Psychoanalytische Trieblehre, Triebtheorie nach Freud: Bedeutung & Beispiele
Die psychoanalytische Trieblehre bzw. Triebtheorie ist eine Einzeltheorie der Psychoanalyse nach Freud. Wie auch das Strukturmodell oder die psychosexuelle Entwicklungstheorie ist auch die Trieblehre nur ein Teilausschnitt, um psychisches Verhalten zu erklären, vorherzusagen und zu beschreiben.
Inhalt
- 1 Was ist die Triebtheorie nach Sigmund Freud
- 2 Psychoanalytische Trieblehre und das Strukturmodell der Psychoanalyse
- 3 Psychoanalytische Trieblehre und die kindlichen Objektbeziehungen
- 4 Psychoanalytische Trieblehre nach Freud und deren Triebarten
- 5 Die psychoanalytische Triebtheorie in der kindlichen Entwicklung
- 6 Psychoanalytische Triebtheorie und Abwehrmechanismen
- 7 Psychoanalytische Trieblehre am Beispiel der Aggression
Was ist die Triebtheorie nach Sigmund Freud
Der Begründer der Psychoanalyse ging von einer sexuellen Liebes- und Lebensenergie aus, welche das menschliche Verhalten prägt und mitbestimmt. Diese Energie nannte Freud „Libido“, was aus dem Lateinischen kommt und Begehren bedeutet.
Laut Freud sind erotische Wunschfantasien, Beziehungsbedürfnisse, aber auch Errungenschaften in Kunst und Kultur der Ausdruck der Libido. Diese Triebenergie ist angeboren und schon beim Säugling gänzlich ausgebildet. Sie ist somit für das Überleben, aber auch für die später einsetzende Weiterentwicklung des Menschen unabkömmlich.
Anhand der menschlichen Entwicklung, vom Säugling bis zum Erwachsenen, zeigt sich der Trieb in verschiedenen Ausprägungen. Säuglinge und Kleinkinder besitzen einen Trieb zur Nahrungsaufnahme, zum Nuckeln und Saugen, sowie zur Entleerung der aufgenommenen Nahrung. Dies sind biologische Prozesse, welche allerdings psychisch angestoßen werden. Das primäre Objekt ihrer Trieblust ist in diesem Fall die mütterliche Brust, welche sie mit Nahrung versorgt. Diese Triebe dienen der Selbsterhaltung und sind demnach überlebensnotwendig, weshalb sie angeboren sein müssen.
Mit zunehmendem Alter und menschlicher Reife lernt das Kind dann, seine Lust zu zügeln. Denn die Triebauslebung wird zunehmend durch eine übergeordnete psychische Instanz gestört, welche Moral und Normvorstellungen beinhaltet. Anders als der Urtrieb ist diese nicht angeboren, sondern wird anerzogen.
Somit wird beispielsweise der Trieb zum Nuckeln abgewöhnt, sobald die Stillzeit vorbei ist. Weitere Erziehungsmaßnahmen, wie beispielsweise das Trockenwerden, setzen danach ein. Diese bewirken in der kindlichen Psyche, dass dem angeboren Triebverhalten entgegengewirkt wird und die Erfüllung der kindlichen Lust entweder zeitlich verschoben oder gänzlich abgeschafft wird.
Die ursprünglichen Selbsterhaltungstriebe, wie Nahrungsaufnahme oder Beziehungsbedürfnisse (Selbsterhalt da Abhängigkeit) bleiben bestehen. Allerdings äußern sich nun andere Bedürfnisse, welche ihren Ursprung ebenfalls im Trieb haben. Denn jede psychische Energie, welche den Menschen befähigt, zu überleben, sich zu vermehren, zu lernen oder sich zu entfalten – stammt aus der Triebenergie.
Wie jede andere Energieform auch – kann diese weder verloren gehen, noch gesteigert werden. Stattdessen wird diese umgewandelt bzw. verteilt und findet sich so in allen Lebensbereichen wieder. Überall dort, wo der Mensch nach etwas strebt, kommt es zu einem Spannungsabbau von psychischer Energie, dessen Quelle die Libido bzw. der Trieb ist.
Psychoanalytische Trieblehre und das Strukturmodell der Psychoanalyse
Die Triebtheorie geht direkt in andere Modelle bzw. Einzeltheorien der Psychoanalyse über. Laut dem Strukturmodell von Freud (von 1923) existieren in der menschlichen Psyche drei Instanzen bzw. Strukturen.
Die angeborene Struktur in der menschlichen Psyche bezeichnete Freud als „das ES“. Diese folgt den Trieben und dem Lustprinzip. Das bedeutet, dass Säuglinge lediglich einfordern können, worauf sie Lust haben. Ihre Forderungen können zeitlich nicht verschoben werden, da noch keine andere psychische Instanz vorhanden ist, welche den Forderungsverzicht regeln kann. Umgangssprachlich kann man sagen: Säuglinge verstehen nicht, wieso ihre Lust gerade nicht befriedigt werden kann.
Denn die Mutter bzw. die mütterliche Brust, welche das kindliche Bedürfnis nach Nahrung erfüllt, ist demnach lediglich ein Objekt ihrer Lustbefriedigung. Der Säugling erkennt sich selbst noch nicht als „Ich“ an. Dadurch kann er auch nicht „die Anderen“ begreifen. Und somit besteht auch kein Verständnis darüber, weshalb die Lustbefriedigung durch das Objekt der Begierde (Brust) verwehrt bleibt.
Später setzt die Erziehung der Eltern ein. Diese ist geprägt durch die Vorstellungen der Erwachsenen, was deren Bedürfnisse und deren Wertvorstellungen anbelangt. Dadurch wird die Nahrungsaufnahme verzögert bzw. zeitlich verschoben. In der kindlichen Psyche bilden sich nun weitere Strukturen, welche zulassen können – dass der Trieb nicht sofort befriedigt wird.
Im weiteren Verlauf der kindlichen Entwicklung wird das Kind nun auch durch gesellschaftliche Regeln geprägt. Denn in Kitas, Schule, der Familie existieren bestimmte Vorstellungen darüber, wie man sich benimmt. Diese Verhaltenskodexe und Erziehungsmaßnahmen bilden dann eine zweite Instanz, das sogenannte „Überich“.
Nun stehen sich „Überich“ und „Es“ gegenüber und verfallen in psychischen Konflikt. Das „ES“, welches immer noch seinem Trieb nachgehen will, muss lernen, dass gewissen Regeln des „Überichs“ eingehalten werden müssen. Und das „Überich“ muss ertragen, dass die sofortige Triebauslebung – nach Spielen, nach Essen, nach Toilette – zeitweise weiterhin stattfindet. Damit es zu einer Übereinkunft zwischen ES-Trieben und Überich-Moral kommen kann, bildet sich eine dritte Instanz in der menschlichen Psyche. Freud nannte diese „das Ich„.
Diese Ich-Instanz fungiert nun als Vermittler zwischen „Überich“ und „Ich“. Dabei entscheidet „das Ich“ situationsabhängig, ob gewisse Triebe sofort ausgelebt werden oder aufgrund von Moralvorstellungen verschoben werden.
Hier ein Beispiel…
Ein Mensch (egal ob Kind oder Erwachsener), welcher zur Toilette muss, kann entscheiden – ob er in die Hose macht (sofortige Triebauslebung) oder irgendwo eine Toilette aufsucht (zeitliche Verschiebung). Um diese Entscheidung zu fällen, wird dieser Mensch die Konsequenzen seines Handelns ausloten. Dabei tauchen Fragen auf, wie:
- Wie sehen mich andere Menschen, wenn ich in die Hose gemacht habe? („Überich“)
- Lachen die Anderen? („Überich“)
- Muss ich sterben, falls ich nicht sofort auf Toilette gehe?
Des Weiteren fließen Erinnerungen in die Entscheidungsfindung ein. Vielleicht hat dieser Mensch im Kindesalter in die Hosen gemacht und wurde von den Eltern ausgeschimpft oder von anderen Kindern ausgelacht. Weitere Erinnerungen gehen auf ähnliche Situationen zurück.
- Wie lange kann ich aushalten bzw. konnte beim letzten Mal aushalten?
- Was ist passiert, als ich das letzte Mal solange ausgehalten habe?
Die Ich-Instanz der Psyche ahnt somit Konsequenzen voraus, ruft Erinnerungsdaten ab und trifft dann eine rationale Entscheidung. Sie wägt dadurch zwischen den Trieben der ES-Instanz und den gesellschaftlichen Konventionen („Überich“) ab.
Je älter ein Mensch ist, desto leichter fällt ihm diese Entscheidung. Denn dessen Erinnerungsdaten tendieren deutlich zur Forderung der Überich-Instanz. Außerdem hat dieser Mensch zahlreiche ähnliche Situationen erlebt, bei denen er gelernt hat – dass er nicht daran sterben wird.
Psychoanalytische Trieblehre und die kindlichen Objektbeziehungen
Ein Kleinkind hat kaum bzw. keine Erinnerungen, welche es als Referenzen heranziehen kann. Demnach ist das Abgewöhnen der Windeln und dem Aufgeben des eigenen Triebes auch etwas Existenzbedrohendes für das kindliche Gemüt. Jede Zeitverschiebung im Triebausleben und deren Konsequenzen muss erlebt werden, bevor die kindlichen Instanzen den neuen Umstand als nicht lebensbedrohlich abschwächen können.
Und so kommt es, dass falls die Mutter den kindlichen Trieben nicht nachkommt bzw. diese hinauszögert, es zu einer Störung der Objektbeziehung (Mutter-Kind-Beziehung) kommt. Aber gerade dadurch ergeben sich Objektbeziehungen, welche für die Entwicklung des Kindes förderlich sind. Das Objekt (Bezugsperson) vereint demnach Liebe (bei Versorgung) und Hass (bei Verwehrung). So bilden sich auch weitere Emotionen, wie Freude (bei Wunscherfüllung) und Wut (bei Enthaltung).
Psychoanalytische Trieblehre nach Freud und deren Triebarten
Freud entwarf die ursprüngliche Triebtheorie 1905. In dieser tauchten bereits verschiedene Triebarten auf, welche sich entweder nach Funktion oder ihrer Entstehung klassifizieren lassen. Die Einteilung nach der Entstehung:
- Primärtriebe: Dies sind die angeborenen Triebe nach Luft zum Atmen, Nahrung, Ruhe, Sexualität, Entspannung usw.
- Sekundärtriebe: Diese ergeben sich aus den Primärtrieben und der Objektbeziehung. Demnach sind dies Triebe, welche unweigerlich mit der Person zu tun haben, welche den Säugling versorgt. Sekundärtriebe sind zb. Anerkennung und Sicherheit.
Die Einteilung nach Funktion sieht Folgendes vor:
- Lebenstriebe: Diese bezeichnet Freud als „Eros“. Hier sind diverse Primärtriebe, wie Sauerstoffaufnahme, Essen, Trinken gemeint.
- Todestriebe: Der Todestrieb wird von Freud als Thanatos bezeichnet. Dieser beschreibt den Drang, das organische Leben wieder in seinen Urzustand zurückführen zu wollen. Hier finden sich auch Erklärungen und Ansätze zur Aggression und Gewalt.
Schauen wir uns die einzelnen Triebarten einmal an.
Die Primärtriebe habe ich oben schon erläutert, auch deren Konsequenz für die Objektbeziehung, sowie die Entstehung von Emotionen.
Aber da gibt es noch mehr…
Denn die Trieblehre lässt sich anhand verschiedener psychosexueller Entwicklungsstufen erklären, welche Freud als infantile Sexualität bezeichnete.
Die psychoanalytische Triebtheorie in der kindlichen Entwicklung
Laut Freud durchläuft die Entfaltung der Libido verschiedene Phasen, welche altersabhängig sind. Altersabhängig deshalb, weil nun das Strukturmodell mit „Es“, „Überich“ und „Ich“ ebenfalls wirkt.
- In der ersten Phase, der sogenannten orale Phase, bestimmt das „ES“ als einzige psychische Instanz über das Verhalten des Kindes. Wie oben bereits beschrieben, wird die kindliche Psyche durch den Trieb angeregt, welcher sofort erfüllt werden muss. Die Primärtriebe werden hier komplett ausgelebt und eingefordert. Die Mutter wird zum Objekt der Triebbefriedigung, welche sich auch im Nuckeln und Saugen äußert. Das Kind ertastet seine Umwelt lediglich mit dem Mund, weshalb Freud die Phase als oral bezeichnete.
- Ab dem zweiten Lebensjahr beginnt die anale Phase. Als erogene Zone des Kindes dient nun nicht mehr der Mund, sondern der After (lat. Anal). Alles was mit Ausscheiden zu tun hat, bereitet dem Kleinkind große Lust. Auch Dreck als Symbol für den eigenen Kot ist lustfördernd. In dieser Phase kommt es zu ersten Konflikten, da die Eltern das Kind zur Sauberkeit erziehen wollen. Dadurch bildet sich das „Überich“, welches genau die elterlichen Forderungen als interne Stimme der Vernunft vertritt. Dies erscheint zuerst als ein äußerlicher Konflikt zwischen Eltern und Kind. Dann bildet sich ein innerer Konflikt zwischen „Überich“ und „Es“, welchen das „Ich“ regeln muss.
- Ab dem vierten bis etwa zum fünften Lebensjahr setzt die phallische Phase ein. Phallos ist griechisch und bezeichnet den männlichen Penis. In dieser Lebensphase entdecken Kinder ihre Geschlechtsorgane als erogene Zone und spielen an diesen herum. Weiterhin entdecken sie die Organe ihrer Altersgenossen und es entsteht eine Faszination für das andere Geschlecht. Laut Freud entsteht hier bei Mädchen eine Art „Penisneid“ und bei Jungen die „Kastrationsangst“. Diese Phase ist geprägt von ersten Vorstufen sexueller Wunschfantasien, welche ebenfalls von Eltern unterdrückt werden können. Das „Ich“ muss deshalb wieder zwischen den Trieben des „ES“ (Sexualtrieb) und den Forderungen des „Überichs“ vermitteln. In dieser Phase findet außerdem eine Verlagerung zum ganzheitlichen Lustobjekt statt. Jungen empfinden eine erotische Zuneigung zu ihrer Mutter und Frauen zu ihren Vätern. Den anderen Elternteil wollen sie insgeheim ablösen.
- Nachdem die Kinder gelernt haben, dass sie den andersgeschlechtlichen Elternteil nicht ablösen können, dringen sie in die Latenzphase ein. Diese beginnt im fünften Lebensjahr und dauert bis zur Pubertät. Der Spiel-Trieb richtet sich nun auf das eigene Geschlecht. Jungen spielen mit Jungen. Und Mädchen spielen mit Mädchen. Diese Phase dient der Findung der eigenen Sexualität und dem Entfremden des Andersgeschlechtlichen. Dadurch kann die Sexualität in der Pubertät neu entfachen, da der Andersgeschlechtliche Part wieder viel Neues verspricht.
- In der genitalen Phase richtet sich die Libido-Energie auf das andere Geschlecht. Die Phase beginnt in der Pubertät und endet im späten Erwachsenenalter. Homosexualität galt zu Freuds Zeiten noch als Krankheit und fand hier keine Beachtung.
Die Triebe insbesondere der spezifische Sexualtrieb durchläuft nach Freuds Annahmen diese 5 Stufen. Die Lustobjekte am eigenen Körper sind die entsprechenden erogenen Zonen, welche ein Kind zur Befriedigung nutzt. Erogen stammt ebenfalls von Freud, welcher die Lebensenergie als „Ero“ bezeichnete.
In den einzelnen Phasen kann es zu Komplikationen zwischen Eltern und Kind kommen. Diese äußert sich in verschiedenen Konflikten, welche das Kind innerpsychisch verarbeitet. Dabei sei gesagt, dass diese Konflikte notwendig sind, um als Mensch heranzureifen. Ohne diese Konflikte würde ein Kind nicht in die nächste Phase kommen und in seiner Entwicklung stehenbleiben.
Allerdings äußern sich die Eltern-Kind-Konflikte auch im Inneren des Kindes. Denn das „Überich“ übernimmt zunehmend die Rolle des Kontrolleurs und verbannt die innerlichen Triebe des Kleinkindes. Das Kind lernt bestimmte Triebe aufzuschieben, um andere Dinge zu erreichen. So entwickeln sich aus den primären und lebensnotwendigen Trieben heraus bestimmte Wünsche nach Selbstentfaltung, Fähigkeitsausbildung oder Erfolgsabsichten.
Die Trennung von Trieben ist für die kindliche Psyche schmerzhaft. Gleichzeitig sorgt diese Entbehrung für eine Spannung zwischen Realität und Wunsch. Dadurch schafft sich die kindliche Psyche eine sogenannte halluzinatorische Wunscherfüllung. Diese entwickelt sich aus dem Drang zur Größe und Allmacht, welcher in einer übergroßen Wunschvorstellung von sich selbst mündet.
Denn die kindliche Psyche begreift immer mehr, dass sie ihr Triebverhalten ablegen muss und schafft deshalb ein übermächtiges Abbild, welches alles schaffen bzw. behalten kann. In der Psychoanalyse spricht man vom narzisstischen System, benannt nach dem griechischen Halbgott Narziss, welcher sich in sein Spiegelbild verliebte.
Die kindliche Psyche glaubt in dieser Phase, dass sie zu Allem fähig ist, wird aber in späteren Entwicklungsphasen durch sich selbst enttäuscht. Eltern und Bezugspersonen sorgen dann dafür, dass aus dem primären Narzissmus (Ende der oralen Phase) im weiteren Entwicklungsverlauf ein gesunder Ehrgeiz wird. Das Aufgeben dieser halluzinatorischen Wünsche und Größenfantasien weicht dann immer mehr einer Verwirklichung von realisierbaren Zielen.
Dieses Umlenken in neue Bahnen ist möglich aufgrund der entstandenen Ich-Instanz. Diese sorgt dafür, dass „ES-Triebe“ und „Überich-Forderungen“ kritisch betrachtet, wenn nötig hinterfragt und einem größeren Ziel untergeordnet werden.
Psychoanalytische Triebtheorie und Abwehrmechanismen
Neben den Strukturmodell und dem Entwicklungstheorie stellte Freud eine weitere Theorie auf, welche beiden voraus ging. Nach diesem Theorem existieren in der menschlichen Psyche drei Ebenen:
- Das Bewusste
- Das Unbewusste
- Das Vorbewusste
Diese Bewusstseinsebenen bildeten die Grundlage für das Strukturmodell (Ich, Es, Überich), wonach bestimmte Instanzkonflikte sich nur im Unbewussten abspielen. Der Grund, weshalb diese nicht ins Bewusstsein gelangen – sind sogenannte Abwehrmechanismen bzw. Widerstände.
Diese Barrieren schafft die Ich-Instanz, um die Forderungen des „Überichs“ gegenüber dem „ES“ durchzusetzen. Dabei dienen die Barrieren bzw. Abwehrmechanismen als psychischer Verstärker und treten als Symbol auf. Häufige Widerstände sind Verzerrungen, Verleugnung, Projektionen oder Verdrängung.
Hier ein Beispiel…
Das Kind steckt inmitten der oralen Phase. Es nimmt alles Mögliche in den Mund und ertastet so seine Umwelt. Die Eltern wollen es dem Kind abgewöhnen und sagen vielleicht, dass es davon schlechte Zähne bekommt und zum Zahnarzt muss.
Das „Überich“ will nun den angeborenen Nuckeltrieb des „ES“ verbieten. Das „Ich“, welcher die Forderungen des „Überichs“ umsetzen will, beginnt einen Verstärker einzusetzen, um die „ES-Triebe“ zu unterdrücken. Dieser Verstärker kann Angst sein. Dann wird der Zahnarzt zum Symbol der Angst, welcher das spätere Kind und den späteren Erwachsenen vom Nuckeln fernhält.
Laut Freud äußern sich die Abwehrmechanismen in Ängsten, Phobien, Neurosen und anderem psychischen Leid. Den Grund für diese Symptome sieht Freud in der Unterdrückung des Triebverhaltens und den daraus resultierenden Konflikten zwischen den Instanzen.
Psychoanalytische Trieblehre am Beispiel der Aggression
Laut Freud existiert in jedem Menschen ein angeborener Aggressionstrieb. Im Zuge der psychischen Entwicklung verbietet das „Überich“ das Ausleben dieser Triebe (meistens). Denn Aggression und Gewalt sind in unserer christlichen Wertegemeinschaft verrufen. Deshalb werden diese Wunschfantasien von Eltern unterbunden bzw. aberzogen.
Um die Anti-Aggressions-Forderungen des „Überichs“ umzusetzen, erschafft das „Ich“ diverse Abwehrmechanismen. Diese gelten als Verstärker, um die Aggressionstriebe des „ES“ zu unterbinden. Die Barrieren bzw. der Abwehrmechanismus, welche den unbewussten Teil der Psyche versperren, äußern sich allerdings bei jedem Menschen unterschiedlich.
Ein Abwehrmechanismus könnte die Projektion sein. Das bedeutet, dass Menschen mit unbewusstem Aggressionstrieb scheinbar von anderen Aggressoren umgeben sind. Der Betroffene sieht sich allerdings selbst als Opfer, da der Abwehrmechanismus das Unbewusste weiter versperrt. So sind diese Menschen umgeben von Neidern und Missgünstigen und der Betroffene muss sich schützen.
Das „Überich“ hat dann ein Selbstbild von einem liebenswerten Menschen mit Anti-Aggressions-Haltung erschaffen, welcher gut erzogen ist, sich aber gegen aggressive Mitmenschen wehren muss. Dieser Mensch findet dann in seiner unmittelbaren Umgebung ständig andere Menschen, welche ihm böses wollen. Dies können die Nachbarn sein, welche zu laute Musik hören. Aber auch Arbeitskollegen, gegen welche sich der gutwillige Mensch durchsetzen muss.
Ist das so?
Falls ein sogenannter Anti-Aggressions-Mensch ständig von potentiellen Feinden umgeben ist, will dieser Mensch – laut Psychoanalyse – vielleicht nur seine eigenen Aggressionstriebe ausleben. Dies kann er aber nicht, da er eine vernünftige Erziehung genossen hat, welche dies untersagt.
Das „Ich“ hat somit eine Projektion von seinen eigenen Wunschfantasien erschaffen, welche dieser Mensch übertrieben stark in anderen Menschen wahrnimmt. Somit unterstellt er jedem Anderen böswillige Absichten, um sich insgeheim mit diesem streiten zu können. Gleichzeitig sieht er sich als Opfer, muss sich schützen und lässt sich nicht herumschubsen.
Ein anderer Abwehrmechanismus um den angeborenen Aggressionstrieb zu unterbinden, sieht Freud in der Verzerrung. Menschen träumen nachts oder tagsüber, dass sie verfolgt werden. Der Wunsch jemanden anderen zu verfolgen, kommt als Symbol des Verfolgers auf, allerdings verzerrt bzw. als Gegensatz.
Eine andere Abwehrstrategie des „Ich“ ist die Verleugnung. Menschen, welche sich selbst als ruhig, gelassen, pazifistisch darstellen, leugnen jede Art von Wutausbruch und aggressiver Anfeindung. Meistens sind die Anderen Schuld oder der Zuschauer hat sie völlig falsch verstanden. Den Aggressor wird allerdings auch hier nicht bewusst, dass er sich aggressiv verhalten hat – denn das Unbewusste lässt keine Einblicke zu.
Um Triebe zu erkennen, deren Abwehrmechanismen aufzulösen, ist psychoanalytische Arbeit notwendig. Im freien Assoziieren oder der Traumdeutung sah Freud den Weg ins Unbewusste.