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Das Ich laut Psychoanalyse: Entstehung, Bedeutung & Funktionen


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Das Ich bzw. die Ich-Instanz ist laut Psychoanalyse ein Teil der menschlichen Psyche. Dieser Teil reguliert das Selbstempfinden, wirkt als Kontrolle und als Vermittler zwischen den beiden anderen Instanzen: „dem Es“ und „dem Über-Ich“.

Das Ich als zentrale Instanz der Psychoanalyse

Laut dem Strukturmodell, welches die Psychoanalyse liefert, existieren drei Strukturen in der menschlichen Psyche. Das „ES“ ist eine Instanz, Größe oder salopp gesagt eine innere Stimme. Diese ist angeboren und bei Säuglingen sofort ausgeprägt.

Diese Es-Instanz ist triebgesteuert und folgt dem Lustprinzip. So existieren bei Säuglingen der Trieb zum Schlafen, zum Essen und Trinken, aber auch zum Nuckeln und Saugen. Das „ES“ als innere Stimme fordert und folgt ausschließlich der Befriedigung seiner Lust bzw. Gelüste.

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Später entwickelt sich beim heranwachsenden Kind eine weitere Stimme. Diese nennt Freud das „Überich“. Damit meint er, jene innere Stimme, welche Regeln und Moralvorstellungen verfolgt. Das Überich ist somit anerzogen worden. Und zwar durch Eltern, Schule, KITA, Freunde oder andere Bezugspersonen.

Wenn ein Kind oder Erwachsener irgendetwas will, folgt dieser Mensch dem Lustprinzip. So will dieser ins Kino, ins Theater, etwas Lesen oder Musik hören. Sobald man etwas tut, worauf man Lust hat – folgt man seinen angeboren Trieb, dem ES.

Nun kann man allerdings nicht jeden Wunsch nachgehen, da gewisse Regeln existieren – welche dies unterbinden. Das „Überich“ verkörpert all diese Regeln. Und so kann es sein, dass man zwar ins Kino will – man jedoch arbeiten muss, um Geld zu verdienen. Es entsteht ein innerer Konflikt zwischen dem „ES“ und dem „Überich“, welcher geregelt werden muss.

Als Zwischeninstanz schaltet sich nun das „Ich“ ein. Diese Instanz dient als Kontrollinstanz für das „Überich“ und hilft ihm dabei, das Wunschbegehren des „ES“ einzudämmen. So lernen Kinder in bestimmten Phasen ihrer Entwicklung, dass man Gelüste (Kino, Schokolade) aufschieben oder entsagen kann.

Auch moralische und gesellschaftliche Wertvorstellungen werden durch das „Überich“ erzeugt und zwingen das „ES“ zur Einhaltung gewissen Regeln.

Du kennst das:

  • Das heiß nicht: „Ich will“, sondern „Ich möchte“. Der Trieb wird durch Bezugspersonen aberzogen.
  • Wir essen erst, wenn alle am Tisch sitzen. Das „Überich“ verbietet dem „ES“ seinem Trieb sofort nachzugehen. Die Auslebung wird zeitlich verschoben.
  • Erst die Arbeit und dann das Vergnügen.
  • Man nimmt nicht das letzte Stück Kuchen.

Nun ist es so, dass diese oben beschriebenen Beispiele nicht aus der Psyche eines Säuglings entspringen. Stattdessen erzählen dies die Eltern oder andere Bezugspersonen. Aber die kindliche Seele nimmt diese Forderungen auf und formt daraus das „Überich“, um gesellschaftlich akzeptiert zu werden und um zukünftige Entscheidungen besser abwägen zu können.

Das „Überich“ ist somit die Summe aller Forderungen einer Gesellschaft, welche das Individuum zulässt.

Und welche Rolle nimmt nun „Das Ich“ ein?

  • Es ist Vermittler zwischen beiden Instanzen.
  • Und es sorgt für einen Ausgleich, damit es nicht zu psychischen Störungen kommt.

Das Ich als Kontrollinstanz der Psychoanalyse

Wohl gemerkt. Die Psychoanalyse ist ein Modell bzw. Theorie um menschliches Verhalten erklärbar, behandelbar oder vorhersagbar zu machen. Und ohne das „Ich“, wäre der Mensch relativ überfordert.

Ein Mensch, welcher lediglich dem angeboren Triebverhalten folgt, wird nicht psychisch bzw. geistig reifen. Denn um zu reifen, muss der Mensch lernen, seinen Trieben nicht nachzugehen und stattdessen Dinge in den Fokus rücken, welche ihn gesellschaftlich und geistig entwickeln lassen.

Ohne dem „Ich“, welcher die Vorstellungen des „Überich“ durchsetzt, würde niemand eine Ausbildung machen, wahrscheinlich nicht einmal sprechen lernen oder andere Fähigkeiten entwickeln.

Das „Ich“ sorgt somit als verlängerter Arm des „Überich“, dass der Mensch einen persönliche Reifeprozess durchläuft und geistig heranwächst. Dabei kontrolliert er das „ES“ und zwingt es dazu, seinen Trieb entweder zeitlich zu verschieben oder aufzugeben.

Das ICH als Beschützer laut psychoanalytischer Theorie

In der menschlichen Psyche existiert, nach psychoanalytischen Modell, ein Ringen zwischen dem „ES“ und dem „Überich“. Das „Überich“ verbietet dem „ES“ demnach seine Wünsche und die Auslebung seines angeborener Lustbefriedigung. Das „Ich“ sorgt dafür, dass die „Forderungen“ des „Überichs“ und des „ES“ entsprechend gewürdigt und vertreten werden.

Denn falls das „ES“ seinen Wünschen überhaupt nicht mehr nachgeht, sondern nur noch Dinge macht, welche gesellschaftlich akzeptiert sind – verliert es an Bedeutung. Außerdem ist der Trieb zum Selbsterhalt und zur Selbsterfüllung lebensnotwendig.

Das heißt..
Falls das „Überich“ zu stark werden würde, bestünde die Gefahr, dass der Wunsch nach Nahrung, Schlaf, Liebe, Sex oder anderen verloren gehen würde. Dann müsste der Mensch sterben. Das „Ich“ sorgt somit auch dafür, dass das „ES“ nicht zu kurz kommt.

Das ICH als Vermittler

Hier ein Beispiel. Du bist zum Essen bei einem Bekannten eingeladen. Und du hast Hunger. Am liebsten würdest du sofort loslegen, doch die innere Stimme („Überich“) verbietet die sofortige Wunscherfüllung. Denn es existieren gewisse Regeln beim Umgang mit anderen Menschen.

So begrüßt man zuerst den Gastgeber. Dann bittet dieser zu Tisch und erst dann wird gespeist. Die innere Stimme des „ES“ sagt: „Iss sofort“. Und die innere Stimme der Vernunft, des Gewissens („Überich“) sagt: „Begrüße zuerst den Gastgeber“.

Das „ich“ vermittelt zwischen beiden Instanzen und schützt beide vor inneren Konflikten. Immer wenn man ein schlechtes Gewissen hat, hat das Lustprinzip („ES“) über die Vernunft („Überich“) gesiegt. Oder anders gesagt: Das Ich hat schlecht vermittelt.

Ohne Vermittlung hättest du immer ein schlechtes Gewissen oder überhaupt kein Gewissen. Es ist somit wichtig, dass sich das „Ich“ zwischenschaltet.

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Wie arbeitet das Ich?

Das „Ich“ ist die Quelle des kritischen Verstandes. Aus historischen Daten, also deinen Erinnerungen, wägt das „Ich“ ab und entscheidet dann spontan.

Was heißt das?
Bei unserem Beispiel mit der Essenseinladung, würde das „Ich“ alte Erinnerungen und Verhaltensweisen hervorkramen. Diese würde es dann gegenüberstellen und daraus eine Entscheidung treffen.

  • Falls du bisher immer sofort und ohne Begrüßung gegessen hast, wird dich das „ICH“ zur Lustbefriedung („Essen“) drängen. Denn es besteht keine Gefahr, dass du für dieses Verhalten verurteilst wirst.
  • Falls du immer erst den Gastgeber begrüßt hast, wird dich das „Ich“ dieses Mal ebenfalls dazu leiten.

In besonderen Fällen könnte der Hunger so groß sein, dass du dich sofort auf das Essen stürzt. Dann ist das Bedürfnis des „ES“ so groß, dass die befürchtete gesellschaftliche Ächtung in Kauf genommen wird. Falls diese dann eintritt, du somit getadelt wirst – wird dieses Datenmaterial – in Form von Erinnerungen – aufbewahrt und beim nächsten Mal durch das „Ich“ wieder abgerufen.

Nun kommt es darauf an, wie stark der Schmerz des damaligen Tadels war. Falls dieser dich stark verletzt hat, gewinnt das „Überich“ an Stärke. Und beim nächsten Mal wird das „Ich“ wahrscheinlich eine Entscheidung zu Gunsten des „Überichs“ fällen.

Falls die Ächtung bzw. der Tadel ausblieb oder dieser dich nicht gekränkt oder verletzt hat, wird das „Ich“ beim nächsten Mal wahrscheinlich wieder eine Entscheidung zu Gunsten der Lustbefriedigung („ES“) fällen.

Das Ich und seine Störungen

Das „ICH“ ist der wichtigste Teil des menschlichen Geistes. Da diese Instanz für das Vorausahnen, das Abschätzen und Selbstkontrolle zuständig ist – kann man sagen, dass dies den menschlichen Verstand ausmacht. Falls das „ICH“ nicht mehr zwischen dem „ES“ und dem „Überich“ vermitteln kann, spricht man von Kontrollverlust.

Menschen mit Kontrollverlust bzw. Ich-Verlust können keine Gefahrensituationen einschätzen, wissen nicht ob sie sich der Lustbefriedigung oder der Moral hingeben sollen und sind hilflos. Das „ES“ oder das „Überich“ übernehmen die Kontrolle, wodurch die Menschen gänzlich orientierungslos sind. Diese Orientierungslosigkeit geht mit Umwegen und Barrieren einher, wodurch psychische Krankheiten entstehen.

Die rationale Struktur des Denkapparates, welchen wir Verstand nennen, wird gänzlich durch eine andere Instanz (Es oder Überich) überlagert, wodurch diese Menschen von dieser angetrieben werden. Dies äußert sich dann in Schizophrenien, Persönlichkeitsabspaltungen oder dissoziative Persönlichkeitsstörungen.

Menschen mit Ich-Verlusten haben meistens eine kindliche Vergangenheit, welche diese Störung verursacht hat. Durch Reizüberflutung oder traumatische Erlebnisse in der kindheitlichen Entwicklung kommt es dann zu einer Abspaltung des „Ichs“. Der Bezug zum „Ich“ als innerer Vermittler, Kontrollinstanz wird aufgeben und es wird sich entweder auf das Überleben oder das Anpassen konzentriert. Je nachdem, welche Instanz den vielversprechenderen Schutz bieten kann, findet dorthin eine Zuwendung statt.

Das Ich im Zusammenspiel mit dem Bewusstsein

Der größte Teil des „Ichs“ ist an den Verstand gekoppelt. Dort erkennt es das „ES“ und das „Überich“ als zwei innere Stimmen und kann zwischen beiden vermitteln. Da dieser Teil im Bewusstsein liegt, können dort Kontrollprozesse, wie das Abschätzen von Gefahren bzw. Konsequenzen stattfinden.

Weiterhin können im Bewusstsein die Daten abgerufen werden, um zwischen dem „ES“ und dem „Überich“ präzise zu vermitteln. Diese Daten werden als Erinnerungen abgespeichert und stets aktualisiert, um zukünftig bessere Entscheidungen zu treffen. (Siehe Beispiel mit dem Essen beim Freund)

Ein Teil des „Ich“ liegt allerdings auch im Unbewussten. Diese Reizerfahrung, welche wir nicht bewusst wahrnehmen, wird ebenfalls gespeichert an die bewusste Stelle weitergegeben. Diese Reize finden hauptsächlich beim Schlafen bzw. beim Träumen statt. Dort werden ebenfalls Konflikte zwischen „ICH“ und „Überich“ ausgetragen, dessen Konsequenzen abgespeichert und weitergegeben.

Ich Funktionen und Wachstum

Überall, wo früher einmal das „Es“ war – soll „Ich“ entstehen. Dies nennt man dann ein reiferes Ich. Doch zuvor muss sich das kindliche „Ich“ noch vor dem Druck des „Überichs“ schützen. Die Psyche baut deshalb gewisse Abwehrmechanismen auf, welche als Schranke zum Unbewussten dienen. Dadurch soll das „Ich-Bewusstsein“ vor den Angriffen des Unbewussten geschützt werden. Sämtliche Erfahrungen und Erlebnisse, welche zu schmerzhaft für das kindliche „Ich“ sind, werden ins Unbewusste verbannt bzw. verdrängt.

Diese Abwehrmechanismen existieren dann beim Erwachsenen ebenfalls, weshalb man bestimmte innere Konflikte nicht bewusst wahrnimmt. Das „Ich“ hat nun die Aufgabe zu reifen, indem es sich die Anteile aus dem Unbewussten zurückholt. Zuerst werden schon beim Kleinkind die lebensnotwendigen Triebe vom „Es“ ins „Ich“ transformiert. Dadurch ist es möglich, dass aus Trieb ein Bedürfnis wird, welchem – unter Betrachtung der Realität und gemachter bewusster Erfahrungen – nachgegangen werden kann oder nicht. Gewisse Triebe bleiben allerdings im „Es“ zurück. Freud nannte hier insbesondere den Sexualtrieb und dessen Ausprägungen.

Das „Ich“ wächst und verleibt sich immer mehr unbewusste Teile des „Es“ und des „Überichs“ ein. Dadurch gewinnt der Mensch an mentaler Größe und das „Ich“ an Reife. Gelingt dies nicht oder nur teilweise, leidet der Mensch an diversen Komplexen, Ängsten oder schlimmstenfalls an Neurosen.


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