Bilderstreit in Byzanz von 730 bis 843: Ursachen, Ablauf und Folgen
Der byzantinische Bilderstreit war ein Interessenkonflikt in der katholisch-orthodoxen Kirche. Es ging darum, ob Ikonenverehrung mit dem christlichen Glauben vereinbar ist oder ob es sich dabei um einen Verstoß gegen das Zweite Gebot handelt. Was zu dem Streit führte und wie groß seine innenpolitische Rolle tatsächlich war, ist bis heute ungeklärt.
Inhalt
Was war der byzantinische Bilderstreit
Unter dem byzantinischen Bilderstreit versteht man einen zwischen der orthodox-katholischen Kirche und dem byzantinischen Kaiserhaus geführte Debatte. Der Streit dauerte von etwa 730 bis 843 an. Dabei ging es um die Frage, ob die Verehrung von Ikonen, also Heiligenbildern, mit dem christlichen Glauben vereinbar sei.
Im Bilderstreit standen sich Ikonoklasten und Ikonodule gegenüber. Ikonoklasten bedeutet übersetzt Ikonenzerstörer. Damit waren die Personen gemeint, die strikt gegen Bildnisse und ihre Verehrung waren. Die Ikonodulen, übersetzt Ikonenverehrer, hielten an den Bildnissen fest.
Bis heute ist eine wissenschaftliche Bewertung des Bilderstreits schwierig. Nachdem er 843 im Sinne der Ikonodulen für beendet erklärt wurde, vernichteten Ikonoklasten ihre bilderfeindlichen Schriften. Selbst die Autoren jener beteiligten sich daran, um Strafen zu entgehen.
Dadurch bestehen die heute verfügbaren Quellen aus Schriften der Ikonodulen. Ohne Gegenstück muss man davon ausgehen, dass diese parteiisch sind. Man wollte seinen Gegner schlecht darstellen, um Anhänger auf die eigene Seite zu ziehen. Vermutlich übertreiben sie daher ebenfalls, wenn sie vom Zerstörungsausmaß der Ikonoklasten sprechen. Auch die Siegesumstände dürften von den Siegern nicht ganz wahrheitsgemäß wiedergegeben werden.
Ältere wissenschaftliche Schriften über den Bilderstreit sind daher meist nicht mehr durch aktuelle Forschungsergebnisse gestützt.
Ursachen
Wie genau es zum byzantinischen Bilderstreit kam, ist bis heute unklar. Es kommen mehrere mögliche Gründe infrage.
Einfluss durch den Islam
Im Islam herrschte schon früh ein striktes Bilderverbot. Es wurde auch immer wieder darüber diskutiert, ob Bilder von Menschen und Tieren außerhalb des religiösen Bereiches in Ordnung sind. Bis heute haben einige Anhänger der Religion ein Problem mit Fotografien. In manchen Tourismusgebieten werden Urlauber daher darauf aufmerksam gemacht, keine Fotos von Einheimischen zu machen. Dieses strenge Verbot könnte Einfluss auf Byzanz ausgeübt haben.
Andererseits war unter Moslems dieser Zeit auch die Annahme verbreitet, das göttliche Wesen sei unmöglich durch Bilder einzufangen. Eine bildliche Darstellung entspricht daher nie dem Gott und stellt somit auch keinen Verstoß gegen das Bilderverbot dar. Es bleibt daher fraglich, ob und in welche Richtung der Islam den Bilderstreit beeinflusst haben könnte.
Du sollst dir kein Gottesbild machen
Neben islamischen könnte es auch zu jüdischem Einfluss gekommen sein. Das zweite Gebot „Du sollst dir kein Gottesbild machen“ stammt aus dem Tanach, der Hebräischen Bibel. Im Alten Testament sind die Gebote sowie alle weiteren Schriften des Tanach übernommen worden.
Obwohl das Gebot im Christentum frühzeitig existierte, war die Verehrung von Ikonen weit verbreitet. Man stellte damit allerdings nicht Gott mit Gesicht dar, sondern verschiedene Heilige. Aus diesem Grund sah man darin wohl keinen Verstoß gegen das Gebot.
Im Judentum versteht man das Bilderverbot anders. Es umfasst dabei Menschen sowie jegliche Tiere. Explizit erwähnt sind neben Bildern außerdem Statuen. Bei der christlichen Verehrung von Abbildungen Jesu handelt es sich laut jüdischem Glauben daher um einen Verstoß gegen das Bilderverbot.
Auch diese religiöse Gruppe könnte daher den Bilderstreit entfacht haben.
Reaktion auf befürchtete Strafen Gottes
Kam es zu Naturkatastrophen, Hungersnöten oder Niederlagen im Krieg, suchten die Menschen des Mittelalters die Erklärung gern in ihrer Religion. Sie vermuteten, durch früheres Handeln den Zorn Gottes auf sich gezogen zu haben. Um weiteren Schaden abzuwenden, mussten sie ihn wieder milde stimmen, indem sie in seinem Willen handelten.
In die Zeit des byzantinischen Bilderstreits fallen zwei größere Ereignisse, die zu so einer Reaktion geführt haben könnten: Der Ausbruch des Vulkans auf der Insel Santorin und der Vormarsch der Araber in Kleinasien.
Der Vulkan brach entweder 726 oder 730 aus. Kaiser Leo III, der zu dieser Zeit in Byzanz herrschte (von 717 bis 741), war ein brennender Verehrer von Gottesbildern. Doch der Vulkanausbruch soll ihn zu radikalem Umdenken gebracht haben.
Der Ausbruch verdunkelte mehrere Tage den Himmel und führte zu einem Seebeben in der Ägäis. Kaiser Leo nahm daraufhin die Christusikone am Chalke-Tor des Großen Palastes in Konstantinopel ab. Das Tor war der Eingang, über den Besucher den Palast üblicherweise erreichten. Es selbst und der darauf folgende Weg war entsprechend reich geschmückt, um sie zu beeindrucken. Die goldene Ikone war nur ein Teil dieses Schmuckes, jedoch ein wichtiger. Das Volk reagierte auf diesen Akt wohl sehr erzürnt.
Kurz darauf im Jahr 730, oder vier Jahre nach dem Vulkanausbruch, brach Kaiser Leo mit den Ikonodulen. Er soll die Ikonenverehrung Jesu, Marias und der Heiligen verboten und gleichzeitig ihre Zerstörung angeordnet haben.
Auch diese Ursache für den Ausbruch des Bilderstreits ist jedoch fraglich. Es ist nicht bewiesen, ob Kaiser Leo wirklich die Ikonenzerstörung angeordnet hat. Auch ein Aufschrei aus der Bevölkerung blieb laut aktueller Forschung vermutlich aus. Natürlich kann es kleinere Widerstände gegeben haben, aber ernstzunehmen waren diese offenbar nicht.
Dazu trug sicherlich bei, dass Kaiser Leo das Kreuz als christliches Symbol verehrte. Ikonodule und Ikonoklasten konnten dies problemlos akzeptieren. Wahrscheinlicher ist daher, dass es unter ihm nicht zu offenem Widerstand oder Protesten kam. Versteckt oder in geringerem Ausmaß ist das allerdings dennoch möglich.
Während der Herrschaft von Kaiser Leo III. kam es zur islamischen Expansion. Diese begann bereits in der Mitte der 630er Jahre und zog sich über 100 Jahre hin. Dabei drangen die Araber bis nach Konstantinopel vor, nahmen Ägypten und viele Teile Kleinasiens ein. Insgesamt verlor Byzanz dabei etwa die Hälfte seines Herrschaftsgebietes.
Diese massiven Verluste könnten ebenfalls zu einer Ursachensuche in der Bevölkerung, der Kirche und dem Kaiser geführt haben. Da man sich durch verschiedene religiöse Einflüsse bereits uneinig über die Ikonenverehrung war, könnte diese als Sündenbock hergehalten haben.
Ablauf
Der byzantinische Bilderstreit verlief in mehreren Phasen, welche im Folgenden vorgestellt werden.
Erste Phase
Die Auslöser des Bilderstreits sind nicht genau bekannt. Dennoch wird sein Beginn auf die Entfernung der Christusikone durch Kaiser Leo III. gelegt. Parteiischen Quellen der Ikonodulen zufolge kam es daraufhin zu enormen innenpolitischen Spannungen. Heute sehen Forscher diese Quellen deutlich kritischer. Vermutlich ging das Leben nahezu unverändert weiter. Erst im Nachhinein wurde der Konflikt deutlich massiver dargestellt, als er tatsächlich war.
Dafür spricht, dass Kaiser Leo sowohl im Osten als auch im Westen unterstützt wurde. Es ist also unwahrscheinlich, dass er hart gegen die Kirche gehandelt hat.
Dennoch kam es zu einem Streit zwischen dem Kaiser und den Päpsten Gregor II. und Gregor III. Dabei ging es allerdings nicht um Bildnisse, sondern um Steuererhöhungen, die der Kaiser im Westen durchsetzen wollte. In späteren Quellen sprechen Ikonodule jedoch davon, dass Auslöser dieses Streits im Wesentlichen die Bilderfrage war.
Vermutlich war sie tatsächlich Thema. Dafür spricht, dass es 731 zu einer Synode unter Gregor III. kam, in der er die Ikonoklasten verurteilte. Eine größere Reaktion darauf blieb jedoch aus. Der Kaiser entzog dem Papst lediglich einige Bistümer in Süditalien.
Es ist unwahrscheinlich, dass es zur Zeit Kaiser Leos III. zu starken innenpolitischen Spannungen kam. Er schaffte es während seiner Regentschaft, das Land außenpolitisch so zu festigen, dass seine Nachfolger mehrere Generationen herrschen konnten.
Sein Sohn, Konstantin V., folgte ihm 741 auf den Thron und regierte bis 775. Wie er zu Bildnissen eingestellt war, ist umstritten. Ältere Quellen stellen ihn als Ikonodulen dar, während die neuere Forschung eher davon ausgeht, dass er Ikonen kritisch sah. Zu einer Verfolgung der Ikonodulen kam es unter ihm jedoch wahrscheinlich nicht.
Zwar verurteilte er auf dem Konzil von Hiereia 754 die Bildverehrung und exkommunizierte Johannes von Damaskus sowie Germanos I. Ersterer war römisch-katholischer Kirchenvater, letzterer der Patriarch von Konstantinopel. Allerdings kam es im Anschluss daran nicht zu blutigen Auseinandersetzungen oder anderen heftigen Folgen. Wahrscheinlich interessierte sich auch Konstantin V. eher weniger für die Bilderfrage und ging religionspolitisch nachsichtiger um.
Dafür spricht auch, dass der Kaiser unter Geistlichen viele Freunde hatten, die ihn politisch unterstützten. Es kam unter ihm zur Verfolgung einiger Mönche, allerdings hatte dies nichts mit dem Bilderstreit zu tun.
Die außenpolitische Lage war durch den islamischen Vormarsch weiterhin angespannt. Um nicht in den Militärdienst eingezogen zu werden, gingen daher vermehrt Männer ins Kloster und tarnten sich als Mönche. Die Verfolgung galt diesen Männern, die Konstantin V. zur Verteidigung seines Reiches brauchte. Außerdem entledigte der Kaiser sich auf diese Weise von Verschwörern und oppositionellen Gruppen. Die Ikonodulen stellten diese Handlung später in direkten Zusammenhang mit dem Bilderstreit. Die Mönche wurden dadurch zu Märtyrern ihrer Sache.
Auf Konstantin V. folgte Leo IV., sein Sohn. Er regierte von 775 bis 780 und mischte sich wenig in religionspolitische Fragen ein. Dazu trug sicherlich bei, dass seine Frau, Kaiserin Irene, zu den Ikonodulen gehörte. Er selbst sprach sich eher gegen die Bildverehrung aus, konnte diese Ansicht durch seine Gemahlin jedoch nicht so durchsetzen.
Leo IV. starb früh und ließ einen unmündigen Sohn, Konstantin VI, auf dem Thron zurück. Seine Frau wurde Regentin. Sie beendete den Bilderstreit auf dem Zweiten Konzil von Nicäa im Jahr 787. Seit dem war Ikonenverehrung erlaubt, ihre Anbetung jedoch verboten. Man begründete die Entscheidung damit, dass Gott in Jesus eine menschliche Gestalt angenommen hatte. Seine bildliche Darstellung war damit möglich und kollidierte nicht mit dem Zweiten Gebot. Auch Rom stellte sich hinter diese Entscheidung, obwohl es dort niemals zu einem Verbot der Ikonenverehrung gekommen war.
Das Konzil führte in Europa durch Übersetzungsfehler zu Unruhen, die sich durch weitere Synoden entluden, in denen Gegendarstellungen angebracht wurden. An der Entscheidung in Byzanz änderte das nichts.
Zweite Phase
Kaiser Leo V. (813 bis 820) entfachte den Bilderstreit 815 erneut. Er war Ikonoklast und stellte einen Zusammenhang zwischen militärischem Erfolg und ikonoklastischem Herrscher fest. Die ikonoklastischen Kaiser vor ihm verzeichneten enorme Erfolge in Kriegen, während die ikonodulen Kaiser während der Pause des Bilderstreits außenpolitisch versagten.
Trotzdem war auch unter ihm und seinen Nachfolgern Michael II. und Theophilos Politik wichtiger als Religion. Ikonenverehrung wurde nicht bestraft oder verfolgt, solange sie versteckt geschah und man sich öffentlich für den Kaiser aussprach.
Eindeutig dafür spricht, dass Methodios, ein Geistlicher, ein enger Vertrauter Kaiser Theophilos wurde. Methodios war bekennender Ikonenverehrer, doch dieser Umstand störte das Verhältnis der Männer nicht im Geringsten.
Methodios’ Rolle im Bilderstreit wuchs unter Theophilos Nachfolger, Kaiser Michael III. Dieser war zum Todeszeitpunkt seines Vaters unmündig, sodass seine Mutter Theodora und der Eunuch Theoktistos regierten. Theodora setzte sich für die Ikonenverehrung ein und startete die Verfolgung der Paulikianer.
Die Paulikianer waren eine christliche Bewegung, die jegliche Bildnisse ablehnten. Selbst Kruzifixe waren in ihren Augen problematisch. Theodora wollte den Bilderstreit endgültig beenden und richtete ihre Aufmerksamkeit daher auf diese Bewegung.
Der Verfolgung fielen über 100.000 Anhänger bei Massenhinrichtungen zum Opfer. Die Überlebenden mussten ihrem Glauben abschwören.
Mit diesem Vorgehen starb der Widerstand gegen die Ikonen im Volk. Theodora setzte Methodios am 4. März 843 als Patriarch von Konstantinopel ein. Er sollte die Ikonenverehrung im Land wieder festigen. Nur eine Woche später wurden die Ikonen in die Hagia Sophia wieder zurückgebracht. Diese Geste ist heute als Fest der Orthodoxie bekannt. Am ersten Sonntag der Fastenzeit feiert die orthodoxe Kirche bis heute diesen Sieg gegen die Ikonoklasten.
Vorsichtige Bewertung
Nach diesen Informationen scheint es so, als wäre es erst unter brennenden Ikonodulen zu blutigen Auseinandersetzungen gekommen. Sie selbst stellten es jedoch so dar, als hätten die Ikonoklasten Jahre zuvor diese Kämpfe begonnen. Dafür fehlen heute die Beweise. Auch der überwältigende Sieg gegen die Paulikianer ist sicher nicht ohne Vorsicht zu betrachten. Er kann durchaus Übertreibungen der Siegerseite beinhalten.
Dennoch ist es möglich, dass die Ikonodulen im Nachhinein ihr blutiges Vorgehen gegen die Ikonoklasten rechtfertigen wollten. Die aktuelle Forschungslage spricht dafür, dass der Bilderstreit zuvor weder blutig geführt, noch in der Öffentlichkeit groß diskutiert wurde. Sein dafür umso blutigeres Ende wirkt daher fast schon grotesk übertrieben von der Siegerseite aus.
Folgen
Der reformatorische Bildersturm
Während der Reformation im 16. Jahrhundert kam es erneut zu Auseinandersetzungen zwischen Ikonodulen und Ikonoklasten. Martin Luther selbst lehnte den Heiligenkult ab, beachtete aber Bilder und Statuen als solche nicht weiter. Allerdings gab es auch brennende Ikonoklasten unter seinen Anhängern, die Kirchen von ihren Bildnissen befreien wollten.
Mancherorts fand das ohne Gewalt statt. Die Bildnisse wurden einfach aus den Kirchen entfernt, ohne sie zu zerstören. Teilweise ließen die Ikonoklasten jedoch ihre Wut an den Ikonen aus. Sie wurden verbrannt, zerstückelt, stellenweise noch in den Kirchen, oder ihre Gesichter zerkratzt. Fenster warf man mit Steinen ein.
Der reformatorische Bildersturm kann als späte Folge des byzantinischen Bilderstreits gesehen werden.