Warum hatte Ötzi Tätowierungen: Ursachen und Hintergründe
Tätowierungen sind modern, aber sie sind keine Erfindung unserer Zeit. Schon vor tausenden von Jahren haben sich die Menschen mit Nadel und natürlichen Farbstoffen Bilder in die Haut geritzt. Der Beweis. Ötzi.
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Ötzis Tätowierungen
Ötzi, die Mumie aus der Steinzeit, wurde 1991 in einem Gletscher in den Alpen gefunden. Der „Mann aus dem Eis“ ist mittlerweile berühmt. Er ist durch das Eis gut erhalten und kann uns eine Menge vom Leben unserer Steinzeit-Vorfahren erzählen. Forscher finden immer wieder noch etwas Neues über Ötzi heraus. Seit 2015 ist bekannt, dass Ötzi tätowiert war: 61 Tattoos entdeckten die Wissenschaftler auf seiner Haut.
Tätowieren in der Steinzeit – Wie ging das
Natürlich laufen die Gerüchte heiß, warum Ötzi tätowiert war.
Um das herauszufinden, stellt sich zuerst die Frage: Was sind das für Tattoos? Es handelt sich um in die Haut eingeritzte Striche. Manche sind parallel zu zweit oder dritt angeordnet, andere stellen ein Kreuz dar. Sie wurden mit schwarzem Kohlenstoff eingefärbt. Ötzis Tätowierungen befinden sich auf dem ganzen Körper: auf dem Rücken, am Knie, an der Brust und sogar an der Achillesferse. Wegen dieser vielen unterschiedlichen Körperstellen stellt sich daher die nächste Frage: Hatten die Tattoos eine besondere Bedeutung?
Warum ist Ötzi tätowiert
Weil Ötzis Tattoos unterschiedlich aussehen und an verschiedenen Stellen des Körpers in die Haut eingebracht wurden, vermuten die Wissenschaftler, dass Ötzi sich immer dann tätowieren ließ, wenn es ihm nicht gut ging: Rückenschmerzen, Probleme mit dem Knie, eine Verletzung an den Rippen – jedes Mal, wenn der Steinzeit-Mann Schmerzen hatte, ging er offensichtlich in sein „Steinzeit-Tattoo-Studio“.
Man vermutet, dass das Tätowieren so ähnlich wirkt wie die chinesische Akkupunktur. Da es sich um unterschiedliche „Bilder“ handelt, ist aber auch ein magischer Hintergrund nicht auszuschließen. Immerhin wissen wir, dass Bilder, Runen und eben auch Tätowierungen in alten Zeiten vor Unglück schützen oder Reichtum und Erfolg bringen sollten.
Asien, Amerika, Europa: Tattoos gibt es seit uralter Zeit
Ötzi ist nicht der einzige Mensch aus der Frühzeit, bei dem Tattoos auf der Haut entdeckt wurden: Mumien aus dem alten Ägypten waren ebenso tätowiert wie die alten Japaner und Angehörige der meisten Naturvölker. Nur die Juden und später die Christen distanzierten sich von diesem Brauch: In der Bibel wird das Tätowieren sogar ausdrücklich verboten. Daher ist zu vermuten, dass das Tätowieren nicht nur zum Schmuck der Haut geschah, sondern auch mit dem Glauben unserer Vorfahren an Naturgötter und Schutzgeister zu tun hatte.
Und auch die Tätowierungen selbst sprechen dafür: Von zwei Mumien aus Afrika, einem Mann und einer Frau, weiß man zum Beispiel, dass die Bilder auf ihrer Haut auch als Zeichnungen an Felswänden gefunden wurden. Es handelt sich um Tier-Tattoos und die Darstellung heiliger Gerätschaften, die bei Zeremonien und Tänzen zum Einsatz kamen. Daher wird davon ausgegangen, dass diese Tattoos mit religiösen Ritualen zu tun hatten, zum Beispiel der Bitte um eine gute Ernte oder um Nachwuchs.
Auch von den Steinzeithöhlen in Frankreich wird Ähnliches berichtet: Zwar wurden hier keine Mumien gefunden, aber in den Höhlen mit den bekannten, magischen Bildern fand man Nadeln, an denen Spuren einer roten Farbe entdeckt wurden. Offensichtlich wurden auch hier zu den heiligen Zeremonien nicht nur die Felswände bemalt, sondern auch die teilnehmenden Personen tätowiert.
Aus den Berichten der Römer und Griechen wissen wir auch, dass keltische und germanische Stämme tätowiert waren. Der griechische Geschichtsschreiber Strabon zum Beispiel berichtet von einem keltischen Stamm aus den Alpen, bei dem Tattoos zum Alltag gehörten. Ähnliches überliefert der ebenfalls griechische Schreiber Herodian über seine Landsleute, die Thraker. Berühmt sind ebenfalls die südrussischen Skythen für ihre aufwändige Körperbemalung. Und auch von den sibirischen Völkern weiß man, dass sie schon seit Urzeiten tätowieren.
Tattoos als Zeichen der Seeleute und geheimer Banden
Offensichtlich gerieten die Tattoos im Mittelalter durch die Christianisierung in Verruf. Bis in das 20. Jahrhundert hinein waren nur wenige Menschen tätowiert. Meistens waren es die Seeleute, Matrosen und raubeinige Kapitäne, sowie Kriminelle und Mitglieder von Diebesbanden, die sich tätowieren ließen. So konnte man einander erkennen.
Die Tattoos schafften ein Gefühl der Zusammengehörigkeit. Sie waren aber in der Gesellschaft der Adligen und „rechtschaffenden Bürger“ nicht besonders hoch angesehen. So wird über die berühmte österreichische Kaiserin Sissi erzählt, sie habe sich mit 51 Jahren in einer griechischen Hafenkneipe einen Anker in die Schulter tätowieren lassen. Ihr Mann, Kaiser Joseph, war davon offensichtlich nicht sehr angetan, wie Zeitzeugen berichten.
Tattoos als Symbol des Erwachsen-Werdens
Tätowieren läuft nicht ganz ohne Schmerzen ab: Immerhin werden die Bilder mit einer Nadel so in die Haut gestochen, dass nicht nur die Oberfläche angekratzt wird – sondern wäre das Tattoo ja nach ein paar Tagen wieder verheilt und verschwunden. In Deutschland darf man sich daher nur tätowieren lassen, wenn man erwachsen ist.
Auch das hat eine lange Tradition: In den südlichen Staaten im pazifischen Ozean, Neuseeland, Australien, Samoa oder Osttimur, gelten junge Männer und Frauen ab dem Zeitpunkt als erwachsen, wenn sie die schmerzhafte Prozedur des Tätowierens ertragen. In Samoa lassen sich junge Männer die gesamte Haut vom Bauchnabel bis zum Knie tätowieren. Wer das nicht aushält, gilt als zimperlich und darf im Stamm nur niedere Arbeiten verrichten.