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Psychosexuelle Entwicklung nach Freud: Phasen & Bedeutung infantiler Sexualität


Als psychosexuelle Entwicklung versteht die Psychoanalyse die Entwicklung der Sexualität von der Geburt bis zur Pubertät. Freud bezeichnete sein Konzept der psychosexuellen Entwicklungsstadien auch als infantile Sexualität (kindlich).

Ursache für die psychosexuellen Entwicklung ist die Triebenergie

Wenn man nach Freuds Theorien geht, so ist der Mensch ein triebgesteuertes Wesen. Unter einem Trieb ist in diesem Zusammenhang eine psychische Kraft gemeint, welche nach der Befriedigung verschiedener Bedürfnisse verlangt.

Triebgesteuert sei der Mensch deshalb, weil diese unbewussten Triebe das Erleben und Verhalten eines Menschen beeinflussen und lenken. Anstelle von Trieben könnte man auch von Motiven sprechen, welche auf grundlegende Bedürfnisse wie beispielsweise Schlaf, Nahrungsaufnahme oder Fortpflanzung abzielen.

Freud unterschied zwischen zwei Haupttrieben, auf denen andere Triebe basieren. Dabei handelte es sich um den Todestrieb und den Lebenstrieb. Ersteren nannte er auch Thanatos und schrieb ihm eine entsprechende psychische Energie zu, welche er als Destrudo bezeichnete. Auf diesen Aspekt sollen Aggressionen, Selbsthass oder auch destruktives Verhalten zurückgehen. Dem gegenüber steht der Lebenstrieb beziehungsweise Eros, welcher von der psychischen Energie Libido angetrieben wird.

Nun ordnete Freud jedem Trieb auch eine bestimmte Körperregion zu, welche besonders in der kindlichen Entwicklung eine Rolle spielen. Die „Triebenergie“ muss über eine bestimmte Region kanalisiert werden. Das können je nach Stadium beispielsweise der Mund oder die Genitalien sein. Das Kind empfindet alles als lustvoll, was mit diesen Regionen zu tun hat. Welche Phasen Freud in seine Theorie unterschied, sehen wir uns nun genauer an.

1. Orale Phase

Im ersten Lebensjahr dient der Mund als Triebquelle, Lustobjekt bzw. erogene Zone. Deshalb benennt Freud das erste Stadium als die orale Phase. Die Abfolge der einzelnen Phasen ist seiner Annahme nach bereits bei der Geburt im Menschen verankert. Allerdings laufen diese Phasen nicht bei allen Kindern identisch ab, denn die Umwelt spielt hierbei ebenfalls eine erhebliche Rolle. So hängt es vor allem stark von der Erziehung ab, wann und ob ein Kind eine bestimmte Phase erfolgreich durchläuft – oder ob es zu Problemen kommt, welche psychische Auffälligkeiten im Erwachsenenalter nach sich ziehen.

Schreiende Babys können mit einem Schnuller beruhigt werden. Auch beim Stillen erreichen sie meist einen Zustand höchster Zufriedenheit. Nach psychoanalytischem Standpunkt hängt das mit dem Lustgewinn zusammen, den das Kind beim Saugen, Beißen oder Essen erfährt. Sämtliche Tätigkeiten, die mit dem Mund zu tun haben, befriedigen die Wünsche des Säuglings nach Einverleibung.

Allerdings liegt der Fokus beim Stillen nicht nur auf der Nahrungsaufnahme. Denn das Kind erfährt durch den engen Kontakt zur Mutter ein Gefühl der Geborgenheit. Diese wärmende Nähe nimmt das Kind auch durch andere Sinnesorgane als nur durch den Mund wahr. Besonders die Haut dient zur Aufnahme von neuen Sinnesreizen.

Mit Mund und Tastsinn die Welt erkunden

Nicht nur die Nähe zum Körper der Mutter wird über die Haut erfahren, sondern der Kontakt zur Umwelt generell.
So stecken kleine Kinder sich beim Erkunden der Umwelt nicht nur die verschiedensten Gegenstände in den Mund, sondern erfahren ihre Umgebung auch über den Tastsinn.

Wie diese Erfahrungen ausfallen, hängt zu einem Großteil von der Erziehung ab. Macht das Kind positive Erfahrungen, indem es beim Erkunden beispielsweise ermutigt und angelächelt wird, so bildet sich nach Freud mit hoher Wahrscheinlichkeit eine optimistische Lebenseinstellung aus.

Sind jedoch negative Erfahrungen, etwa in Form von Vernachlässigung oder Zurückweisung der Fall, so wird das Kind sich zu einem eher misstrauischen und pessimistischen Menschen entwickeln. Auch ein späteres Suchtverhalten oder Gefühle der Eifersucht und Gier können die Folge solcher negativen Erfahrungen in der frühen Kindheit sein.

2. Anale Phase

Im zweiten und dritten Lebensjahr kommt die Sauberkeitserziehung ins Spiel.
Mit der analen Phase geht für das Kind eine Faszination und ein Lustgewinn mit allem einher, was mit den Ausscheidungsvorgängen zu tun hat. Daher ist das der optimale Zeitpunkt, um zu lernen, wie man aufs Töpfchen geht.

Laut Freud steht hierbei nicht nur die Afterregion als Triebquelle im Vordergrund, sondern auch die Wünsche des Festhaltens und Hergebens. Auch das Spielen mit den Ausscheidungsorganen und -produkten scheint den Kleinen Freude zu bereiten – verständlicherweise weniger zur Freude der Eltern. Ersatzweise können allerdings auch andere Dinge zum Spielen angeboten werden. Mit Sand, Knete oder Brei wird von Kindern in diesem Alter ebenso gern „herumgeschmiert“.

Eine Balance zwischen Lob und Grenzen finden

Die Kontrolle über die eigenen Ausscheidungsprozesse zu erlernen, ist auch relevant für die kindliche Psyche. Denn hierbei handelt es sich um die „erste eigene Leistung“, die das Kind vollführt, weshalb auch die elterliche Reaktion darauf entsprechend ausfallen sollte.

Freuds Annahmen zufolge erfolgt in dieser Phase allerdings noch weit mehr. Zwar können die hier gemachten Erfahrungen im späteren Leben zu Eigenschaften wie Geiz, Freude an oder Angst vor Leistung führen. Im Extremfall können sogar ein Waschzwang oder ein übertriebener Hang zur Reinlichkeit Folgen einer schwierigen Sauberkeitserziehung sein. Doch zudem entwickelt sich in dieser Phase das ICH: In der berühmten Trotzphase kommt es demnach bei der Austestung von Grenzen auch zur Entwicklung einer eigenen Persönlichkeit.

Währenddessen bilden sich beispielsweise Selbst- oder Unselbstständigkeit aus, jedoch auch Dominanz und Durchsetzungsfähigkeit oder Opportunismus.

3. Phallische Phase

Im vierten und fünften Lebensjahr sind „Doktorspiele“ keine Seltenheit.
Und auch kein Grund für elterliche Besorgnis. Denn in diesem Alter beginnen Kinder, sich für die eigenen Genitalien zu interessieren. Ihr unbefangener Umgang mit diesen und auch mit der eigenen Nacktheit, basieren auf einer natürlichen Neugier.

Freud führt das auf die in der phallischen Phase vorherrschende Triebquelle zurück, bei der es sich um den Genitalbereich handelt. Diese Neugier für die eignen Genitalien und die anderer führt Freud auf den Penisneid der Mädchen und die Kastrationsangst bei Jungen zurück. Diese beiden Konzepte sind sehr umstritten, sollen hier allerdings dennoch der Vollständigkeit halber kurz Erwähnung finden.

Da die weiblichen Geschlechtsorgane sich im Gegensatz zu den männlichen im Körperinneren befinden, sind sie folglich weniger präsent. Daher besteht in der Psychoanalyse die folgende Vermutung: Mädchen könnten daher darauf schließen, unvollständig zu sein oder ihre Genitalien verloren zu haben. Das bezeichnet Freud als Penisneid. Bei Jungen hingegen kann durch die Entdeckung, dass bei Mädchen „etwas fehlt“ die Angst entstehen, dass sie ihre Genitalien ebenfalls verlieren. Diese Furcht hingegen wird als Kastrationsangst betitelt.

Warum Ödipus strenggenommen keinen Ödipuskomplex hatte

Doch nicht nur das eigene Geschlecht spielt in dieser Phase eine Rolle, sondern auch das der Eltern.
Freuds Annahme zufolge, fühlen Kinder sich in diesem Alter zum gegengeschlechtlichen Elternteil hingezogen, während der gleichgeschlechtliche als Rivale empfunden wird.

Dieser Annahme entstammt der Begriff des Ödipuskonflikts. Die Bezeichnung geht auf die Gestalt Ödipus aus der griechischen Mythologie zurück, der seinen Vater tötet und seine Mutter heiratet. Allerdings wusste Ödipus nicht, dass es sich bei der Frau um seine Mutter handelt, da er bei Adoptiveltern aufwuchs. Daher ist die Verwendung seines Namens eigentlich nicht wirklich passend.

Da das Kind seinen gleichgeschlechtlichen Elternteil nicht hassen möchte, identifiziert es sich mit diesem. So hebt es nicht nur den Konflikt auf, sondern setzt sich gleichzeitig mit seiner eigenen Geschlechterrolle auseinander. Erst wenn dieser Konflikt nicht überwunden wird, spricht Freud vom Ödipuskomplex. Dabei verharrt der Mann auf seinem Idealbild der Frau in Form seiner Mutter und hat folglich Probleme mit der Partnerwahl. Denn keine potenzielle Partnerin erfüllt alle Kriterien, die er an dieses Ideal bindet.

Auch bestimmte Merkmale können sich in Folge des Ödipuskomplexes ausbilden. Dazu zählen etwa Liebesunfähigkeit, Impotenz oder Probleme mit der eigenen Geschlechterrolle. Doch nicht nur in Bezug auf die Sexualität, sondern auch auf das Verhalten allgemein kann ein unbewältigter Ödipuskomplex Auswirkungen haben. Nach psychoanalytischer Deutung haben Probleme mit Unter- oder Überlegenheit damit zu tun. So können sich Menschen beispielsweise dem anderen Geschlecht über- oder unterlegen fühlen oder auch in Bezug auf Autoritäten und Hierarchien ihre Schwierigkeiten haben.

4. Latenzperiode

Die Phase zwischen dem sechsten und zwölften Lebensjahr erfährt in der Psychoanalyse eher wenig Beachtung.
Von einer Periode der Latenz spricht Freud hier deshalb, weil die Triebe in diesem Stadium nicht im Vordergrund der psychischen Entwicklung stehen. Denn in dieser Zeit lernt das Kind, seine Triebe zu kontrollieren und kann auf deren unmittelbare Befriedigung vorerst verzichten. Stattdessen befasst sich das Kind nun mehr mit seiner Umwelt.

Das heißt allerdings nicht, dass die psychische Entwicklung in dieser Zeit stagniert. Zu Beginn dieser Phase folgt schließlich in der Regel der Schuleintritt. Das Kind lernt eine neue Umgebung, neue Kinder und auch neue Aufgaben kennen. Auf der einen Seite nimmt dies einen Großteil der Energie in Anspruch. Doch auf der anderen Seite sind auch hemmende Kräfte nun aktiver, welche das freie Ausleben der Triebe verhindern. Durch das nun ausgeweitete soziale Umfeld werden auch Gefühle wie Scham oder Ekel präsenter. Allerdings kommen auch neue moralische und gesellschaftliche Anforderungen hinzu, die das Kind in seiner Persönlichkeitsentwicklung voranbringen.

5. Genitale Phase

Die Pubertät wandelt die Zielrichtung der kindlichen psychosexuellen Entwicklung.
In der Kindheit bezog sich der Lustgewinn noch auf die eigenen Triebquellen. Ab einem Alter von etwa zwölf Jahren (also ungefähr zu Beginn der Pubertät) verändert sich der Fokus der kindlichen Sexualität. Zwar spielten die Geschlechtsorgane bereits in der phallischen Phase eine entscheidende Rolle, doch war das Interesse doch noch vor allem auf die Auseinandersetzung mit den eigenen gerichtet.

In den Mittelpunkt tritt nun das andere Geschlecht. Die Triebquelle ist wieder die Genitalzone, doch geht es in dieser Phase eher um Sexualität im Sinne der Fortpflanzung. Es entwickelt sich demnach hier die Sexualität aus, welche sich nun auf einen Partner fokussiert.

Zusammenfassung:

  • Die Theorien von Freud beinhalten verschiedene Stadien der psychosexuellen Entwicklung.
  • Ein Kind durchläuft demzufolge zunächst die orale Phase, gefolgt von der analen sowie der phallischen Phase. Anschließend folgt eine Latenzphase, welche in die genitale Phase mündet.
  • In jeder Phase gibt es eine bestimmte Körperregion, welche als Triebquelle bezeichnet wird. Im Zusammenhang damit werden bestimmte positive oder negative Erfahrungen gemacht, welche sich auf das spätere Leben auswirken.
  • Während der Mund in der oralen Phase zentral ist, sind die Ausscheidungsorgane in der analen und die Genitalien in der phallischen Phase von großer Bedeutung.
  • >Die fehlende Überwindung der oralen Phase kann mit Süchten, Minderwertigkeitsgefühlen oder Gier im späteren Leben einhergehen. Wichtig ist daher, nicht nur die oralen Bedürfnisse des Säuglings zu befriedigen (Stillen, Schnuller, etc.) – sondern auch ausreichende Versorgung mit Wärme, Zuneigung und Verlässlichkeit seitens der Eltern.
  • In der analen Phase rücken neben der Sauberkeitserziehung die Fähigkeiten Kontrolle und Abgabe in den Vordergrund. Statt einer zu großen Strenge sollte in dieser Phase viel Wert auf das Loben der Eigenleistung des Kindes gelegt werden. Allerdings ist im Zuge der Trotzphase auch das Aufstellen von Grenzen wichtig für die persönliche Entwicklung.
  • Der in der phallischen Phase auftretende Ödipuskonflikt kann auch für die Eltern herausfordernd sein. Wichtig ist hierbei, dass das gegengeschlechtliche Elternteil dem Kind gegenüber gleichbleibend freundlich bleibt und sich der andere Elternteil nicht gekränkt oder abweisend verhält. Gerade in dieser Entwicklungsstufe ist eine positive emotionale Beziehung beider Eltern gegenüber dem Kind und zueinander von großer Bedeutung.

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