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Qualzucht: Definition, Bedeutung, Beispiele, Ursachen & Möglichkeiten


Qualzucht ist eine Zuchtform, welche bei Haus- und Nutztieren stattfindet und mit enormen Schmerzen oder permanenten Leiden für diese Tiere einhergeht.

Wieso?
Der Mensch züchtet schon seit Jahrtausenden Tiere. Eine selektive Zucht ermöglicht uns dabei den Einsatz von beispielsweise Hunden mit unterschiedlich ausgeprägten Stärken. Ausdauernde, selbstständige Hunde werden bei der Jagd genutzt, freundliche, ruhige Exemplare sind perfekte Familienhunde.

Seit einiger Zeit geht der Trend jedoch zu einer auf die Optik optimierte Zucht. Diese endet häufig in Qualzucht. Was das für die Tiere heißt, welche Tiere betroffen sind und was du dagegen tun kannst, erfährst du, wenn du in diesem Artikel.

Was ist Qualzucht?

Qualzucht bezeichnet eine Zucht, die für die Tiere mit Leid und Schmerz verbunden ist. Bei der Zucht sollen bestimmte Merkmale des Tieres deutlicher herausgezüchtet werden, ungeachtet der körperlichen Nachteile, die für das Tier dadurch entstehen.

Bekannte Opfer von Qualzucht sind zum Beispiel der Goldfisch mit Blasenaugen, auch Drachenaugen genannt, oder der Mops.

Das Ziel einer Qualzucht ist ausschließlich das Design des Tieres. Dieses soll dem aktuellen Trend angepasst werden, auch wenn dadurch schwere Erkrankungen gefördert werden.

Die Ursache für Qualzucht ist das Kindchenschema

Viele Tiere, die laut Definition unter Qualzucht fallen, ähneln sich in ihrem Aussehen. So haben betroffene Hunde beispielsweise sehr häufig eine kurz gezüchtete Schnauze, sind meistens insgesamt klein oder haben einen abfallenden, flachen Schädel mit großen, teilweise hervorstehenden Augen. Diese Kurzköpfigkeit wird Brachyzephalie genannt.

Noch besser wird dieser Trend erkennbar, wenn du dir den Schädel eines Mopses ansiehst. Die Augenhöhlen sind riesig, der Kiefer nach oben geneigt und weißt nahezu immer einen Unterbiss auf. Ein Nasenbein ist teilweise gar nicht mehr erkennbar.

Vor allem die im Vergleich zum Schädel großen Augen wecken im Menschen einen Urinstinkt, der mit unserer Fortpflanzung zu tun hat. Sehen wir Babys oder Kleinkinder, wirkt dieses Kindchenschema, indem es unsere Bereitschaft zur Pflege stärkt. So sichert die Natur, dass wir uns um den Nachwuchs kümmern, bis er selbstständig wird. Und die so gezüchteten Tiere sollen demnach süß aussehen und unseren Instinkt wecken.

Was bedeutet Qualzuchten für die Tiere?

Wie bereits erwähnt, geht Qualzucht immer mit körperlichen Nachteilen für das Tier einher. Je nach Art der Qualzucht können diese ganz unterschiedlich ausfallen.

Qualzuchten bei Hunderassen

Die bekanntesten Beispiele bei Hunderassen, sind wohl der Mops und die Bulldoggen. Alle Rassen haben gemeinsam, dass ihre Nase sehr kurz gezüchtet wird. Häufig bleibt jedoch Gewebe übrig, das bei anderen Rassen mit längerer Schnauze genug Platz hätte, bei Bulldoggen jedoch zusammengedrängt wird und zu Atemnot führen kann. Das Gaumensegel kann die Atemwege blockieren und zu dem charakteristischen Grunzen und Schnarchen führen, das bei diesen Rassen beobachtet werden kann.

Diese Atemprobleme können in der Regel operativ gelindert oder geheilt werden. Die Tiere werden dadurch jedoch einem vermeidbaren Narkoserisiko ausgesetzt. Außerdem können immer Komplikationen auftreten, wie Infektionen oder Wundheilungsstörungen, die den Heilungsweg deutlich verlängern.

Beim Mops sind die hervorstehenden Augen ständigen Gefahren ausgesetzt. Diese Tiere haben häufiger mit Infektionen zu kämpfen oder verletzen ihre Augen, wenn sie sich beispielsweise im Garten wälzen und Grashalme oder kleine Zweige durch ihre Augen ziehen.

Die kurzgezüchtete Nase hat noch einen weiteren Nachteil. Denn sie verändert die Knorpelstruktur der Hunde. Dadurch erleiden kurzschnäuzige Rassen häufiger Bandscheibenvorfälle oder haben Gelenkprobleme. Dackel haben mit denselben Problemen zu kämpfen. Ihr Rücken ist unnatürlich lang gezüchtet und begünstigt dadurch ebenfalls Bandscheibenvorfälle.

Weiterhin verhindert die fehlende Schnauze, dass die Tiere sich bei heißem Wetter abkühlen können. Sie überhitzen viel schneller als Hunde mit längerer Nase, weil ihnen diese Fläche zum Abkühlen fehlt. Vergleichbar ist dies mit den großen Ohren der afrikanischen Elefanten. Ist den Tieren zu warm, wird die Blutzirkulation erhöht, wodurch mehr Blut in die Ohren gelangt. Durch die große Fläche kann es dort abkühlen, ehe es zurück in den Körper transportiert wird.

Gleichzeitig kühlen vor allem kleine Hunde viel schneller aus und sind bei weitem nicht so leistungsfähig wie größere Rassen.

Zuletzt sei noch erwähnt, dass die Größe der Welpen bei Geburt bei den verschiedenen Rassen nur unwesentlich abweicht. Dass bedeutet, dass ein Chihuahua ähnlich große Welpen bekommt wie beispielsweise ein Labrador. Es ist nur logisch, dass für die Hündin mit der Geburt dadurch ein viel größeres Komplikationsrisiko verbunden ist. Die Welpen können stecken bleiben, wodurch sich die Geburt verzögert und die Welpen möglicherweise sterben.

Vor allem bei Brachyzephalie ist dieses Risiko erhöht. Die Hündin erleidet außerdem häufiger Haut- und Muskelrisse in der Scheiden- und Afterregion.

Aber auch bei großen Hunden mit Schnauze gibt es Fälle von Qualzucht. Beispiele wären hierbei der Shar Pei oder der Mastino Napoletano. Diese Hunde haben recht gut ausgeprägte Nasen, bei ihnen zeigt sich die Qualzucht in einer anderen Form. Sie werden teilweise extrem faltig gezüchtet. Diese Hautfalten begünstigen die Ansiedlung von Pilzen und anderen Haut- und Fellproblemen. Ekzeme können sich in diesen unbelüfteten, feuchten Bereichen, viel leichter bilden. Diese Hunde benötigen daher viel mehr Aufmerksamkeit, um diese Leiden zu verhindern.

Qualzuchten bei Katzenrassen

Perserkatzen haben ähnliche Probleme wie die kurznasigen Hunde. Auch ihre Gesichter sind extrem flach gezüchtet. Sie haben dadurch ebenfalls öfter Atemprobleme und höhere Todgeburtraten.

Es gibt auch Katzenrassen mit verkürzten Schwänzen (Japanese Bobtail) oder geklappten Ohren (Pudelkatze). Der kürzere oder völlig fehlende Schwanz beeinflusst auch die Knochen der Hinterbeine und des Beckens. An diesen Stellen treten bei diesen Katzen häufiger Probleme auf.

Die geklappten Ohren hängen mit Gelenkproblemen zusammen, die zu schmerzhaften Bewegungsstörungen führen können. Beide Körperteile, Ohren und Schwanz, sind für Katzen wichtig, um mit Artgenossen zu kommunizieren. Diese Kommunikation ist bei diesen Rassen nur eingeschränkt möglich. Bei Nacktkatzen, denen die Tasthaare fehlen, ist das ebenso der Fall.

Der Schwanz sorgt außerdem für besseres Gleichgewicht beim Klettern, wodurch diesen Tiere arttypisches Verhalten verwehrt bleibt oder das Verletzungsrisiko dabei erhöht ist.

Die Munchkin, auch Dackelkatze genannt, ist die bisher einzige Katzenrasse mit verkürzten Beinen. Sie erleidet dadurch häufiger Bandscheibenvorfälle.

Qualzuchten bei Fischen

Der bereits erwähnte Goldfisch mit den Blasenaugen hat ein viel höheres Verletzungsrisiko. Er kann mit seinen aufgeblähten Augen an der Einrichtung im Aquarium hängen bleiben oder durch andere Fische verletzt werden.

Eine andere Zuchtform des Goldfisches ist der Löwenkopf. Er hat eine Gewebewucherung am Kopf, die an eine Löwenmähne erinnert. Diese Wucherung kann jedoch so stark ausgeprägt sein, dass sie die Augen bedeckt und daher immer wieder operativ entfernt werden muss. Auch hier müssen die Tiere demnach einem Operationsrisiko und Stress ausgesetzt werden, weil bei der Zucht nur auf Design geachtet wurde.

Bei Fischen werden außerdem Veränderungen am Skelett und den Flossen vorgenommen, was ihre Bewegungsfähigkeit und sogar die Funktion einiger Organe einschränkt.

Qualzucht bei Kaninchen und Tauben

Bei Kaninchen werden teilweise Widder mit Schlappohren oder Angorakaninchen als Opfer von Qualzucht genannt. Die Widder haben durch die Schlappohren ein eingeschränktes Sichtfeld und verletzten sich bei Rang- und Revierkämpfen häufig gegenseitig daran, weil sie ihre Ohren nicht, wie ihre Artgenossen mit Stehohren, nach hinten legen können.

Angoras müssen mehrmals jährlich geschoren werden, weil ihr Fell so stark wächst. Dies kann in warmen Gebieten zu Überhitzung führen.

Kropftauben haben einen deutlich größeren Kropf als andere Taubenrassen. Ihr Kropf ist häufiger von Entzündungen betroffen und kann einreißen. So eine Kropfruptur endet oftmals tödlich.

Qualzuchten bei Nutztieren

Bei den Nutztieren steht ihre Leistung im Vordergrund. Anders als bei Hunden, Katzen und Co. geht es bei ihnen nicht um Designansprüche, sondern darum, das meiste aus ihnen herauszuholen.

Hühner sollen möglichst viele Eier legen, Schweine so viel wie möglich zunehmen (100 kg in einem halben Jahr sind keine Seltenheit), ebenso Fleischrinder. Auch bei Milchkühen geht es nur um ihre Leistung.

Für die Tiere hat das vielfältige Folgen: Gelenk- und Knochenprobleme durch das hohe Gewicht und schnelle Wachstum treten häufig auf. Auch Hühner leiden darunter. Vor allem Schweine sterben oft an Herzversagen und Milchkühe sind immer wieder von Euterentzündungen und Unfruchtbarkeit betroffen.

Eine Nutztierrasse, der ihr Leid anzusehen ist, ist das Hängebauchschwein. Diese Tiere besitzen einen langen Körper und kurze Beine. Als Folge schleift ihr Bauch fast auf dem Boden und der Rücken ist häufig in der Mitte abgesenkt, weil er das Gewicht nicht halten kann. Die Tiere haben außerdem ein kurz gezüchtetes Gesicht und tiefe Hautfalten.

Gesetze gegen Qualzuchten

In Deutschland ist es verboten, Wirbeltiere zu züchten, wenn vermutet werden muss, dass dadurch Leiden gefördert werden. So dürfen beispielsweise taube Tiere nicht zur Zucht verwendet werden, weil davon ausgegangen werden kann, dass sich diese Behinderung weitervererben wird.

Eine Ausnahme bilden wissenschaftliche Zwecke. Die Nacktmaus darf gezüchtet werden, weil sie für Tierversuche genutzt wird, obwohl ihre Haarlosigkeit unter Qualzucht fällt.

Für viele wird dieses Gesetz als nicht ausreichend eingestuft. Dass es von Züchtern häufig ignoriert wird, muss angenommen werden, da sich ansonsten die Zahl der an vermeidbaren, rassetypischen Krankheiten leidenden Tiere nicht stetig erhöhen würde.

Was können Tierschützer und Tierliebhaber gegen Qualzuchten tun?

Das Thema Qualzucht ist gerade in der letzten Zeit immer häufiger Thema in den Medien. Tierschützer wollen die Bevölkerung aufklären und streben an, dass die betroffenen Rassen nicht mehr für Werbung genutzt werden. Wenn Chihuahuas und Perserkatzen nicht mehr gezeigt werden, wird sehr wahrscheinlich auch die Nachfrage nach diesen Rassen sinken.

Was du als Tierlieber tun kannst, ist, nicht bei Züchtern zu kaufen, die mit kranken Tieren züchten. Vor dem Kauf eines Tieres solltest du dir alle Unterlagen zeigen lassen, die bestätigen, dass die Elterntiere auf alle Krankheiten getestet wurden, die vorgeschrieben sind. Das können Taubheit, Hüftdysplasie oder erbliche Augenkrankheiten sein. Nur wenn diese Tests durchgeführt wurden und negativ ausgefallen sind, kannst du davon ausgehen, dass du bei einem verantwortungsvollen Züchter kaufst.

Außerdem solltest du auf den Kauf der aufgeführten Rassen verzichten, sofern es sich um die Rassestandards handelt. Bei Bulldoggen geht der Trend bei vielen Züchtern momentan wieder zu mehr Nase. Auch sehr klein gezüchtete Französische Bulldoggen werden weniger.

Du kannst auch Petitionen unterschreiben, die bei ausreichend Teilnehmern der Regierung vorgelegt werden.
Zum Schluss sei noch erwähnt, dass es bei reinrassigen Tieren im Schnitt immer häufiger zu Krankheiten kommt, als bei Mischlingen. Dies tritt unabhängig davon auf, ob es sich um eine Qualzucht handelt, oder nicht. Außerdem ist nicht jedes Tier, das laut Rasse unter Qualzucht fällt, auch tatsächlich von gesundheitlichen Problemen betroffen. Die Wahrscheinlichkeit ist jedoch deutlich erhöht.

Artenschutz und Qualzucht

Da stellt sich die Frage: Wenn niemand mehr eine bestimmte Tierrasse kauft, stirbt diese dann aus?
Ja und das ist von Tierschützern auch so gewollt. Denn ein Mops ist keine Tierart, welche natürlich entstand. Es handelt sich hierbei, um eine gezüchtete Rasse – welche in der Natur niemals vorkam.

Die Tierart, welche hinter jedem Hund verborgen ist, bleibt der Wolf. Jede „Hundeart“ ist eine künstlich erzeugte Rasse. Und die Natur hätte niemals derartige Qualzuchten hervorgebracht bzw. evolutionär begünstigt.

Jeder Besitzer, welcher seine Perserkatze, seine Bulldogge oder seinen Chihuahuas liebt, sollte sich fragen – was Tierliebe bedeutet. Wenn wir ab morgen behinderte Menschen züchten würden, weil wir uns besser um sie kümmern können – wäre das menschenverachtend und menschenliebend.

Und die selbe Anschauung sollte jeder Tierliebhaber haben, bevor er sich ein Tier kauft – welches permanent unter Qualzucht leidet.


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