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So kannst du Psychologische Hypothesen formulieren und Theorien aufstellen


Psychologie ist eine forschende Wissenschaft. Und hinter jedem wissenschaftlichen Forschungsprozess stecken Theorien und Hypothesen. Sie bilden den Ausgangspunkt für alle weiteren Forschungsschritte von der Untersuchungsplanung, über die Erhebung von Daten bis hin zur Interpretation der Ergebnisse.

  • Doch worin unterscheiden sich Theorie und Hypothese?
  • Und warum sind Hypothesen für den psychologischen Forschungsprozess so wichtig?

Diese Fragen will ich in diesem Beitrag für dich beantworten.
Dabei unterliegen sowohl psychologische Hypothesen als auch Theorien verschiedenen Kriterien, die zu ihrer Beurteilung herangezogen werden können.

Was ist eine psychologische Hypothese?

Eine Hypothese ist eine Antwort auf die Forschungsfrage.
Hypothesen werden benötigt, um Theorien zu überprüfen. Eine Theorie ist ein Konstrukt, das Antworten auf eine bestimmte Forschungsfrage liefern soll. Ob eine Theorie richtig ist oder nicht kann anhand von Hypothesen untersucht werden. Diese lassen sich aus Theorien ableiten und werden als Aussagen über die eigentliche Forschungsfrage formuliert. Anders ausgedrückt sind Hypothesen Vermutungen über die Realität.

Um das alles ein wenig greifbarer zu machen, kannst du dir folgendes Beispiel vorstellen.
Dir ist der Gedanke gekommen, dass Tageslicht einen Einfluss auf die Konzentrationsfähigkeit haben könnte. Das wäre also deine Theorie. Um diese zu überprüfen, leitest du nun konkrete Hypothesen ab. Zum Beispiel könntest du sagen, dass Schüler sich bei Tageslicht länger auf einen komplexen Text konzentrieren können als bei künstlicher Beleuchtung.

Jetzt müsstest du dir noch ein Untersuchungsdesign überlegen, mit dem du deine Hypothese testen kannst. Du überlegst dir daher, wie der Testraum aussehen sollte (zum Beispiel ein Raum mit Fenster und ein Raum ohne Fenster), welches Material du den Versuchspersonen vorlegen willst und womit du ihre Konzentrationsfähigkeit überprüfst.

Dafür könntest du die Zeit messen, die die Versuchspersonen zum Lesen des Textes benötigen oder auch einen Fragebogen, der Fragen zum Inhalt des Textes stellt.

2 Arten an Psychologische Hypothesen: Nullhypothese und Alternativhypothese

Bei der Formulierung der Hypothesen stellst du dann eine Nullhypothese und eine Alternativhypothese auf. Die Nullhypothese würde in diesem Beispiel lauten, dass es keinen Zusammenhang zwischen der Beleuchtung und der Konzentrationsfähigkeit gibt.

Deine Alternativhypothese kann nun gerichtet oder ungerichtet ausfallen. In der gerichteten Alternativhypothese gehst du davon aus, dass die Schüler sich bei dem natürlichen Tageslicht besser konzentrieren können als bei dem künstlichen Licht. Du gibst also eine konkrete Richtung für das Ergebnis vor.

Eine ungerichtete Alternativhypothese würde lediglich aussagen, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Licht und der Konzentration gibt. Allerdings legst du dich noch nicht auf die Richtung fest. Es könnte also sein, dass das Tageslicht sich positiv auf die Konzentrationsfähigkeit auswirkt. Doch genauso wäre ein negativer Effekt möglich. Das ist bei dieser Formulierung der Hypothese allerdings nicht relevant. Wichtig ist hierbei nur, dass du einen Zusammenhang feststellen möchtest.

Hier am Beispiel:

  • Nullhypothese: Das Tageslicht hat keinen Einfluss auf die Konzentration der Schüler.
  • Gerichtete Alternativhypothese: Das Tageslicht hat eine positive Auswirkung auf die Konzentration der Schüler.
  • Ungerichtete Alternativhypothese: Das Tageslicht hat irgendeine Auswirkung auf die Konzentration der Schüler.

Bei den genannten Formulierungen handelt es sich um sogenannte Zusammenhangshypothesen. Immerhin willst du ja mit deinem Experiment herausfinden, ob ein Zusammenhang zwischen der Beleuchtung und der Konzentrationsfähigkeit besteht.

Du könntest allerdings auch Unterschiedshypothesen konstruieren. Auch hier gäbe es eine Null- und eine Alternativhypothese. Letztere wäre ebenfalls wieder gerichtet oder ungerichtet. Deine Nullhypothese würde bei einer Unterschiedshypothese so lauten:

  • Die Konzentrationsfähigkeit der Schüler im fensterlosen Raum unterscheidet sich nicht von der Konzentrationsfähigkeit der Schüler, die im Raum mit den Fenstern sind.

Deine ungerichtete Alternativhypothese würde annehmen, dass es einen Unterschied in der Konzentrationsfähigkeit beider Gruppen gibt. Allerdings geht aus ihr nicht hervor, worin dieser Unterschied besteht. Die gerichtete Alternativhypothese hingegen könnte aussagen, dass die Konzentrationsfähigkeit der Schüler im Raum mit den Fenstern höher ist als bei den Schülern im fensterlosen Raum.

  • ungerichtete Alternativhypothese: Die Konzentrationsfähigkeit der Schüler im fensterlosen Raum unterscheidet sich von der Konzentrationsfähigkeit der Schüler, die im Raum mit den Fenstern sind.
  • gerichtete Alternativhypothese: Die Konzentrationsfähigkeit der Schüler im fensterlosen Raum ist niedriger als die Konzentrationsfähigkeit der Schüler, welche im Raum mit den Fenstern sind.

Aufgrund der Ergebnisse der Datenerhebung wird entschieden, ob eine Hypothese zutreffend ist oder nicht. Sprechen die Ergebnisse für die Nullhypothese wird die Alternativhypothese abgelehnt. Die Theorie wird also nicht untermauert. Anders verhält es sich, wenn sich die Alternativhypothese als korrekt erweist. Deine Theorie würde in dem Falle unterstützt. Allerdings kann es bei der Entscheidung für oder gegen eine Hypothese auch immer zu Fehlern kommen.

Psychologische Hypothesen-Fehler haben Folgen

So kann es zur Ablehnung der Nullhypothese kommen, obwohl diese zutrifft.
Der gleiche Fall kann auch bei der Alternativhypothese eintreffen. Das kann unterschiedliche Folgen haben. Wird zum Beispiel die Wirksamkeit einer Therapie gegen Angststörungen getestet, lautet die Nullhypothese:

  • „Die Therapie wirkt nicht“.

Die Alternativhypothese könnte aussagen, dass die Personen der Experimentalgruppe nach der Therapie weniger stark ausgeprägte Ängste haben als die Kontrollgruppe. Letztere erhielt keine Therapie. Nun kann es sein, dass die Daten auf irgendeine Weise verfälscht wurden, so dass die Ergebnisse für die Nullhypothese sprechen.

Es wird somit geschlussfolgert, dass die Therapie nicht wirkt, obwohl sie es in Wirklichkeit tut. Die Alternative wird dennoch abgelehnt und die Therapie eingestellt. Obwohl die Therapie also wirksam wäre, käme sie nicht weiter zum Einsatz. Und Menschen, denen die Therapie hätte helfen können, warten weiter auf eine wirksame Behandlung.

Ein anderer Fehler ist die fälschliche Annahme der Alternativhypothese, obwohl die Nullhypothese in Wirklichkeit gilt. In diesem Beispiel würde die Therapie also nicht wirken. Die Ängste beider Versuchsgruppen unterscheiden sich trotz der therapeutischen Behandlung der einen Gruppe nicht, doch irgendein Messfehler führt zur Annahme der Alternativhypothese.

Das hat zur Folge, dass die Therapie fälschlicherweise als wirkungsvoll angesehen wird, obwohl sie keinerlei Besserung verschafft. Die Therapie würde in der klinischen Praxis weiterhin angewendet werden, nützt allerdings niemandem und verursacht auf diese Weise nur unnötige Kosten im Gesundheitssystem.

Unterschied zwischen Psychologischen Hypothese und Theorie

Theorien sollen Komplexes vereinfachen.
Anders als eine Hypothese sind Theorien weniger konkret. Daher sind sie auch nicht direkt prüfbar. Die Zusammenhänge in der Welt sind nun einmal sehr komplex. Deshalb soll diese Komplexität innerhalb einer Theorie abstrahiert und vereinfacht werden.

Dafür kommen verschiedene Definitionen, Begrifflichkeiten und Aussagen zum Einsatz. Dass eine Theorie einen Sachverhalt der Wirklichkeit nur sehr allgemein und vereinfacht darstellt, stellt einen Nachteil dar: Denn das Spezifische wird verallgemeinert.

Doch wozu werden Theorien dann benötigt?
Zum einen sollen durch die Vereinfachung allgemeine Gesetze gefunden werden. Diese helfen dabei, das Beobachtete zu erklären. Zum anderen dienen sie zum Erstellen von Prognosen.

Das ist wie bei der Schwerkraft: Diese Theorie besagt, dass die Schwerkraft alles zum Boden zieht. Dadurch kannst du mit Hilfe der Theorie vorhersagen, dass etwas – aufgrund der Schwerkraft – auf dem Boden landet.

Außerdem helfen Theorien dabei, Veränderungen herbeizuführen. Zusammengefasst lässt sich also sagen, dass Theorien dem Erklären, Vorhersagen und Verändern dienen. Und eben dies sind auch die Ziele der Psychologie hinsichtlich des menschlichen Verhaltens und Erlebens.

Ob eine Theorie gut ist oder nicht, kannst du an verschiedenen Kriterien ausmachen. Theorien sollten (ebenso wie Hypothesen) widerspruchsfrei sein. Sie müssen präzise und sparsam formuliert sein. Es soll also möglichst viel mit möglichst wenig erklärt werden.

Auch sollten sie auf einen breiten Bereich anwendbar sein und Prognosen erlauben. Sie müssen also möglichst praktisch und auf die Wirklichkeit anwendbar sein. Außerdem sollten sie Bezüge zu anderen Theorien haben und sich in bewährte Ansätze integrieren lassen.

Welche Anforderungen werden an wissenschaftliche Hypothesen gestellt?

Eine Hypothese muss falsifizierbar sein.
Falsifizierbarkeit bedeutet nichts anderes, als dass die Hypothese widerlegbar sein muss. Laut Karl Popper (1934) ist der Erkenntnisgewinn aus einer Hypothese ohnehin dann am höchsten, wenn sie widerlegt wurde.

Vielleicht hast du schon einmal von dem Beispiel mit den schwarzen Schwänen gehört. Wenn deine Annahme „Alle Schwäne sind weiß“ lautet, wäre sie bei der Sichtung eines schwarzen Schwans direkt widerlegt. Falls du weiterhin nur weiße Schwäne entdeckst, ist deine Hypothese trotzdem noch nicht bewiesen.

In der klinischen Praxis erweist sich das Vorgehen Poppers allerdings als zu streng. Übertragen wir das Beispiel der Schwäne einmal auf die Wirksamkeit eines Medikaments. Eigentlich wäre die Wirksamkeit des Medikamentes nicht bewiesen, wenn während der Behandlung 99 erkrankte Personen gesund werden und nur eine sterben würde. In diesem Kontext wäre durchaus die Wirksamkeit des Medikaments anzunehmen.

Falsifizierbarkeit, Widerspruchsfreiheit, Operationalisierbarkeit und theoretische Begründung

Neben der Falsifizierbarkeit muss eine wissenschaftliche Hypothese auch widerspruchsfrei sein.
Eine Hypothese muss eine klare Aussage treffen, auf welche hin sie geprüft werden kann. Dabei wird zwischen Unterschiedshypothesen und Zusammenhangshypothesen unterschieden.

Bei der Aussage „Menschen, die regelmäßig Sport treiben, ernähren sich gesünder als Menschen, die keinen Sport treiben“ handelt es sich beispielsweise um eine Unterschiedshypothese. Denn es werden zwei Gruppen von Menschen darin beschrieben, die sich in einem bestimmten Merkmal unterscheiden.

Eine Zusammenhangshypothese könnte folgendermaßen lauten: „Je höher das Alter eines Menschen, desto geringer die Reaktionsfähigkeit“. Hier wird kein Unterschied, sondern der Zusammenhang zwischen zwei Variablen beschrieben.

Die Widerspruchsfreiheit ist ebenfalls ein Kriterium einer guten Hypothese. Sie muss präzise formuliert sein, so dass sie in sich schlüssig ist und keinen Interpretationsspielraum bietet. Die Hypothese „Alte Menschen denken anders“ wäre zu vage. Es stellen sich hierbei verschiedene Fragen. Über welche Inhalte denken sie beispielsweise anders? Und wer ist die Vergleichsgruppe? Denken ältere Menschen anders als Kinder? Oder als Erwachsene mittleren Alters?

Mit der Präzision der Formulierung hängt auch die Operationalisierbarkeit zusammen. Damit ist gemeint, welche Merkmale gemessen werden sollen und auf welche Art und Weise. Verglichen mit Untersuchungen in der Medizin sind psychologische Messungen komplizierter.

Das psychische Erleben und teilweise auch das Verhalten ist nicht direkt messbar. Die Höhe des Blutdrucks kann direkt gemessen werden – die individuelle Ausprägung einer bestimmten Persönlichkeitseigenschaft hingegen nicht. Diese Merkmale können nur indirekt erhoben werden.

Darum stehen Psychologen vor der manchmal ziemlich kniffligen Aufgabe, geeignete Messinstrumente zu finden. Der Grad der Aggression einer Person kann etwa durch Fragebögen oder eine systematische Beobachtung getestet werden. Die über diese Methoden erhobenen Daten werden anschließend statistisch ausgewertet und interpretiert.

Die theoretische Begründung einer Hypothese stellt ein weiteres und eigentlich das wichtigste Kriterium dar. Wenn keine Theorie vorliegt, können keine Hypothesen abgeleitet werden.


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