Weshalb bezeichnet man Politik als Macht der Interessen
Im Rahmen von Politik versuchen unterschiedliche Gruppierungen, ihre jeweiligen Interessen durchzusetzen und zu verwirklichen. Politik wird daher häufig als Macht der Interessen bezeichnet. Diese Interessenvertretung und Machtdurchsetzung erfolgt auf drei Ebenen, welche in der Politikwissenschaft als Polity, Policy und Politics bezeichnet werden.
Inhalt
Die drei Ebenen des modernen Politikbegriff
In der modernen Politikwissenschaft geht man davon aus, dass die politische Auseinandersetzung auf drei Ebenen stattfindet. Diese drei Ebenen nennt man Polity, Policy und Politics. Ferner versucht man Politik auf der Basis verschiedener Gegensatzpaare zu definieren. Man unterscheidet hier zwischen regierungszentrierten und emanzipatorischen Phänomenen, ferner wird der Politikbegriff in normative versus deskriptive Ansätze sowie in konfliktorientierte versus konsensbezogene Herangehensweisen unterteilt.
Polity
Mit dem Begriff Polity sind die politischen Strukturen gemeint, innerhalb derer der politische Wille gebildet und die politischen Entscheidungen getroffen werden. In erster Linie steht hier die jeweilige Verfassung eines Landes im Fokus, durch die alle übrigen politischen Strukturen grundlegend definiert werden. Die Verfassung regelt, in welchem Verhältnis die verschiedenen Staatsorgane zueinander stehen und wie weit die Handlungsspielräume der einzelnen Institutionen reichen.
Außerdem richtet sich Polity auf bestimmte Gesetze, die zwar nicht im engeren Sinne Teil der Verfassung sind, die Verfassung eines Landes aber wesentlich mitprägen. Dazu gehören in der BRD etwa die Gesetze zur Gewaltenteilung oder die Gesetze zur Wahl.
Aber auch die politische Kultur eines Landes, die nicht in offiziellen Dokumenten niedergeschrieben ist, spielt im Rahmen von Polity eine wichtige Rolle. Das geht auf die Überlegung zurück, dass allein die Verfassung eines Staates dessen Funktionsweise nicht erklären kann. Vielmehr wird die Funktionsweise eines Staates neben der Verfassung von den politischen Werten und Gewohnheiten geprägt, die im jeweiligen Staat herrschen und das politische Handeln bestimmen.
Diese Verhaltensmuster können sich im Laufe der Zeit wandeln und stehen in ständiger Wechselwirkung zu den verfassungsmäßigen Grundsätzen. Als Beispiel für politische Kultur könnte man etwa bestimmte sprachliche Gepflogenheiten nennen, die die Beleidigung des politischen Gegners verbieten und damit auf informelle Weise die Grenzen der politischen Auseinandersetzung definieren.
Policy
Politik wird oftmals als Macht der Interessen bezeichnet. Dass es in einem Gemeinwesen unterschiedliche Interessen gibt, hängt mit den unterschiedlichen normativen Vorstellungen zusammen, an denen sich die verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen orientieren. Normative Vorstellungen meint, dass es in jedem Staat unterschiedliche Meinungen darüber gibt, wie das Gemeinwesen aussehen sollte.
Diese Interessen müssen nun in Einklang gebracht werden. Die verschiedenen Interessengruppen versuchen, sich gegen die jeweiligen Gegner durchzusetzen und müssen in aller Regel Kompromisse untereinander schließen. Das gilt für alle Politikbereiche, etwa die Innenpolitik, die Sicherheitspolitik oder die Wirtschaftspolitik. Wie diese Interessen und die geschlossenen Kompromisse aussehen, wird mit dem Begriff Policy bezeichnet. Policy fokussiert also auf die inhaltliche Dimension von Politik.
Im allgemeinen Sprachgebrauch hört man den Begriff Policy jedoch sehr selten. Stattdessen ist von politischen Entscheidungen oder von guter bzw. schlechter Politik die Rede. Genau das ist mit Policy gemeint. Dabei geht es im Rahmen von Policy nicht nur darum, ausschließlich die politischen Entscheidungen selbst zu beschreiben und zu analysieren, sondern auch die politischen Akteure in den Fokus zu nehmen und die Frage zu stellen, welche gesellschaftlichen Gruppen von bestimmten politischen Entscheidungen profitieren und welche Gruppen Nachteile erleiden.
Politics
Die Kategorie Politics wiederum nimmt die politischen Prozesse ins Visier, die letzten Endes zu Policy führen. im Rahmen von Politics fragen sich Politologen etwa, welche offiziellen und inoffiziellen Regeln in einem Staat befolgt werden müssen, um die eigenen Interessen durchzusetzen, innerhalb welcher Prozesse politische Macht organisiert ist und nach welchen Prinzipien die politischen Entscheidungsprozesse vonstatten gehen.
Besonders in liberalen Demokratien wie Deutschland nimmt Politics eine wichtige Rolle ein. Hier müssen die politischen Akteure stets die Interessen anderer politischer Interessengruppen und Institutionen berücksichtigen (z.B. Gewerkschaften, Sozial– oder Arbeitgeberverbände), um ihr eigenes Handeln kurz- und vor allem mittel- und langfristig zu legitimieren.
Politics ist demnach ein Prozess, der mit Policy eng verbunden ist, da Policy nur dann erfolgreich sein kann, wenn in den vorgelagerten Entscheidungsprozessen die Interessen etwa der Wählerschaft, der anderen Parteien oder der Medien mitgedacht und deren Reaktionen nicht außer Acht gelassen werden. Das gleiche gilt, wenn auch in abgeschwächter Form, ebenso für autoritäre Systeme. Auch dort müssen die Machthaber – zumindest innerhalb gewisser Grenzen – die Interessen anderer gesellschaftlicher Gruppe berücksichtigen.
Eine klare Abgrenzung des Begriffs Politics von Policy ist daher schwierig. Die inhaltlichen politischen Entscheidungen finden meist parallel zu den Entscheidungsprozessen statt. Beide Aspekte von Politik bedingen und beeinflussen sich gegenseitig.
Regierungszentriert und emanzipatorisch
Regierungszentrierte (gouvernementale) Begriffe von Politik konzentrieren sich vor allem auf Machtphänomene. Es geht darum, die Rolle von Herrschaft in der Politik zu beschreiben und zu analysieren. Der regierungszentrierte Politikbegriff wurde vor allem im 19.Jahrhundert geprägt und geht davon aus, dass das staatliche Gewaltmonopol im Zentrum von Politik steht.
Im Unterschied dazu beschäftigen sich emanzipatorische Konzepte von Politik damit, wie Macht beschränkt und auf möglichst viele gesellschaftliche Gruppe verteilt werden kann. Die vorherrschenden Machtstrukturen sollen einer kritischen Beurteilung unterzogen und die Machtbefugnisse demokratisiert werden.
Normativ und deskriptiv
Normative Zugriffe auf Politik beschäftigen sich mit der Frage, wie Politik aussehen sollte. Es geht nicht darum, die gegenwärtige politische Situation zu beschreiben, sondern Zielvorstellungen zu entwickeln, an denen sich ein Gemeinwesen orientierten kann. In diesem Zusammenhang versuchen normativ orientierte Denker beispielsweise Lösungen für dauerhaften Frieden oder den Abbau von sozialer Ungleichheit zu finden.
Deskriptive Herangehensweisen dienen hingegen ausschließlich dazu, die jeweilige politische Wirklichkeit möglichst präzise zu beschreiben. Hier bestehen Ähnlichkeiten zum regierungszentrierten Politikbegriff. Der deskriptive und der normative Politikbegriff stehen jedoch auch in einem engen Verhältnis zueinander, das normative Vorstellungen zumeist auf einer deskriptiven Analyse aufbauen.
Konfliktorientiert und konsensbezogen
Die Annahme, dass Konflikte im Zentrum von Politik stehen und alle politischen Prozesse wesentlich von Konflikt bestimmt und geprägt sind, steht im Zentrum des konfliktorientierten Politikbegriffs. Dieser Politikbegriff untersucht sowohl deskriptiv als auch normativ, wie Konflikte in einer Gesellschaft ausgetragen werden, welche Probleme dabei entstehen und wie die Probleme gelöst werden können. Besonders die Polityebene nimmt in diesem Kontext eine wichtige Rolle ein, denn die Lösung von Konflikten hängt wesentlich mit den institutionellen Prozessen zusammen, innerhalb derer Konflikte ausgetragen und gelöst werden.
Den Gegensatz zum konfliktorientierten Verständnis von Politik bildet der konsensbezogene Politikbegriff. Dieser geht davon aus, dass ein Gemeinwesen nur auf der Basis von Konsens, nicht etwa auf der Basis von Macht (wie beim regierungszentrierten Politikbegriff) funktionieren kann. Insofern orientieren sich konsensbezogene Ansätze an normativen und emanzipatorischen Theorien.