Pole Poppenspäler: Zusammenfassung der Handlung & Interpretation
Pole Poppenspäler oder Paul Puppenspieler ist eine Novelle, welche Theodor Storm im Jahr 1874 veröffentlichte.
Die Handlung der Novelle gliedert sich in eine Rahmenhandlung und eine Binnenhandlung. Beide Handlungen werden aus der Ich-Perspektive erzählt. Erster Schauplatz ist der Ort Husum in Schleswig Holstein. Dies ist die Stätte der Rahmenhandlung und der Binnenhandlung des jungen Pauls. Schauplatz des älteren Pauls, welcher seine Jugendfreundin wiedertrifft, ist Heiligenstadt in Thüringen.
Inhalt
Zusammenfassung der Rahmenhandlung
Der Ich-Erzähler erhält Unterricht beim Kunstdrechsler Paul Paulsen. Dieser ist ein angesehener Bürger der Stadt und der Erzähler spricht in höchster Anerkennung vom Handwerksmeister, welcher zugleich dessen Freund ist. Er besucht ihn und dessen Frau Lisei, um mit den Beiden ihren Hochzeitstag zu feiern. Dabei bemerkt der Erzähler die Innigkeit und das tiefere Verständnis der beiden Eheleute zueinander.
Im Vorfeld des Besuchs machte der Vater des Erzählers eine Bemerkung zum Spitznamen Paul Paulsens. Demnach wird er im Ort auch Pole Poppenspäler genannt. Als der Erzähler den Handwerksmeister damit konfrontiert, ist dieser zunächst verärgert, dass die Leute ihn so nennen. Doch dann gibt er zu, dass dieser Spitzname das Beste in seinem Leben beschreibt. Nun erzählt er die Geschichte darüber, wieso ihn die Leute so nennen.
Zusammenfassung der Binnenhandlung
Paul Paulsen erzählt nun seine Lebensgeschichte und wie er zu seinem Spitznamen kam. Die Ich-Erzählweise bleibt dabei erhalten, wird nun aber von Paul als Erzähler übernommen.
Der junge Paul lebt zusammen mit seinen Eltern im gleichen Haus, in welchem er heute noch lebt. Damals fuhr ein Puppenspieler aus München, namens Joseph Tendler, in die Stadt. Der junge Paul ist derart aufgeregt, dass er das fahrende Volk beobachtet, wie diese ins gegenüberliegende Gasthaus einziehen. Dabei fällt ihm ein neunjähriges Mädchen auf, welches schüchtern aus dem Mantel seines Vaters hervorlugt.
Diese stellt sich später als Lisei, Tochter der Puppenspieler-Familie, heraus. Als Paul das junge Mädchen auf der Straße wiedertrifft, spricht er sie an. Sie gesteht, dass sie einen neuen Mantel kaufen muss, wobei ihr Paul behilflich ist. Da er den Verkäufer gut kennt, gehen sie gemeinsam in dessen Laden und Lisei bekommt einen schönen Mantel.
Scheinbar erzählt Lisei zu Hause von Pauls Hilfe, worauf er eine Eintrittskarte von den Tendlers geschenkt bekommt. Er geht zur Vorstellung und schaut sich das Bühnenstück „Pfalzgrafen Siegfried und der heiligen Genofeva“ an. Besonders angetan ist er dabei von der Figur des Kaspers, welche im Marionettentheater auftritt.
Nach der Vorstellung lässt den Jungen das Erlebnis nicht mehr los. Pausenlos muss er an die Aufführung denken, wodurch seine Konzentration auf die Schule schwindet. Er träumt sogar nachts von den Puppen und dementsprechend groß ist sein Verlangen, ein weiteres Stück zu besuchen. Und so schwatzt Paul seinem Vater das Eintrittsgeld ab und will die nächste Aufführung besuchen.
Vor der Aufführung trifft er Lisei. Beide kommen ins Gespräch und Paul bittet darum, dass sie ihn die Puppen zeigt. Obwohl Lisei von ihren Eltern das Verbot bekommen hat, jemanden die Puppen zu zeigen, gibt sie Pauls Bitte nach. Der Junge spielt mit dem Kasper und macht diesen kaputt.
Während der Aufführung von „Fausts Höllenfahrt“ tritt der Kasper auf und dessen Schaden wird offensichtlich. Doch die Schausteller reagieren souverän und lassen einen anderen Kasper einspringen.
Nach der Vorstellung versteckt sich Lisei im Saal, da sie Angst vor der elterlichen Strafe hat. Paul lässt sie nicht im Stich und gesellt sich zu ihr. Gemeinsam verstecken sich beide Kinder in der Puppenkiste, werden aber von ihren Eltern später gefunden.
Joseph Tendler zeigt sich nachgiebig und Pauls Vater, welcher ein sogenannter Mechanicus ist, repariert die Puppe. Zwischen beiden Kindern entsteht in den nächsten Wochen eine innige Freundschaft und Pauls Mutter bringt der neunjährigen Lisei das Nähen bei.
Da die Puppenspieler nicht allzu lange an einem Ort verweilen, ziehen sie im Oktober weiter. Paul beschenkt Lisei zum Abschied und hofft, dass sie sich irgendwann wiedersehen. Doch sein Wunsch ist vergebens und die Tendlers kehren nie in den Ort zurück.
Nach 12 Jahren sind die Eltern von Paul beide tot. Der Vater hinterließ seinem Sohn den Handwerksbetrieb, welchen er allerdings verkümmern ließ. Denn Paul zog schon vor dem Tod des Vaters durchs Land und verdiente sein Geld anderswo.
Unterkunft fand Paul bei einer Witwe, welche ebenfalls einen Handwerksbetrieb führt. Dort arbeitet er als Meister und wohnt bei der Frau. An einem kalten Januarmorgen bemerkt er, dass eine junge Frau um Einlass ins Gefangenenhaus bittet. Es stellt sich heraus, dass es sich dabei um Lisei handelt.
Von ihr erfährt er, dass Joseph Tendler gefangen genommen und eingesperrt wurde. Scheinbar wurde im letzten Gasthaus, wo sie nächtigten, etwas gestohlen. Da Lisei und Joseph zum fahrenden Volk gehören, fiel der Verdacht – völlig grundlos – auf sie. Liseis Vater wurde eingesperrt und ihre Mutter ist bereits seit Jahren tot.
Paul nimmt die hilflose Frau auf und bringt sie zur Witwe. Er bietet seine Mithilfe an und besucht Joseph am nächsten Tag. Da er den Gefängniswerter kennt, legt er ein gutes Wort für seinen Bekannten ein. Wenig später wird der wahre Dieb gefasst und Joseph wird aus dem Gefängnis entlassen.
Paul macht Lisei einen Heiratsantrag, welchen sie nur zögerlich annimmt. Denn sie weiß, dass sie zum fahrenden Volk und Paul zur Bürgerschicht gehört. Anscheinend ist die gesellschaftliche Kluft zu groß und Lisei glaubt, dass Paul den Vorurteilen in seiner Heimatstadt nicht standhält. Außerdem fürchtet sie um das Wohlergehen ihres Vaters und will diesen nicht im Stich lassen.
Paul willigt ein, dass auch Joseph mit ins Elternhaus einziehen kann. Daraufhin kramt dieser seine ganzen Ersparnisse zusammen und hinterlässt diese den beiden Eheleuten. Auch auf die Gefahr hin, dass Joseph im Armenhaus landet – überlässt er sein Erspartes der Tochter und deren Ehemann Paul. Dieser weiß, das Geld geschickt zu nutzen und baut damit den Handwerksbetrieb seines Vaters wieder auf.
Nach der Hochzeit verschwindet auch das Gerede der Einwohner und die Angst Liseis, vor Vorurteilen und Demütigung, scheint unbegründet gewesen zu sein. Ihr Vater lebt im Haus der Eheleute, will allerdings ebenfalls einen größeren Beitrag leisten. Paul beschwichtigt ihn damit, dass durch sein Geld der Betrieb wieder läuft und durch dessen Beihilfe in der Werkstatt das Geschäft floriert. Doch Joseph Tendler kann sein altes Leben nicht aufgeben und möchte wieder auftreten.
Deshalb wird eine Bühne errichtet und Gäste geladen. Doch der Pöbel, in Gestalt der Schmidt-Jungen, zerstört die Veranstaltung und wirft einen Stein auf die Bühne. Am nächsten Tag wird das Haus der Paulsens mit der Aufschrift „Pole Poppenspäler“ verschmiert. Dies soll als Beleidung für Paul Paulsen gelten, welcher die Tochter eines Puppenspielers ehelichte.
Der gedemütigte Joseph Tendler will nun nie wieder zum Marionettentheater zurückkehren und verkauft seine Puppen zu Spottpreisen. Nun wird er abermals gedemütigt, da er die Kinder in der Nachbarschaft unachtsam mit seinen geliebten Figuren spielen sieht. Paul versucht zwar die Figuren zurückzukaufen, aber Herr Tendler findet wenig Gefallen an diesen. Außerdem ist der geliebte Kasper, die wertvollste Puppe, nicht mehr aufzutreiben. Durch die Schmach und die Schande erkrankt Joseph schließlich und stirbt durch ein Fieber.
Bei Josephs Beerdigung wird das Grab niedergelassen, als ein Junge von Weitem einen Gegenstand in das offene Grab wirft. Paul Paulsen sieht dann, dass es sich bei dem geworfenen Gegenstand um den Kasper handelt. Dieser wird gemeinsam mit Joseph Tendler beerdigt.
Ausklang der Rahmenhandlung
Der Ich-Erzähler, welcher nun wieder der Ursprüngliche ist, erkennt nun – dass Frau Paulsen die beschriebene Lisei ist. Trotz der Umstände konnten die Paulsens ihre gesellschaftliche Kluft überwinden und sind angesehene Bürger der Stadt.
Die Feierlichkeiten zum Hochzeitstag werden wieder aufgenommen und Frau Paulsen ruft die beiden Freunde zu Tisch. Die Novelle endet mit den Worten: „Es waren prächtige Leute, der Paulsen und sein Puppenspieler-Lisei.“
Interpretation der Novelle „Pole Poppenspäler“
Die nachfolgende Interpretation bezieht sich auf die Binnenhandlung der Novelle.
Die beiden Figuren des alten Tendlers und der Lisei Tendler gehören zum fahrenden Volk. In der Kindheit des Paul Paulsen waren die Schausteller so etwas wie Stars. Sobald diese in die Stadt kamen, wurden sie gefeiert. Die Einwohner freuten sich auf die Vorstellung und besonders vom Kasper waren die Zuschauer angetan. Dies wird dadurch deutlich, dass Paul Paulsen – welcher stellvertretend für alle Einwohner der Stadt steht – seinem Vater das Eintrittsgeld für eine weitere Eintrittskarte abschwatzt.
In diesem Zustand völliger Begeisterung am Puppentheater lässt die Novelle den Leser zurück, bevor der Zeitsprung von mehreren Jahren einsetzt. Nun sind die Tendlers sozial abgestiegen. Der Vater sitzt grundlos im Gefängnis und Lisei ist verzweifelt. Die Vorurteile, welche das Bürgertum gegen das fahrende Volk aufbringt, sind so groß – dass Joseph Tendler ohne Indizien und allein aufgrund seiner Herkunft eines Verbrechens beschuldigt und ins Gefängnis gesteckt wird.
Nachdem der alte Tendler frei ist, versucht er seinen alten Status wieder zu erlangen, die Menschen mit seinem Schauspiel wieder zu erreichen und glücklich zu machen. Doch es gelingt ihm nicht. Zwar hat er seinen Status als Verbrecher und Zigeuner überwunden, allerdings nur durch die Ehe seiner Tochter. Für diese Ehe gab er sein ganzes Erspartes – also seine Vergangenheit her – wodurch Lisei sich vom Einkommen aus der Schaustellerkunst lösen und sozial aufsteigen konnte.
Die Eheleute Paul und Lisei überbrückten die Kluft zwischen Künstlertum und Bürgertum, lösen die Spannung im Umfeld auf und leben im Ort idyllisch und harmonisch. Doch die Zeit lässt sich für Joseph Tendler nicht zurückdrehen und sein gesellschaftlicher Abstieg wird lediglich durch seine Familie überschattet. Also löst er sich scheinbar von seiner Vergangenheit, indem er die Puppen verkauft. Aber eigentlich löst er sich nur physisch von den Marionetten, denn psychisch hält er weiter an seiner Vergangenheit fest.
Durch die Kluft zwischen Wunsch und Realität, Gegenwart und Vergangenheit – erkrankt Joseph Tendler schließlich und stirbt.
Der Kasper in Pole Poppenspäler symbolisiert die Veränderung
In Pauls Kindheit war der Kasper die wertvollste Puppe der Schausteller. Als diese kaputt ging, konnte man nicht einfach eine neue kaufen. Stattdessen musste der Vater von Paul die Puppe reparieren. Als Paul und Lisei erwachsen sind, ist das Schauspiel der Tendlers und somit auch der Kasper wertlos geworden.
Schließlich verkauft der alte Tendler seine Puppen, sieht aber wie achtlos damit umgegangen wird. Durch den Rückkauf der scheinbar wertlosen Puppen wird sein alter Status nicht wieder hergestellt. Der Kasper als unauffindbare Puppe taucht erst zur Beerdigung des alten Tendlers wieder auf. Nun wird diese ins Grab geschmissen und zusammen mit Joseph Tendler beerdigt. Somit ist die Beerdigung des alten Tendlers, gleichzeitig ein Symbol für die Beerdigung der Schauspielkunst, für den Abstieg dieser Gesellschaftsgruppe und den Verfall von alten Werten.