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Was ist das Grauburgundervirus: Herkunft, Bedeutung und Verbreitung


Bei dem Grauburgundervirus handelt es sich um eine Krankheit, die Weinreben befällt. Das Virus breitet sich in den Weinanbaugebieten in Deutschland seit einigen Jahren rasant aus. Es vermehrt sich rasend schnell und bleibt dabei häufig unerkannt. Das Virus befällt Reben aller Weinsorten und verbreitet sich über alle Grenzen hinweg.

Das Grauburgunder-Virus wird GPGV abgekürzt. Die Abkürzung kommt aus dem Englischen und steht für Grapevine Pinot gris virus. Das haarförmige Virus gehört zu den Trichoviren. Tricho ist das griechische Wort für Haar. Das Virus ist wesentlich länger als breit. Seine Länge beträgt 0,001 Millimeter, sein Durchmesser 0,00001 Millimeter. Als genetische Information besitzt es lediglich ein einzelsträngiges RNA-Molekül.

Woher kommt das Grauburgundervirus

Phytopathologen beschäftigen sich mit Pflanzenkrankheiten. Um dem Grauburgundervirus auf die Spur zu kommen, untersuchten sie acht Jahre lang einen Weinberg in Frankreich, in der Region Châteauneuf-du-Pape. Die ersten Reben wurden zwischen 1999 und 2003 infiziert. Im Jahr 2014 waren fünf Prozent der Rebstöcke befallen. 2015 waren es schon 80 Prozent.

Der Anstieg der Ansteckung der Pflanzen mit dem Grauburgunder-Virus vollzieht sich schnell. Mittlerweile wurde das Virus schon in 28 verschiedenen Rebsorten weltweit nachgewiesen. Neben den bekannten Sorten wie Grauburgunder, Spätburgunder, Merlot, Chardonnay, Sauvignon, Cabernet oder Riesling sind viele weitere Sorten betroffen.

Zwar wurden durch das Grauburgunder Virus verursachte Krankheitssymptome schon im Jahr 2003 entdeckt. Infiziert waren damals Reben im norditalienischen Trentino. Nachgewiesen wurden die Viren aber erst im Jahr 2012 in Grauburgunder-Reben. Daher kommt der Name des Virus. Dass es mit der Identifizierung des Krankheitserregers so lange gedauert hat, liegt an den damals noch nicht zur Verfügung stehenden Nachweismethoden.

Die Verbreitung des Virus

Bestätigt wurde die Krankheit zunächst in Italien, aber bald auch schon in Frankreich, Spanien, in Australien, den USA, in China und in Brasilien. Das Virus hatte sich in den neun Jahren seit seiner Entdeckung weltweit in den weinbaubetreibenden Ländern verbreitet. In Deutschland wurde es erstmals im Jahr 2015 nachgewiesen, in einer Riesling-Anlage im Baden-Württembergischen Ortenau.

Der Nachweis gelang durch die Zusammenarbeit des Staatlichen Weinbauinstituts (WBI) in Freiburg mit der virologischen Abteilung des Leibnitz-Instituts Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen (DSMZ) durch die Entwicklung einer RT-PCR-Nachweismethode. Ein Jahr später wurde das Virus bei der Rebsorte Domina in Franken und bei Kerner im Remstal entdeckt. Im Jahr 2018 wurde es im Württembergischen Unterland nachgewiesen, und zwar bei Weiß- und Spätburgunder und bei Schwarzriesling.

Es ist nicht bekannt, wie hoch die Verbreitung des Virus in Deutschland oder weltweit tatsächlich ist. Die korrekte Verbreitung lässt sich kaum abschätzen, denn das Grauburgundervirus wurde auch in Reben nachgewiesen, die symptomfrei waren. GPGV findet sich also nicht nur in sichtbar erkrankten Pflanzen. Zudem lässt sich nicht sagen, wann sich an infizierten Pflanzen Symptome bemerkbar machen und welche Faktoren hierbei eine Rolle spielen. Erschwerend kommt hinzu, dass die durch das Grauburgundervirus ausgelösten Krankheitssymptome denen eines Milbenbefalls sehr ähnlich sind. Es besteht also Verwechslungsgefahr, die eine genaue Abschätzung der GPGV-Verbreitung so gut wie unmöglich macht.

Die Symptome der Grauburgundervirus-Krankheit

Die Symptome der Virus-Krankheit treten vor allem im Frühjahr auf, können sich aber auch während der kompletten Vegetationsperiode zeigen. Die deutlichsten Symptome sind:

  • eine chlorotische Marmorierungen der Blätter durch eine Störung des Photosynthese-Stoffwechsels, bei dem Chlorophyll entweder abgebaut oder gar nicht erst gebildet wird
  • eine Deformation der Blätter
  • ein gestauchtes Triebwachstum aufgrund verkürzter Internodien. Ein Internodium ist der Sprossachsenteil zwischen zwei Knoten, der keine Blätter trägt.

Je nach Rebsorte können die Symptome und deren Ausprägung unterschiedlich sein. In deutschen Weinbaugebieten wurde zum Beispiel festgestellt, dass bei Kerner- und Riesling-Reben keine Blattsymptome auftreten, dafür aber stark verkürzte Internodien. Anders hingegen finden sich bei infizierten Reben des Gewürztraminers oder Weißburgunders die typischen Blatt- und Triebveränderungen. Abhängig von der jeweiligen Sorte, unterscheiden sich die Symptome.

Möglicherweise sind aber auch genetische Varianten des Grauburgundervirus verantwortlich für die unterschiedlichen Ausprägungen der Symptome. Diese Vermutungen ergeben sich aus der Tatsache, dass es infizierte symptomfreie Reben gibt. Es wird davon ausgegangen, dass mindestens ein weniger virulentes Isolat existiert. Es wird noch untersucht, ob sich die bekannten Virusisolate genetisch unterscheiden.

Wie überträgt sich das Grauburgunder-Virus

Es wird angenommen, dass sich das GPGV durch die Übertragung durch Milben und Insekten verbreitet. Es ist bekannt, dass dies bei anderen Trichoviren der Fall ist. Unter kontrollierten Bedingungen konnte in Italien nachgewiesen werden, dass das Grauburgundervirus durch die Pockenmilbe übertragen wird. Ob dies auch im Freiland möglich ist, ist unklar. Die Übertragungswege sind noch nicht vollständig erforscht.

Ebenfalls ist denkbar, dass krautige Pflanzen im Unterwuchs der Weinreben wie etwa die Weiße Lichtnelke oder der Weiße Gänsefuß mit dem Virus befallen werden und als Wirtspflanzen dienen. Sie wären dann mögliche Virenreservoirs und würden für die Verbreitung von GPGV sorgen. Ob und in welchem Maße dies geschehen kann, ist noch unklar. Unerforscht ist zudem ihre Funktion bei der Virusübertragung und ob es eventuell alternative Wirtspflanzen gibt.

Möglich ist auch, dass das Virus in Reben latent vorliegt und nur in Ausnahmefällen zu Krankheitssymptomen führt. Um dies zu überprüfen, müssen Stichproben aus verschiedenen deutschen Anbaugebieten entnommen und auf genetische Diversität und Virulenz untersucht werden. In diesem Zusammenhang geht es auch darum herauszufinden, welche Symptomausprägungen welchen Rebsorten zugeordnet werden können.

Sehr wahrscheinlich ist allerdings eine Übertragung des Grauburgundervirus über das Rebenpflanzgut im Veredlungsprozess.

Welche Konsequenzen hat das GPGV für den Weinbau

Das Grauburgundervirus stört die Entwicklung der Gescheine und Beeren, was zu Reifeverzögerungen und letztendlich zu Ertragsverlusten führt. „Gescheine“ sind die länglichen, rispenartigen Blütenstände der Weinreben. Sie bilden sich im Frühjahr aus mit einer Vielzahl an Knospen. Während der Rebblüte entstehen daraus die einzelnen Blüten.

Aus den befruchteten Blüten bilden sich wiederum die Weinbeeren, die zusammengenommen eine Traube bzw. Rispe ergeben. Die Bezeichnung „Geschein“ bezieht sich auf die Ähnlichkeit zwischen den Knospen und den späteren Trauben. Die Knospen „scheinen“ schon kleine Weintrauben zu sein. Wenn die Gescheine in ihrer Entwicklung also gestört werden, ergeben sich automatisch Ernteverluste.

Die Stockschäden, die das Grauburgundervirus verursacht, sind vermutlich nachhaltig und werden auch in den Folgejahren auftreten. Solange das Virus vorhanden ist, wird es wohl Schäden verursachen. Je stärker der Befall, desto größer der Schaden. GPGV ist allerdings noch zu wenig erforscht, um konkrete Aussagen über seine nachhaltige Schädlichkeit treffen zu können. Sein Risikopotenzial ist wissenschaftlich noch nicht ausreichend untersucht.

Mögliche Bekämpfung des Grauburgundervirus

Je früher eine Infektion durch den Grauburgundervirus entdeckt wird, desto eher kann seine Verbreitung eingedämmt oder sogar unterbunden werden. Der relativ neu entwickelte, sogenannte ELISA-Test kann schnell und kostengünstig eine Infektion erkennen, ist aber weniger sicher als eine Überprüfung anhand des RT-PCR-Verfahrens.

Doch zur Früherkennung eines Virusbefalls ist der ELISA-Test wichtig. Dafür muss eine Probe aus den jungen Blättern einer Rebe entnommen werden. Im Laufe der Zeit verteilt sich das Virus ungleichmäßig in der ganzen Pflanze und kann dann eventuell nicht mehr entdeckt werden. Möglicherweise liegt es also latent in Reben vor, auch wenn es keine Symptome auslöst.

Eine direkte Bekämpfung des GPGV ist nicht möglich. Aus diesem Grund ist es von besonderer Wichtigkeit, nur visuell gesunde Pflanzen zu veredeln. Möglicherweise wird in Zukunft für die Rebenpflanzengutproduktion ein Test auf das Grauburgundervirus notwendig werden. Indirekt lässt sich das Virus nur bekämpfen, indem seine Übertragung unterbunden wird. Allerdings wird die Bekämpfung der Pockenmilbe mit Akariziden nicht empfohlen, denn dadurch werden auch deren natürliche Feinde wie etwa die Raubmilbe vernichtet. Ein solches Vorgehen wäre äußerst kontraproduktiv.

Es ist sinnvoller, betroffene Weinstöcke zu kennzeichnen und über längere Zeit zu beobachten. So kann festgestellt werden, ob die Symptomatik auch im Folgejahr auftritt. Falls das der Fall sein sollte, bleibt nur ein Austausch der kranken durch gesunde Pflanzen. Dadurch wird nicht nur eine weitere Verbreitung des Virus, sondern auch ein dauerhafter Ertragsverlust verhindert.


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