Warum gibt es unterschiedliche Zeitzonen: Gründe und ihre Bedeutung
Die internationalen Zeitzonen wurden eingerichtet, um Ordnung in das Chaos zu bringen, das aus den Tausenden „natürlicher“ Zeiten auf der Erde entsteht. Dieses Chaos gibt es, weil die Erde eine Kugel ist. Die Erde ist nicht flach. Sie ist rund, und deshalb ist es nicht überall auf der Erde gleichzeitig gleich spät.
Die Physik der Zeit
Denn zum Beispiel „Mittag“ ist es, wenn die Sonne im Laufe des Tages ihren höchsten Stand am Himmel erreicht hat. Wenn es aber etwa in Berlin Mittag ist, dann ist es in Tokio bereits acht Uhr abends, und in New York ist es erst sieben Uhr am frühen Morgen. Der Mittag ist in Tokio lange vorbei, und in New York kommt er erst noch.
Abends ist es natürlich genauso. Angenommen, in Berlin ist gerade die Sonne untergegangen. Die Stadt liegt dann genau auf der Grenze zwischen Tag und Nacht, und sie wird nicht mehr von der Sonne beleuchtet. Dann ist es nur wenige Kilometer weiter östlich bereits dunkel, und ein Stück weiter im Westen ist es noch hell. Hier wird die Sonne erst in ein paar Minuten ebenfalls untergehen.
Dies liegt an der Erddrehung. Die Erde dreht sich einmal innerhalb eines Tages, also innerhalb von 24 Stunden, um ihre Achse, und dies tut sie von Westen nach Osten. In dieser Zeit trägt die Erde mit ihrer Drehung jeden Punkt auf ihrer Oberfläche einmal von der Dunkelheit im Westen in die Helligkeit im Osten, vom Morgengrauen über den Mittag und den Abend wieder zurück in die Nacht.
Für die Frage, wie spät es ist, ist es also wichtig, wie weit westlich oder östlich ein Ort auf der Erde liegt. Norden oder Süden spielen hier keine Rolle. Berlin und Johannesburg sind zwar weit voneinander entfernt, aber nur in Nord-Süd-Richtung. Deshalb ist es in beiden Städten gleich spät.
Unter dem Blickwinkel der Astronomie hat also jeder Ort, je nachdem, wie weit westlich oder östlich er liegt, eine andere Zeit. Und hier macht tatsächlich jeder Kilometer einen Unterschied.
Die Politik schafft Ordnung in der Zeit
Diese wirkliche lokale Zeit, die sogenannte „Sonnenzeit“, aus dem Sonnenhöchststand am Mittag zu kennen, hat den Menschen im längsten Teil ihrer Geschichte auch völlig gereicht. Die jeweilige Sonnenzeit war gültig, und Reisende mussten dies unterwegs berücksichtigen und womöglich mehrmals am Tag ihre Uhren umstellen.
Geändert hat sich dies erst im Zuge der Industrialisierung im 19. Jahrhundert durch die neuen Techniken, die mit ihr aufkamen, insbesondere die Telegrafie und die Eisenbahn. Der sinnvolle Betrieb längerer Eisenbahnstrecken hat es erfordert, dass entlang dieser Strecken die gleiche Zeit galt, und die Telegrafen haben es ermöglicht, allen Bahnhöfen der Strecke diese Zeit mitzuteilen. Als verbindliche Zeit hierfür hat man zumeist die Ortszeit einer größeren Stadt entlang der Bahnlinie oder aber die Ortszeit der Landeshauptstadt verwendet.
Diese Zeit, die entlang einer Eisenbahnstrecke oder auch schon im ganzen Land galt, hieß dann „Standardzeit“. So gab es beispielsweise eine Berliner Zeit, eine Hamburger Zeit, eine Prager Zeit und so weiter. Dies brachte immerhin etwas Ordnung in das Zeitsystem, aber verwirrend blieb es zum Beispiel an Bahnhöfen, die von unterschiedlichen Linien angefahren wurden. So hatte der Bahnhof von Genf gleich drei Zeiten.
Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts hatten schließlich fast alle europäischen Länder ihre einheitliche Standardzeit. Zwar hatte immer noch jedes Land seine eigene Zeit, aber immerhin hatte – fast – jedes Land nur eine einzige Zeit. Eine Ausnahme bildet hier Deutschland. Das Deutsche Reich wurde zwar 1871 gegründet, aber bis zur Einführung einer landesweit geltenden Zeit hat es noch bis 1893 gedauert. Vorher war es etwa in Württemberg 23 Minuten früher als in Bayern.
Der nächste und entscheidende Impuls für eine Vereinheitlichung der Zeitmessung kam aus den Vereinigten Staaten und Kanada, und auch hier waren die Eisenbahnen die treibende Kraft. Allein schon wegen der schieren Größe der beiden Länder waren die Eisenbahngesellschaften gezwungen, ihre Zeitsysteme irgendwie sinnvoll zu strukturieren. Hierbei sind sie ab 1883 nach einem Prinzip vorgegangen, das nur ein Jahr später, bei der internationalen Meridiankonferenz in Washington, für allgemeinverbindlich erklärt wurde.
Diese Methode funktioniert folgendermaßen. Die Erde dreht sich, wie beschrieben, innerhalb von 24 Stunden einmal um ihre Achse. Eine volle Drehung im Kreis sind 360 Grad. Also rotiert die Erde um 360 Grad in 24 Stunden, woraus folgt, dass eine Stunde 15 Grad entspricht. Man unterteilt nun eine Weltkarte in 24 von Norden nach Süden verlaufende Streifen zu je 15 Grad. Der Zeitunterschied zwischen zwei benachbarten Streifen beträgt somit eine Stunde. Als Referenzlinie, also als Startpunkt beim Abzählen der 15 Grad, gilt der Längengrad, der durch Greenwich in Großbritannien verläuft. Auf der gleichen Konferenz wurde dieser Längengrad auch als sogenannter Nullmeridian für die Navigation und die Kartografie definiert. Überhaupt sind Zeitmessung und Navigation eng miteinander verbunden, aber das ist ein eigenes, interessantes Thema.
Seit seiner Einführung 1884 wird das System der Zeitzonen ununterbrochen genutzt, und es hat sich bewährt.
Zeitzonen heute
In der Praxis gibt es allerdings ein paar Abweichungen vom logischen Grundgedanken der 15-Grad-Einteilung. So wird man ein Land, das eigentlich mittig in einer Zeitzone liegt, aber im Westen oder Osten ein wenig in die angrenzende Zone hineinragt, nicht in zwei Zonen unterteilen. Die Grenze zwischen den beiden Zonen folgt hier also keiner Geraden, sondern der Landesgrenze, und die Zonengrenze erscheint hier „ausgefranst“. Dies hat praktische Gründe. Wenn ein Land wirklich mehrere Zeitzonen abdeckt, dann wird es unterteilt, wie man gut an den USA oder Russland sieht.
Umgekehrt kommt es aber vor, dass ein Land zwar eine sehr große west- östliche Ausdehnung, aber dennoch nur eine offizielle Zeit hat. China erstreckt sich über fünf Zeitzonen, aber es ist überall gleich spät. Der Grund ist hier nicht praktischer, sondern politischer Natur – die „Einheit des Landes“ soll unterstrichen werden. Das hat aber die kuriose Folge, dass es im Westen Chinas bereits kurz nach dem Sonnenaufgang Mittag ist.
Schließlich gibt es noch einige Länder, die sich ihre eigenen „Zeitnischen“ im 15-Grad-Schema eingerichtet haben. Beispielsweise beträgt der Zeitunterschied zwischen Myanmar und seinen Nachbarn im Westen und Osten nicht eine Stunde, sondern nur eine halbe. Im Falle Nepals sind es eine Dreiviertelstunde und eine Viertelstunde. Durch solche Abweichungen gibt es weltweit tatsächlich mehr als die eigentlich vorgesehenen 24 Zeitzonen.