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Sigmund Freuds Studium und erste Forschungsergebnisse


Nach seinem Abschluss am Realgymnasium im Wiener Gemeindebezirk Leopoldstadt (Juli 1873), nahm Sigmund Freud als 17-jähriger ein Studium an der Medizinischen Fakultät der Universität Wien auf. Erst acht Jahre (1881) später schloss der ewige Student sein Studium ab. Dieser verspätete Abschluss war keineswegs das Ergebnis von Faulheit, sondern von Unentschlossenheit, Zerrissenheit und ewigen Wissensdrang.

Jura, Philosophie oder doch Medizin

Freud wurde durch sein Elternhaus immer glorifiziert, als Auserwählter bezeichnet, welcher einmal die Welt verändert sollte. Demnach war seine eigene Erwartungshaltung entsprechend hoch.

Gleichzeitig bestand ein Drang danach, alles wissen zu wollen. Schon früh interessierte er sich für Literatur, Philosophie, Naturwissenschaften, aber auch für Militärtaktiken. Ein Freund der Familie bescheinigte ihm außerdem, eine große Persönlichkeit zu werden – vielleicht General und Minister.

Also doch ein Jurastudium, um Minister zu werden?
Mit der Vorstellung ein bedeutender General oder Minister zu werden, konnte Freud sich anfreunden. Dennoch war es sein Wille, die Welt zu ändern und nicht weniger, als dies zu leisten.

Im Jahr 1917, also weit nach Abschluss seines Studiums, betonte Freud die drei Genies, welche die Anschauung der Menschheit veränderten:

  1. Kopernikus, indem er den Mittelpunkt der Welt von der Erde hin zur Sonne rückte. Dies war die erste Kränkung des narzisstischen Menschen.
  2. Darwin, da er den Menschen von der Krone der Schöpfung entthronte. Dies war die zweite Kränkung.
  3. Schopenhauer, da er das Unbewusste in die menschliche Weltanschauung einführte. Das „ICH“ war somit nicht Herr im eigenen Haus, was die narzisstische Menschheit ein weiteres Mal kränkte.

Da ab den 1860-er Jahren ein richtiger Hype um Darwins Evolutionstheorie entstand und dieser als Revolutionär galt, wurde Freud in seinem Drang bestärkt, ein naturwissenschaftliches Studium aufzunehmen. Dadurch versprach er sich, die Methodik zu erlangen, um möglicherweise das Weltbild des Menschen, ein weiteres Mal umzuwälzen.

Sigmund Freuds ersten Studienjahre der Humanmedizin

Interessiert an Biologie und Zoologie sollte das breit angelegte Humanmedizinstudium alle Werkzeuge eines Naturforschers bereitstellen. Und so immatrikulierte sich Freud (1873) an der Universität in Wien.

Dabei wollte er niemals praktizierender Arzt werden. Er konnte nicht einmal Blut sehen, so sein Vater später. Stattdessen wollte er physiologische Zusammenhänge erfahren, naturwissenschaftliche Experimente kennenlernen, Theorien aufstellen und bereits bestehende entkräften.

Das Studium der Humanmedizin bot ihm gleichzeitig, die Möglichkeit sich mit Philosophie zu beschäftigen. Dazu besuchte er Vorlesungen von Franz Brentano, welcher das Werk „Psychologie vom empirischen Standpunkt“ veröffentlicht hatte.

Freud erlebte den Gelehrten als überaus geistreich. Dieser inspirierte ihn. In einem Brief, welche Freud am 07. März 1875 schrieb, wird dies deutlich. Dort schreibt er, dass die Psychologie die Grundlage der Philosophie und der Logik sei und demnach als erste Disziplin beschrieben werden müsse. Sein Interesse für psychologische Prozesse war demnach geweckt worden.

Gleichzeitig wurden seine Zweifel, ob der Studienweg der richtige sei, immer größer. Um neue Inspiration zu finden, beschloss er einen Tapetenwechsel zu vollziehen. Im Frühjahr 1875 reiste er nach Manchester, um dort seine beiden Halbbrüder zu besuchen.

In Manchester bewunderte er den Wohlstand, welchen seine Brüder erarbeitet haben. Gleichzeitig spielte auch Freud mit dem Gedanken, sich als Unternehmer zu versuchen. Allerdings blieb dies nur eine Gedankenspielerei und er erkannte für sich, dass er zum Wissenschaftler geboren wurde und nicht zum Industriellen. So kehrte er nach Wien zurück und ging seinem Studium weiter nach.

Sigmund Freuds erste Forschungen mit Aalen in Triest

Im Februar 1876 bekam Freud den Zuspruch über ein Reise- und Forschungsstipendium über 180 Gulden. Dieses ermöglichte ihm, dass er während der Semesterferien eine Forschungsreise nach Triest unternehmen konnte, um in einem Labor des Zoologen Carl F. W. Claus zu arbeiten.

Der Forschungsauftrag bestand darin, dass das Leben der Flussaale erkundet werden sollte. Freud erhoffte sich, durch die Forschung, seine ersten wissenschaftlichen Eindrücke zu hinterlassen. Dazu wollte er die Entdeckungen des polnischen Zoologen Szymon Syrski überprüfen, welcher bei den Aalen hodenähnliche Lappenorgane entdeckt hatte. Denn damals glaubte man, dass Aale Zwitterwesen sind, da deren Fortpflanzungsakt nicht bekannt war.

Aale leben in Süßwasser, kehren allerdings zur Fortpflanzung ins Meerwasser zurück. Sie legen dazu lange Wanderwege zurück und sterben direkt nach Spermien- oder Eiablage. Die Fortpflanzung der Aale war somit ein großes Mysterium der Zoologie im 19. Jahrhundert. Freud wollte mit dem Beweis, dass männliche Fortpflanzungsorgane existieren, etwas Licht ins Dunkel bringen.

Nach etlichen Stunden harter Arbeit veröffentlichte Freud im Jahr 1877 seine Forschungsarbeit unter dem Titel: „Beobachtungen über Gestaltung und feineren Bau der als Hoden beschriebenen Lappenorgane des Aales“. Diese Arbeit erschien in den Berichten der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien.

Dennoch konnte Freud mit dieser Arbeit, weder Syrskis Theorie – dass die Lappenorgane männliche Hoden seien – widerlegen, noch grundlegend bestätigen. Somit konnte er auch keine neuen Erkenntnisse über die Reproduktion von Aalen liefern. Die lange Arbeit und das mittelmäßige Ergebnis enttäuschten Freud und so zog er sich aus der Zoologie zurück.

Sigmund Freuds Arbeit im Brücke Labor

Nach dem missglückten Ausflug in die Welt der Aale, kehrte Freud nach Wien zurück. Zwischen 1876 und 1882 arbeitete Freud am Institut des Physiologen Ernst Wilhelm Brücke. In dieser Zeit lernte Freud die Physiologie (Lehre der Körpervorgänge) im menschlichen Körper, unter neuen wissenschaftlichen Gesichtspunkten, kennen. Denn Brücke verstand sich darauf, dass die menschliche Physiologie physikalischen Naturgesetzen unterliegt.

Anziehungs- und Abstoßungskräfte im menschlichen Körper entstehen nicht durch einen göttlichen Lenker, sondern sind wissenschaftlich erklärbar und nachvollziehbar. Damit unterschied sich das Weltbild klar von Franz Brentano, dem ersten Inspirator Freuds.

Weiterhin hatte Brücke diverse Kontakte zu angesehenen und revolutionären Wissenschaftlern seiner Zeit. So existierte eine Freundschaft zu Emil du Bois-Reymond (Begründer der experimentellen Elektrophysiologie), dem Physiker Hermann von Helmholtz, sowie dem Anatom Carl Ludwig (Begründer der modernen Physiologie). Brücke war zudem Gründungsmitglied der physikalischen Gesellschaft in Berlin gewesen.

Für Freud öffnete sich damals eine gewaltige Tür. Seine später aufgestellten Theorien zur Psychoanalyse erhielten im Brücke-Institut ihr wissenschaftliches Fundament. Gerade die Triebtheorie ist durchsetzt mit Fachausdrücken der physikalischen Lehre und der Elektrophysiologie. Freud zeigte später, dass die Triebe durch Anziehungs- und Abstoßungskräfte entstehen, nach Ausgleich streben, eine Erregungssumme aufweisen und auf Widerstände stoßen.

Sigmund Freuds Abschluss des Medizinstudiums

Die Arbeit im Brücke-Institut endete mit Freuds Dissertation zu „Über das Rückenmark niederer Fische.“ Dazu untersuchte er die Nervenzellen der Fische. Seine Leitfrage bestand darin herauszufinden, ob es einen beobachtbaren Unterschied zwischen den Elementen des Nervensystems der niederen und denen der höheren Organismen gibt oder ob die Nervenzellen nur anders zusammenspielten.

Nach seiner Promotionsfeier (30. März 1881) ging der damals 25- jährige Freud sofort wieder zur Arbeit über. Er war nun zwar Doktor der Medizin, hatte aber dennoch das Gefühl, nicht genug gelernt zu haben. Sein Traum war die Forschung und sollte es bleiben. Und so nannte er sich offiziell zwar Doktor der Medizin, blieb allerdings noch drei Semester als Forschungsassistent im Institut.

Dennoch zerplatzte der Forschungstraum im Jahr 1882, als sein Leiter ihm klar machte, dass seine beruflichen Aussichten im Brücke-Labor schlecht seien. Freud war seit Mitte des Jahres heimlich mit Martha Bernays verlobt und wollte heiraten. Dazu brauchte er Geld, welches ihm die Assistentenstelle nicht bot. Und so wechselte er Ende Juli 1882 zum Wiener Universitätsklinikum, um dort eine Stelle als Assistenzarzt anzutreten.


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