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Kulturelle Einflüsse auf Persönlichkeit und Gesellschaft


Um die Frage zu beantworten, wie unsere Persönlichkeit zustande kommt, müssen verschiedene Aspekte betrachtet werden. Wer wir sind, hängt nicht allein von unseren Genen oder nur unserer Erziehung ab. Viel mehr spielen viele Faktoren zusammen, die dann die Gesamtheit unsere Persönlichkeit abbilden. Zu einem großen Teil ist unser Charakter genetisch verankert. Denn wir haben jeweils zur Hälfte Gene von unserer Mutter und unserem Vater in uns, welche mit bestimmten Persönlichkeitseigenschaften einhergehen.

Allerdings hat auch unsere Umwelt einen Einfluss darauf, wie stark sich dieser Eigenschaften letztendlich entwickeln. Mit Umwelt sind allerdings nicht nur Eltern, Freunde oder Lehrkräfte gemeint, sondern auch die gesamte Kultur, in der man lebt.

Wie beeinflusst unser kulturelles Umfeld unser Verhalten?

Was ist Kultur?
Dieser Begriff umschreibt den Umstand, dass eine Gruppe von Menschen bestimmte Werte, Einstellungen, Verhaltensweisen und Traditionen teilt. Diese werden von Generation zu Generation weitergegeben.

Das bedeutet auch, dass bestimmte Erkenntnisse an nachfolgende Generationen weitergegeben werden und diese darauf aufbauen können. Kultureller Fortschritt – wie beispielsweise die Entwicklung von Medikamenten oder die Nutzung der Elektrizität – wird dadurch ermöglicht, dass vorherige Generationen die Voraussetzungen für bestimmte Innovationen geschaffen haben. Zwar haben auch einige Tiere Kulturen, wie beispielsweise einige Affenarten. Diese geben bestimmte Verhaltensweisen oder den Gebrauch von Werkzeugen an ihre Nachkommen weiter.

Allerdings haben wir Menschen einen großen Vorteil in Sachen Kulturschaffung: die Sprache. Wir können Wissen durch Bücher erlangen, ohne die beschriebenen Dinge selbst zu durchleben oder direkt von einer anderen Person gezeigt zu bekommen.

Kulturen unterscheiden sich

Das bedeutet gleichzeitig, dass man kulturabhängige Erfahrungen in seinem Leben macht. Wenn wir uns verschiedene Kulturen ansehen, finden wir viele Gemeinsamkeiten. So nutzen die meisten Kulturen eine Form von Geld, um diese gegen Lebensmittel, Gegenstände oder Dienstleistungen einzutauschen. Jede Kultur besitzt eine Sprache, um Wissen weiterzugeben oder sich mit anderen abzusprechen. Auch hat haben alle Kulturen ihre eigenen Vorstellungen zu Themen wie Kindererziehung, Kleidung oder religiöse Rituale.

Doch in diesen und anderen Gemeinsamkeiten liegen auch gleichzeitig die kleinen Unterschiede zwischen den Kulturen. Diese reichen von der Straßenseite, auf der die Autos fahren über das Ausziehen der Schuhe, wenn man eine Wohnung betritt bis hin zum Währungsmittel. Eltern reagieren in jeder Kultur ähnlich auf das Schreien und Brabbeln ihrer Babys und Kinder mit warmherzigen und unterstützenden Eltern entwickeln weltweit ein positiveres Selbstbild als Kinder mit strafenden und ablehnenden Eltern. Menschen unterscheiden sich zwar in ihren Kulturen, jedoch nicht in ihren psychologischen Grundprinzipien.

Normen regeln den sozialen Alltag

Kulturen weisen unterschiedliche Normen auf. Damit sind bestimmte Regeln gemeint, welche das Zusammenleben regeln. Sie geben vor, was angemessenes und erwünschtes Verhalten ist und was nicht. Ein Beispiel ist die Form der Begrüßung. Sollte man dem Gegenüber die Hand geben, sich verbeugen, auf die Wange küssen oder umarmen? Bei jeder Form des Zusammentreffens werden von den Betreffenden gewisse kulturelle Normen eingehalten. Das kann beim Aufeinandertreffen von Vertretern verschiedener Kulturen leicht zu Verwirrung führen. Das zeigt sich beispielsweise gut in den Lebensbereichen Geschwindigkeit und Pünktlichkeit.

In manchen Kulturen spielen diese Dimensionen eine große Rolle und es wird mit Unverständnis reagiert, wenn jemand (der vielleicht aus einem anderen Kulturkreis stammt) nicht auf die Minute genau zum vereinbarten Zeitpunkt zu einem Treffen erscheint.

Kulturen verändern sich mit der Zeit

Das zeigt sich ebenfalls gut am Beispiel der Sprache. Jemand aus der heutigen Zeit hätte es schwer, eine Unterhaltung mit jemandem zu führen, der vor wenigen hundert Jahren gelebt hat. Die Sprache wandelt sich im Laufe der Zeit. Das hat unter anderem auch mit dem wissenschaftlichen und technologischen Fortschritt zu tun.

Zum Beispiel fielen manche Berufe weg, weil sie durch Maschinen oder modernere Arbeitsweisen ersetzt wurden und werden in der Folge auch in der Sprache seltener benutzt. Das Gleiche gilt für Gegenstände oder Alltagsrituale, die irgendwann einfach überflüssig wurden. Die Anpassungsfähigkeit des Menschen spiegelt sich also auch in seiner Sprache wider.

Nicht jedem ist Pünktlichkeit wichtig

Kulturen ändern sich auch durch sich wandelnde Lebensumstände. Ein allgemein steigendes Einkommen einer Gesellschaft ändert ihr Konsumverhalten. Neue Rechte und Gesetze haben einen Einfluss auf Beziehungen und Arbeitsverhältnisse. Gleichzeitig steigt in vielen Kulturen mit dem technologischen Fortschritt das Tempo rasant an.

Trotz besserer Maschinen und Technologien sowie Erleichterungen durch das Internet arbeiten Menschen mehr und verbringen weniger Zeit mit ihren Freunden und Familien. Zwar hat sich die Arbeitszeit im Vergleich zu den 1950er Jahren in Deutschland verringert, doch die Arbeitsdichte nimmt zu und häufig nehmen die Menschen ihre Arbeit noch mit nach Hause.

Die Kultur beeinflusst die Kindererziehung

Ein Wandel in Kulturen zeigt sich auch in der Erziehung. Noch vor gut fünfzig Jahren wurden Kindern in westlichen Kulturen Werte wie Gehorsam und Respekt gelehrt sowie Sensibilität gegenüber anderen und das Festhalten an ihren kulturellen Traditionen. Mittlerweile sieht das anders aus: Kinder sollen unabhängig und eigenverantwortlich werden sowie ihre Potenziale entfalten. Beides hat Vor- und Nachteile. Gehorsam kann beispielsweise eine eigene, kritische Denkweise eindämmen. Hingegen kann der Anspruch, sein volles Potenzial ausschöpfen zu müssen, zu Druck führen und Angst vor Fehlern oder dem Scheitern hervorrufen.

Kulturen unterscheiden sich in Sachen Kindererziehung auch darin, wie eng die Bindung zwischen Eltern und Kindern ist. Es ist in manchen Kulturen normal, Kleinkinder in den Kindergarten zu schicken und in einem eigenen Zimmer schlafen zu lassen. In anderen Kulturen verbringen sie ihren Tag in der Nähe der Mutter und schlafen auch ihn ihrem Bett.

Eine gute Beziehung zwischen Eltern und Kindern ist in jeder Kultur wichtig

Welche Form der Kindererziehung jetzt die richtige ist, ist also schwer zu sagen. In manchen Kulturen werden die Babys fast die ganze Zeit auf dem Rücken ihrer Mutter getragen und haben so viel Körperkontakt, aber wenig sprachliche Interaktion. In anderen werden die Kinder hauptsächlich im Kindergarten betreut, während die Eltern arbeiten. Diese Kinder haben also viel Interaktion, aber wenig körperliche Nähe zur Mutter. Unabhängig von diesen unterschiedlichen Vorgehensweisen entwickeln Kinder sich in der Regel jedoch gut.

Welche Rolle spielt die Kultur beim Selbst?

Auch unser Selbstbild ist von der Kultur bestimmt, in der wir leben. Kulturen können grob in individualistisch und kollektivistisch eingeteilt werden. Beide Formen haben gegensätzliche Ansichten in Bezug auf ihre Werte. Diese beziehen sich auf das Selbst und die Lebensaufgabe eines Menschen sowie auf moralische Vorstellungen, Beziehungen und was im Leben wichtig ist.

Mitglieder einer individualistischen Kultur sehen ihr Selbst als etwas Unabhängiges an. Das zeigt sich darin, dass sie ihre Identität durch ihre persönlichen Merkmale definieren. Ein Beispiel dafür ist die Ursachenzuschreibung. Menschen aus individualistischen Kulturen schreiben Erfolge ihren eigenen Anstrengungen zu, während Personen aus kollektivistischen Gesellschaften die Ursachen für ihren Sieg eher bei den Menschen suchen, die sie auf ihrem Weg zum Siegertreppchen unterstützt haben. Kollektivistische Kulturen definieren ihre Identität demnach eher durch die Zugehörigkeit zu anderen.

Ich versus Wir

Es stehen sich in Individualismus und Kollektivismus das Ich und das Wir gegenüber. Der Kollektivismus strebt nach Anpassung, dem Ausfüllen bestimmter Rollen sowie dem Aufrechterhalten von Beziehungen. Es geht um das Umsetzen von Gruppenzielen. Die soziale Verantwortung und die Pflichten innerhalb der Familie werden für besonders wichtig erachtet. Hingegen nimmt die eigene Identität in individualistischen Gesellschaften einen wesentlich höheren Stellenwert ein. Hier gilt es, die eigene Persönlichkeit und Einzigartigkeit auszudrücken und zu erfüllen. Es wird ein großer Wert auf die persönlichen Leistungen gelegt, woran auch oft das Selbstwertgefühl gekoppelt ist.

Auch in den zwischenmenschlichen Beziehungen zeigen sich deutliche Unterschiede. Während sich Menschen aus individualistischen Kulturen durch eine möglichst große Anzahl von Freunden definieren, sind Freundschaften im Kollektivismus weniger zahlreich. Dafür sind diese allerdings beständiger und enger als die im Individualismus, wo kurzfristige und Gelegenheitsbeziehungen normal sind. Die Konfrontation mit anderen wird hier auch nicht als großes Problem angesehen. Hingegen wird in kollektivistischen Kulturen viel Wert auf Harmonie in zwischenmenschlichen Beziehungen gelegt.

Warum weder das eine noch das andere optimal ist

Der Individualismus erscheint zunächst vielleicht vorteilhafter: Er erlaubt (besonders Männern) mehr persönliche Freiheiten und einen ausgeprägteren Stolz auf die eigenen Leistungen. Zudem sind sie weniger an ihre Familien gebunden und genießen mehr Privatsphäre. Es gibt jedoch auch eine andere Seite der Medaille.

Mögliche Folgen des Individualismus sind Einsamkeit, Stress und eine steigende Scheidungsrate. Gerade letzteres lässt sich damit erklären, dass Menschen individualistischer Kulturen der romantischen Liebe in der Ehe einen hohen Stellenwert zuschreiben. Damit gehen hohe Ansprüche an die eheliche Verbindung einher, was zu starkem Druck führen und letztlich in der Scheidung enden kann.

Kollektivismus und Individualismus sind zwei Pole auf einem Kontinuum

Kollektivismus hat allerdings auch seine Schattenseiten. Wenn Kinder beispielsweise schlechte Leistungen erbringen oder sonst in irgendeiner Form gesellschaftlich negativ auffallen, stehen nicht nur sie selbst schlecht da. Ihr Verhalten rückt direkt auch ihre gesamte Familie in ein schlechtes Licht. Damit lastet auf den Kindern ein hoher Druck, zum Beispiel besonders gut in der Schule zu sein. Auch Migration fällt Mitgliedern kollektivistischer Kulturen schwerer als individualistischen, weil sie ihr Selbst mit dem Zusammengehörigkeitsgefühl verknüpfen.

Es sollte nicht unerwähnt bleiben, dass Kollektivismus und Individualismus nicht auf alle Mitglieder einer Gesellschaft zutreffen. Es gibt immer Personen in individualistischen Kreisen, die eher kollektivistische Werte vertreten und andersherum.

Zusammenfassung

  • Unsere Persönlichkeit wird nicht nur von unseren Genen beeinflusst, sondern auch von der Umwelt. Dazu gehört auch die Kultur, in der wir aufwachsen.
  • Eine Kultur zeichnet sich durch bestimmte (von einer Gruppe geteilte) Werte, Traditionen, Einstellungen und Verhaltensweisen aus. Diese werden an nachfolgende Generationen weitergegeben. Das geschieht vor allem über die Sprache.
  • Kulturen haben viele Überschneidungen, doch auch viele Gemeinsamkeiten. Auf bestimmte Reize reagieren jedoch alle Menschen gleich. Psychologische Grundprinzipien funktionieren unabhängig von der Kultur.
  • Der kulturelle Alltag wird durch Normen gelenkt, welche das Zusammenleben regeln. Da diese sich kulturell unterscheiden, kann es beim Zusammentreffen von verschiedenen Kulturen zu Verwirrung und Missverständnissen kommen. Zum Beispiel wird Pünktlichkeit in manchen Kulturen höher angesehen als in anderen.
  • Kulturen wandeln sich im Laufe der Zeit. Das hat beispielsweise mit dem technologischen Fortschnitt zu tun oder mit sich verändernden gesellschaftlichen Gegebenheiten.
  • Kulturelle Unterschiede finden sich auch in der Kindererziehung wieder. Auch das Selbstbild wird je nach kulturellem Umfeld anders definiert. Während individualistische Kulturen mehr Wert auf das „Ich“ legen, ist in kollektivistischen Kulturkreisen das „Wir“ von größerer Bedeutung.

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