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Der Unterschied zwischen Lebewesen und Organismus


Biologisch betrachtet gibt es keinen Unterschied zwischen einem Organismus und einem Lebewesen. Dennoch würde niemand einen Menschen oder einen Hund lediglich als Organismus bezeichnen. Es muss also eine Betrachtungsweise geben, die über die naturwissenschaftliche Sichtweise hinausgeht.

Der Unterschied liegt in der Ethik. Eine ethische Betrachtung eines Lebewesens sieht in ihm einen Menschen, ein Tier oder eine Pflanze mit entsprechenden Bedürfnissen und Empfindungen. Eine rein naturwissenschaftliche Betrachtung sieht in einem Lebewesen einen Organismus, der auf eine bestimmte Weise funktioniert, dessen Einzelteile entfernt oder ersetzt und mit dem experimentiert werden kann.

Was ist ein Organismus?

Ein Organismus ist ein System von Organen, die in ihrem Zusammenwirken das Vorhandensein von Leben anzeigen. Ein Organismus ist ein lebendiger Körper. Ein einzelnes Organ eines Körpers ist ohne Hilfsmittel nicht lebensfähig. Ein lebendiger Organismus weist folgende Merkmale auf:

  • das Vorhandensein eines Energiehaushalts und eines Stoffwechsels, die sich durch Ernährung ergeben
  • die Homöostase, also die selbstregulierende Aufrechterhaltung der inneren, ausbalancierten Lebensbedingungen
  • die Anpassung an die Umgebung durch Selektion
  • eine passive Reizbarkeit
  • eine aktive Beweglichkeit
  • die Fortpflanzung und die Vererbung
  • ein Wachstum und eine Entwicklung
  • das Altern und der Tod

Die aufgelisteten Merkmale von Leben zeigen an, dass sie rein naturwissenschaftlicher Art sind. Der Begriff Organismus stammt aus der Biologie. Aus diesem Grund findet beispielsweise die Seele in dieser Liste keinen Platz.

“Organismus“ im übertragenen Sinn

Organismen sind komplexe, lebendige, sich selbsterhaltende Systeme. Weniger abstrakt ausgedrückt sind Organismen lebendige Körper, also Menschen, Tiere, Pflanzen oder auch Bakterien. Ein Organismus lebt. Ein Organismus kann zwar auch tot sein. Er hat dann aber einmal gelebt und wies vor seinem Tod alle Lebensmerkmale auf. Der Tod ändert also nichts an der Tatsache, dass ein toter Organismus einmal ein lebendiger Körper war und eben deswegen gestorben ist.

Dennoch wird auch in völlig anderen Zusammenhängen von einem Organismus gesprochen. Nämlich immer dann, wenn irgendwo „alle Organe zusammenarbeiten“ und wie ein einziges Ganzes funktionieren. Das kann eine Familie, eine Kultur, ein Staat oder auch ein elektronisches Netzwerk sein. In einem solchen Fall wird der Begriff Organismus metaphorisch, also bildlich verwendet, um einen bestimmten Sachverhalt zu verdeutlichen.

Was sind Superorganismen?

Von einem Superorganismus ist die Rede, wenn viele Organismen einer Art in einer Gemeinschaft existieren wie ein einziges Ganzes. Diese Gemeinschaften entwickeln bestimmte Fähigkeiten, die ein einzelner Organismus nicht leisten kann. Ein solcher Superorganismus kann zum Beispiel ein Ameisen- oder Bienenstaat sein.

Die einzelnen Tiere sind für sich genommen zwar lebensfähig, auf sich alleine gestellt haben sie aber keine Chance auf ein langes Leben. Jedes Individuum eines Superorganismus ist so spezialisiert, dass es zum Überleben die anderen braucht. Die einen kümmern sich um den Nachwuchs, die anderen um Nahrung und wieder andere um den Schutz vor Feinden.

Häufig werden auch Schwärme als Superorganismen bezeichnet, beispielsweise Heuschreckenschwärme, Vogelschwärme oder Fischschwärme. Deren komplexes, aber überaus erfolgreich funktionierendes Leben als ein Ganzes hat dazu geführt, dass ihnen eine sogenannte kollektive Intelligenz zugesprochen wird. Kollektive Intelligenz meint eine gemeinsame Intelligenz von Gruppen oder eben Schwärmen. Superorganismen treffen intelligente Entscheidungen, unabhängig vom Wissen und von der Intelligenz ihrer Individuen.

Was ist ein Lebewesen?

Lebewesen sind Organismen. Oder anders gesagt: Ein Organismus als organisierte Einheit von zusammenhängenden Organen ist ein Lebewesen. Es gibt also keinen Unterschied zwischen Organismus und Lebewesen, jedenfalls keinen naturwissenschaftlichen.

In den Religionen gibt es einen Unterschied. Jedenfalls dann, wenn es sich bei dem Lebewesen um einen Menschen handelt. Dieser Unterschied ist die Seele. Bis ins 19. Jahrhundert hinein war die Wissenschaft deswegen auf der Suche nach einem „Seelenorgan“. Es wurde nie gefunden. Ein „Seelenorgan“ hätte die religiös begründete Sonderstellung des Menschen vor allen anderen Lebewesen anzweifeln können. Denn aus religiöser Sicht galt und gilt die Seele als unsterblich und wurde und wird bis heute den Tieren und erst recht allen anderen Lebewesen aberkannt.

Lebewesen, Organismus oder bewegliche Sache?

Heutzutage wird in unserer Gesellschaft von vielen Menschen auch den Tieren eine Seele zugesprochen. Das ist eine sehr moderne Einsicht. Wem eine Seele abgesprochen wird, dem wird zugleich abgesprochen, Schmerzen und Gefühle empfinden zu können. Diese Betrachtungsweise hat Tür und Tor für schreckliche Vergehen geöffnet, gegen Menschen und gegen Tiere.

In Deutschland wurde erst 1990 im Bürgerlichen Gesetzbuch festgeschrieben, dass Tiere keine Sachen sind (§ 90a BGB). Bis dahin wurden Tiere in Deutschland beweglichen Sachen gleichgesetzt. In der Schweiz dauerte es beispielsweise noch bis ins Jahr 2003, bevor auch den Tieren eine Empfindungs- und Leidensfähigkeit zugesprochen wurde, die sie von Sachen unterscheidet (641a Abs. 1 ZGB). Die Sichtweise entscheidet also darüber, wie ein Mitlebewesen behandelt wird. Letztendlich geht es um Ethik.


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