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Wechselwirkung zwischen Persönlichkeit, Arbeit und psychischer Gesundheit


Nicht nur in der Persönlichkeitsforschung geht es um unsere individuellen Charaktereigenschaften. Auch die Arbeits- und Organisationspsychologie befasst sich mit unserer Persönlichkeit. Denn diese hat – neben unseren Interessen und Fähigkeiten – ebenfalls einen Einfluss darauf, welche Berufe wir wählen. Und wie wir uns in diesen Berufen schlagen.

Daraus ergibt sich ein gewisser Selektionseffekt. Einerseits wählen wir Berufe, die zu unserer Persönlichkeit passen. Andererseits wählen auch die Unternehmen ihre Bewerber nicht nur entsprechend der Qualifikationen, sondern auch nach Persönlichkeitsmerkmalen aus. Oder es wäre zumindest ratsam, wenn sie so handeln würden.

Im ersten Fall ist von einer Selbstselektion die Rede. Wird die Wahl durch das Unternehmen getroffen, dann handelt es sich um eine Fremdselektion. Im Rahmen der Persönlichkeitsforschung hat sich das Modell der Big Five etabliert. Auf diese gehen wir weiter unten noch etwas genauer ein.

Doch so viel sei bereits gesagt…
Die darin enthaltenen Persönlichkeitseigenschaften gelten als relativ zeitstabil. Weniger überdauernd sind da andere Merkmale wie Selbstvertrauen oder die Selbstwirksamkeitsüberzeugung. Diese und weitere machen unsere Persönlichkeit aus und beeinflussen somit auch unsere berufliche Laufbahn bzw. werden von der Arbeit beeinflusst.

Wie beeinflussen sich Persönlichkeit und Arbeit?

Die Antwort auf diese Frage setzt sich aus sehr vielen Puzzleteilen zusammen. Unsere Persönlichkeit besteht zum einen aus angeborenen Charaktereigenschaften – auch Dispositionen genannt. Diese finden sich beispielsweise im Fünf-Faktoren-Modell wieder und sind auch als Big Five bekannt. Zum anderen hat allerdings auch die Umwelt einen Einfluss darauf, in welche Richtung wir uns entwickeln.

Denn neben biologischen und genetischen Einflüssen können Umweltbedingungen, Erfahrungen, die Sozialisation, unsere Kultur und so weiter beeinflussen, wie wir werden. In Bezug auf die Erwerbstätigkeit kann das bedeuten, dass Umbrüche im Arbeitsleben einen Einfluss auf unsere Persönlichkeit haben. Doch dazu weiter unten mehr.

Langzeitstudien geben Aufschluss über Zusammenwirken von Arbeit und Charaktermerkmalen

Nun wollen wir uns erst einmal mit den Big Five befassen.
Diese setzen sich zusammen aus den Merkmalen Neurotizismus, Extraversion, Offenheit, Gewissenhaftigkeit und Verträglichkeit. Während zum Neurotizismus eine Tendenz zu beispielsweise Ängstlichkeit, Nervosität oder Unsicherheit gehören, zählen etwa Geselligkeit, Gesprächigkeit oder Kontaktfreudigkeit zur Extraversion.

Neugierde, Experimentierfreude oder Fantasie fallen in die Kategorie der Offenheit. Gewissenhaftigkeit geht unterdessen mit Sorgfalt, Planung, Ordnungsliebe oder Zielstrebigkeit einher. Zu den Facetten der Verträglichkeit werden Freundlichkeit, Kooperativität oder Hilfsbereitschaft gezählt.

Wie wirken sich diese Persönlichkeitseigenschaften nun aber auf den Beruf aus? Und welche Auswirkungen kann der Beruf auf unseren Charakter haben? Um diesen Fragen auf den Grund zu gehen, sind Längsschnittstudien am sinnvollsten. Diese laufen über einen längeren Zeitraum und bestehen aus mehreren Messzeitpunkten.

Durch die Erhebung von Daten derselben Individuen können Veränderungen im Zeitverlauf festgestellt werden. Allerdings geht mit dieser Art von Studie auch ein erheblicher Aufwand einher. Das betrifft sowohl die finanziellen Ressourcen als auch den Arbeitsaufwand an sich. Und natürlich ist es sehr zeitintensiv.

Studienergebnis: Berufliche Übergangszeiten wirken auf die Gewissenhaftigkeit

Aufgrund der Zeitressource ist hier noch in Sachen Forschung Luft nach oben, denn so aufwändige Studien werden dann doch eher selten durchgeführt.

Allerdings gibt es dennoch eine Reihe von Befunden, welche im Rahmen von Metaanalysen untersucht werden. Metaanalysen fassen mehrere Studien zum selben Thema zusammen und werten einen Gesamteffekt aus. Sie legen quasi einen Überblick über die bisherigen Befundlage zu einem Forschungsthema dar.

So zeigte sich beispielsweise in einer Metaanalyse von Arling und Wiese aus dem Jahr 2014, dass Übergangszeiten im Job sich auf den Persönlichkeitsfaktor Gewissenhaftigkeit auswirken können. Sie fanden heraus, dass die Werte dieser Eigenschaft beim Eintritt ins Berufsleben ansteigen und beim Austritt aus der Erwerbstätigkeit sinken.

Auch die Extraversion (nach außen gewandt, also kontaktfreudig usw.) scheint sich, bei bestimmten Arbeitsbedingungen zu verändern. Bietet sich im Rahmen der beruflichen Tätigkeit ein großer Handlungsspielraum sowie eine Vielfalt an verschiedenen Anforderungen, so nimmt die Extraversion zu. Hinsichtlich der anderen Persönlichkeitsfaktoren waren die Befunde eher uneindeutig.

Autonomie im Job kann das Selbstvertrauen stärken

Ein Mensch kann demnach extrovertiert werden, wenn das Arbeitsumfeld passend ist. Das Verblüffende bei diesem Befund ist, dass es sich um ein Big Five Persönlichkeitsmerkmal handelt. Somit gilt dieses über einen längeren Zeitraum als stabil und verändert die Persönlichkeit demnach nachhaltig.

Doch wie sieht es mit den anderen Wesenszügen aus, welche weniger stabil sind als die Big Five?
Oben hatten wir bereits Selbstvertrauen oder die Selbstwirksamkeitsüberzeugung zur Sprache gebracht. Des Weiteren können auch noch eine proaktive Einstellung und Optimismus genannt werden. Im Gegensatz zu den Big Five sind diese Merkmale stärker vom Alltagshandeln und dem Erleben von Erfolg abhängig. Daher kann ein hohes berufliches Engagement das Selbstvertrauen stärken.

Bietet unser Job uns Autonomie, ein Gefühl von Vollständigkeit und einen gewissen Bedeutungsgehalt, so kann unsere Selbstwirksamkeitsüberzeugung steigen. Auch auf die proaktive Einstellung wirken sich solche situationalen Faktoren im Beruf positiv aus.

Die Erwartungen der Generation Y an die Arbeitswelt

Demnach hat nicht nur unsere Persönlichkeit einen Einfluss auf unsere Berufswahl. Auch der gewählte Beruf kann einen gewissen Einfluss auf die Persönlichkeit haben. Wir bestehen allerdings nicht nur aus den Big Five, sondern vertreten auch bestimmte Werte. Diese sind allerdings nicht nur vom Individuum abhängig, sondern treten in bestimmten Kohorten gehäuft auf.

Mit einer Kohorte ist eine Gruppe von Personen gemeint, die beispielsweise im selben Zeitraum geboren wurden. In Bezug auf die arbeits- und organisationspsychologische Forschung stellen daher bestimmte Generationen ein interessantes Forschungsthema dar. Deren subjektive Wahrnehmung von Arbeit kann sich aufgrund der unterschiedlichen und historisch begründeten Erlebnisse von der Wahrnehmung anderer unterscheiden.

Ein Beispiel dafür ist die sogenannte Generation Y. Sie besteht aus Personen, welche in den 1980er und 1990er Jahren geboren wurden und werden auch als „Millennials“ bezeichnet. Den Angehörigen dieser Generation wird nachgesagt, dass sie nach Selbstverwirklichung und Autonomie streben. Sie wünschen sich sowohl ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Arbeits- und Privatleben als auch persönliche und berufliche Weiterentwicklung. Zudem stehen sie betrieblichen Hierarchien eher kritisch gegenüber.

Die Persönlichkeitsmerkmale dieser Generation haben die Arbeitswelt dementsprechend verändert. Denn genauso, wie sich Erwerbsarbeit auf die Persönlichkeit auswirkt, müssen sich Unternehmen auch den Persönlichkeiten ihrer Angestellten langfristig anpassen.

Die darauffolgende Generation Z wiederum scheint andere Vorstellungen über das Berufsleben zu haben. Zwar legt auch dieser Kohorte viel Wert auf eine gute Work-Life-Balance. Allerdings steht für sie das Private an erster Stelle. Und anders als die Angehörigen der Generation Y streben sie weniger nach Selbstständigkeit und wollen eine strikte Trennung zwischen Arbeit und Privatem. Der Arbeit im Home-Office können sie daher eher wenig abgewinnen.

Geburtenjahrgang kann auf bestimmte Erwartungen hinweisen

Diese Kohorteneffekte können bei der Auswahl von Mitarbeitern berücksichtigt werden.
Auch auf die Erfüllung der damit einhergehenden unterschiedlichen Bedürfnisse könnten in der Arbeitsplatzgestaltung geachtet werden.

Allerdings ist dabei zu bedenken, dass diese Effekte nicht einfach pauschal auf alle Vertreter einer Generation angewendet werden können. Andererseits gibt es einige Jobcharakteristika, welche sich offenbar generationsunabhängig positiv auf manche Persönlichkeitseigenschaften auswirken. So können vor allem Autonomie und Anforderungsvielfalt das individuelle Kompetenzerleben fördern.

Doch auch hier ist darauf zu achten, dass zu komplexe Anforderungen das Ziel auch manchmal verfehlen können. Eine Studie mit Auszubildenden ergab, dass sich eine Vielfalt von Anforderungen und Aufgaben nur unter bestimmten Umständen positiv auf ihr Selbstwertgefühl auswirkte. Sie mussten diese Aufgaben als positive Herausforderungen empfinden und sich nicht davon überfordert fühlen. Und genau darin besteht die Schwierigkeit. Denn welches Maß an Anforderungen und Aufgaben noch als positiv empfunden wird, ist sehr individuell.

Wechselwirkung zwischen Persönlichkeit, Arbeit und psychischer Gesundheit

Im Artikel zu Stress und Erwerbsarbeit habe ich die Thematik der psychischen Gesundheit, Belastung und Entlastung bereits beschrieben. Die Persönlichkeitseigenschaften eines Arbeitnehmers spielen natürlich ebenfalls eine wichtige Rolle.

Denn ob jemand Stress empfindet, hängt ebenfalls von den zeitstabilen Faktoren ab. Ein Mensch, welcher sich durch ein hohes Maß an Neurotizismus (Schüchternheit, emotionale Labilität) auszeichnet, kann auf Stress nur bedingt reagieren. Weitere Persönlichkeitsmerkmalausprägung, welche auf ein hohen Stressreiz hindeuten, können Gewissenhaftigkeit oder auch Verträglichkeit sein.

Denn Menschen mit erhöhten Werten im gewissenhaften Persönlichkeitsmerkmal, neigen mitunter zur Perfektion. Dies wiederum zeigt sich in einer besonders genauen Arbeitsweise, welche allerdings durch Zeitdruck gefährdet werden könnte. Dann neigen auch diese Menschen zu einem hohen Maß an Stressreizreaktionen, welche gesundheitsschädlich sein können.

Da Erwerbsarbeit immer etwas mit Menschen und Beziehungen zu tun hat, können auch Mitarbeiter – welche das Persönlichkeitsmerkmal Verträglichkeit besonders stark ausgeprägt haben, unter Stress geraten. Denn im Kollegenkreis müssen mitunter auch Beziehungen geführt werden, welche nicht verträglich sind. Die Mitarbeiter mit einem hohen Maß an Verträglichkeit wünschen sich Harmonie, sind hilfsbereit und freundlich und könnten unter raueren Beziehungen leiden.

Ob jemand Stress hat und sich daraus gesundheitliche Schäden bilden, hängt demnach von den Persönlichkeitsmerkmalen des Mitarbeiters ab. Dauerhafter Stress durch schlechte Mitarbeiterbeziehungen oder Leistungsdruck wirkt sich immer gesundheitsschädlich aus.

Zusammenfassung

  • Persönlichkeit und Arbeit können sich wechselseitig beeinflussen.
  • Die eigene Persönlichkeit wirkt sich darauf aus, welche Berufe wir wählen.
  • Allerdings kann unser Beruf auch manche Persönlichkeitseigenschaften verändern. So wirken sich beispielsweise der Eintritt ins und der Austritt aus dem Berufsleben unterschiedlich auf die Gewissenhaftigkeit aus.
  • Doch unsere Arbeit hat nicht nur auf einen Teil der Big Five eine gewisse Wirkung, sondern kann auch das Selbstvertrauen oder die Selbstwirksamkeitsüberzeugung steigern. Hier spielt vor allem die erlebte Autonomie bei der Ausübung des Berufs eine Schlüsselrolle.
  • Auch die Anforderungsvielfalt kann sich positiv oder negativ auf diese Persönlichkeitsaspekte auswirken.
  • Welche Jobcharakteristika präferiert werden, kann mit Kohorteneffekten zusammenhängen. So wird ein Streben nach Autonomie und Selbstverwirklichung der Generation Y zugeschrieben, welche in den 80er und 90er Jahren des 20. Jahrhunderts zur Welt kamen.
  • Wie viel Autonomie oder Anforderungsvielfalt allerdings als selbstwertförderlich oder bereits als überfordernd empfunden wird, hängt wiederum von der Persönlichkeit des Einzelnen ab.

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