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Sigmund Freuds Geschwister: Das Leben als jüdische Großfamilie


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Sigmund Freud war Sohn von Jakob Kallomon Freud (1815 – 1896), einem jüdischen Handlungsreisenden aus Tysmenitz (heutige Westukraine) und Amalia Malka Nathanson (1835 – 1930). Zusammen hatten sie 8 Kinder.

Sigmund Freuds Halbrüder Emanuel und Philipp Freud

Um das Tuchgeschäft seines Großvaters zu übernehmen, zog Jakob nach Freiberg (Heute Tschechien, damals Kaiserreich Ungarn-Österreich). Dort lernte er, seine dritte Ehefrau, die Jüdin Amalia Malka Nathanson kennen. Zu diesem Zeitpunkt hatte er bereits zwei Söhne, namens Emanuel (1832 – 1914) und Philipp (1836 – 1911), stammend aus erster Ehe.

Als Sigmund Freud 1856 in Freiberg geboren wurde, waren seine beiden Halbrüder, aus Jakobs erster Ehe, bereits erwachsen. Der Erstgeboren, Emanuel Freud, war zudem bereits 3 Jahre älter als Sigmunds Mutter Amalia. Emanuel und Philipp stammen beide aus dem Stetl Tysmenitz, wo auch Jakob Freud geboren wurde.

In Freuds früher Kindheit in Freiberg (bis 1859) spielte Sigmund mit den Kindern seines Halbbruders Emanuel, welche ungefähr im selben Alter wie er waren. Pauline und er lagen nur ein paar Monate auseinander und Freuds Neffe John war sogar ein Jahr älter als Sigmund.

Die Großfamilie wohnte in Freiberg eng beieinander, so dass die Kinder geschwisterlich aufwuchsen. Freuds Halbbrüder Emanuel und Philipp arbeiteten im Tuchgeschäft ihres Vaters und sollten dies irgendwann einmal übernehmen. Doch die wirtschaftliche Situation trennte die Familie. Denn Jakobs Geschäft wurde durch die zunehmende Maschinisierung und aufkommender Konkurrenz bedroht, weshalb er nach Leipzig umziehen wollte.

Philipp und Emanuel hingegen sahen in England neue Produktionsmöglichkeiten für die Textilherstellung und zogen nach Manchester. Dort war die Industrialisierung auf dem Vormarsch und beide sahen, anders als ihr Vater, die Zukunft der Textilherstellung in der Maschinisierung.

Als Jakobs große Erfolge in Leipzig und später in Wien ausblieben, unterstützten die Halbrüder ihren Vater und dessen Kinder finanziell. Denn die industrielle Revolution, welche Jakob ruinierte – verschafften den beiden Halbbrüdern einen sicheren Wohlstand.

Sigmund Freud unterhielt einen Briefwechsel zu Beiden, bat um deren finanzielle Unterstützung nach dem Bankrott seines Vaters und hat Beide immer für ihren Mut und ihren Erfolg bewundert.

Sigmund Freuds erster Bruder: Julius Freud (1857 – 1858)

Sigmund Freud (1856 – 1939) war das erste gemeinsame Kind von Jakob und Amalia. Aber schon ein Jahr nach Sigmunds Geburt brachte seine Mutter ihren zweiten Sohn Julius (1857 – 1858) zur Welt. Julius lebte allerdings nur 8 Monate und starb früh. Amalia stürzte daraufhin in eine tiefere Trauerphase. Gleichzeitig überbehütete und idealisierte fortan Sigmund. Dieser wurde nun als goldener Junge, als ein Ausgewählter mit besonderen geistigen Fähigkeiten betrachtet und gefördert.

Sigmund Freud erinnert sich später an den Tod seines Bruders mit Qualen und Schuldgefühlen. Denn zu dessen Geburt empfand er tiefe Kindeseifersucht auf sein jüngeres Geschwisterkind und begrüßte dessen frühen Tod.

Sigmund Freuds erste Schwester: Anna Freud Bernays (1858 – 1955)

Als Anna 1858 geboren wurde, lenkte Sigmund seine heftigen Rivalitätsgefühle – genau wie zuvor bei Julius – auf seine Schwester. In ihm keimte der Wunsch hoch, dass auch sie ein frühes Ende finden könnte, ähnlich wie bei seinem verstorbenen Babybruder. Er sah Anna als Eindringling an, welcher seine Vormachtstellung bei den Eltern gefährden und ihn entthronen könnte.

Aber Anna war genauso eifersüchtig auf ihn, da die Eltern ihren Erstgeboren vergötterten. Sie erinnert sich später daran, wie der „goldene Sigi“ immer Privilegien genoss und bevorzugt wurde. Nach dem Umzug 1875 von der Glockengasse in Wien in die Kaiser-Josef-Straße bekam Sigi als Einziger ein eigenes Zimmer. Die anderen 6 Geschwister mussten sich ein Zimmer teilen.

Zu Studienzeiten Sigmunds bekam Anna Klavierunterricht. Diese Unruhe störte den jungen Studenten so sehr, dass er seine Eltern dazu nötigte, dass Klavier abzuschaffen. Freud drohte damit auszuziehen, falls Anna die Klavierstunden nicht aufgeben würde. Fortan war die elterliche Wohnung eine klavierfreie Zone.

Anna berichtet später auch, dass ihr Bruder allen Familienmitgliedern vorgeschrieben habe, was diese lesen durften und was nicht. Er spielte sich als Zensor, als Besserwisser auf und hielt Vorträge über die Welt und deren Anschauung.

Im Jahr 1883 heiratete Anna den Bruder von Sigmunds späterer Frau Martha. Dies führte zu einem weiteren Konflikt zwischen den beiden Geschwistern. Denn Marthas Bruder Elias Bernays war – seit dem Tod seines Vaters – das Familienoberhaupt der Familie Bernays. Martha war somit in einer untergeordneten Stellung gegenüber ihrem Bruder und das Familienerbe wurde durch Elias verwaltet.

Sigmund Freud materte es, dass er als lauernder Erbe warten musste, bis Elias starb. Und so forderte er Martha auf, sich gegen ihren Bruder zu stellen und das Erbe einzufordern. Nachdem Martha keine eindeutige Position bezog, drohte Freud damit, die Verlobung mit ihr zu annullieren. Beinahe wäre dies auch geschehen, doch ruderte Sigmund im letzten Augenblick noch zurück.

Die Fehde dauerte allerdings weiter an. Ihren Höhepunkt erreichte sie, als Sigmund Freud zur Hochzeit seiner Schwester mit Elias nicht erschien. Später näherten sich beide wieder an, jedoch blieb die Beziehung stets unterkühlt. Als Anna und Elias in die USA ausreisten, half Freud seiner Schwester bei der Vorbereitung.

In den Vereinigten Staaten baute Elias einen Getreidehandel auf, welcher ihm zu Wohlstand verhalf. Die geographische Entfernung tat auch den Freud-Geschwistern gut und beide schafften es, ein vernünftiges Verhältnis aufzubauen.

Anna und Elias hatten zusammen 5 Kinder. Ihr Sohn Edward Bernay gilt als Begründer der Public Relations (PR), welche zuerst in der Kriegspropaganda und später in sämtlichen Unternehmen einzog. Die PR-Abteilung eines Unternehmens kümmert sich heute um öffentliche Auftritte und die Außendarstellung eines Unternehmens. Die theoretische Grundlage des PR’s lieferte Annas Sohn Edward.

Anna Freud Bernays starb sehr wohlhabend und im Alter von 97 Jahren in den USA. Sie ist die einzige Freud-Schwester, welcher eine Ermordung durch die Nazis entkam.

Sigmund Freuds zweite Schwester: Rosa Freud Graf (1860 – 1942)

Rosa Freud war das vierte gemeinsame Kind von Jakob und Amalia. Anders als die ältere Schwester Anna fand sich Rosa damit ab, dass der erstgeborene Sohn durch die Eltern verherrlicht und bewundert wurde. Dieser Umstand führte zu weniger Rivalität gegenüber Sigmund. Stattdessen hatten beide eine innige Beziehung, wohnten eine Zeit lang sogar zusammen und machten gelegentlich Ausflüge.

Im Jahr 1896 heiratete Rosa den Wiener Juristen Heinrich Graf. Zusammen hatten beide zwei Kinder, namens Hermann und Caecilia. 1908 starb Heinrich und Sigmund machte sich Sorgen um Rosa und deren Kinder. Deshalb schickte er diese in Behandlung.

Aber Rosas Leben war weiterhin durchtrübt mit Kummer. Denn Rosas Sohn Heinrich starb im ersten Weltkrieg und ihre Tochter Caecilia begann 1922 Selbstmord.

Im Zuge der Nürnberger Prozesse von 1946 wurden die Umstände zu Rosas Hinrichtung aufgeklärt. Der Augenzeuge Samuel Rajzman berichtete, dass er Insasse im Konzentrationslager Treblinka war, genauso wie Rosa. Weiterhin gab der Zeuge an, dass Rosa sich als Schwester des berühmten Sigmund Freuds ausgab, um somit auf ihre Intelligenz bzw. ihren Nutzen hinzuweisen. Sie bat um Büroarbeit und der Lagerkommandant gewährte scheinbar ihren Wunsch. Daraufhin schickte er Rosa ins angebliche Badehaus (Gaskammer), von wo aus sie niemals zurückkehrte.

Sigmund Freuds dritte Schwester: Marie Freud (1861 – 1942)

Marie Freud wurde, innerhalb der Familie und von ihren Freunden, „Mitzi“ genannt. Sie war das fünfte Kind der Familie. Sie selbst war begeistert vom Theater, verstand sich auf Handarbeit und lernte Buchhaltung.

Im Jahr 1886 heiratete Mitzi einen entfernten Cousin der Familie Freud, namens Moritz Freud. Dieser schenkte seinem berühmten Schwager Sigmund einen Teppich für sein Sprechzimmer. Marie und Moritz hatten zusammen fünf Kinder. Ihre älteste Tochter Margarethe wurde Schriftstellerin. Lilly Freud-Marle, die zweitälteste Tochter, heiratete den bekannten Regisseur Arnold Marle, welche am Hamburger Schauspielhaus arbeitete. Die dritte Tochter Mitzis, namens Martha Gertrude, veröffentlichte zahlreiche Kinderbücher unter ihren späteren Pseudonym Tom Seidmann-Freud.

Im Jahr 1942 wurde Mitzi nach Theresienstadt deportiert, von wo aus sie ins Konzentrationslager Maly verschleppt und ermordet wurde.

Sigmund Freuds vierte Schwester: Adolfine Freud (1862 – 1943)

Adolfine, auch „Dolfi“ genannt, war das sechste Kind der Freuds. Sie heiratete nie, wohnte lange Zeit noch im Elternhaus und entwuchs niemals der Rolle einer Heranwachsenden. Mutter Amalia soll sie besonders streng behandelt, stets gedemütigt und bevormundet haben.

Im Sommer 1942 wurde „Dolfi“ nach Theresienstadt verschleppt und starb im darauffolgenden Jahr an Unterernährung.

Sigmund Freuds fünfte Schwester: Pauline Freud (1864 – 1942)

Pauline bzw. auch „Paula“ genannt, war die jüngste Schwester Sigmunds und zugleich das siebente Kind der Familie Freud. Sie heirate Valentin Winternitz, wurde aber früh Witwe. Ihre Tochter Rose entwickelte eine Schizophrenie und heiratete den Dichter Ernst Waldinger.

Genauso wie ihre Schwestern „Mitzi“ und „Dolfi“ wurde auch „Paula“ 1942 nach Theresienstadt verschleppt. Dort ging es dann weiter ins Vernichtungslager Maly, wo sie wahrscheinlich vergast wurde.

Sigmund Freuds zweiter Bruder: Alexander Freud (1866 – 1943)

Alexander war das achte Kind der Familie. Zu seinem älteren Bruder Sigmund bestand ein Altersunterschied von über 10 Jahren, wodurch Sigmund sich selbst in einer Position des Beschützers und Lehrers sah. Sigmund soll den Namen „Alexander“ für seinen jüngsten Bruder ausgesucht haben, in Anlehnung an Alexander den Großen.

Zwischen den beiden Brüdern herrschten stets Harmonie und Alexander akzeptierte die Bewunderung seiner Eltern für den älteren Sigmund. Im Erwachsenalter begleitete Sigmund seinen jüngeren Bruder auf dessen Reisen nach Griechenland oder Italien.

Alexander heirate, im Jahr 1909, Sophie Schreiber. Aus der Ehe entstammt Sohn Harry. Im Jahr 1939 emigrierte Alexander, über die Schweiz, nach Kanada. Sein Sohn Harry wartete dort bereits auf ihn. Harry kam als amerikanischer Soldat nach Europa zurück und war an der Befreiung Berlins beteiligt. Alexander Freud starb in Amerika als freier Mann.


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