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Was bedeutet Gehsteigbelästigung: 6 Fragen und Antworten


Was bedeutet Gehsteigbelästigung

Die Gehsteigbelästigung ist ein Sammelbegriff für alle Proteste von Abtreibungsgegnern, die sich vor Arztpraxen und Beratungsstellen einfinden, um dort Schwangere mit Abbruchvorhaben verbal anzugehen. Betroffene Frauen empfinden dies als Belästigung und als psychische Belastung.

Warum heißt es Gehsteigbelästigung

Bis 2017 hieß dieses verbale Vorgehen gegen schwangere Frauen noch Gehsteigberatung. Es zielt darauf ab, Schwangere vor einem Schwangerschaftsabbruch zu beraten, gegebenenfalls umzustimmen oder fernzuhalten.

Die deutsche Richterin Ulrike Lembke, welche am Verfassungsgericht Berlin tätig ist, schlug vor den harmlosen Begriff „Gehsteigberatung“ durch „Gehsteigbelästigung“ zu ersetzen.

Was passiert bei einer Gehsteigbelästigung

Schwangere die eine Abtreibung vornehmen möchten, sind gesetzlich dazu verpflichtet, vorher eine Schwangerschaftskonfliktberatung aufzusuchen. Dort postieren sich Abtreibungsgegner und versuchen die abtreibungswilligen Frauen von einer Abtreibung abzuraten.

Die Situationen eskalieren mitunter, da die Protestanten verstörende Bilder mitbringen, die Schwangeren beschimpfen und auf andere Weise von der Beratungsstelle fernhalten.

Außerdem sehen sich die Betroffenen einer Hetze und Beschimpfungen ausgesetzt. Der Bundesverband pro Familie nannte das Vorgehen der Demonstranten eine Demütigung und Stigmatisierung von Ratsuchenden. Dadurch werde der Weg zur Beratungsstelle zum Spießrutenlauf.

Wer betreibt Gehsteigbelästigung

Die Protestanten sind Abtreibungsgegner, manchmal mit religiösen Motiven. Einige Demonstrationen werden von Organisationen geplant und durchgeführt.

Eine dieser Organisationen ist „40 Days for Life“ (deutsch: 40 Tage für das Leben). Diese haben es sich zur Aufgabe gemacht, sämtliche Beratungsstellen und Schwangerschaftsabbruchstellen in Deutschland zu schließen. Es handelt sich um eine christliche Organisation, welche als Bewegung in den USA entstand. Die Mitglieder stellen Mahnwachen vor Abtreibungszentren auf.

In Deutschland ist „40 Days for Life“ in Frankfurt/Main, Pforzheim, Passau und München aktiv. Die Organisation betont immer wieder, dass sie nur friedlich auftritt, niemanden belästigt, blockiert oder am Zugang zur Beratung- oder Abbruchstelle hindert. Dennoch werden einzelne Verstöße geprüft.

Ist eine Gehsteigbelästigung strafbar

In Deutschland gibt es Gesetze, welche die Versammlungs- und Meinungsfreiheit schützen. Demnach dürfen Proteste gegen Abtreibung stattfinden.

Allerdings ist Deutschland ein individualistischer Staat und kein kollektivistischer. Demnach steht die Freiheit des Einzelnen über der Freiheit des Kollektivs. Die Verfassung hat die Aufgabe die Individualfreiheit zu schützen. Demnach kann die Meinungsfreiheit einer Gruppe gegen die Individualfreiheit einer Person verstoßen.

Was wurde bisher gegen Gehsteigbelästigung unternommen

In Frankfurt am Main wurde bewirkt, dass Proteste und Mahnwachen vor Arztpraxen und Beratungsstellen zwar stattfinden dürfen, aber nur außerhalb der Öffnungszeiten. Dadurch wird das Recht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit gewahrt, gleichzeitig die individuelle Bewegungsfreiheit des Einzelnen nicht verletzt.

Allerdings wurden diese ordnungsbehördlichen Verfügungen wieder durch Gerichte relativiert und einkassiert, da sich die schwangeren Frauen nicht in einer unausweichlichen Situation befinden. Das Persönlichkeitsrecht der Schwangeren sei solange unberührt, solange sie nicht zu einer Handlung gezwungen wird oder sich unmittelbar angesprochen fühle. Und dies müsse die Betroffenen nachweisen können.

Was soll das Gesetz gegen Gehsteigbelästigung bewirken

Die Ampelkoalition beschloss im Jahr 2021 ein Gesetz hervorzubringen, welches Schwangere vor Gehsteigbelästigung schützen soll. Zukünftig soll es sich um eine Ordnungswidrigkeit handeln und Verstöße sollen mit einem Bußgeld von bis zu 5.000 Euro belegt werden. Die Union äußerte Zweifel am Gesetzesvorschlag, die AfD lehnte diesen grundsätzlich ab.

Bundesfamilienministerin Lisa Paus begründete den Gesetzesvorschlag damit, dass es nichts mit dem Demonstrationsrecht zu tun habe, wenn Hilfesuchende vor solchen Einrichtungen belästigt werden. Die Bundesregierung beschloss am 24. Januar 2024 einen Gesetzesentwurf, welche die oben beschriebenen Maßnahmen enthalten soll. Laut diesem Entwurf dürfen Demonstrationen weiterhin stattfinden, sollen aber mindestens 100 Meter Abstand zu einer Beratungs- oder Abbruchstelle einhalten. Bei Verstößen können die oben genannten Ordnungsgelder verhangen werden.


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