Denken als psychischer Prozess: Definition, Entstehung, Entwicklung
Denken gehört zu den höheren Kognitionen. Es kann zielgerichtet erfolgen und wir können sogar über das Denken nachdenken. Die Verbindung zwischen Sprache und Denken zeigt sich am Beispiel von Kategorien. Diese erleichtern uns den Alltag, schränken uns allerdings manchmal bei der Lösung von Problemen ein und können auch zu Vorurteilen führen.
Unser Denken bildet sich im Laufe der Kindheit heraus und beinhaltet verschiedene Prozesse. Einige davon sind die Problemlösung, die Entscheidungsfindung und die Verarbeitung von Informationen.
Was ist Denken?
Denken ist eine der Aktivitäten, die zu den kognitiven Prozessen gezählt werden. Kognitionen umfassen alle mentalen Abläufe, die sich auf das Denken, Erinnern oder die Kommunikation und das Wissen beziehen. Anders als andere kognitive Prozesse (wie etwa unsere Wahrnehmung oder das Gedächtnis) wird das Denken als eine höhere kognitive Funktion verstanden.
Denn im Gegensatz zu beispielsweise der Wahrnehmung kann das Denken nämlich wesentlich zielgerichteter stattfinden. Du kannst es dir etwa so vorstellen: Bei der Wahrnehmung nehmen wir relativ unsortiert verschiedene Reize auf, welche anschließend von unserem Gehirn weiterverarbeitet werden. Ob du jetzt etwa den Baustellenlärm hörst oder nicht, kannst du nicht wirklich aktiv beeinflussen.
Beim Denken hingegen kannst du den Vorgang schon eher steuern. So etwa beim Vorgang der Problemlösung. Du kannst dich auf bestimmte Informationen konzentrieren, die dich bei der Lösungsfindung voranbringen. Im Denken liegt also der Schlüssel zum Schlussfolgern, zur Urteilsbildung oder dem Erstellen von Handlungsplänen.
Bemerkenswert ist außerdem, dass das Denken nicht an eine bestimmte Richtung gebunden ist. Du denkst also nicht nur voraus, sondern kannst auch rückwärtsgewandt denken oder dich auf den gegenwärtigen Moment konzentrieren. Das hilft uns zum Beispiel dabei, Probleme besser zu verstehen. Wenn du an die Vergangenheit denkst, entdeckst du vielleicht die Ursachen für das gegenwärtige Problem. Diese Information kannst du für die Lösung nutzen, damit das Problem in Zukunft nicht mehr auftritt.
Auch unsere Fähigkeit, über das Denken nachzudenken, ist erstaunlich. Wir können unsere Gedanken reflektieren und ändern. Diese Fähigkeit zur Metakognition ist besonders dann von Vorteil, wenn man zum Grübeln neigt. Wenn du dir erst einmal bewusst wirst, dass deine Gedanken erfolglos um ein Problem kreisen, kannst du dem Gedankenkreisen ein Ende setzen. So kannst du dich eine Weile auf etwas anderes fokussieren und später zu dem eigentlichen Problem zurückkehren, wenn du neue Informationen oder Ideen für die Lösung erlangt hast.
Denken in Kategorien und Begriffen
Wenn wir denken, tun wir das häufig in Kategorien und Begriffen. Wir gruppieren gedanklich alles, was uns im Laufe unseres Lebens begegnet. Das können sowohl Objekte als auch Personen oder Ideen sein. Auf Grundlage dessen bilden wir sogenannte Prototypen. Darunter sind typische Beispiele für eine Kategorie zu verstehen.
Wenn etwas einem Prototyp ähnelt, dann ordnet wir dieses Objekt der entsprechenden Kategorie zu. Wenn du zum Beispiel das Wort „Vogel“ hörst, denkst du vielleicht als erstes an ein Rotkehlchen oder einen Buchfinken. Dabei handelt es sich um deinen Prototyp der Kategorie „Vögel“. Lernst du nun einen neuen Vogel kennen, gleichst du ihn mit deiner prototypischen Vorstellung von einem Vogel ab. Einen Zaunkönig ordnest du dann vermutlich schneller der Kategorie zu als einen Pinguin oder einen Strauß. Diese beiden weichen vom Prototyp ab: Sie haben eine andere Körperform und können nicht fliegen. Dennoch sind es Vögel und kommen schließlich doch mit in diese Kategorie.
Anhand dieses Beispiels siehst du allerdings schon einen Nachteil vom Kategorie-Denken. Zwar erleichtert dieses uns den Umgang mit unserer Umwelt und beschleunigt das Verarbeiten von Informationen. Doch auf der anderen Seite schränken Kategorien auch das Denken ein. Kategorien machen unser Denken zwar schneller, allerdings auch ein Stück weit unflexibel.
Außerdem hängen damit auch stereotype Denkweisen zusammen. Denn wir ordnen auch Menschen in bestimmte Kategorien ein und begegnen ihnen dadurch häufig mit Vorurteilen. Diese können sich auf die Hautfarbe, Herkunft, das Geschlecht oder das Alter einer Person beziehen. Gerade in dieser Hinsicht ist es sinnvoll, seine Kategorien zu hinterfragen.
Die Verwendung von Kategorien zeigt allerdings auch, wie eng Denken und Sprache miteinander verbunden sind. Wir brauchen Sprache, um unsere Gedanken für andere verständlich zu machen. Über sie können wir unser Denken kommunizieren. Doch Sprache und Denken stehen nicht nur im Zusammenhang, sondern sie beeinflussen sich auch gegenseitig.
Deine Muttersprache formt in gewisser Weise dein Denken. Das zeigt sich bereits in kleinen Beispielen. So ist der Mond im Deutschen mit einem männlichen Artikel versehen, die Sonne mit einem weiblichen. Im Spanischen ist es genau umgekehrt. Für manche Dinge gibt es in einigen Sprachen auch gar keine Begriffe. Doch das Denken hat ebenfalls einen Einfluss auf die Sprache.
Durch das Denken kommen überhaupt erst neue Worte zustande, welche in eine Sprache eingehen. Andererseits können wir auch an Dinge denken, für die wir keine Bezeichnungen haben. Das Denken kann also auch in Teilen unabhängig von der Sprache sein.
Wie entsteht Denken?
Die Grundsteine des Denkens werden bereits vor unserer Geburt gelegt. Babys scheinen zwar nicht viel zu leisten, denn sie schlafen, schreien und essen die meiste Zeit. Doch der Eindruck täuscht. Denn in dieser Zeit finden enorme Umbauprozesse im Kopf statt. Ein Mensch kommt bereits mit der gleichen Menge Nervenzellen im Gehirn auf die Welt, die er auch im Erwachsenenalter haben wird.
Allerdings finden im Laufe der kindlichen Entwicklung etliche „Umbauarbeiten“ statt. Es entstehen neue Verbindungen zwischen den Nervenzellen und Netzwerke bilden sich aus. Welche Verbindungen über die Zeit hinweg stärker werden und welche wieder verschwinden, hängt von der Umwelt des Kindes ab.
Die Motorik treibt die Entwicklung des Gehirns und damit die Fähigkeit des Denkens an. So begreifen Kleinkinder im wahrsten Sinne des Wortes ihre Umwelt über den Tastsinn. Sie lernen Ursache und Wirkung zwischen ihren eigenen Bewegungen und ihrem Umfeld kennen. Bereits im Alter von drei Monaten begreifen sie, dass sie ein Mobile durch Strampeln in Bewegung setzten können. Sechs Monate später können sie bereits Tiere von Möbelstücken unterscheiden. Mit dieser frühen Fähigkeit der Kategorisierung ist bereits die Basis für den Spracherwerb gegeben.
Motorik und Sprache als Hilfsmittel bei der Entwicklung des Denkens
Mit dem Erlernen der Sprache eignen sich Kinder weitere Konzepte und immer mehr Wissen an. Außerdem können sie sich bereits mit einem sehr begrenzten Wortschatz verständlich machen. Wenn ein Kind von einem „I-Ah“ spricht, weiß der Erwachsene in der Regel, dass es um einen Esel geht. Das Kind kann auf diese Weise mitteilen, was es meint oder gesehen hat. Ein Informationsaustausch ist demnach schon gegeben.
Das Denken von Kleinkindern entwickelt sich auch in Bezug auf das Sprichwort „Aus den Augen, aus dem Sinn“. Wird ein Gegenstand vor den Augen eines Babys versteckt, sucht es nicht danach. Zumindest nicht, so lange es ein bestimmtes Alter noch nicht erreicht hat. In der Regel finden Babys zwischen vier und acht Monaten einen teilweise versteckten Gegenstand – suchen allerdings nicht danach, wenn dieser komplett aus ihrem Sichtfeld verschwunden ist.
Das ändert sich zwischen dem neunten und zwölften Monat. Wird ein Spielzeug beispielsweise vollständig unter einer Decke versteckt, wissen sie genau über dessen Verbleib Bescheid.
Die Entwicklung zum „erwachsenen“ Gehirn dauert beim Menschen eine ganze Weile. Noch weit bis in die Pubertät hinein werden bestimmte Gehirnregionen optimiert. Doch auch danach ist das Gehirn nicht statisch. Mit jeder neuen Erfahrung und jedem gelernten Inhalt verändert sich unser Denkapparat wieder ein Stückchen.
Denken als psychologscher Prozess
Die Psychologie unterscheidet verschiedene Aspekte des Denkens. Bei der Informationsverarbeitung kommen die bereits genannten Kategorien ins Spiel. Sobald wir mit neuen Begriffen konfrontiert werden, ordnen wir diesen den uns passend erscheinenden Kategorien zu. Das gilt allerdings nicht nur für sprachliche Begriffe. Genauso gehen wir mit visuellen Reizen und Vorstellungen – also Bildern – vor.
Ohne Informationen kommen wir nicht weiter
Die Informationsverarbeitung ist ein wichtiger Bestandteil der Problemlösung. Wie weiter oben beschrieben, kann uns die Metakognition bei der Problemlösung helfen. Und zwar indem wir wenig zielführende Überlegungen abbrechen und später auf das Problem zurückkommen, wenn wir neue Lösungsansätze haben. Um diese Ideen für die Lösung zu erlangen, brauchen wir allerdings auch einen gewissen Input.
An dieser Stelle kommt die Informationsverarbeitung ins Spiel. Denn wenn wir keine neuen Informationen aufnehmen und verarbeiten könnten, würden wir uns gedanklich noch ewig im Kreis drehen. Diese Informationen können von außen kommen, jedoch auch von innen. So könntest du dich zum Beispiel an eine ähnliche Problemsituation erinnern und diese Erfahrungen zur Lösung des aktuellen Problems nutzen.
Problemlösung als Denkleistung
Vor Problemen stehen wir immer dann, wenn wir mit Routinehandlungen nicht mehr weiterkommen. In solchen Fällen musst du nach Wegen suchen, wie du diese Differenz zwischen Ist- und Soll-Zustand beheben kannst. Mittels der Informationsverarbeitung kannst du dein Vorgehen planen.
- Welche Möglichkeiten bieten sich zur Lösung des Problems?
- Wie kannst du beispielsweise bestimmte Gegenstände nutzen, um dein Problem zu lösen?
Hier ist häufig auch ein flexibles Denken gefragt. Du hast bereits erfahren, dass Kategorien uns im Alltag helfen und uns gleichzeitig im Denken unflexibel machen können. Ein bestimmtes Experiment veranschaulicht diesen Umstand sehr gut. Es geht um das Kerzenproblem. Die Probanden erhielten die Aufgabe, eine brennende Kerze an einem Korkbrett an der Wand zu befestigen. Allerdings durfte dabei kein geschmolzenes Wachs auf den Boden tropfen. Neben einer Kerze erhielten die Testpersonen noch eine Packung mit Reißnägeln und Streichhölzer.
Die wenigsten denken an eine Packung mit Reißnägeln als Regal. Doch darin bestand der Sinn der Aufgabe. Die Lösung war nämlich, die Schachtel mit einem Reißnagel an die Korkwand zu pinnen und die Kerze dort hinein zu stellen.
Interessanterweise kamen die Probanden erst auf die Idee, die Schachtel als Regal zu nutzen, wenn diese leer war. Befanden sich noch Reißnägel darin, war die Schachtel in der Kategorie „zur Aufbewahrung“ fixiert. Die leere Schachtel veränderte sich in etwas, in das man die Kerze hineinstellen und an der Wand befestigen konnte. Dieser bei der Problemlösung hinderliche Aspekt wird auch als funktionelle Fixiertheit bezeichnet.
Wir kommen oft über Abkürzungen zu unseren Entscheidungen
Bei der Problemlösung setzen wir allerdings auch Heuristiken und Algorithmen ein. Ein Algorithmus beschreibt eine logische und systematische Regel, welche eine Lösung garantiert. Heuristiken hingegen sind zwar schneller, allerdings auch fehleranfälliger. Sie kommen vor allem bei der Entscheidungsfindung und Urteilsbildung zum Einsatz.
Du kannst dir Heuristiken als gedankliche Abkürzungen vorstellen, die oft auch ganz gut funktionieren – aber eben nicht immer. Eine Sorte von Heuristiken ist die Verfügbarkeitsheuristik. Wenn die Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses einschätzen sollen, greifen wir häufig auf sie zurück. Je nach Verfügbarkeit eines Ereignisses schätzen wir dessen Eintreten wahrscheinlicher oder unwahrscheinlicher ein.
Fallen dir bestimmte Dinge schneller ein, hältst du sie für wahrscheinlicher. Dabei kann ihre Verfügbarkeit auch einfach ihrer Besonderheit geschuldet sein. Hat sich ein bestimmtes Ereignis stark in dein Gedächtnis eingeprägt, kommt es dir schneller in den Sinn. Doch nur, weil es ein einprägsames Erlebnis war, muss es nicht mit einer hohen Eintrittswahrscheinlichkeit einhergehen.