Martha Bernays: Die Ehefrau von Sigmund Freud
Martha Bernays, später Martha Freud, war die Ehefrau von Sigmund Freud. Sie wurde am 26. Juli 1861 in Hamburg geboren und starb am 2. November 1951 in London. Mit Sigmund Freud war sie 4 Jahre verlobt (1882 – 1886) und 53 Jahre verheiratet (1886 – 1939).
Inhalt
Martha Bernays Herkunft und Familie
Martha Bernays Eltern waren Berman Bernay (Vater) und Emmeline Philips (1830 – 1910). Aus dieser Ehe gingen 4 Kinder hervor:
- Isaak Bernays war zeitlebens gehandikapt wurde nur 16 Jahre alt
- 1860: Elias Bernays
- 1861: Martha Bernays
- 1865: Minna Bernays
Die jüdische Familie galt als religiös und intellektuell gebildet. Denn ihr Großvater väterlicherseits, Isaak Bernays (1792 – 1849), war ein berühmter Oberrabbiner der Deutsch-Israelischen Gemeinde gewesen.
Als erster deutscher Rabbiner hatte Marthas Großvater den Talmund (bedeutendes Schriftwerk im Judentum) studiert. Dafür hatte er eine Universität besucht, was für einen Juden zur damaligen Zeit ungewöhnlich war.
Der Hamburger Jude war angesehen und trug zu Reformen bei. Der Schriftsteller Hermann Schiff, ein Vetter Heinrich Heines, schrieb seinen „Ghetto-Roman“ unter dem Pseudonym Isaak Bernays. Dazu borgte er sich den Namen der Hamburger Berühmtheit.
Isaak hatte drei Söhne:
- Jakob Bernays (1824 – 1881): Forscher auf dem Gebiet der griechischen Antike. Dieser prägte den Begriff Karthasis, welchen Freud und Breuer später übernahmen.
- Michael Bernays (1834 – 1897): Literaturhistoriker, welcher zum Christentum konvertierte
- Berman Bernays (1826 – 1879): Marthas Vater war Kaufmann in Hamburg
Marthas Vater betrieb bis 1860 eine Stickerei. Danach war er im Annoncengeschäft für eine Firma tätig. Dazu ging er zu Privatleuten oder anderen Firmen und versuchte diese, zum Aufgeben einer Annonce (öffentliche Ankündigung oder Werbung) zu bewegen. Diese Arbeit war damals oft auf Provisionsbasis, weshalb sich Berman im Wertpapiergeschäft etwas Geld dazuverdiente. Er war somit Angestellter und nebenbei selbstständiger Wertpapierhändler.
Diese kaufmännischen Geschäfte liefen anfangs gut, jedoch musste Berman im Jahr 1867 seine Insolvenz verkünden. Während des Konkursverfahrens wurden Rechtsverstöße und Betrugsfälle aufgedeckt, weshalb er eine einjährige Haftstrafe antreten musste.
Bermans damalige Firma „Haasenstein & Vogler“, für welche er die Annoncen vertrieben hatte, vergab während der Haftzeit seine Stelle neu. Dennoch zeigten sich die Inhaber loyal und boten Berman eine Stelle in ihrer Zweigniederlassung in Wien an. So zogen er, seine Frau Emmeline und die drei Kinder im Jahr 1869 nach Wien.
Für die Mutter Emmeline war der Umzug äußerst schwer. Denn schließlich musste sie ihre ganze Hamburger Familie zurücklassen. Für Berman war Wien allerdings ein Neuanfang und so wurde er zum Sekretär des Nationalökonomen Lorenz von Stein, welcher zwischen 1855 und 1874 Professor für Politische Ökonomie an der Wiener Universität war.
Bermans Insolvenzverfahren wurde 1873 abgeschlossen und so hatte die Familie wieder die Möglichkeit, an Wohlstand zu gelangen. Allerdings starb Berman im Jahr 1869, als er einfach auf der Straße zusammenbrach, im Alter von 53 Jahren. Die zurückgebliebene Familie war fast mittellos und Sohn Elias wurde zum Familienoberhaupt. Dazu übernahm der damals 19-jährige den Sekretärsposten seines Vaters und wurde zum Versorger.
Als dann Jakob Bernays, der ältere Bruder Bermans, im Jahr 1881 unverheiratet starb – vermachte er der Familie ein kleines Erbe. Dieses reichte allerdings kaum aus, weshalb die Familie weiterhin durch Armut bedroht war.
Martha Bernays heimliche Verlobung mit Sigmund Freud
Martha und Sigmund Freud verlobten sich heimlich im Jahr 1882. Heiraten konnten sie allerdings erst 4 Jahre später. Denn im 19. Jahrhundert war es Brauch, dass die Töchter zur Hochzeit eine Mitgift bzw. Aussteuer mitbringen.
Hatte ein Elternhaus dieses Vermögen nicht zu bieten, konnte die Braut nicht heiraten. Durch dieses kastenähnliche System sollten arme Bevölkerungsschichten davon abgehalten werden, über ihren Stand zu heiraten.
Das Gegenstück dazu, war die Mitgift der Widerlage. Demnach hätte der Bräutigam das Brautgeld aufbringen können. Da Sigmund Freuds Eltern allerdings ebenfalls arm waren, blieb ihnen diese Möglichkeit verwehrt.
Die Mitgift war, zu Zeiten Freuds, zwar nur ein gesellschaftlicher Brauch – jedoch wurde dieser strikt befolgt und eingehalten. Somit war es für Martha unmöglich zu heiraten, solange ihre Familie arm war.
Für Freud, welcher unbedingt heiraten wollte, stand fest, dass er Geld verdienen musste. Die geliebte, aber unterbezahlte Studentenstelle, im Brücke-Institut gab er deshalb 1882 auf und wurde Arzt im Wiener Universitätsklinikum.
Als Marthas Mutter Emmeline von den Liebschaften ihrer Tochter erfuhr, wollte sie die Beiden trennen. In Freud sah sie lediglich einen mittellosen Studenten, welcher erst einmal Geld verdienen sollte. Mutter Emmeline, sowie die Töchter Martha und Minna zogen zurück nach Hamburg, in den Stadtteil Wandsbek. Dort lebte Emmelines Bruder, namens Elias Philip. Bei diesem kamen die drei Damen nun unter.
Marthas und Sigmund Freuds Briefwechsel
Freud und Martha blieben dennoch verlobt. Er lebte in Wien und sie in Hamburg. In den nächsten vier Jahren entstand ein ausgiebiger Briefwechsel zwischen den Beiden. Die Briefe sind später überliefert wurden und können heute im Buch: Brautbriefe* nachgelesen werden.
In den Briefen nannte Freud seine Verlobte liebevoll „Marthchen“ und „Cordelia“, in Anlehnung an Shakespeare „König Lear“ – welchen er zeitlebens verehrte. Dieser verbannt seine jüngste Tochter Cordelia und enterbt diese.
Weiterhin beschrieb Freud seiner Liebsten den Dresdner Zwinger (20. Dezember 1883) und dessen Bilder. Ein anderes Mal machte er Anmerkungen zu Anna O., der Patientin – welche später die Initialzündung zur Psychoanalyse geben sollte.
Aber die Briefe sind nicht nur liebevoll, sondern mitunter auch ungestüm und ungehalten. Freuds Biograph Ernest Jones, selbst Psychoanalytiker, sieht hier eine gewisse Abhängigkeit und Fixierung Freuds. Genauso wie er seine Mutter vor den ganzen jüngeren Geschwistern abschirmte, um ein Machtmonopol zu erhalten, geht er auch in Marthas Briefen vor. So ist er eifersüchtig, versucht Schuldgefühle in ihr hervorzurufen, will sie besitzen und manipulieren.
Die oft von Freud diagnostizierte Objektfixierung bzw. Besessenheit, welchen er seinen Patienten bescheinigte, spiegelt sich auch in seinen Briefen an Martha wider. Einige Forscher sehen in den Briefen auch ein eindeutiges Indiz für seinen damaligen Kokainmissbrauch.
In seinem Wahn unterstellt er Martha, dass sie mit anderen Männern flirtet. So fallen dort Namen, wie Max Mayer oder Fritz Wahle. Mit Letzterem hat sich Freud beinahe duelliert.
Marthas und Sigmund Freuds lange Wartezeit und das Hoffen auf Ruhm
In den vier Jahren ihrer Verlobung hatte Freud genug Zeit, sich mit Marthas Mutter auszusöhnen und diese davon zu überzeugen, dass er gut genug für ihre Tochter wäre. Er selbst malte sich aus, einen wissenschaftlichen Durchbruch zu erringen, dann Geld und Ruhm zu erlangen, um Martha endlich zu ehelichen.
Eine Möglichkeit für einen Durchbruch sah Freud in der Erforschung von Kokain. Dieses nahm er selbst ab 1885 regelmäßig ein und dessen medizinische Wirkung war gänzlich unerforscht. Der Durchbruch blieb ihm allerdings verwehrt, weil Carl Koller zuvor dessen Wirkung bei Augenschmerzen veröffentliche.
Freud, welcher die Einnahme von Kokain öffentlich empfahl, ohne dessen Langzeitfolgen zu kennen, erlitt in Wissenschaftskreisen eine Blessur. Dennoch ließ er sich nicht abhalten. 1885 reichte Freud einen Antrag an der Wiener Universität ein, ihm eine Dozentur für Nervenpathologie zu verleihen.
Freuds damalige Lehrer aus dem Wiener Klinikum und dem Brücke Labor sprachen sich an der Universität für ihren Schüler aus. Und so wurde im Juli 1885 der Antrag bewilligt und die Dozentenstelle rückte in greifbare Nähe.
Von der Dozentenstelle an der Universität versprach sich Freud mehr Reputation und Geld, als er hätte – als praktizierender Arzt im Wiener Krankenhaus – verdienen können. Beflügelt von der neuen beruflichen Aussicht und wahrscheinlich benebelt vom Kokain schrieb Freud – im Anflug von Größenwahn – am 24. April 1885 einen Brief an Martha.
In diesem Brief verkündet er, dass er seine Manuskripte und Unterlagen wegwerfen würde. Spätere Biografen sollten seine Umwege nicht kennen, seine Niederlagen nicht sehen und so ein anderes Bild von ihm entwerfen.
Die Realität sah allerdings anders aus. Vornehmlich hatte er, mit Geldsorgen zu kämpfen. So borgte er sich regelmäßig Geld oder ließ sich von Marthas Schwester eine Fahrkarte nach Hamburg bezahlen.
Marthas und Sigmund Freuds Hochzeit
Da Martha nicht mehr warten konnte, schrieb sie in einem Brief am 03. August 1884, dass sie nach Wien zurückkommt und dort eine Stelle als Kindermädchen annehmen würde. Für Freud war dieser Brief zwar ein Beweis für Marthas Liebe, aber gleichzeitig kränkte und beschämte ihn auch diese Vorstellung.
Um Marthas Leiden zu beenden und um wahrscheinlich zu verhindern, dass sie mittellos nach Wien zurückkehrte – kam es zu einer großzügigen Finanzspritze seitens Marthas Tante. Andere Verwandte schlossen sich an, so dass die Hochzeit stattfinden konnte.
Am 13. September 1886 heiraten Sigmund Freud und Martha Bernays im Wandsbeker Rathaus. Einen Tag später leitete der Rabbiner Hanover die religiöse Zeremonie in der Wandsbeker Synagoge. Denn laut österreichischen Recht wäre eine amtliche Trauung allein, von den Behörden nicht anerkannt wurden.
Der „aufgeklärte und nichtgläubige“ Jude Sigmund Freud musste sich fügen. Bei der Zeremonie waren 14 Leute zugegen, darunter Marthas Onkel Elias, von dem Freud am Vorabend noch die Gebetsformeln lernte.
Das Hochzeitsessen wurde im Hirschel’s Hotel in der Wexstraße eingenommen. Die Hochzeitsreise ging nach Travemünde an die Ostseeküste, nahe Lübeck.
Marthas Freud Leben mit Sigmund Freud
Eine Bedingung von Sigmund Freud war es, dass Martha sämtliche religiösen Gewohnheiten ablegte. Das koschere Kochen, sowie das Feiern der jüdischen Feiertage war Tabu im Hause Freuds. Sie hatte dies akzeptiert.
Beide zogen nach Wien. Dort hatte Freud bereits im April 1886 eine Privatpraxis in der Berggasse 19 eröffnet, welche gleichzeitig das Familienhaus war.
Zusammen hatten Martha und Sigmund Freud 6 Kinder:
- Mathilde Freud (1887 – 1978)
- Jean Martin Freud (1899 – 1967)
- Oliver Freud (1891 – 1969)
- Ernst Freud (1892 – 1966)
- Sophie Freud (1893 – 1920)
- Anna Freud (1895 – 1982)
Nach der Annektierung Österreichs 1938 an Nazi-Deutschland wurden auch die Freuds verfolgt. Denn sowohl Sigmund als auch Martha waren jüdischer Herkunft. Am 15. März 1938 stürmte ein SA-Trupp die Berggasse 19 und wollte Antiquitäten beschlagnahmen. Martha Freud konnte die Eindringlinge loswerden, indem sie ihre Geldbörse aushändigte.
Am 22. März 1938 sollte Sigmund Freud verhört werden. Da dieser seit Jahren an einem Krebsleiden litt, begleitete Tochter Anna die Gestapo zum Verhör. Durch die zunehmende Bedrohung der Nationalsozialisten entschlossen sich die Freuds, das Reich zu verlassen, um nach England zu fliehen.
Am 06. Juni 1938 erreichten sie London. Dort bewohnten Sigmund Freud und seine Ehefrau Martha ein Haus in der Elsworthy Road 39. Nachdem Sigmund Freud am 23. Septembers 1939 seinem Krebsleiden erlag, wurde es ruhig um Martha. Sie ging kaum raus und starb, ungeachtet vom öffentlichen Interesse, am 2. November 1951.
Von Anna Freud stammt das Zitat:
„Meine Mutter hat an meinen Vater geglaubt, nicht an die Psychoanalyse“