Psychoanalyse heute und damals im Vergleich
Die klassische Psychoanalyse geht auf die Ideen Sigmund Freuds Ende des 19. Jahrhunderts zurück. Mit Ihrer Hilfe können psychische Störungen behandelt werden. Allerdings haben sich die psychotherapeutischen Methoden heute deutlich weiterentwickelt.
Trotz der starken Kritik an den Freud’schen Theorien ist die Psychoanalyse die Basis vieler heute bekannter Therapieformen. Hier erfährst Du, was eine klassische Psychoanalyse ist und warum sie heute kaum noch angewendet wird.
Inhalt
Was ist Psychoanalyse – eine Definition
Die Ursache für psychische Störungen liegt laut ihrem Begründer Sigmund Freud in unbewussten Konflikten aus der Kindheit. Durch Gespräche mit einem Therapeuten sollen diese Konflikte aufgedeckt und vom Patienten selbst durch Reflexion bearbeitet werden.
Reflexion bedeutet in diesem Zusammenhang ein intensives Nachdenken über die eigenen Verhaltensmuster. Dadurch soll der Patient langfristig in die Lage versetzt werden, seine Muster zu erkennen und zu verändern. Ziel der Psychoanalyse ist es, belastende Erfahrungen zu verarbeiten, seelische Konflikte aufzulösen oder die Persönlichkeit weiterzuentwickeln.
Ablauf einer Psychoanalyse
Grundlage einer Psychoanalyse ist der Dialog zwischen Therapeut und Patient. Ziel des Therapeuten ist es, gemeinsam mit dem Patienten die Ursache seiner inneren Konflikte aufzudecken. Anders als bei einer Verhaltenstherapie gibt der Therapeut dem Patienten dabei keine Handlungsanweisungen.
Aus Filmen kennen wir die berühmte Couch, auf welcher der Patient im Behandlungsraum liegt. Bei einer klassischen Psychoanalyse sitzt der Therapeut hinter der Couch, ist also vom Patienten nicht zu sehen.
Er hat bei diesem Setting eine zurückgenommene Rolle. Das soll dem Patienten dabei helfen, offen über seine Themen zu sprechen. So wird der Patient durch Gestik und Mimik des Therapeuten nicht abgelenkt und kann sich mehr auf seine inneren Prozesse konzentrieren.
Heutzutage spielt der Therapeut eine deutlich aktivere Rolle. Die Interaktion zwischen Patienten und Therapeut ist ein wichtiger Bestandteil einer modernen Psychoanalyse. Denn durch den direkten Kontakt kann der Therapeut Beziehungsmuster eines Patienten leichter erspüren.
So wird von den frühkindlichen Prägungen auch ein Übergang zum Hier und Heute und den akuten Problemen des Patienten geschaffen. Der Dialog zwischen den beiden soll beim Patienten ein analytisches Reflektieren des Lebenswegs anstoßen.
Beispiel einer psychoanalytischen Thematik
Innere Konflikte können bei Menschen psychisches Leid auslösen. Oft sind sich die Patienten dessen nicht bewusst. Kinder etwa haben ein grundlegendes Bedürfnis nach Geborgenheit.
Aber nicht alle Kinder bekommen sie von ihren Eltern. Wird das Bedürfnis nach Nähe nicht ausreichend erfüllt, beginnt das Kind dieses zu verdrängen. Es lernt, ohne die Geborgenheit der Eltern zurecht zu kommen.
Im Erwachsenenalter aber kann dieses Verdrängen Probleme auslösen. Oft können Menschen mit einer solchen Vergangenheit in späteren Partnerschaften Nähe und Geborgenheit nur in engen Grenzen zulassen.
Obwohl das Bedürfnis da ist, wird es aus Angst vor Zurückweisung überlagert. Das zeigt sich oft in psychischen Symptomen, unter denen die Patienten dann leiden. Psychoanalysen werden in Einzelsitzungen oder als Gruppenanalyse angeboten.
Seit Freud haben sich die psychoanalytischen Methoden deutlich weiterentwickelt. Es gibt heute eine Vielzahl neuer Konzepte sowie Therapieformen für spezielle Krankheitsbilder, die weit über die Ursprünge Freuds hinausgehen. Dazu gehören etwa die analytische Psychotherapie oder die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie.
Dauer und Defizite der Psychoanalyse
Eine klassische Psychoanalyse erstreckt sich oft über mehrere Jahre mit drei bis vier Sitzungen in der Woche. Deshalb kommen heute häufig modernere Verfahren zur Anwendung, die weniger Zeit in Anspruch nehmen. Patienten erwarten schnellere Resultate und auch die Krankenkassen übernehmen nur eine beschränkte Zahl von Sitzungen.
Aufgrund der langen Dauer ist die Psychoanalyse-Therapie für einige Patienten ungeeignet. Manchen Menschen fällt es schwer, sich auf eine so lange Therapie einzulassen. Deshalb kommt es immer wieder zu vorzeitigen Therapie-Abbrüchen.
Zudem erfordert diese Therapieform die Bereitschaft, sich mit seiner Lebensgeschichte auseinanderzusetzen und selbstkritisch darüber nachzudenken. Eine Psychoanalyse liefert auch keine schnellen Lösungen oder gar Ratschläge, aber sie kann zu einem tieferen Verständnis der eigenen Person führen.
Kritik an der Psychoanalyse
Die Ursprünge dieser Therapieform gehen auf die Theorien von Sigmund Freud zurück. Seine mehr als 100 Jahre alten Ansätze werden heute zum Teil stark infrage gestellt. Freuds Thesen konnten bis heute wissenschaftlich nicht überprüft werden. Das gilt insbesondere für seine Behauptung, dass es ein Strukturmodell mit „Es“, ein „Ich“ und ein „Über-Ich“ gibt.
Auf Kritik stößt auch seine große Fixierung auf das Thema Sexualität, die zu seiner Zeit stark tabuisiert war. Nach Freuds „Trieblehre“ ist die Sexualität der entscheidende Antrieb im Leben eines Menschen. Laut Freud sollen die sexuellen Bedürfnisse schon im Kindesalter für das Verhalten eine massive Rolle spielen.
Das und viele andere seiner Thesen sind heute wissenschaftlich widerlegt. Freuds Theorie der psychosexuellen Kindesentwicklung ist von der modernen Entwicklungsforschung abgelöst worden.
Warum wird die klassische Psychoanalyse heutzutage kaum noch angewendet?
Lange Therapiezeiten und eingestaubte Modelle ohne wissenschaftlichen Bezug sorgten dafür, dass die Psychoanalyse aus dem allgemeinen Psychologiestudium verschwand. Stattdessen sind die kognitive Psychologie, welche auf Neuronen, Hormonen und Physiologie basiert – heute Themenschwerpunkt an deutschen Universitäten.
Diese Forschungsrichtung bietet mehr Analyse, lässt sich anhand von Daten messen bzw. belegen und verdrängt die etwas angestaubten Sichtweisen Freuds.
Aber dennoch…
Studenten, welche Psychotherapie als Fach belegen, werden dennoch mit Freuds Studien konfrontiert. Denn der Therapieerfolg einer Psychoanalyse, bei dem der Patient etwas über sich erfährt und dadurch seine Probleme löst – ist weiter gegeben.
Statt Freuds ursprüngliche Ansätze werden allerdings Weiterentwicklungen, wie die psychologisch fundierte Therapie praktiziert. Diese Therapieform dauert weitaus kürzer, entschlüsselt nicht die ganze Seele, hilft dem Patienten aber – ein genau definiertes Problem zu lösen.
Kurzum…
Die klassische Psychoanalyse nach Freud wird heute kaum noch eingesetzt. Die Methoden der Psychoanalyse haben sich seither deutlich weiterentwickelt, die Therapieformen angepasst.
Neuere Studien zeigen aber, dass die Psychoanalyse in moderner Anwendung langfristig gute Ergebnisse erzielen kann. Es könnte also gut sein, dass es in den kommenden Jahren ein Revival dieser Therapieform geben wird.