Sigmund Freud: Der Fall Aurelia Kronich, alias Katharina
Schlagwörter: Sigmund Freud

Aurelia Kronich, alias Katharina, ist eine Krankengeschichte Sigmund Freuds, welche im Freud-Breuer-Gemeinschaftswerk „Studien zur Hysterie“ veröffentlicht (1895) wurde. Die Fallakte Katharina beginnt auf Seite 106 und endet auf Seite 116.
Wer war Aurelia Kronich?
Aurelia Kronich lebte von 1875 bis 1929. Sie war Tochter von Julius Kronich und Gertrude Göschl, welche auf der Rax (Bergmassiv) ein Wirtshaus betrieben.
Neben Aurelia gab es drei weitere Kinder. Ihr jüngerer Bruder, namens Camillo Kronich (1876 – 1958), wurde in späteren Jahren als „Der Raxkönig“ bekannt. Denn Camillo trug maßgeblich zum Ausbau der Rax bei, errichtete Skiverleihe, Alpenhotels und Schutzhütten.
Um Aurelias Identität zu schützen, verwandte Freud das Pseudonym „Katharina“.
Katharinas Krankengeschichte
Die Krankennovelle beginnt damit, dass Sigmund Freud eine Bergwanderung auf der Rax (Bergmassiv) unternimmt. Er will etwas Abstand vom Wiener Stadtleben und seiner Arbeit gewinnen. In einem Wirtshaus macht Freud Rast und wird von einem 18-jährigen Mädchen, namens Katharina, bedient.
Freud beschreibt das Mädchen als groß und kräftig. Sie klagt ihr Leid, da sie annimmt – dass Freud ein Arzt wäre. Der Psychoanalytiker nimmt sich ihrer Leidensgeschichte an und will sie mit einer Sprachtherapie von ihrem Leid erlösen. Sie erzählt, dass sie unter Schwindelanfällen, Atemnot und Panikanfällen leidet. Außerdem hat sie Halluzinationen und sieht öfter ein grausiges Gesicht vor sich, vor welchem sie sich fürchtet.
Freud hört aus Katharinas Schilderung heraus, dass sie wohlmöglich an hysterischen Anfällen leidet, deren Inhalt Angst sei. Er fragt nach, wann diese Anfälle zum ersten Mal auftraten und das junge Mädchen erzählt, dass sie diese vor 2 Jahren zum ersten Mal hatte. Damals hat sie mit ihrer Tante oben auf dem Berg gewohnt, wo ihr Onkel heute noch lebt.
Ihre Tante und sie sind dann vom Berg heruntergezogen und leben seit 1,5 Jahren im Wirtshaus. Katharina schilderte weiter, dass sie sich die Schuld gab, weshalb sich ihre Tante und Onkel trennen mussten.
Als Freud nachfragt, wieso sie sich schuldig fühlt – erzählt sie weiter – dass sie damals ihren Onkel gesucht und nicht gefunden haben. Ihr Cousin Alois schlug dann vor, beim Onkel in der Hütte nachzusehen. Diese war verschlossen und die Kinder schauten durchs Fenster. Drinnen sahen sie ihren Onkel, welcher auf Katharinas Cousine Francisca lag. Katharina wandte sich sofort vom Fenster ab und die Atemnot setzte ein.
Zwei Tage später hat sie hart gearbeitet. Dann musste sich Katharina allerdings übergeben und fiel drei Tage aus. Freud schloss daraus, dass sie sich vor irgendetwas geekelt hat. Wahrscheinlich gab es in dem Zimmer des Onkels irgendetwas zu sehen, was diesen Ekel auslöste.
Katharina hat es dann der Tante erzählt, welche dann mit den Kindern ins Tal zog. Cousine Francisca war zu diesem Zeitpunkt schwanger und blieb zusammen mit dem Onkel auf den Berg.
Katharinas wahrer Grund für die Panik
Nachdem sie diese Geschichte und die Erlebnisse geschildert hat, bricht Katharina an der Stelle ab und schwenkt zu einem anderen Erlebnis über. Denn zwei Jahre zuvor, Katharina war gerade 14 Jahre alt, war sie mit ihrem Onkel unten im Tal. Sie haben im Wirtshaus übernachtet. Der Onkel trank und spielte Karten. Katharina zog sich auf’s Zimmer zurück und schlief.
Nachts wachte sie auf, da sich der Onkel zu ihr gelegen hat. Sie sagte ihm, dass er sie in Ruhe lassen und schlafen gehen soll. „Es gehört sich schließlich nicht, jemanden, mitten in der Nacht zu wecken.“ Als der Onkel nicht aus dem Bett steigen wollte, stand sie auf und ging zur Tür. Endlich stand auch er auf und verschwand in seinem Bett.
Sie hat damals nicht verstanden, was der Onkel vorhatte. Als sie dann aber Francisca mit dem Onkel sah, wie er auf ihr lag, wurde ihr klar: „Jetzt macht er das mit ihr, was er mit mir auch machen wollte.“
Dieser Anblick ließ die ursprüngliche Szene wiedererwachen und rief dann den Ekel hervor. Nachdem Katharina erkannt hat, dass sie dies hätte sein können, kamen die hysterischen Panikanfälle. Das Trauma war demnach bereits vor vier Jahren geschehen, wurde aber ins Unbewusste verdrängt. Erst vor 2 Jahren, als sie Francisca mit dem Onkel erwischte, wurde die verdrängte Energie freigesetzt und äußerte sich als hysterisches Symptom.
Freud schloss daraus…
Zurückliegende Erfahrungen werden oftmals als traumatisches Erlebnis ins Unbewusste verbannt. Ihre wahre Gewalt und Kraft entwickeln sie dann, wenn die Frau sexuell aufgeklärt ist. Dann wird der ungelöste innerliche Konflikt freigesetzt, welcher sich dann als hysterisches Symptom niederschlägt.
Nachwort zu Katharina bzw. Aurelia Kronich
Nachdem sich Katharina dieser ursprünglichen Erfahrung wieder bewusstwurde, sie erneut durchlebt hat, verschwanden ihre Symptome. Damit untermauerte Freud seine Kathartische Methode. Laut Freud hatte er ihr dabei geholfen, hysterisches Elend in gemeines Unglück zu verwandeln.
1924 kam eine Neuauflage des Buches „Studien zur Hysterie“. In einer Fußnote merkte Freud an, dass Aurelia Kronich nicht die Nichte der Wirtin, sondern deren Tochter, war. Demnach war der Onkel eigentlich ihr Vater. Um die Familie zu schützen, hat Freud die wahre Identität erst später preisgegeben.
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