so groß wie möglich sein.
Die Beobachter müssen sich an die vorab festgelegten Vorgaben halten und das Verhalten dem Protokollbogen entsprechend dokumentieren. Sie sollten speziell geschult sein, damit ihre eigenen Interpretationen nicht in die Auswertung der Daten einfließen.
Auch die Art der Beobachtung ist von Bedeutung. Es müssen Vor- und Nachteile der jeweiligen Beobachtungsmethode abgewogen werden, um die geeignetste Variante auszumachen.
Zusammenfassung:
- Beobachtungen sind wissenschaftliche Methoden der Psychologie, um menschliches Verhalten, Erleben und Handeln erklärbar und voraussagbar zu machen.
- Man unterscheidet zwischen Feld- und Laborbeobachtungen. Feldbeobachtungen haben den Vorteil, dass die Menschen genauso reagieren – wie sonst.
- Weiterhin kann man zwischen offenen und verdeckten Beobachtungen unterscheiden. Verdeckte Beobachtungen haben ebenfalls den Vorteil, dass die beobachtete Person ungezwungener auftritt.
- Bei einer systematischen Beobachtung wird, anders als bei einer freien, das Ziel bereits festgelegt und protokoliert.
- Bei einer Selbstbeobachtung soll der Betroffene sein Verhalten selbst reflektieren, was mitunter schwer fällt – da das Selbstbild des Einzelnen die Beobachtung verzerrt. Eine Fremdbeobachtung ist daher immer qualitativ hochwertiger.
- Damit Beobachtungen in der wissenschaftlichen Psychologie zulässig sind, müssen diese 3 Gütesiegel besitzen: Objektivität, Reliabilität, Validität.